AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §60 Abs2 Z2
AsylG 2005 §60 Abs2 Z3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §27
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2025:I424.2218978.4.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Barbara EBNER, Bakk.phil. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. TÜRKEI (in der Folge: BF), vertreten durch: Verein ZEIGE, Zentrum für Europäische Integration und globalen Erfahrungsaustausch gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA/belangte Behörde) vom 25.06.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
I.
Die Beschwerde wird hinsichtlich des Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.
II.
Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.
III.
Die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem verfahrensgegenständlich angefochtenen Bescheid des BFA wurde der Antrag des BF eines türkischen Staatsbürgers, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, BGBl. I 100/2005 in der geltenden Fassung (in der Folge: AsylG 2005) abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.), festgestellt, dass die Abschiebung in die Türkei zulässig ist (Spruchpunkt III.) und ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).
Begründend wurde ausgeführt, der BF erfülle die Anspruchsvoraussetzungen des § 56 AsylG 2005 insoweit, dass er sich seit mehr als fünf Jahren durchgängig im österreichischen Bundesgebiet aufhalte, auch sei ein rechtmäßiger Aufenthalt von über drei Jahren im Bundesgebiet gegeben. Der BF habe zudem nachgewiesen, dass er das Modul 1 der Integrationsvereinbarung absolviert habe. Die Unterkunft des BF sei ortsüblich.
Jedoch verfüge der BF über keinen Krankenversicherungsschutz und könne er auch keine ausreichenden finanziellen Mittel nachweisen, welche ausschließen würden, dass er eine finanzielle Belastung für eine Gebietskörperschaft darstelle. Der BF habe lediglich einen Arbeitsvorvertrag vorgelegt, welcher nicht geeignet sei, tatsächliche und gesicherte Einnahmen darzutun. Insgesamt habe die belangte Behörde auch keine maßgeblichen Integrationsschritte erkennen können, welche die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonderen Gründen rechtfertigen würden.
Der BF wisse seit 2023, dass er zur Ausreise aus Österreich verpflichtet sei. Aus der Tatsache, dass der BF illegal in Österreich aufhältig blieb, schloss die belangte Behörde, dass er auch eine massive Gefahr für die öffentliche Ordnung darstelle.
Seit der letzten Rückkehrentscheidung hätten sich die familiären Verhältnisse des BF nicht verändert. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.02.2023 sei aktuell und hätten bereits dieselben Entscheidungsgrundlagen vorgelegen wie nunmehr.
Weiter liege kein schützenswertes Familienleben in Österreich vor, die Rückkehrentscheidung greife auch nicht unverhältnismäßig in das Privatleben des BF ein weswegen diese auch zulässig sei.
2. Mit dem am 18.07.2024 beim BFA eingebrachten Schriftsatz erhob der BF durch seine Rechtsvertretung Beschwerde gegen den vorangeführten Bescheid. In der Beschwerde wurde zwar die Geschäftszahl des angefochtenen Bescheides sowie die Partei des BF ordnungsgemäß bezeichnet, aus dem Inhalt der Beschwerde ging jedoch nicht hervor, in welchem Umfang der Bescheid der belangten Behörde angefochten werden sollte.
3. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden in weiterer Folge vom BFA vorgelegt und sind am 23.07.2024 beim Bundesverwaltungsgericht (Außenstelle Linz) eingelangt. Aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 13.08.2024 mit Wirksamkeit vom 01.09.2024 wurde die gegenständliche Rechtssache der nunmehr zuständigen Richterin zugewiesen.
4. Mit Schreiben vom 30.09.2024 wurde dem BF aufgetragen die Beschwerde zu verbessern und dem Gericht insbesondere bekannt zu geben, welche Anträge in Bezug auf die Entscheidung gestellt werden würden.
5. Am 17.10.2024 langte eine schriftliche Stellungnahme des BF per Fax ein, welche jedoch nicht lesbar war, weshalb das Gericht den BF mit Schreiben vom 28.10.2024 ersuchte den Schriftsatz nochmals einzubringen.
6. Ebenfalls am 17.10.2024 langte eine Beschwerdeergänzung betreffend die nunmehrige geschiedene Gattin und den Sohn des BF beim Bundesverwaltungsgericht ein. Das Verfahren betreffend die geschiedene Gattin des BF wurde zur GZ.: I242 221877-4, das Verfahren betreffend den Sohn des BF zur GZ.: I242 2218979-4 geführt. In der Beschwerdeergänzung wurde vorgebracht, dass die Ehefrau des BF zwischenzeitlich einen Antrag auf Scheidung eingebracht habe und einen anderen Rechtsvertreter habe als der BF.
7. Am 18.10.2024 langte die von der belangten Behörde nunmehr übermittelte Originalbeschwerde, welche ursprünglich am 24.07.2024 beim BFA einlangte, beim Bundesverwaltungsgericht ein. Der Bescheid der belangten Behörde wird mit dieser Beschwerde vollinhaltlich bekämpft. Ausgeführt wurde im Wesentlichen, dass der Sohn des BF krank sei und Anpassungsprobleme habe. Er benötige spezielle Therapien wie Ergotherapie und Logopädie. Eine weitere Behandlung wäre in der Türkei aufgrund der fehlenden Sprachkenntnisse des Kindes nicht möglich. Der Sohn des BF sei noch nie in der Türkei gewesen und habe weder einen kulturellen noch einen sprachlichen Bezug zur Türkei. Der Erfolg seiner medizinischen Behandlung hänge im Wesentlichen von deren Kontinuität ab.
Die Probleme der Familie in der Türkei hätten sich seit der letzten Einvernahme gesteigert und hätten der BF und seine Ehefrau beide maßgebliche Integrationsschritte gesetzt.
Abschließend wurden die Anträge gestellt, es möge eine mündliche Verhandlung anberaumt werden, der angefochtene Bescheid möge aufgehoben werden und ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 solle erteilt werden. Die Rückkehrentscheidung möge ersatzlos aufgehoben und festgestellt werden, dass die Abschiebung in die Türkei unzulässig sei. Zusätzlich wurde beantragt den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
8. Mit Ladungen vom 29.10.2024 wurde der BF und seine Rechtsvertretung sowie ein Dolmetscher für die türkische Sprache zur Verhandlung am 16.01.2024 geladen.
9. Mit Schreiben vom 29.10.2024 teilte die belangte Behörde mit, dass die Teilnahme eines informierten Vertreters an der mündlichen Verhandlung nicht möglich sei. Ungeachtet dessen, werde die Abweisung der Beschwerde beantragt.
10. Am 05.11.2024 wurde der Schriftsatz vom 16.10.2024 neuerlich und dieses Mal auch leserlich eingebracht. Der BF brachte zusammengefasst vor, er verfüge über Deutschkenntnisse auf zumindest B1 Niveau, was von der belangten Behörde nicht berücksichtigt worden sei. Es könne auch nicht nachvollzogen werden, dass weder das vorgelegte A2-Sprachdiplom, noch der Arbeitsvorvertrag als wesentliche Änderung der Sach- und Rechtslage gewertet worden seien. Der BF sei auch Mitglied in einem kurdischen Verein, was von der belangten Behörde ebenfalls nicht ausreichend gewürdigt worden sei.
11. Am 16.01.2025 fand die mündliche Verhandlung in Anwesenheit des BF sowie der Ex-Ehefrau des BF unter Beiziehung eines Dolmetschers für die türkische Sprache statt. Der BF erklärte sich ausdrücklich damit einverstanden, dass die mündliche Verhandlung in Abwesenheit seines Rechtsvertreters durchgeführt wird (s. Verhandlungsprotokoll [in der Folge: VH-P] Seiten 2 und 10).
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen
II.1.1. Zu der Person des BF
Der volljährige BF heißt XXXX und wurde am XXXX in XXXX (Ostanatolien) in der Türkei geboren. Er ist türkischer Staatsbürger, geschieden und hat einen minderjährigen Sohn. Der BF ist Angehöriger der Volksgruppe der Kurden und bekennt sich zum alevitischen Islam.
Der Sohn des BF heißt XXXX und wurde am XXXX in Österreich geboren. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.03.2025 wurde ausgesprochen, dass in Bezug auf den Sohn des BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 1-3 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I. Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung (in der Folge: BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.
Der BF trägt gemeinsam mit seiner geschiedenen Gattin das Sorgerecht für seinen Sohn.
Der Sohn des BF lebt bei seiner Mutter, hält sich jedoch an den Sonntagen beim BF auf. Der BF holt am Sonntag seinen Sohn ab, dieser übernachtet dann bei ihm und der BF bringt ihn am Montag in die Schule. Wenn es im Zusammenhang mit Arztterminen notwendig war, dass beide Elternteile anwesend waren, kam auch der BF verlässlich zu den Terminen. Da der BF über kein Einkommen verfügt, zahlt er auch nicht regelmäßig Unterhalt für seinen Sohn. Wenn es ihm finanziell möglich ist, überweist er der Mutter des Sohnes jedoch auch Geld. Der BF hat ein gutes Verhältnis zu seinem Sohn und ist eine wichtige Bezugsperson im Leben des Sohnes.
Die Identität des BF steht fest.
Der BF ist gesund und ist erwerbsfähig.
Der BF beherrscht die türkische Sprache auf dem Niveau der Muttersprache in Wort und Schrift. Außerdem spricht er etwas Englisch.
II.1.2. Art, Dauer, Rechtmäßigkeit des bisherigen Aufenthaltes
Der BF reiste am 16.02.2017 mit einem gültigen Schengenvisum nach Österreich ein und stellte am 21.02.2017 einen Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten. Am 21.02.2023 erging die vollinhaltlich negative Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur GZ L 524 2218978-2 in dieser Sache. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Der BF kam seiner Verpflichtung zur Ausreise aus Österreich bislang nicht nach.
Am 08.08.2023 stellte er den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen. Diese Antragstellung begründet gemäß § 58 Abs 13 AsylG 2005 kein Aufenthalts- oder Bleiberecht in Österreich.
Gegen den BF besteht keine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot, ebenso besteht keine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz.
II.1.3. Zur schulischen und beruflichen Ausbildung des BF in Österreich und in der Türkei
Der BF hat in der Türkei den Beruf des Installateurs gelernt und selbstständig als Installateur gearbeitet.
Der BF hat in Österreich keine Ausbildung absolviert.
II.1.4. Zur Selbsterhaltungsfähigkeit und Krankenversicherungsschutz:
Der BF ist nicht erwerbstätig und verfügt über kein regelmäßiges Einkommen.
Der BF ist nicht krankenversichert.
II.1.5. Zum Privat- und Familienleben des BF in Österreich
II.1.5.1. Familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich
Zwei Onkel und eine Tante des BF leben in Österreich. Ein Abhängigkeitsverhältnis zu diesen Personen ist momentan in finanzieller Hinsicht gegeben.
In Österreich leben auch der minderjährige Sohn und die geschiedene Gattin des BF. In Bezug auf beide Angehörigen des BF wurde erkannt, dass Rückkehrentscheidungen auf Dauer unzulässig sind.
II.1.5.2. Schutzwürdigkeit des Privat-/Familienlebens; die Frage, ob das Privat-/Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren
Der BF hat diese Anknüpfungspunkte während einer Zeit erlangt, in der der Aufenthaltsstatus im Bundesgebiet stets prekär war bzw. in der er überhaupt keinen rechtmäßigen Aufenthaltsstatus in Österreich hatte.
II.1.5.3. Grad der Integration
Der BF hat das Modul 1 der Integrationsvereinbarung und die Integrationsprüfung auf A2-Niveau erfüllt. Der BF spricht und versteht Deutsch.
Der BF lebt in einer privaten Mietwohnung.
Der BF hat Freunde in Österreich.
Der BF ist Mitglied in den Vereinen XXXX und XXXX .
II.1.5.4. Bindung zum Herkunftsstaat
Der BF ist im Herkunftsstaat geboren, absolvierte dort die Schulzeit, kann sich im Herkunftsstaat – wie auch in Österreich – problemlos verständigen und hat einen großen Teil seines Lebens in diesem Staat verbracht. Er wurden somit im Herkunftsstaat sozialisiert und kennt die dortigen Regeln des Zusammenlebens einschließlich der gegebenen sozialen Unterstützungsnetzwerke. Es leben dort auch seine Familienangehörigen.
Aufgrund des ca. acht Jahre dauernden Aufenthaltes in Österreich ist davon auszugehen, dass der BF zwar noch einen gewissen Bezug zu seinem Herkunftsstaat hat, diese Bindung durch die lange Abwesenheit aus der Türkei sich jedoch gelockert hat.
II.1.5.5. Strafrechtliche/verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen
Der BF ist in Österreich nicht vorbestraft.
Das Vorliegen von rechtskräftigen Verwaltungsstrafen wurde dem Bundesverwaltungsgericht von der Polizei bzw. den Verwaltungsstrafbehörden einschließlich dem BFA nicht mitgeteilt und ergibt sich auch nicht aus dem Akteninhalt der belangten Behörde.
II.1.5.6. Sonstige Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts
Der BF hat sich - obwohl seit Februar 2023 eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt - geweigert das Bundesgebiet zu verlassen.
II.1.5.7. Verfahrensdauer
Gegenständlicher Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz wurde am 08.08.2023 gestellt und erging der Bescheid der belangten Behörde am 25.06.2024. Nach Einbringung der Beschwerde und Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung erging mit heutigem Erkenntnis die Entscheidung im Beschwerdeverfahren. Die gesamte Verfahrensdauer betrug somit ca. ein Jahr und acht Monate.
II.2. Beweiswürdigung
Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in die Verfahrensakte des BFA unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des BF, seiner geschiedenen Gattin im Verfahren zur GZ.: I424 2218977-4 sowie der Angaben der geschiedenen Gattin im Verfahren betreffend den gemeinsamen Sohn zur GZ.: I424 2218979-4, der von ihm vorgelegten Beweismittel, des bekämpften Bescheides, des Beschwerdeschriftsatzes, durch die Durchführung einer mündlicher Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht und die Einsichtnahme den Bescheid des BFA betreffend den Sohn des BF vom 13.03.2025 zur GZ.: XXXX . Auch wurde im gegenständlichen Verfahren Einsicht genommen in den Akt des Asylverfahrens des BF vor dem Bundesverwaltungsgericht zur GZ.: L524 2218978-2.
Auskünfte aus dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister, dem zentralen Melderegister, der Grundversorgungsdatenbank des Bundes, dem Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger und dem Strafregister wurden ergänzend zum vorgelegten Verwaltungsakt eingeholt, zuletzt am 16.01.2025. Wenn in der Beweiswürdigung auf diese Auszüge verwiesen wird, dann – außer es wird explizit anders erwähnt – auf diese aktuellste Version der im Akt befindlichen Auszüge.
Die im Verfahren aufgenommenen Niederschriften mit den Aussagen des BF liefern den vollen Beweis iSd § 15 AVG über den Verlauf und Gegenstand der Amtshandlung und können mit diesem Inhalt als zentrales Beweismittel der Beweiswürdigung unterzogen werden. Der BF traten den Gegenbeweis der Unrichtigkeit des darin bezeugten Vorganges nicht an.
Im Anhang zur verfahrensgegenständlichen Antragstellung am 08.08.2023 legte der BF folgende Beweismittel vor:
- Betriebseröffnungs- und Gewerbegenehmigung für die Installation von Sanitäranlagen, Wartung, Reparatur und Montage aus der Türkei vom 22.02.2016 in Kopie und mit beglaubigter Übersetzung;
- Fachärztliche Stellungnahme der Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie vom 21.03.2019 worin ausgeführt wird, dass die unsichere Situation der Familie in Bezug auf ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Österreich den BF, seine Frau und seinen Sohn sehr belasten würde. Aus ärztlicher Sicht sei eine positive Entscheidung über das Bleiberecht Voraussetzung dafür, dass sich der Sohn des BF emotional und gesund entwickeln könne;
- Klinisch-psychologischer Befund betreffend den Sohn des BF vom 04.03.2020 worin zusammenfassend ausgeführt wird, dass der Sohn des BF im kognitiven sowie sprachlichen Bereich eine deutliche Entwicklungsverzögerung aufweise. Im motorischen Bereich liege eine leichte Verzögerung vor. Der Verdacht auf das Vorliegen einer Autismus-Spektrum-Störung sei derzeit mäßig bis deutlich vorhanden. Der Sohn des BF weiße überdies eine motorische Unruhe auf;
- Auszug aus der Register Zeitung der Gewerbetreibenden in der Türkei vom 29.11.2016 worin als neuer Berufszweig „Baustoff, Produktion und Handel“ aufscheint. Dieses Dokument liegt in beglaubigter Übersetzung vor;
- Verlängerung des Mietvertrages der aktuellen Wohnung bis 31.01.2026;
- Kursbesuchsbestätigung de XXXX über die Teilnahme an einem Deutsch A1 Kurs Teil 2 von 2 vom 03.12.2018 im Ausmaß von 51 Unterrichtseinheiten;
- Kursbesuchsbestätigung de XXXX über die Teilnahme an einem Deutsch A1 Kurs Teil 1 und 2 vom 17.05.2017 im Ausmaß von 90 Unterrichtseinheiten;
- Kursbesuchsbestätigung de XXXX über die Anmeldung zu einem Deutsch A1 Kurs Teil 2 von 2 vom 07.11.2018 im Ausmaß von 90 Unterrichtseinheiten;
- Arbeitsvorvertrag zwischen dem BF und der Firma XXXX XXXX vom 08.08.2023;
- Auszüge aus dem türkischen Ehebuch zum Nachweis der aufrechten Ehe mit seiner damaligen Gattin;
- Diverse Ausweiskopien;
- Passkopien seiner in Österreich lebenden Onkel.
Im Anhang zur persönlichen Antragstellung vom 06.10.2023 finden sich zusätzlich noch folgende Beweisunterlagen:
- Zeugnis zur Integrationsprüfung Sprachniveau A2 der am 24.08.2023 abgelegten Prüfung;
- Schreiben des potentiellen Dienstgebers (mit welchem auch der Arbeitsvorvertrag geschlossen wurde) vom 28.09.2023 mit der Mitteilung, dass er um eine Beschäftigungsbewilligung für den BF angesucht habe, den BF schon lange kenne und finde dieser sei sehr gut in Österreich integriert und habe sehr gute Deutschkenntnisse;
- Schreiben der XXXX vom 01.03.2021 wonach der BF seit Oktober 2019 aktives Mitglied des Vereins „ XXXX “ in XXXX ist und regelmäßig an Veranstaltungen teilnimmt;
- Schreiben der XXXX wonach der BF an Festen und Veranstaltungen teilgenommen hat. Er habe großes Interesse gezeigt mehr über das politische System und die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen in Österreich zu erfahren;
- Ausweiskopie einer Tante des BF in Österreich;
- Zwei Schreiben des ehemaligen stellvertretenden Bürgermeisters von XXXX vom 14.11.2022, welcher im ersten Schreiben von Problemen des BF in Zusammenhang mit dem politischen Engagement des BF und seiner Familie in der Türkei berichtet. Im zweiten Schreiben wird berichtet, dass der BF Mitglied des Vereins XXXX ist, an der Arbeit aktiv teilnimmt und teilweise vom Verein finanziell unterstützt wird;
- Antrag auf Erteilung einer Saisonbewilligung vom 26.08.2021 an das AMS, wobei der BF als Küchenhilfe in der Gastronomie angestellt werden sollte;
- Auszug aus dem Geburtenregister der Türkei betreffend den BF und seine damalige Gattin.
Im erstinstanzlichen Akt betreffend die geschiedene Gattin des BF findet sich darüber hinaus noch eine schriftliche Stellungnahme vom 26.03.2024 und wurden im Anhang folgende Unterlagen vorgelegt:
- Unterstützungsschreiben eines Freundes des BF, wonach dieser eine vorbildlich integriert Person sei und der Verfasser ihn gerne in seinem Unternehmen beschäftigen würde;
- Unterstützungsschreiben eines weiteren Freundes des BF, wonach dieser in zahlreichen Wohltätigkeitsorganisationen ehrenamtlich gearbeitet habe;
- Unterstützungsschreiben zweier weiterer Freunde des BF.
Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.
II.2.1. Zur Person des BF
Die persönlichen Daten des BF wurden festgestellt wie im gesamten Verfahren von ihm angegeben und sind aufgrund der diversen vorgelegten Ausweise auch bestätigt. Die belangte Behörde traf diese Feststellungen genauso und wurden diese im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht bestritten. Dass der BF türkischer Staatsbürger ist, ergibt sich aus dem gesamten erstinstanzlichen Akt, wurde im angefochtenen Bescheid so festgestellt und in der Beschwerde nicht bestritten. Dass der BF geschieden ist, ergibt sich aus ihrem glaubwürdigen Vorbringen im Beschwerdeverfahren in Verbindung mit den vorgelegten Unterlagen, insbesondere der Ladung zum Verhandlungstermin über die einvernehmliche Scheidung vom 01.10.2024 welche sich im Anhang zur Beschwerdeergänzung im Akt befindet. Der BF sowie seine Ex-Ehefrau bestätigten in der mündlichen Verhandlung glaubwürdig, dass sie inzwischen geschieden sind. Dass der BF einen Sohn hat ergibt sich ebenso aus dem erstinstanzlichen Verfahren. Der BF bestätigte diese Angaben nochmals in der mündlichen Verhandlung (s. Verhandlungsprotokoll [in der Folge: VH-P] Seite 11).
Dass der BF Kurde und Alevit ist, stützt sich auf die entsprechenden Angaben in der schriftlichen Beschwerde und wurde bereits von der belangten Behörde ebenso festgestellt.
Die Feststellungen zum Sohn des BF stützen sich auf den unbestrittenen Akteninhalt des erstinstanzlichen Verfahrens, sowie auf die Angaben des BF sowie seiner geschiedenen Gattin in der mündlichen Verhandlung. Die Feststellung, dass eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Sohn des BF für auf Dauer unzulässig erklärt wurde, stützt sich auf die Einsichtnahme in den entsprechenden Bescheid des BFA zur GZ.: XXXX .
Dass der BF das gemeinsame Sorgerecht für seinen Sohn mit seiner geschiedenen Gattin hält, ergibt sich aus den Angaben der geschiedenen Gattin im Rahmen der mündlichen Verhandlung (s. VH-P Seite 7).
Die Feststellungen zum Umgang des BF mit seinem Sohn, zu den Unterhaltsleistungen und zur Tatsache, dass der BF eine wichtige Bezugsperson für seinen Sohn ist, ergeben sich aus den Angaben der geschiedenen Gattin des BF in der mündlichen Verhandlung (s. VH-P Seite 7f), welche dem Gericht glaubwürdig erschienen.
Dass die Identität des BF feststeht, stellte die belangte Behörde nach Einsicht in den türkischen Reisepass des BF fest und schließt sich das Gericht daher dieser Feststellung an.
Dass der BF gesund ist, gab er im gesamten Verfahren an, diese Feststellung wurde auch in der Beschwerde nicht bestritten und bestätigte der BF seinen guten Gesundheitszustand nochmals in der mündlichen Verhandlung (s. VH-P Seite 10). Seine Erwerbsfähigkeit ergibt sich aus der Zusammenschau des jungen Alters des BF und seines guten Gesundheitszustandes.
Die Feststellungen zu den Sprachkenntnissen des BF ergeben sich aus dem erstinstanzlichen Akt und stützen sich auf die durchgehenden Angaben des BF im gesamten Verfahren und wurden diese auch von der belangten Behörde so festgestellt.
II.2.2. Zur Art, Dauer, Rechtmäßigkeit des bisherigen Aufenthaltes
Die Feststellungen zur Einreise und zum Aufenthalt des BF in Österreich, zur Asylantragstellung und zur Abweisung dieses Antrags im Beschwerdeverfahren stützen sich im Wesentlichen auf das genannte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts und auf den im gegenständlichen Verfahren angefochtenen Bescheid, wobei die entsprechenden Feststellungen in der Beschwerde nicht bestritten wurden.
Dass der BF seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkam, ergibt sich unzweifelhaft aus der Tatsache, dass er sich laufend in Österreich aufhält.
Dass der BF am 08.08.2023 den verfahrensgegenständlichen Antrag stellte ergibt sich aus dem im Akt befindlichen Antragsformular sowie aus dem angefochtenen Bescheid. Dass diese Antragstellung kein Aufenthalts- oder Bleiberecht in Österreich begründet, kann aus der genannten Gesetzesstelle nachvollzogen werden.
Dass gegen den BF keine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot und keine Rückführungsentscheidung aufrecht ist, ergibt sich aus dem gesamten erstinstanzlichen Akt sowie aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichts zur GZ L 524 2218978-2. Dass eine weitere Rückkehrentscheidung (abgesehen von der im angefochtenen Bescheid getroffenen) vorliegen würde, kam im gesamten Verfahren nicht zu Tage.
II.2.3. Zur schulischen und beruflichen Ausbildung der BF in Österreich und in der Türkei
Die Feststellung zur Ausbildung des BF und zur Erwerbstätigkeit des BF in der Türkei stützen sich auf seine Angaben im gesamten Verfahren sowie auf die unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid.
Dass der BF in Österreich keine Ausbildung gemacht hat, gab dieser im Rahmen der mündlichen Verhandlung an (s. VH-P Seite 12).
II.2.4. Zur Selbsterhaltungsfähigkeit und Krankenversicherungsschutz
Dass der BF nicht erwerbstätig ist, ergibt sich aus der Einsichtnahme in den aktuellen AJ-Web-Auszug welcher sich im Akt befindet und bestätigte der BF diesen Umstand nochmals in der mündlichen Verhandlung (s. VH-P Seite 11). Dass der BF kein regelmäßiges Einkommen hat, bestätigte dieser ebenfalls in der mündlichen Verhandlung und gab an, er habe bei der Einreise nach Österreich Ersparnisse gehabt, diese seien jedoch aufgebraucht. Er erhalte fallweise finanzielle Zuwendungen von Vereinen wie XXXX . Auch sein Onkel und eine Tante in Österreich würden ihn bei Bedarf finanziell unterstützen (s. VH-P Seite 11). Die Angaben erscheinen dem Gericht glaubhaft, da sich diese mit den Angaben des BF im erstinstanzlichen Verfahren decken.
Dass der BF in Österreich nicht krankenversichert ist, ergibt sich aus der Einsichtnahme in den im Akt befindlichen AJ-Web-Auszug und bestätigte der BF diesen Umstand im gesamten Verfahren.
II. 2.5. Zum Privat- und Familienleben der BF in Österreich
II.2.5.1. Familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich
Dass zwei Onkel und eine Tante des BF in Österreich leben, gab dieser im gesamten Verfahren und auch vor dem Bundesverwaltungsgericht an (s. VH-P Seite 12). Er besuche seine Verwandten und treffe sie. Er habe mit diesen ein bis drei Mal in der Woche Kontakt. Der BF gab in der mündlichen Verhandlung an, er habe keine sehr intensive Abhängigkeit, er sei jedoch finanziell auf die Zuwendungen angewiesen.
Dass der Sohn und die geschiedene Gattin des BF in Österreich leben ergibt sich unzweifelhaft aus dem gesamten Akteninhalt sowie aus den Akteninhalten betreffend der Verfahren des Sohnes und der geschiedenen Gattin vor dem BFA sowie vor dem Bundesverwaltungsgericht (betreffend die Aktenzahlen, siehe Einleitung zur Beweiswürdigung).
Dass eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf die geschiedene Gattin des BF auf Dauer unzulässig ist, stellte das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 30.01.2025 zur GZ I424 2218977-4 fest. Dass die Rückkehrentscheidung in Bezug auf den minderjährigen Sohn des BF auf Dauer unzulässig ist, sprach das BFA mit Bescheid vom 13.03.2025 zur GZ.: XXXX aus.
II.2.5.2. Zur Schutzwürdigkeit des Privat-/Familienlebens; die Frage, ob das Privat-/Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren
Die Feststellung, dass der BF seine Anknüpfungspunkte in einer Zeit mit prekärem bzw. fehlendem rechtmäßigem Aufenthaltsstatus erlangte, ergibt sich aus den bereits zuvor getroffenen Feststellungen, wonach der BF von Februar 2017 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens im Februar 2023 als Asylwerber in Österreich aufhältig war. Ein Aufenthaltsrecht als Asylwerber ist per se prekär, da dieses bis zum Abschluss des Asylverfahrens gilt und jeder Asylwerber auch damit rechnen muss, dass sein Verfahren unter Umständen negativ ausgehen kann.
Seit Rechtskraft der vollinhaltlich negativen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Asylverfahren von Februar 2023 hält sich der BF ohne Aufenthaltsberechtigung in Österreich auf.
II.2.5.3. Grad der Integration
Dass der BF das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt hat, stellte bereits die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid fest. Dass er die Integrationsprüfung auf A2-Niveau erfüllt hat, ergibt sich aus der im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Bestätigung und aus den Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung (s. VH-P Seite 12). Dass der BF Deutsch spricht und versteht, konnte die Richterin im Rahmen der mündlichen Verhandlung zweifelsfrei feststellen, da diese zu einem großen Teil ohne Beiziehung eines Dolmetschers durchgeführt werden konnte, da der BF die Fragen der Richterin verstand und unmittelbar auf Deutsch antwortete.
Dass der BF in einer privaten Mietwohnung lebt, ergibt sich aus der Einsichtnahme in den aktuellen AJ-Web-Auszug. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde der BF gefragt, warum er seinen Wohnsitz abgemeldet habe, der BF gab daraufhin an, er habe sich wieder angemeldet. Am 17.02.2025 langte der aktuelle Meldezettel des BF beim Gericht ein und ist nun auch im ZMR ersichtlich, dass der BF noch immer an der angegebenen Adresse gemeldet ist.
Dass der BF Freunde in Österreich hat, gab er im gesamten Verfahren an und wird dies durch die Unterstützungserklärungen im erstinstanzlichen Akt auch bestätigt.
Die Feststellungen zu den Vereinsmitgliedschaften des BF stützen sich auf seine durchgehenden Angaben im gesamten Verfahren sowie in der mündlichen Verhandlung (s. VH-P Seite 12) sowie auf die vorgelegten Bestätigungen im erstinstanzlichen Akt.
II.2.5.4. Bindung zum Herkunftsstaat
Die Feststellungen zur Bindung an den Herkunftsstaat ergeben sich logisch aus den zuvor getroffenen Feststellungen. In der Zusammenschau dieser Feststellungen mit der allgemeinen Lebenserfahrung ergibt sich, dass eine achtjährige Abwesenheit aus dem Herkunftsland in dem ein Mensch bislang durchgehend lebte (unter Berücksichtigung des Alters des BF) durchaus eine gewisse Entfremdung von diesem Herkunftsstaat mit sich bringt.
II.2.5.5. Strafrechtliche/verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen
Laut dem im Akt befindlichen Strafregisterauszug hat der BF drei Vorstrafen. In der mündlichen Verhandlung wurde der BF hierzu befragt und zeigte sich ehrlich erstaunt. Er gab an, dies könne nicht ihn betreffen, er habe in seinem ganzen Leben noch nichts gemacht. Die Richterin hielt dem BF daraufhin den Strafregisterauszug vor und der BF gab an, das sei nicht er. Daraufhin fiel auch der Richterin auf, dass die Person auf dem Strafregisterauszug zwar den gleichen Namen wie der BF trägt, jedoch nicht am selben Tag Geburtstag hat und daher davon auszugehen ist, dass es sich nicht um den BF handelt. Da mit den vollständigen Daten des BF (Name und Geburtsdatum) keine Vorstrafen ermittelt werden konnten, geht das Gericht davon aus, dass der BF unbescholten ist.
Das Vorliegen von rechtskräftigen Verwaltungsstrafen wurde dem Bundesverwaltungsgericht von der Polizei bzw. den Verwaltungsstrafbehörden einschließlich dem BFA nicht mitgeteilt und ergibt sich auch nicht aus dem Akteninhalt der belangten Behörde.
II.2.5.6. Sonstige Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts
Die Feststellung, dass sich der BF trotz einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung geweigert hat auszureisen stützt sich auf den gesamten Akteninhalt und auf die unzweifelhafte Tatsache, dass der BF nach wie vor in Österreich aufhältig ist.
II.2.5.7. Verfahrensdauer
Die Feststellungen zur Verfahrensdauer ergeben sich aus dem angefochtenen Bescheid in Zusammenschau mit dem gegenständlichen Erkenntnis.
II.3. Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Zu A) I. Abweisung der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 56 Abs. 1 AsylG 2005 kann einem im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, auch wenn er sich in einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vor dem Bundesamt befindet, eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ erteilt werden, wenn der Drittstaatsangehörige jedenfalls zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweislich seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist (Z1), davon mindestens die Hälfte, jedenfalls aber drei Jahre, seines festgestellten durchgängigen Aufenthaltes im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältig gewesen ist (Z2) und er das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird (Z3).
Gemäß Abs. 2 leg. cit. ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen, wenn nur die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 und 2 leg. cit. vorliegen.
Gemäß Abs. 3 leg. cit. hat die Behörde den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 kann auch durch Vorlage einer einzigen Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 26) erbracht werden. Treten mehrere Personen als Verpflichtete in einer Erklärung auf, dann haftet jeder von ihnen für den vollen Haftungsbetrag zur ungeteilten Hand.
§ 60 AsylG 2005 regelt die allgemeine Erteilungsvoraussetzungen für Aufenthaltstitel. Gemäß Abs. 1 leg. cit. dürfen Aufenthaltstitel einem Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden, wenn gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht (Z1) oder gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht (Z2).
Gemäß Abs. 2 leg. cit. dürfen Aufenthaltstitel gemäß § 56 AsylG 2005 einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird (Z1), der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist (Z2), der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte (Z3) und durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden (Z4).
Der BF hält sich seit 21.02.2017 - somit seit mehr als fünf Jahren - durchgängig im österreichischen Bundesgebiet auf. Der Aufenthalt der BF in Österreich war bis zur Rechtskraft der vollinhaltlich negativen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes im Asylverfahren rechtmäßig. Somit hielt sich der BF auch über einen Zeitraum von mehr als der Hälfte ihres Aufenthaltes in Österreich und mehr als drei Jahren rechtmäßig auf.
Die Anspruchsvoraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1 und Z 2 AsylG 2005 sind somit erfüllt. Dies wurde bereits von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid so beurteilt und kann sich das Bundesverwaltungsgericht dieser rechtlichen Beurteilung somit anschließen.
Die BF hat das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt. Dies wurde aufgrund der im Akt befindlichen Nachweise auch bereits von der belangten Behörde festgestellt und sieht das Gericht somit - in Übereinstimmung mit der belangten Behörde - auch die Anspruchsvoraussetzung des § 56 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 als erfüllt an.
Auch, dass gegen die BF keine aufrechte Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot bzw. eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz vorliegt, sah die belangte Behörde als erwiesen an und erachtet auch das Gericht die Anspruchsvoraussetzung des § 60 Abs. 1 AsylG 2005 als erfüllt.
Die belangte Behörde stellte im angefochtenen Bescheid bereits klar, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG 2005 an den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 60 Abs. 2 AsylG 2005 scheitere. Insbesondere seien die Anspruchsvoraussetzung der Z 2 und Z 3 leg. cit. (ein alle Risiken abdeckender Krankenversicherungsschutz sowie der Nachweis der finanziellen Selbsterhaltungsfähigkeit) nicht erfüllt.
Dass der BF einen Krankenversicherungsschutz habe oder in finanzieller Hinsicht selbsterhaltungsfähig sei, wurde im gesamten Beschwerdeverfahren nicht behauptet oder vorgebracht. Im Gegenteil bestätigte der BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung, dass sie nach wie vor ohne gesichertes Einkommen und von fallweisen Zuwendungen lebt. Außerdem hat er nach wie vor keinen Krankenversicherungsschutz.
Insofern hat sich seit der Entscheidung der belangten Behörde nichts geändert und kommt das Gericht somit zum selben Ergebnis wie das BFA: Da der BF auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht nachweise konnte, dass er über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und sein Aufenthalt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, sind die Anspruchsvoraussetzungen nach § 60 Abs. 2 Z 2 und Z 3 AsylG 2005, welche auch in Bezug auf die Erlangung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG 2005 zum Tragen kommen, nicht erfüllt.
Insofern erübrigt sich auch die Prüfung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen, welche für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG 2005 relevant währen.
Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher in Bezug auf den BF zu Recht kein Aufenthaltstitel nach § 56 AsylG 2005 aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilten, die Entscheidungen des BFA im Ergebnis zu bestätigen und die Beschwerde somit hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.
Zu A) II. Stattgabe der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 Bundesgesetz mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden BGBl. I 87/2012 in der geltenden Fassung (in der Folge: BFA-VG) für unzulässig zu erklären ist.
Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet wie folgt:
„(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.“
Gemäß Art. 8 Abs. 1 Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten BGBl. 210/1958 in der geltenden Fassung (in der Folge: EMRK) hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sowie des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes und verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Im gegenständlichen Fall verfügt der BF über ein im Sinne des Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben in Österreich. Der minderjährige Sohn des BF hält sich in Österreich auf und wurde am 13.03.2025 vom BFA ausgesprochen, dass eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Sohn des BF auf Dauer unzulässig ist. Der Sohn des BF wird daher in Österreich bleiben können.
Der BF hat regelmäßigen Kontakt mit seinem Sohn, er verbringt einen Tag in der Woche mit ihm. Der Sohn des BF übernachtet auch regelmäßig einmal wöchentlich beim BF. Der BF nimmt Termine betreffend seinen Sohn wahr, wenn seine Anwesenheit gewünscht ist und stellt für seinen Sohn insgesamt eine wichtige Bezugsperson dar. Somit steht für das Gericht fest, dass jedenfalls auch ein tatsächliches Familienleben (wenn auch seit der Scheidung der Eltern nicht mehr im gemeinsamen Haushalt) gegeben ist.
Darüber hinaus hat der BF zwei Onkel und eine Tante, welche in Österreich leben. In Bezug auf einen Onkel und die Tante ist momentan eine finanzielle Abhängigkeit gegeben, wobei das Gericht nicht verkennt, dass diese Abhängigkeit sich aus der Tatsache ergibt, dass der BF im Moment keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen kann. In Zukunft ist also davon auszugehen, dass der BF seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten kann und diese Unterstützung nicht mehr wird in Anspruch nehmen müssen.
Ein von Art. 8 Abs. 1 MRK geschütztes Familienleben zwischen Eltern und Kind entsteht nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR mit dem Zeitpunkt der Geburt (vgl. EGMR 21.6.1988, Berrehab, 10730/84; 26.5.1994, Keegan, 16969/90). Diese besonders geschützte Verbindung kann in der Folge nur unter außergewöhnlichen Umständen als aufgelöst betrachtet werden (vgl. EGMR 19.2.1996, Gül, 23218/94). Das Auflösen einer Hausgemeinschaft von Eltern und Kindern alleine führt jedenfalls nicht zur Beendigung des Familienlebens im Sinn des Art. 8 Abs. 1 MRK, solange nicht jegliche Bindung gelöst ist (vgl. EGMR 24.4.1996, Boughanemi, 22070/93; siehe dazu auch VfGH 3.10.2019, E 3456/2019; 24.11.2014, E 35/2014, VwGH 15.12.2021, Ra 2021/20/0105).Dass im Falle des BF und seines Sohnes keinesfalls von einer Lösung jeglicher Bindung gesprochen werden kann, ergibt sich aus den Feststellungen zum nach wie vor bestehenden intensiven Kontakt des BF mit seinem Sohn und ist somit eine besonders geschützte Verbindung zwischen Vater und Kind gegeben. Insbesondere entspricht es auch dem Kindeswohl mit beiden Elternteilen aufwachsen zu können.
Aus der Rechtsprechung des VwGH ergibt sich, dass nach einem etwa siebeneinhalbjährigen rechtmäßigen Aufenthalt die persönlichen Interessen eines Fremden an seinem Verbleib im Bundesgebiet, trotz eines Verstoßes gegen die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften überwiegen können (VwGH 27.04.2001, 99/18/0223). Ein Aufenthalt von sieben Jahren stellt eine beachtliche Zeitspanne dar, welche bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen ist, jedoch keinen so langen Zeitraum, das schon alleine aufgrund der Aufenthaltsdauer auf die Unzulässigkeit der Ausweisung geschlossen werden könne (s. AsylGH 29.11.2011, A2 253611-0/2008).
Fallgegenständlich beruhte der bisherige ca. acht Jahre dauernde Aufenthalt des BF im Bundesgebiet bis 21.02.2023 lediglich auf einer temporären, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage. Seit der rechtskräftigen und vollinhaltlich negativen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über den Asylantrag des BF - somit seit ca. zwei Jahren - hält sich dieser unrechtmäßig in Österreich auf. Er konnte somit während der gesamten Dauer seines Aufenthaltes nicht darauf vertrauen, dass er sich in Österreich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen kann. Der seitens des Verwaltungsgerichtshofes in ständiger Rechtsprechung ins Treffen geführte Aspekt, es müsse unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht akzeptiert werden, dass ein Fremder mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen (vgl. VwGH 29.06.2022, Ra 2021/20/0403, mwN), trifft insoweit auch auf den vorliegenden Beschwerdefall zu.
Andererseits führt der VfGH in seiner Rechtsprechung aus, dass allein der unrechtmäßige Aufenthalt eines BF seit Abschluss des Asylverfahrens das Erfordernis einer Gesamtbetrachtung des spezifischen Falles nicht obsolet macht (VfGH 15.12.2011, U 760-764).
Dementsprechend ist die bloße Aufenthaltsdauer nicht alleine maßgeblich, sondern ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 05.10.2020, Ra 2020/19/0330, mwN). Liegt eine relativ kurze Aufenthaltsdauer eines Fremden in Österreich vor, so wird nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes regelmäßig erwartet, dass die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich ist, um eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären und einen entsprechenden Aufenthaltstitel zu rechtfertigen (vgl. VwGH 03.12.2019, Ra 2019/18/0471, mwN). Umgekehrt wird bei einer Aufenthaltsdauer von mehr als zehn Jahren eine nachhaltige Integration grundsätzlich nicht mehr verlangt (VwGH 04.03.2020, Ra 2020/21/0010). Entsprechend wird im gegenständlichen Fall aufgrund der bereits beachtlichen Zeitspanne von acht Jahren in der sich die BF in Österreich aufhält zwar noch immer eine gewisse Integrationsleistung gefordert sein, eine geradezu außergewöhnliche Integration, wie dies bei einem erst kurzen Aufenthalt in Österreich der Fall ist, kann jedoch nicht verlangt werden.
Der BF hat das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt, er hat ein Sprachzertifikat über das A2-Niveau vorgelegt und beherrscht die deutsche Sprache auf einem Niveau in dem eine Verständigung problemlos möglich ist.
Der BF ist Mitglied in den Vereinen XXXX , XXXX und XXXX und hat einen Freundeskreis in Österreich. Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der BF in Österreich noch nie (also auch nicht während des laufenden Asylverfahrens) eine Erwerbstätigkeit ausgeübt hat.
In Bezug auf die Bindungen des BF zu ihrem Herkunftsstaat Türkei muss davon ausgegangen werden, dass diese zwischenzeitlich gelockert wurden. Der BF hat einen großen Teil seines bisherigen Lebens in der Türkei verbracht, wurde dort hauptsozialisiert und hat dort seine Enkulturation erfahren. Er hat in der Türkei seine gesamte Schulbildung durchlaufen, eine Ausbildung zum Installateur gemacht und war selbstständig als Installateur tätig. Er spricht nach wie vor die Muttersprache und ist mit den regionalen Sitten und Gebräuchen der türkischen Kultur vertraut. In welchem Grad die Bindung an den Heimatstaat des BF gelockert wurde, erscheint dem erkennenden Gericht im gegenständlichen Fall nicht entscheidungswesentlich (siehe abschließende Interessensabwägung).
Der BF lebt nun seit gut acht Jahren mit seiner Familie und nun - seit der Scheidung - alleine in Österreich.
Zwar geht das erkennende Gericht nicht davon aus, dass der BF im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG gar keine Bindungen zu ihrem Heimatstaat hat - so ist sie zum Beispiel noch mit der Sprache und den kulturellen Besonderheiten der türkischen und kurdischen Kultur vertraut - aufgrund der langen Abwesenheit aus der Türkei geht das Gericht jedoch von einer gewissen Lockerung dieser Bindung aus, was der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht.
Es sind – unter der Schwelle des Art. 2 und 3 EMRK – aber auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen, so sind etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder auch Behandlungsmöglichkeiten bei medizinischen Problemen bzw. eine etwaige wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung psychischer Probleme in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen (vgl. VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Diesbezüglich können bei dem relativ jungen, gesunden und erwerbsfähigen Mann keine speziell zu berücksichtigenden Umstände erkannt werden.
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des BF stellt keine Stärkung seiner persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich dar, da der Verwaltungsgerichtshof davon ausgeht, dass es von Fremden, die sich im Bundesgebiet aufhalten, als selbstverständlich anzunehmen ist, dass sie die geltenden Rechtsvorschriften einhalten (vgl. VwGH 26.04.2005, 2005/21/0063, mwN).
In Bezug auf die Verfahrensdauer kann im gegenständlichen Verfahren keine Überlänge erkannt werden. Das erkennende Gericht sieht jedoch sehr wohl, dass das Asylverfahren betreffend die BF bis zum rechtskräftigen Abschluss schon sechs Jahre dauerte, was einen Zeitraum darstellt, der über die normale Verfahrensdauer hinausgeht.
Dem persönlichen Interesse des BF an einem weiteren Aufenthalt in Österreich steht das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gegenüber. Diesem gewichtigen öffentlichen Interesse kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH 29.01.2021, Ra 2021/17/0014, mwN).
Zusammengefasst kann daher festgehalten werden, dass folgende Überlegungen im konkreten Fall zu Lasten des BF ins Treffen zu führen sind:
- Er musste sich während der gesamten Dauer seines Aufenthaltes bewusst sein, dass er seinen Aufenthalt in Österreich nicht auf rechtlich gesicherte Weise verfestigen kann;
- Er hält sich seit ca. zwei Jahren unrechtmäßig in Österreich auf;
- Er hat in Österreich noch nie eine angemeldete Erwerbstätigkeit ausgeübt;
- Dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens kommt ein hoher Stellenwert zu.
Weder zu Lasten noch zu Gunsten des BF können im konkreten Fall gewertet werden:
- Die Verfahrensdauer (da diese im gegenständlichen Verfahren unbedenklich, eine Verfahrensdauer von sechs Jahren in Bezug auf das Asylverfahren des BF jedoch unüblich lang erscheint);
- Die Unbescholtenheit des BF (aufgrund der dargestellten Rechtsprechung des VwGH).
Folgende Überlegungen sind im konkreten Fall zu Gunsten des BF anzuführen:
- Der BF hat jedenfalls ein schützenswertes Familienleben in Österreich insbesondere mit seinem minderjährigen Kind und ist es auch im Sinne des Kindeswohls jedenfalls erforderlich, dass der BF als wichtige Bezugsperson für seinen Sohn weiterhin ein Teil seines Lebens sein kann;
- Er hält sich nun seit gut acht Jahren in Österreich auf;
- Die mangelnde Bindung zum Herkunftsstaat (diese ist zwar nicht gänzlich aufgehoben, jedoch schon gelockert);
- Er hat das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt, versteht und spricht Deutsch;
- Der BF ist Mitglied in drei Vereinen und hat sich in Österreich einen Freundeskreis aufgebaut.
Wie eingangs bereits erwähnt, darf eine Ausweisung nicht erlassen werden, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Eine Abstandnahme von der Rückkehrentscheidung hätte im konkreten Fall keine unmittelbar negativen Auswirkungen. Das Gericht verkennt nicht, dass der BF durch seine beharrliche Weigerung Österreich zu verlassen Fakten geschaffen hat, die nun im Rahmen der Interessenabwägung zu seinen Gunsten ausschlagen und dieses Vorgehen sich negativ auf das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen auswirkt. Das Gericht sieht auch die Problematik, die entsteht, wenn Fremde die beharrliche Weigerung zur Ausreise zielgerichtet nutzen, um über einen längeren - auch unrechtmäßigen - Aufenthalt rechtskräftig ergangene Rückkehrentscheidungen zu umgehen. Das Gericht sieht es im gegenständlichen Fall jedoch auch als klar ersichtlich an, dass das Interesse Österreichs an der Ausreise der BF im Speziellen nicht größer oder gewichtiger ist, als dieses Interesse in Bezug auf jeden und jede einzelne fremde Person als gegeben zu betrachten ist, die sich unrechtmäßig in Österreich aufhält. Die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Rückkehrentscheidung sind dementsprechend auch nicht schwerwiegender, als dies in jedem anderen Fall der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 der Fall ist und erscheinen diese Folgen dem erkennenden Gericht somit vertretbar.
Im Falle des BF gibt insbesondere der Schutz des Familienlebens des BF mit seinem Sohn in Österreich und die damit einhergehende Berücksichtigung des Kindeswohls (Interesse an einem regelmäßigen persönlichen Kontakt mit beiden Elternteilen) sowie die bereits über acht Jahre dauernde Anwesenheit des BF in Österreich den Ausschlag im Zuge der vorzunehmenden Interessensabwägung. Eine Rückkehrentscheidung würde sich auf die Lebenssituation des BF und seiner Familie grob nachteilig auswirken.
Aus dem Gesagten schlägt die im vorliegenden Beschwerdefall vorzunehmende Interessensabwägung im Rahmen einer Gesamtschau zugunsten des BF und zuungunsten des öffentlichen Interesses an ihrer Ausreise aus. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ergibt eine individuelle Abwägung der berührten Interessen, dass ein Eingriff in das Familienleben des BF durch seine Ausreise als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK unverhältnismäßig angesehen werden muss und war die von der belangten Behörde erlassene Rückkehrentscheidung daher im Ergebnis aufzuheben. Da die vorangeführten Abwägungen sich auf einen Sachverhalt bezieht der nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer so vorliegen wird, war auch auszusprechen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.
Zu A) III. Behebung der Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides:
Die mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides erlassene Rückkehrentscheidung hat keinen rechtlichen Bestand mehr, wodurch die rechtlich darauf aufbauenden Aussprüche über die Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III.) sowie die Gewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.) ebenfalls ihre Grundlage verlieren (vgl. VwGH 28.01.2020, Ra 2019/20/0404, mwN).
Der angefochtene Bescheid war daher im spruchgemäßen Umfang aufzuheben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die gegenständliche Entscheidung stützt sich auf die vorzunehmende Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG und kam das Gericht aufgrund von eingetretenen Änderungen des Sachverhaltes zwischen der Entscheidung der belangten Behörde und der Entscheidung über die eingebrachte Beschwerde zu einer anderen Gewichtung der einzelnen Aspekte der Interessensabwägung als dies im erstinstanzlichen Bescheid der Fall war.
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