VwGH Ra 2019/18/0471

VwGHRa 2019/18/04713.12.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des Z M, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/15, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Oktober 2019, Zl. W134 2194782- 1/15E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §9 Abs2
BFA-VG 2014 §9 Abs3
FrPolG 2005 §52
MRK Art8

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019180471.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans sowie Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken, stellte am 23. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er zusammengefasst mit Verfolgungshandlungen durch die Taliban sowie mit Streitigkeiten, die zwischen seinem Vater und dessen Geschäftspartner entstanden seien.

2 Mit Bescheid vom 29. März 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte das BFA mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für nicht zulässig. 4 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht - zusammengefasst - aus, es könne aus näher dargestellten Gründen nicht festgestellt werden, dass der Revisionswerber im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat einer konkreten asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sei. Auch subsidiärer Schutz sei ihm nicht zu gewähren, weil ihm eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat offen stehe. Der Revisionswerber stamme aus der Provinz Maidan Wardak, wo seine Familie über ein Haus sowie über einen Obstgarten mit 30 ha verfüge. Dieser Grundbesitz würde durch den Onkel mütterlicherseits weiterhin verwaltet werden. Es sei davon auszugehen, dass dieser Onkel im Gegenzug dazu bereit sei, den Revisionswerber finanziell zu unterstützen. Die Familie des Revisionswerbers habe zudem eine Tankstelle in Mazar-e Sharif sowie ein Büro in Kabul besessen, in dem der Revisionswerber auch drei Jahre lang gearbeitet habe. Er sei ein arbeitsfähiger, junger, gesunder Mann, der mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaats sowie der Landessprache vertraut sei. Er verfüge über eine zwölfjährige Schulbildung und dreijährige Berufserfahrung. Diese Umstände würden es dem Revisionswerber ermöglichen, zumindest durch die Ausübung von Hilfstätigkeiten in den als innerstaatliche Fluchtalternative in Betracht kommenden Städten das Auslangen zu finden. Zudem könne er durch seinen Onkel finanziell unterstützt werden und Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Zur Rückkehrentscheidung hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, der Revisionswerber sei in Österreich nicht familiär verankert. Er habe zwar einen Deutschkurs besucht und sei Mitglied bei der freiwilligen Feuerwehr, weitere Integrationsschritte habe er jedoch nicht gesetzt. Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung würden daher gegenüber den Interessen des Revisionswerbers an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die in ihrer Zulässigkeitsbegründung unter näherer Ausführung geltend macht, das Bundesverwaltungsgericht sei bei der Beurteilung der innerstaatlichen Fluchtalternative im Herkunftsland von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es sich nicht ausreichend mit den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 auseinandergesetzt habe. Eine weitere Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei dem Bundeverwaltungsgericht im Zusammenhang mit der Abwägung der in § 9 BFA-VG vorgesehenen Kriterien vorzuwerfen.

6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen. 9 Im gegenständlichen Fall mag zwar zweifelhaft sein, ob sich das BVwG mit der Empfehlung des UNHCR in seinen Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 (S. 129), wonach angesichts der gegenwärtigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage in Kabul eine interne Schutzalternative in dieser Stadt grundsätzlich nicht verfügbar sei, hinreichend auseinander gesetzt hat (vgl. zur diesbezüglichen Auseinandersetzungspflicht etwa VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0533).

10 Das BVwG hat sich aber auch auf das Vorhandensein einer innerstaatlichen Fluchtalternative in den Städten Mazar-e Sharif und Herat gestützt. Die Revision enthält kein Vorbringen, aufgrund dessen diese Beurteilung des BVwG nach dem Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes als fehlerhaft anzusehen wäre. 11 Sofern der Revisionswerber die vom Bundesverwaltungsgericht nach Art. 8 EMRK vorgenommene Interessenabwägung beanstandet und sich dabei im Wesentlichen darauf stützt, das Verwaltungsgericht habe die abwägende Gesamtbetrachtung fehlerhaft durchgeführt, weil er bereits seit vier Jahren in Österreich aufhältig sei, Integrations- und Deutschkurse besucht und ein soziales Netz an Freunden und Bekannten aufgebaut habe, verkennt er, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie, wie vorliegend der Fall, auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 3.4.2019, Ra 2019/18/0030, mwN).

12 Einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zu (vgl. etwa VwGH 10.4.2019, Ra 2019/18/0058, mwN). Liegt - wie im gegenständlichen Fall - eine relativ kurze Aufenthaltsdauer des Betroffenen in Österreich vor, so wird nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes regelmäßig erwartet, dass die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich ist, um die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären (vgl. etwa VwGH 10.4.2019, Ra 2019/18/0049, mwN).

13 Dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben wären, lässt sich den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht entnehmen und wird von der Revision auch nicht dargelegt. Aus diesem Grund vermag die Revision auch keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Mangelhaftigkeit der vom Bundesverwaltungsgericht fallbezogen vorgenommenen Interessenabwägung aufzuzeigen.

14 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 3. Dezember 2019

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