AlVG §38
AlVG §9
B-VG Art133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:L501.2256425.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichter Monika DANILKOW und Dr. Andreas GATTINGER als Beisitzer über die Beschwerde von Herrn XXXX , VSNR XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wels vom 11.05.2022 betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe für den Zeitraum 25.04.2022 bis 19.06.2022, nach Beschwerdevorentscheidung vom 15.06.2022, GZ. LGS OÖ/Abt.2/2022-0566-4-007891-JK, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.08.2022 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
I.1. Mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 11.05.2022 wurde ausgesprochen, dass die nunmehr beschwerdeführende Partei (in der Folge mitunter „bP“) gemäß § 38 iVm § 10 AlVG 1977 ihren Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum 25.04.2022 bis 19.06.2022 verloren hat. Begründend wurde ausgeführt, dass sie durch ihr Verhalten eine mögliche Arbeitsaufnahme einer zumutbaren zugewiesenen Beschäftigung bei einer näher bezeichneten Firma vereitelt habe; Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen lägen nicht vor bzw. könnten nicht berücksichtigt werden.
In ihrer fristgerecht erhobenen Beschwerde erklärte die bP, dass ihr aufgrund der dem AMS bekannten gesundheitlichen Einschränkungen nur eine wöchentliche Arbeitszeit im Ausmaß von 20 Stunden pro Woche bzw. max. 4 Stunden pro Tag möglich seien, die vermittelte Stelle jedoch eine wöchentliche Arbeitszeit im Ausmaß von 25 Stunden bzw. 5 Stunden pro Tag vorgesehen habe. Ihr sei die vorgeschlagene Beschäftigung sohin nicht zumutbar gewesen. Der Beschwerde beigelegt waren ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Primarius XXXX , LL.M (in der Folge „Primarius Dr. R.“) vom 11.2.2020, ein im Auftrag der Pensionsversicherungsanstalt erstellter Psychodiagnostischer Untersuchungsbericht von XXXX , BA MA, Psychologe, (in der Folge „Mag. G. BA MA“) vom 14.3.2022 und ein im Auftrag der Pensionsversicherungsanstalt (Untersuchung im Kompetenzzentrum Begutachtung) erstelltes Gutachten von XXXX , Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, (in der Folge „Dr. L.“) vom 18.12.2021.
I.2. Mit Bescheid vom 15.06.2022 wies die belangte Behörde die Beschwerde im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 VwGVG iVm § 56 AlVG ab. Begründend wurde ausgeführt, dass der beschwerdeführenden Partei am 14.4.2022 eine Beschäftigung als Küchenhilfskraft im Ausmaß von 20 Stunden pro Woche in einem indischen Restaurant mit mindestens kollektivvertraglicher Entlohnung verbindlich angeboten worden sei. Mit E-Mail vom 24.4.2022 habe die beschwerdeführende Partei bekannt gegeben, sich nicht bewerben zu wollen, weil sie laut Gutachten für max. 20 Stunden pro Woche aufgeteilt auf 4 Stunden pro Tag einsatzfähig sei. Das Stellenangebot habe jedoch ein Ausmaß von 5 Stunden pro Tag und sei sohin rechtswidrig. In der am 6.5.2022 aufgenommenen niederschriftlichen Einvernahme habe die beschwerdeführende Partei abermals erklärt, sie könne nur vier Stunden pro Tag arbeiten, das Stellenangebot sehe jedoch 5 Stunden pro Tag vor. Das AMS habe daraufhin die Notstandshilfe für den gegenständlichen Zeitraum versagt. In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde wiederholte die beschwerdeführenden Partei ihre Einwände. Mit Schreiben vom 2.6.2022 sei die beschwerdeführende Partei über das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens informiert und ihr mitgeteilt worden, dass nach den beiden aktuellen Gutachten vom 15.11.2021 und vom 14.3.2022 ihr Vorbringen ins Leere gehe, da sie nämlich für bis zu 25 Wochenstunden, sohin für bis zu 5 Stunden täglich einsetzbar wäre. Laut Vermittlungsvorschlag habe die Arbeitszeit 20 Wochenstunden in einer Rahmenarbeitszeit zwischen 17:00 Uhr und 22:00 Uhr betragen, weshalb allein aus dem Vermittlungsvorschlag keine Unzumutbarkeit der angebotenen Beschäftigung abgeleitet werden könne. Es sei deshalb an der beschwerdeführenden Partei gelegen, die Beschäftigungsmöglichkeit nicht von vornherein abzulehnen, sondern im Zuge des Bewerbungsprozesses allfällige Bedenken gegen die Zumutbarkeit mit dem potentiellen Dienstgeber im Hinblick auf die erst zu konkretisierende, tatsächliche tägliche Arbeitszeit zu klären. In ihrer Stellungnahme vom 13.6.2022 habe die beschwerdeführende Partei ausgeführt, dass im Obergutachten des Primarius Dr. Christian Röper („Primarius Dr. R.“) festgestellt worden sei, dass sie dauerhaft max. 4 Stunden täglich arbeiten könne.
Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass der beschwerdeführenden Partei laut dem im Akt einliegenden Gutachten der Pensionsversicherungsanstalt von 15.11.2021 eine Beschäftigung im Ausmaß von 25 Stunden pro Woche, aufgeteilt auf 5 Tage zumutbar sei. Der belangten Behörde erschließe es sich nicht, warum es sich beim Gutachten vom 11.2.2020 (Gutachten von Primarius Dr. Christian Röper, - „Primarius Dr. R.“) um ein Obergutachten handeln solle. Es handle sich hierbei vielmehr um ein gleichwertiges älteres Gutachten, das aber in keinem Widerspruch zum Gutachten vom 5.11.2021 stehe, zumal darauf hingewiesen worden sei, dass eine Besserung des Gesundheitszustandes möglich sei. Der Mutmaßung der beschwerdeführenden Partei, die maximal zulässige Arbeitszeit sei dauerhaft festgestellt worden, könne im Hinblick auf die Zukunftsprognose (Seite 21) nicht gefolgt werden.
Rechtlich wurde ausgeführt, dass es an der beschwerdeführenden Partei gelegen wäre, im Zuge des Bewerbungsprozesses die konkreten Rahmenbedingungen der täglichen Arbeitszeit abzuklären, zumal die wöchentliche Arbeitszeit ohnedies nur 20 Stunden pro Woche betragen und sohin im Gutachten von 11.2.2020 entsprochen habe die beschwerdeführende Partei habe durch ihr Verhalten die weiteren Stufen des Bewerbungsprozesses nicht erreicht, sodass eine Vereitelung vorliege.
I.3. Mit Schreiben vom 27.6.2022 beantragte die bP die Vorlage ihrer Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 16.08.2022 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, bei der die bP und der Sachverständige XXXX („Dr. L.“) einvernommen wurden. Im Zuge der Verhandlung legte die bP vor: Heilpädagogisches Gutachten der XXXX -Kinderklinik vom 03.05.1995, berufskundlich-arbeitspsychologisches Gutachten von a. Univ.- XXXX (in der Folge „a. Univ.-Prof. Dr. K.“) vom 09.11.2017, XXXX , in einem Verfahren betreffend Invaliditätspension, berufskundlich-arbeitspsychologisches und klinisch-psychologisches Aktengutachten vom XXXX , von a. XXXX , (in der Folge „a. Univ.-Prof. Dr. K.“) erstellt im Zusammenhang mit einer Pflegschaftssache betreffend den mj. Sohn der bP.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde das im Zuge eines Verfahrens auf Gewährung einer Invaliditätspension im Auftrag der Pensionsversicherungsanstalt von XXXX , Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, (in der Folge „Dr. L.“) erstellte Gutachten vom 18.12.2021 unter Einbeziehung der weiteren von der bP vorgelegten, unten angeführten Gutachten erörtert.
I.4. Auszüge aus den seitens der bP vorgelegten Sachverständigengutachten:
a) Heilpädagogisches Gutachten der XXXX -Kinderklinik vom 03.05.1995
Diagnose:
- Psychosoziale Deprivation
- Endogene prozesshafte Entwicklung mit Tendenz zur Spaltung
b) berufskundlich-arbeitspsychologisches Gutachten von a. Univ.-Prof. Dr. Gerhard Kette („a. Univ.-Prof. Dr. K.“) vom 09.11.2017
Der Kläger ist am allgemeinen Arbeitsmarkt unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes (Erster Arbeitsmarkt) noch vielfältig einsetzbar.
Noch zumutbar sind beispielsweise folgende Tätigkeiten:
- Hilfsarbeiter in der industriellen Fertigung (Durchführung leichter Verpackungsarbeiten, einfacher Montage- und Fertigungsarbeiten)
- Bürohausbote, Bürodiener, Tagportier, Wächter, Aufseher
- Telefonist in einer betriebsinternen Telefonvermittlung
- Einfache Reinigungsarbeiten, beispielsweise in der Büroreinigung
Verweisbarkeit am Regelarbeitsmarkt ist jedenfalls gegeben. Eine Wohnsitzverlegung ist zumutbar, auch Wochenpendeln.
c) berufskundlich-arbeitspsychologisches und klinisch-psychologisches Aktengutachten vom 22.05.2019, von XXXX , („a. Univ.-Prof. Dr. K.“)
Die konkrete Vermittlungswahrscheinlichkeit für Arbeitsstellen am allgemeinen Arbeitsmarkt ist als außergewöhnlich gering zu bewerten. Auch wenn im Gutachten des gefertigten Sachverständigen vom 09.11.2017 die Frage der Verweisbarkeit bejahrt wurde, ist die begriffliche Unterscheidung zwischen „Verweisbarkeit“ und „Vermittelbarkeit“ zu berücksichtigen. Der in arbeits- und sozialgerichtlichen Verfahren häufig verwendete Begriff der „Verweisbarkeit“ bezeichnet die theoretische Einsetzbarkeit des Untersuchten unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes für Arbeitsstellen, die am Ersten Arbeitsmarkt existieren. Beim Begriff „Verweisbarkeit“ werden auch die besetzten Arbeitsstellen mit dem Anforderungsprofil, das dem Leistungskalkül entspricht, berücksichtigt, bei der „Vermittelbarkeit“ die tatsächliche Wahrscheinlichkeit, eine Arbeitsstelle zu erlangen.
Aus den (unüberprüften) Angaben der bP ergibt sich, dass sie seit einem Jahr im Krankenstand ist, ergibt sich zudem, dass Arbeitsfähigkeit derzeit nicht gegeben ist. Auch wenn die behandelnde Neurologin, in ihren Stellungnahmen darauf hinweist, dass zumindest eine Halbtagesbeschäftigung für das Erlernen einer Tagesstruktur sehr wichtig wäre, ist dennoch festzustellen, dass aufgrund der langen Phasen des Krankenstandes und der immer wieder auftretenden Leistungsverminderungen eine Vermittelbarkeit unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes derzeit nicht gegeben ist.
d) Neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Primarius XXXX , LL.M („Primarius Dr. R.“) vom 11.2.2020:
Folgende neurologisch-psychiatrische Erkrankungen können festgestellt werden:
1. Posttraumatische Belastungsstörung (F43. I) - in Remission
2. Vordiagnostizierte kombinierte Persönlichkeitsstörung mit emotional-instabil, ängstlich-vermeidenden Anteilen (F61)
3. Low-dose-Benzodiazepinabhängigkeit
4. Rezidivierende depressive Störung-gegenwärtig leichtgradig
neurologisch-psychiatrisches Leistungskalkül:
Leistungskalkül:
Arbeitszeit-Arbeitspausen: Es bestehen Einschränkungen der Tages-und Wochenarbeitszeit. Zumutbar sind Arbeiten bei einer 20-Stunden-Woche aufgeteilt auf 5 Arbeitstage zu je 4 Stunden. Zusätzliche Arbeitspausen sind nicht erforderlich.
Zukunftsprognose:
Es kann nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Verbesserung des Leistungskalküls ausgeschlossen werden. Bei Optimierung der derzeit bestehenden medikamentösen antidepressiven Therapie, aber auch unter Ausschöpfung sämtlicher psychotherapeutischer Maßnahmen wäre noch eine Verbesserung des Leistungsprofils möglich.
e) im Auftrag der Pensionsversicherungsanstalt (Untersuchung im Kompetenzzentrum Begutachtung) - im Zuge eines Antrages auf Gewährung einer Invaliditätspension - erstelltes Gutachten von XXXX , Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, („Dr. L.“) vom 18.12.2021.
Diagnosen:
Hauptdiagnose: ICD-10: F61, kombinierte Persönlichkeitsstörung (emotional instabil, anamnestisch ängstlich, vermeidend)
weitere Diagnosen: Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichtgradig; posttraumatische Belastungsstörung, Low-dose-Benzodiazepin-Abhängigkeit
ärztliche Beurteilung der Leistungsfähigkeit: Er ist derzeit mit Einschränkungen einsetzbar. Für maximal 25 Wochenstunden. Für leicht bis mittelschwere körperliche Arbeitsschwere. Kein Publikumsverkehr. Keine Nachtarbeit. Nur fallweise Lärmexposition.
Prognose: Ist eine Besserung des Gesundheitszustandes möglich? In welchen Zeitraum? 12 Monaten
Begründung: Vor allem bei Fortsetzung der bestehenden Therapien, eventuell Beginn Traumatherapie, ambulant oder stationär.
f) Psychodiagnostischer Untersuchungsbericht von XXXX , BA MA, Psychologe, („Mag. G. BA MA“) vom 14.3.2022
g) Chefärztliche Stellungnahme vom 15.3.2022, Pensionsversicherungsanstalt, XXXX Hauptdiagnose: Kombinierte Persönlichkeitsstörung (emotional instabil, anamnestisch ängstlich, vermeidend), F61
Berufsschutz liegt nicht vor
Das Gesamtleistungskalkül reicht für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aus.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen
II.1. Feststellungen
II.1.1 Die beschwerdeführende Partei bezieht seit 17.10.2010 mit kurzen Unterbrechungen Notstandshilfe.
Mit Schreiben vom 14.4.2022 wurde der bP nachstehendes Stellenangebot als Küchenhilfskraft übermittelt, über die Rechtsfolgen gemäß § 10 AlVG informiert und ihr aufgetragen, sich sofort - wie im Inserat beschrieben - zu bewerben, das AMS innerhalb von acht Tagen über das Ergebnis bzw. den aktuellen Stand ihrer Bewerbung zu informieren sowie das AMS unverzüglich zu kontaktieren, falls das Stellenangebot nicht zu ihren Qualifikationen oder zu den geschlossenen Vereinbarungen passe.
„Name der Firma
Indisches Restaurant sucht
1 Küchenhilfskraft (m/w/d)
Teilzeitanstellung 20 Wochenstunden
Arbeitszeit nach Dienstplan 17:00 bis 22:00 Uhr
auch Wochenende
Tätigkeiten:
- Hilfstätigkeiten in der Küche
- Küchenreinigung
Anforderungen
- keine besonderen Vorkenntnisse erforderlich, Anlernung im Betrieb möglich
Bewerbungen bitte nach telefonischer Terminvereinbarung bei (Name und Telefonnummer)
Entgeltangaben des Unternehmens:
Das Mindestentgelt für die Stelle als Küchenhilfskraft beträgt € 1.575,-- EUR brutto pro Monat auf Basis Vollzeitbeschäftigung. Bereitschaft zur Überzahlung.“
Die bP hat dem AMS nach Erhalt des Stellenangebots mit E-Mail vom 24.4.2022 mitgeteilt, dass das Stellenangebot als Küchenhilfskraft nicht den im Gutachten von Primarius , LL.M („Primarius Dr. R.“) vom 11.2.2020 vorgesehenen Arbeitsbedingungen entspreche. Laut Gutachten sei sie pro Woche max. 20 Stunden einsatzfähig, dies aufgeteilt auf 4 Stunden pro Tag. Das Stellenangebot sehe jedoch eine Arbeitszeit von 5 Stunden pro Tag vor.
Die beschwerdeführende Partei hat sich nicht in der im verfahrensgegenständlichen Stellenangebot beschriebenen Form bei der Firma beworben.
Das Beschäftigungsverhältnis kam nicht zustande. Die bP nahm bis dato keine die Arbeitslosigkeit ausschließende Beschäftigung auf.
II.1.2. Die bP leidet an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung (emotional instabil, anamnestisch ängstlich, vermeidend); einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig leichtgradig; einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer Low-dose-Benzodiazepin-Abhängigkeit
Das Gesamtleistungskalkül reicht für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aus.
Der bP sind vollschichtige Tätigkeiten mit überwiegendem Sitzen, Stehen, Gehen, Schichtarbeit sowie forcierte Belastung der Hände bei normalem Arbeitstempo möglich; die körperliche Arbeitsschwere ist auf leicht bis mittelschwer eingeschränkt, Zwangshaltungen sind fallweise möglich, Publikumsverkehr und Nachtarbeit (= Arbeitszeit ab 22:00 Uhr) sind nicht möglich. Die Arbeitszeit ist auf 25 Stunden pro Woche eingeschränkt. Ein Wochenenddienst ist nicht ausgeschlossen.
Die angebotene Beschäftigung war den psychischen und körperlichen Fähigkeiten der bP angemessen und gefährdete nicht ihre Gesundheit. Die Anforderungen der Beschäftigung entsprachen dem individuellen Leistungsvermögen der bP.
Der bP war der Inhalt des Gutachtens von XXXX („Dr. L.“) vom 18.12.2021, des Psychodiagnostischen Untersuchungsberichts von XXXX , BA MA, Psychologe, („Mag. G. BA MA“) vom 14.3.2022 und der Chefärztlichen Stellungnahme vom 15.3.2022, XXXX , bekannt.
II.2. Beweiswürdigung
Beweis wurde erhoben durch Abführung einer mündlichen Verhandlung unter Einschluss und Zugrundelegung des dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde sowie des Gerichtsaktes.
Der Bezug der Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz ergibt sich aus dem aktenkundigen Bezugsverlauf.
Das im Zuge eines Antrages auf Gewährung einer Invaliditätspension seitens der Pensionsversicherungsanstalt erstellte Gutachten von XXXX , Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, („Dr. L.“) vom 18.12.2021 ist ausführlich begründet, schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Die getroffene Einschätzung basiert auf dem im Rahmen der klinischen Untersuchung erhobenen Befund unter Einbeziehung der vorgelegten Atteste. Der bP gelang es zudem nicht, Ungereimtheiten oder Widersprüche aufzuzeigen.
Wie der Sachverständig im Rahmen der mündlichen Gutachtenserörterung ausführte, hat sich die psychische Verfassung der bP seit Erstellung des neurologisch-psychiatrischen Gutachten von Primarius , LL.M („Primarius Dr. R.“) vom 11.2.2020 gebessert, was auch durch das Ergebnis des im Auftrag der Pensionsversicherungsanstalt erstellten Psychodiagnostischen Untersuchungsberichts von XXXX , BA MA, Psychologe, („Mag. G. BA MA“) vom 14.3.2022 bestätigt werde. So finde sich dort u.a. unter dem Pkt. „Hinweise zur Leistungsdiagnostik“ folgende Aussage: „Die objektiven Leistungstestverfahren und die standardisierten Aufgaben wurden instruktionsgemäß bearbeitet. Die Ergebnisse bei den objektiven Leistungstestverfahren sprechen für eine altersentsprechende bzw. durchschnittliche Leistungsfähigkeit in den geprüften Leistungsbereichen. Die Ergebnisse korrespondieren mit dem klinischen Eindruck. Subjektiv wird die geistige Leistungsfähigkeit, dem Ergebnis eines Selbstbeurteilungsfragebogens nach, als durchschnittlich erlebt.“ Zudem könne der bP lt. diesem Untersuchungsbericht „ein normales bis fallweise forciertes Arbeitstempo bei üblichen Arbeitspausen zugemutet werden“. Auf konkrete Nachfrage gab Herr XXXX , („Dr. L.“) dezidiert an, dass der bP nunmehr 25 Wochenstunden möglich seien und zwar ohne Beschränkung auf vier Stunden pro Tag.
Die noch im neurologisch-psychiatrischen Gutachten von Primarius , LL.M („Primarius Dr. R.“) vom 11.2.2020 vorgesehene Einschränkung auf eine 20-Stunden-Woche, aufgeteilt auf 5 Arbeitstage zu je 4 Stunden, ist aufgrund der – auch in diesem Gutachten für nicht ausgeschlossen gehaltenen - Besserung des Gesundheitszustandes nicht mehr erforderlich. So verweist auch XXXX („Dr. L.“) im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf Pkt. 11. des Gutachtens von Primarius , LL.M („Primarius Dr. R.“) vom 11.2.2020, wonach bei Optimierung der derzeit bestehenden medikamentösen antidepressiven Therapie, aber auch unter Ausschöpfung sämtlicher psychotherapeutischer Maßnahmen noch eine Verbesserung des Leistungsprofils möglich wäre und merkt dazu an, dass er die die bP behandelnde Ärztin sehr gut kenne und diese immer nur die optimierte Therapie anwende. Soweit die bP die Absolvierung einer Psychotherapie im Rahmen der mündlichen Verhandlung verneinte, ist zu betonen, dass sie im Rahmen der Anamnesegespräche sowohl bei Herrn Primarius , LL.M („Primarius Dr. R.“) am 11.02.2020 als auch bei XXXX , Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, („Dr. L.“) am 15.11.2021 gegenüber angab, sich einer Psychotherapie zu unterziehen, gegenüber Herrn „Dr. L“ zudem, dass sie seit etwa 2019 in einer regelmäßigen Psychotherapie stehe.
Schließlich ist auch den von der bP im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegten Gutachten von a. Univ.-Prof. Dr. Gerhard Kette („a. Univ.-Prof. Dr. K.“) vom 09.11.2017 bzw. vom 22.05.2019 keine Einschränkung des Leistungskalküls auf 4 h pro Tag zu entnehmen; vielmehr ist die bP lt. Gutachten vom 09.11.2017 am allgemeinen Arbeitsmarkt unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes (Erster Arbeitsmarkt) noch vielfältig einsetzbar und ist Thema im Aktgutachten vom 22.05.2019 die „Vermittelbarkeit“, sohin die tatsächliche Wahrscheinlichkeit, eine Arbeitsstelle zu erlangen. Gegenständlich kam es allerdings sehr wohl zum Anbot einer Arbeitsstelle und ist überdies die bereits oben dargestellte Verbesserung des psychischen Gesundheitszustandes zu beachten.
Wenn die bP moniert, dass von XXXX („Dr. L.“) keine Zwangsstörung diagnostiziert worden sei, im Gutachten von Primarius , LL.M („Primarius Dr. R.“) aber sehr wohl, so ist anzumerken, dass auch Dr. R. keine festgestellt hat, sondern lediglich in der von der bP erwähnten Passage aus der Klage vom 19.11.2019, XXXX , zitiert. Dass Dr. R. auf Frage der bP im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht wusste, von welchem Facharzt sie Sertralin beziehe, kann – entgegen ihrer Ansicht – keinesfalls eine Unrichtigkeit des Gutachtens bewirken; anzumerken ist, dass ein Sachverständiger diesbezüglich auf Informationen des zu Untersuchenden angewiesen ist.
Warum es sich im gegenständlichen Verfahren bei Herrn Primarius , LL.M („Primarius Dr. R.“) – wie vorgebracht - um einen Oberbegutachter handeln soll, erschließt sich dem erkennenden Senat ebenso wenig, wie das von der bP vorgebrachte Verbot von Wochenenddiensten aus gesundheitlichen Gründen.
Abgesehen von den obigen Ausführungen, wäre das mit Schreiben vom 14.4.2022 übermittelte Stellenangebot grundsätzlich schon lt. Gutachten von Primarius , LL.M („Primarius Dr. R.“) nicht evident unzumutbar gewesen, zumal es sich um eine Tätigkeit im Ausmaß von 20 Wochenstunden gehandelt hätte und die Arbeit nach Dienstplan zwischen 17:00 bis 22:00 Uhr zu leisten gewesen wäre. Die von der bP im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Überstundenarbeit ist der Stellenausschreibung überdies nicht zu entnehmen.
Wenn die bP im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf die Seite 18, Punkt b) und Seite 19, Punkt c) des Gutachtens von Primarius , LL.M („Primarius Dr. R.“) vom 11.2.2020 verweist, wonach Arbeiten, die mit einer erhöhten Konzentrationsfähigkeit, Durchsetzungsfähigkeit, Eigeninitiative, Entscheidungsfähigkeit, Regulationsaufwand, Teamfähigkeit, aktivem und passivem Kontakt bzw. Kommunikationsfähigkeit und Verantwortungsfähigkeit einhergehen, auszuschließen seien, so ist der vom Sachverständigen XXXX („Dr. L.“) unter Bezugnahme auf den Psychodiagnostischen Untersuchungsbericht vom 14.3.2022 erklärte, verbesserte Gesundheitszustand zu betonen. In diesem Zusammenhang sind zudem folgende Passagen des Berichts vom 14.03.2022 hervorzuheben:
„Hinweise zu den kognitiven Merkmalen: Die kognitiven Merkmalsbereiche betreffend gibt es in der Untersuchungssituation – dem klinischen Eindruck und dem gezeigten Arbeitsverhalten nach – keine besonderen Auffälligkeiten: Das Auffassungsvermögen ist dem klinischen Eindruck nach nicht beeinträchtigt. Die im Rahmen der Instruktionen vermittelten Inhalte können vom Patienten angemessen rasch, zeitweise eher zügig, aufgefasst und sinngemäß umgesetzt werden, auch bei komplexeren Instruktionen, das sinnerfassende Lesen betreffend gibt es im Untersuchungsablauf keine besonderen Auffälligkeiten. Die Aufmerksamkeit, Konzentration und die Merkfähigkeit sind im Gespräch und im Rahmen der Instruktionen gut gegeben, die Umstellung auf die wechselnden Untersuchungsinhalte gelingt dem Patienten im Untersuchungsablauf gut, auch bei raschem Instruktionswechsel. Die zur Prüfung der kognitiven Merkmale vorgegebenen Aufgaben werden dem klinischen Eindruck nach aufmerksam und konzentriert bearbeitet. Subjektiv ist die Konzentrationsfähigkeit durchschnittlich, die Lernfähigkeit gut, die Merkfähigkeit durchschnittlich.
Hinweise zu den sozialen Merkmalen: Die sozialen Merkmalsbereiche betreffend gibt es in der Untersuchungssituation – dem klinischen Eindruck und dem gezeigten arbeits-und Interaktionsverhalten nach - keine besonderen Auffälligkeiten: Der Patient erweist sich in der Untersuchungssituation als gut kontaktfähig, er lässt einen kritikfähigen Eindruck entstehen. Konkrete Hinweise, von denen verlässlich auf eine Einschränkung in der Kritisierbarkeit geschlossen werden könnte, gibt es dem klinischen Eindruck nach nicht. Das Durchsetzungsvermögen des Patienten wird dem im Rahmen der Untersuchung gezeigten Arbeits-und Interaktionsverhalten bzw. dem klinischen Eindruck nach als durchschnittlich eingeschätzt, auch die Fähigkeit zur Teamarbeit, für den Merkmalsbereich Führungsfähigkeit erscheint im Sinne einer 1. Einschätzung der dargestellten Profilwert angemessen. Das Durchsetzungsvermögen subjektiv hoch, die Führungsfähigkeiten werden subjektiv gut eingeschätzt, die Umgangsformen (arbeitsbezogen) werden subjektiv als durchschnittlich beurteilt, die Teamfähigkeit subjektiv als schlecht beurteilt.“
Gesamt gesehen, war sohin die angebotene Beschäftigung den psychischen und körperlichen Fähigkeiten der bP angemessen und gefährdete nicht ihre Gesundheit.
Das angebotene Beschäftigungsverhältnis ist unzweifelhaft nicht zustande gekommen. Dass die bP in zeitlicher Nähe zum Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses eine die Arbeitslosigkeit ausschließende Beschäftigung aufgenommen hätte, wurde weder vorgebracht noch ist dies sonst im Verfahren hervorgekommen. Auch eine vom erkennenden Gericht durchgeführte elektronische Abfrage beim Dachverband der Sozialversicherungsträger hat dergleichen nicht ergeben.
II.3. Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Die entsprechende Anordnung einer Senatszuständigkeit enthält § 56 Abs. 2 AlVG, wonach das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat entscheidet, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit .). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A) Abweisung der Beschwerde
II.3.1. Die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes lauten auszugsweise wie folgt:
Nach § 7 Abs. 1 Z 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Der Arbeitsvermittlung steht gemäß § 2 leg. cit. zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist.
Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 des Arbeitsmarktförderungsgesetzes (AMFG), BGBl. Nr. 31/1969, durchführenden Dienstleister vermittelte zumutbare Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis als Dienstnehmer im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.
Zumutbar ist gemäß § 9 Abs. 2 erster Satz leg. cit. (unter anderem) eine Beschäftigung, die den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessen ist, ihre Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet und angemessen entlohnt ist. […] Als angemessene Entlohnung gilt grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung.
Wenn die arbeitslose Person sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 AMFG durchführenden Dienstleister zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, so verliert sie gemäß § 10 Abs. 1 AlVG für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen.
Gemäß Abs. 3 leg. cit. ist der Verlust des Anspruches gemäß Abs. 1 in berücksichtigungswürdigen Fällen wie zB bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen.
Diese Bestimmungen sind gemäß § 38 AlVG auch auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.
II.3.2. Einschlägige Rechtsprechung
Die Bestimmungen der §§ 9 und 10 AlVG sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keinerlei Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein (vgl. VwGH vom 07.05.2008, 2007/08/0084, mwN).
Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits (und deshalb) aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines den Zustand der Arbeitslosigkeit beendenden (zumutbaren) Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen somit auf zwei Wegen verschuldet (d.h. dessen Zustandekommen vereitelt) werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermins, Nichtantritt der Arbeit, etc.), oder aber dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung VwGH vom 25.06. 2013, 2011/08/0052, mwN).
Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt (vgl. VwGH vom 04.07.1995, 95/08/0099). Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. VwGH vom 20.10.1992, VwSlg. Nr. 13.722/A, und vom 05.09.1995, 94/08/0050).
II.3.3. Zum gegenständlichen Verfahren:
Der Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG wird nur dann verwirklicht, wenn es sich um eine zumutbare und damit für die Zuweisung geeignete Beschäftigung handelt (vgl. VwGH 28.1.2015, 2013/08/0176, mwN). Ist eine Beschäftigung aber nicht evident unzumutbar und hat das AMS nicht von vornherein (etwa auf Grund eines diesbezüglichen Einwands des Arbeitslosen) Kenntnis von einem die Unzumutbarkeit der Beschäftigung begründenden Umstand, so kann es den Arbeitslosen zu dieser Tätigkeit zuweisen. Es liegt dann am Arbeitslosen beim Vorstellungsgespräch mit dem potenziellen Dienstgeber die näheren Bedingungen der bekannt gegebenen Beschäftigungsmöglichkeit zu erörtern (vgl. etwa VwGH 23.8.2021, Ra 2021/08/0029, unter Hinweis auf VwGH 16.3.2016, Ra 2015/08/0100).
Von einer evidenten Unzumutbarkeit der Beschäftigung ist im Hinblick auf die dem AMS und der bP durch die aufgrund der Sachverständigengutachten bekannten gesundheitlichen Einschränkungen nicht auszugehen. So sind der bP – wie vom Sachverständigen im Rahmen der mündlichen Gutachtenserörterung dargelegt - aufgrund der Besserung des Gesundheitszustandes nunmehr Tätigkeiten im Ausmaß von 25 Wochenstunden möglich, eine Einschränkung auf vier Stunden pro Tag nicht mehr erforderlich. Im Hinblick auf die bereits im psychiatrisch-neurologischen Vorgutachten vom 11.02.2020 enthaltene Zukunftsprognose, in der eine Besserung des Leistungsprofils für möglich erachtet wurde, und den Einschätzungen des Sachverständigengutachtens vom 18.12.2021, wonach u.a. nunmehr sogar 25 Wochenstunden geleisteten werden können, durfte auch die bP nicht von einer evidenten Unzumutbarkeit der angebotenen Beschäftigung ausgehen. Auch der Verweis der bP auf die Seite 18, Punkt b) und Seite 19, Punkt c) des Gutachtens von Primarius , LL.M („Primarius Dr. R.“) vom 11.2.2020 im Zuge der mündlichen Verhandlung verfängt nicht, dies aufgrund der im Psychodiagnostischen Untersuchungsbericht vom 14.3.2022 enthaltenen Hinweise zu den kognitiven und sozialen Merkmalen (vgl. Pkt. II.2. Beweiswürdigung).
In Kenntnis des Gutachtens von XXXX („Dr. L.“) und des Psychodiagnostischen Untersuchungsberichts vom 14.3.2022 wäre die bP daher verpflichtet gewesen, zunächst die erforderlichen Bewerbungsschritte in geeigneter Form zu setzen und in einem Vorstellungsgespräch die näheren Umstände der Beschäftigung zu klären. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass das Stellenangebot grundsätzlich schon lt. Gutachten von Primarius , LL.M („Primarius Dr. R.“) nicht evident unzumutbar gewesen wäre, zumal es sich um eine Tätigkeit im Ausmaß von 20 Wochenstunden gehandelt hätte und die Arbeit nach Dienstplan zwischen 17:00 bis 22:00 Uhr zu leisten gewesen wäre.
Dies hat die bP jedoch unterlassen. Sie hat sich nicht in der lt. Stellenangebot vorgeschriebenen Form beworben. Mangels evidenter Unzumutbarkeit ist bereits dieses Verhalten als Vereitelung der Annahme einer Beschäftigung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG zu werten (vgl. VwGH vom 18.06.2014, 2012/08/0187).
Die nicht erfolgte Bewerbung ist jedenfalls als kausal für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses anzusehen, zumal Kausalität bereits dann vorliegt, wenn die Chancen für das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses aufgrund der Vereitelungshandlung jedenfalls verringert werden (vgl. VwGH vom 8.9.2014, 2013/08/0005), wovon bei lebensnaher Betrachtung obiger Ausführungen zweifelsfrei ausgegangen werden muss.
In Ansehung der Unterlassung der Bewerbung hat die bP das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zumindest in Kauf genommen und damit auch mit bedingtem Vorsatz gehandelt.
Das Verhalten der bP war damit als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG zu qualifizieren.
Anhaltspunkte für das Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände iSd § 10 Abs. 3 AlVG, insbesondere eine zeitnahe Aufnahme einer anderen die Arbeitslosigkeit ausschließenden Beschäftigung, sind nicht ersichtlich.
Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie von einer Vereitlungshandlung ausging und den Anspruchsverlust der Notstandshilfe für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum aussprach.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil zu den gegenständlich anzuwendenden Bestimmungen - wie im Erkenntnis angeführt - zahlreiche Judikate des Verwaltungsgerichtshofes vorliegen, die Rechtsfragen in der bisherigen Rechtsprechung einheitlich beantwortet wurden und in der vorliegenden Entscheidung von der höchstrichterlichen Spruchpraxis auch nicht abgewichen wurde.
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