AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §18 Abs1 Z4
BFA-VG §19
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2020:I409.2233518.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Florian Schiffkorn als Einzelrichter über die Beschwerde des JXXXX CXXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Marokko, vertreten durch die „Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH“ und durch die „Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH“ in 1170 Wien, Wattgasse 48/3. Stock, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18. Juli 2020, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer, ein marokkanischer Staatsangehöriger, wurde am 15. Juni 2020 im Zuge einer polizeilichen Personskontrolle ohne Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet betreten. Am 16. Juni 2020 wurde über ihn die Schubhaft verhängt.
Am 25. Juni 2020 stellte er während seiner Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen seiner am darauffolgenden Tag erfolgten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er unter der Rubrik „Fluchtgrund“ Folgendes an:
„Ich habe Probleme mit der Familie, bin arbeitslos und habe keine Zukunftsperspektive in Marokko.“
Am 2. Juli 2020 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich vor der belangten Behörde einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab er hierbei Folgendes an:
„F (Anm.: Frage): Warum haben Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen bzw. warum stellen Sie den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz?
A (Anm.: Antwort): Ich bin aus wirtschaftlichen Gründen ausgereist. Meine Familie hat deswegen Probleme in Marokko. Ich bin deswegen ausgereist um hier zu arbeiten und meine Familie zu unterstützen.
F: Gibt es noch weitere Gründe für die gegenständliche Antragstellung?
A: Ja, ich wurde von meinem Onkel geschlagen.
F: Bis wann haben sich diese Vorfälle erstreckt?
A: Der letzte Vorfall war vor zwei Jahren, als ich von meinem Onkel geschlagen wurde. Er verlangte immer Geld von meinem Vater, obwohl er selber welches hatte.
F: Haben Sie sich diesbezüglich an die Polizei gewendet?
A: Nein, weil meine Oma das nicht wollte.“
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 18. Juli 2020 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß „§ 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF“ (Spruchpunkt I) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß „§ 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG“ (Spruchpunkt II) als unbegründet ab. Zugleich wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß „§ 57 AsylG“ nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß „§ 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF“ wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß „§ 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF“ erlassen (Spruchpunkt IV) und gemäß „§ 52 Absatz 9 FPG“ festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß „§ 46 FPG“ nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt V). Gemäß „§ 55 Absatz 1a FPG“ wurde dem Beschwerdeführer keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI) und zudem einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß „§ 18 Absatz 1 Ziffer 1 und Ziffer 4 BFA-VG“ die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII).
Gegen den angefochtenen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 27. Juli 2020 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A) Entscheidung über die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid
A) 1. Feststellungen
A) 1.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige Beschwerdeführer ist gesund und erwerbsfähig, Staatsangehöriger von Marokko und stammt aus Agadir. Seine Identität steht nicht fest.
Er hält sich seit (zumindest) 15. Juni 2020 im Bundesgebiet auf, wobei er sich seit dem 16. Juni 2020 in Schubhaft befindet. Er verfügt in Österreich über keine maßgeblichen privaten sowie über keine familiären Anknüpfungspunkte. Seine Kernfamilie, insbesondere seine Eltern und sein Bruder, lebt nach wie vor in Marokko. Er ging in Österreich zu keinem Zeitpunkt einer legalen Erwerbstätigkeit nach.
Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.
In Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers und aufgrund der allgemeinen Lage im Land wird nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer in Marokko aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt werden würde. Er wird im Fall seiner Rückkehr nach Marokko mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.
A) 1.2. Zu den Feststellungen zur Lage in Marokko:
Zur Lage in Marokko werden folgende Feststellungen getroffen:
„Politische Lage
Marokko ist ein zentralistisch geprägter Staat. Das Land ist eine Monarchie mit dem König als weltlichem und geistigem Staatsoberhaupt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und "Anführer der Gläubigen" (AA 6.5.2019a; vgl. USDOS 11.3.2020). Laut der Verfassung vom 1.7.2011 ist Marokko eine konstitutionelle, demokratische und soziale Erbmonarchie, mit direkter männlicher Erbfolge und dem Islam als Staatsreligion. Abweichend vom demokratischen Grundprinzip der Gewaltenteilung kontrolliert der König in letzter Instanz die Exekutive, die Judikative und teilweise die Legislative (GIZ 5.2020a; vgl. ÖB 5.2019). Im Zusammenhang mit den Protestbewegungen in Nordafrika im Frühjahr 2011 leitete der König im Jahr 2011 eine Verfassungsreform und vorgezogene Neuwahlen ein. Proteste im Norden des Landes sind vor allem Ausdruck der Unzufriedenheit mit der Umsetzung sozioökonomischer Reformen, die schleppend verläuft (AA 6.5.2019a). Die Verfassung vom 1.7.2011 brachte im Grundrechtsbereich einen deutlichen Fortschritt für das Land; in Bezug auf die Königsmacht jedoch nur eine Abschwächung der absolutistischen Stellung. Das Parlament wurde als Gesetzgebungsorgan durch die neue Verfassung aufgewertet und es ist eine spürbare Verlagerung des politischen Diskurses in die Volksvertretung hinein erkennbar. Die Judikative wird als unabhängige Staatsgewalt gleichberechtigt neben Legislative und Exekutive gestellt. Das System der checks und balances als Ergänzung zur Gewaltenteilung ist jedoch in der Verfassung vergleichsweise wenig ausgebildet (ÖB 5.2019).
Vier Schlüsselministerien sind in Marokko der Kontrolle des Parlamentes und des Premierministers entzogen: Inneres, Äußeres, Verteidigung, Religiöse Angelegenheiten und Stiftungen. Soziale Reformen während der Regentschaft Mohamed VI sollten mehr Wohlstand für alle bringen - doch faktisch nahm die ohnehin starke Kontrolle der Königsfamilie und ihrer Entourage über die Reichtümer und Ressourcen des Landes weiter zu (GIZ 5.2020a). Hauptakteure der Exekutive sind die Minister, der Regierungschef und der König, der über einen Kreis hochrangiger Fachberater verfügt. Der König ist Vorsitzender des Ministerrates, hat Richtlinienkompetenz und ernennt nach Art. 47 der Verfassung von 2011 den Regierungschef aus der Partei, die bei den Wahlen als Sieger hervorgeht. Marokko verfügt seit der Unabhängigkeit über ein Mehrparteiensystem. Das Wahlrecht macht es schwierig für eine Partei, eine absolute Mehrheit zu erringen; Mehrparteienkoalitionen sind deshalb die Regel (AA 6.5.2019a).
Das marokkanische Parlament besteht aus zwei Kammern, dem Unterhaus (Chambre des Représentants, Madschliss an-Nuwwab) und dem Oberhaus (Chambre des conseillers, Madschliss al-Mustascharin). Die Abgeordneten des Unterhauses werden alle fünf Jahre in direkten allgemeinen Wahlen neu gewählt. Das Unterhaus besteht aus 395 Abgeordneten. Entsprechend einer gesetzlich festgelegten Quote sind mindestens 12% der Abgeordneten Frauen. Das Oberhaus (Chambre des Conseillers) besteht aus mindestens 90 und maximal 120 Abgeordneten, die in indirekten Wahlen für einen Zeitraum von sechs Jahren bestimmt werden (GIZ 5.2020a).
In Marokko haben am 7.10.2016 Wahlen zum Unterhaus stattgefunden. Als stärkste Kraft ging die seit 2011 an der Spitze der Regierung stehende Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung („Parti de la Justice et du Développement“) hervor. Am 5.4.2017 ernannte König Mohammed VI Saad-Eddine El Othmani zum Premierminister. Größte Oppositionspartei ist die Partei für Authentizität und Modernität (PAM) (AA 6.5.2019a). Sie rangiert an zweiter Stelle mit 102 Sitzen und konnte ihre Stimmengewinne mehr als verdoppeln und gilt daher als heimliche Siegerin. Dahinter gereiht ist mit 46 Sitzen die traditionsreiche Unabhängigkeitspartei (PI – Parti de l'Istiqlal), dahinter andere Parteien (GIZ 5.2020a).
Seit Anfang 2017 ist Marokko wieder offiziell Mitglied der Afrikanischen Union (GIZ 5.2020a).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (6.5.2019a): Marokko - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/-/224120 , Zugriff 21.1.2020
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (5.2020a), LIPortal - Marokko - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/marokko/geschichte-staat/ , Zugriff 9.7.2020
- ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko
- USDOS - United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 2.4.2020
Sicherheitslage
Marokko kann grundsätzlich als stabiles Land betrachtet werden (EDA 9.7.2020). Das französische Außenministerium rät bis auf einige Regionen zu normaler Aufmerksamkeit im Land, dem einzigen in Nordafrika, das auf diese Weise bewertet wird (FD 9.7.2020). In den Grenzregionen zu Algerien wird zu erhöhter Aufmerksamkeit geraten (FD 9.7.2020), bzw. wird von Reisen abgeraten (AA 9.7.2020).
Die Westsahara darf nur nach Genehmigung durch die marokkanischen Behörden und nur auf genehmigten Strecken bereist werden (FD 9.7.2020). Zusätzlich besteht für die Grenzregionen zu Mauretanien in der Westsahara eine Reisewarnung (AA 9.7.2020; vgl. FD 9.7.2020, BMEIA 9.7.2020).
Im Jahr 2019 konnte Marokko sein Terrorismusrisiko weitgehend eindämmen und die Zahl der Verhaftungen im Vergleich zu 2018 verdoppelt. Das Land sah sich jedoch weiterhin sporadischen Bedrohungen ausgesetzt, die hauptsächlich von kleinen, unabhängigen Terrorzellen ausgingen, von denen die meisten angeben, sie seien vom Islamischen Staat (IS) inspiriert oder mit ihm verbunden. Im März 2019 repatriierte Marokko acht Kämpfer aus Syrien. Im Jahr 2019 wurden in Marokko keine terroristischen Vorfälle gemeldet (USDOS 25.6.2020).
Demonstrationen und Protestaktionen sind jederzeit im ganzen Land möglich (EDA 9.7.2020; vgl. IT-MAE 9.7.2020). Auch nicht genehmigte Demonstrationen verlaufen meist friedlich, es kommt jedoch vereinzelt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Die Proteste entzünden sich meist an wirtschaftlichen und sozialen Missständen (IT-MAE 9.7.2020; vgl. AA 9.7.2020, BMEIA 9.7.2020, EDA 9.7.2020). In der Region Rif kann es zu Übergriffen durch Kriminelle kommen, die in Drogenproduktion und -handel involviert sind (FD 9.7.2020; vgl. EDA 9.7.2020).
In großen Teilen der Sahara sind bewaffnete Banden und islamistische Terroristen aktiv, die vom Schmuggel und von Entführungen leben. Das Entführungsrisiko ist in einigen Gebieten der Sahara und der Sahelzone hoch und nimmt noch zu. Die Grenze zu Algerien ist geschlossen (AA 9.7.2020; vgl. EDA 9.7.2020, BMEIA 9.7.2020).
Das völkerrechtlich umstrittene Gebiet der Westsahara erstreckt sich südlich der marokkanischen Stadt Tarfaya bis zur mauretanischen Grenze. Es wird sowohl von Marokko als auch von der Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisario beansprucht. Die United Nations Mission for the Referendum in Western Sahara MINURSO überwacht den Waffenstillstand zwischen den beiden Parteien. Auf beiden Seiten der Demarkationslinie (Sandwall) sind diverse Minenfelder vorhanden (EDA 9.7.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (9.7.2020): Marokko - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/marokkosicherheit/224080 , Zugriff 9.7.2020
- BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (9.7.2020): Reiseinformation Marokko, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/marokko/ , Zugriff 9.7.2020
- EDA - Eidgenössisches Departemenet für auswärtige Angelegenheiten (9.7.2020): Reisehinweise für Marokko, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/marokko/reisehinweise-marokko.html , Zugriff 9.7.2020
- FD - France Diplomatie (9.7.2020): Conseils aux Voyageurs - Maroc - Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/maroc/#derniere_nopush , Zugriff 9.7.2020
- IT-MAE - Ministero degli Affari Esteri e della Cooperazione Internazionale (9.7.2020): Viaggiare Sicuri – Marocco, http://www.viaggiaresicuri.it/country/MAR , Zugriff 9.7.2020
- USDOS - United States Department of State (24.6.2020): Country Reports on Terrorism 2019 – Chapter 1 - Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2032530.html , Zugriff 9.7.2020
Westsahara
Der Konflikt in und um die Westsahara schwelt seit Jahrzehnten. Als sich nach dem Tod des Diktators Franco 1975 Spanien aus der damaligen Kolonie zurückzogen, marschierte Marokko im Rahmen des sogenannten Grünen Marsches in das Nachbarland ein. Seitdem hält Marokko große Teile des Territoriums besetzt und betrachtet das Gebiet seit der Annexion 1976 als Bestandteil seines Landes. Dagegen wehrt sich die Bewegung Frente Polisario, welche die Unabhängigkeit der Westsahara anstrebt. Ein rund 2.500 Kilometer langer Sandwall, dessen Baubeginn 1981 war, und der von der mauretanisch-marokkanischen Grenze durch die Sahara bis zum marokkanisch-algerisch-sahrauischen Dreiländereck verläuft, spaltet heute die Westsahara (GIZ 5.2020a). Auf der einen Seite liegt der von Marokko kontrollierte, größere Teil; er umfasst rund 75% des Territoriums. Die UNO erkennt Marokko jedoch nicht als Verwaltungsmacht für die Westsahara an. Seit 1991 überwacht sie den Waffenstillstand zwischen Marokko und der Frente Polisario und seit Dezember 2018 wurden die Verhandlungen über den Status des Territoriums wieder aufgenommen (CIA 10.6.2020). 1991 endeten die Kampfhandlungen zwischen der Frente Polisario und Marokko. Die UNO installierte an mehreren Orten in der Westsahara zur Friedenssicherung die MINURSO (CIA 8.6.2020; vgl. GIZ 5.2020a, AA 6.5.2019b), und verlängerte zuletzt im Oktober 2019 das Mandat um ein Jahr (AI 18.2.2020). Die Frente Polisario hatte im Februar 1976 eine Exilregierung in Algerien, in der Nähe von Tindouf, gebildet, die bis zum Tod von Präsident Mohamed Abdelaziz im Mai 2016 geführt wurde. Sein Nachfolger Brahim Ghali wurde im Juli 2016 gewählt (GIZ 5.2020a). Für Marokko ist die Sicherung der Zugehörigkeit der Westsahara zu Marokko Staatsräson und zentrales Anliegen der marokkanischen Politik (AA 6.5.2019b).
Seit dem Ende der Kampfhandlungen im Jahr 1991 gelang es nicht, ein Referendum bzgl. des Status der Westsahara durchzuführen bzw. scheiterten Anläufe für neue Gespräche zwischen Marokko und der Polisario immer wieder. Seit November 2010 gab es mehrere Anläufe für neue Gespräche zwischen Marokko und der Polisario, doch eine Lösung des Konfliktes ist zurzeit nicht in Sicht. Die Zahl der Staaten, die die sahrauische Exilregierung anerkennen, ist von 80 auf gut die Hälfte gesunken (GIZ 5.2020a).
Als 1982 die Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS) als offizielles Mitglied in die Organisation der Afrikanischen Union aufgenommen wurde, verließ Marokko diese als Reaktion darauf im Jahr 1984. Aufgrund des Westsahara-Konfliktes war Marokkos politische Position jedoch über Jahrzehnte schwach. In der Afrikanischen Union war Marokko mehr als 30 Jahre nicht Mitglied. In den vergangenen Jahren hat Marokko seine Beziehungen und Aktivitäten in Afrika jedoch intensiviert. In Westafrika gewinnt Marokko wirtschaftlich an Einfluss. Seit Anfang 2017 ist Marokko wieder offiziell Mitglied der Afrikanischen Union (GIZ 5.2020a).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (6.5.2019b): Marokko - Außenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/-/224118 , Zugriff 21.1.2020
- AI - Amnesty International (18.2.2020): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2019; Morocco and Western Sahara, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025837.html , Zugriff 9.7.2020
- CIA - Central Intelligence Agency (10.6.2020): The World Factbook - Morocco, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/mo.html , Zugriff 6.7.2020
- CIA - Central Intelligence Agency (8.6.2020): The World Factbook - Western Sahara, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/wi.html , Zugriff 6.7.2020
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH (5.2020a), LIPortal - Marokko - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/marokko/geschichte-staat/ , Zugriff 6.7.2020
Rechtsschutz / Justizwesen
Die Justiz ist laut Verfassung unabhängig (USDOS 11.3.2020). In der Praxis wird diese Unabhängigkeit jedoch durch Korruption (USDOS 11.3.2020; vgl. ÖB 5.2019, AA 14.2.2018) und außergerichtliche Einflüsse unterlaufen. Behörden setzen manchmal gerichtliche Anordnungen nicht zeitnah durch (USDOS 11.3.2020). Das Gerichtssystem ist nicht unabhängig vom Monarchen, der dem Obersten Justizrat vorsitzt (FH 4.3.2020). Rechtsstaatlichkeit ist vorhanden, aber noch nicht ausreichend entwickelt. Unabhängigkeit der Justiz, Verfassungsgerichtsbarkeit, Transparenz durch Digitalisierung, Modernisierung der Justizverwaltung befinden sich noch im Entwicklungsprozess, der, teils von der Verfassung gefordert, teils von der Justizverwaltung angestoßen wurde. Mit dem in der Verfassung vorgesehenen und im April 2017 eingesetzten Conseil supérieur du pouvoir judiciaire (Oberster Rat der Rechtssprechenden Gewalt) wurden Richter- und Staatsanwaltschaft aus dem Verantwortungsbereich des Justizministeriums herausgelöst und verwalten sich nun selbst. Der Rat agiert als unabhängige Behörde. Mit der Herauslösung der Staatsanwaltschaft wurde formal die Unabhängigkeit der Ermittlungsbehörden von der Politik gestärkt. Es gibt jedoch Stimmen, die eine direkte Einflussnahme des Palastes befürchten, da sich Richterschaft und Staatsanwaltschaft nunmehr jeder demokratisch legitimierten Kontrolle entziehen (AA 14.2.2018). In der Praxis werden die Gerichte regelmäßig dazu benutzt, vermeintliche Gegner der Regierung zu bestrafen, darunter andersdenkende Islamisten, Menschenrechts- und Antikorruptionsaktivisten sowie Kritiker der marokkanischen Herrschaft in der Westsahara (FH 4.3.2020).
Formal besteht Gleichheit vor dem Gesetz. Das extreme Gefälle in Bildung und Einkommen, die materielle Unterentwicklung ländlicher Gebiete und der allgegenwärtige gesellschaftliche Klientelismus behindern allerdings die Umsetzung des Gleichheitsgrundsatzes (AA 14.2.2018). Gesetzlich gilt die Unschuldsvermutung. Der Rechtsweg ist formal sichergestellt. Angeklagte haben das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren, auf rechtzeitigen Zugang zu ihrem Anwalt und das Recht, Berufung einzulegen. Das marokkanische Recht sieht Pflichtverteidiger für mittellose Angeklagte vor. Der Zugang zu juristischem Beistand ist in der Praxis noch immer unzulänglich (AA 14.2.2018; vgl. USDOS 11.3.2020). NGOs kritisieren, dass die Beschuldigten zu Geständnissen gedrängt werden (FH 4.3.2020; vgl. AA 14.2.2018). Das Strafprozessrecht erlaubt der Polizei, einen Verdächtigen bis zu 48 Stunden in Gewahrsam („garde à vue“) zu nehmen. Der Staatsanwalt kann diese Frist zweimal verlängern. Der Entwurf für ein neues Strafprozessgesetz sieht verbesserten Zugang zu Anwälten bereits im Gewahrsam vor. Das Gesetz ist noch nicht verabschiedet (AA 14.2.2018). Berichten zufolge werden Untersuchungshäftlinge in der Praxis länger als ein Jahr festgehalten, und das Gesetz enthält keine Bestimmungen, die es Untersuchungshäftlingen erlauben, ihre Inhaftierung vor Gericht anzufechten. Einige Verdächtige, insbesondere diejenigen, die des Terrorismus beschuldigt werden, werden tage- oder wochenlang in geheimer Haft gehalten, bevor eine formelle Anklage erhoben wird. Zudem wird Angeklagten nach ihrer Verhaftung der sofortige Zugang zu Anwälten verwehrt und Verteidigern stoßen beim Zugang bei der Vorlage von Prozessbeweisen zu Hindernissen (FH 4.3.2020).
Im Bereich der Strafzumessung wird häufig kritisiert, dass bestehende Möglichkeiten zur Vermeidung von Haft bei minder schweren Delikten (z.B. Geldstrafen, Sozialstunden) nicht genutzt werden. Auch die Möglichkeit der Entlassung auf Bewährung (libération conditionnelle) wird kaum genutzt (AA 14.2.2018).
Seit Juli 2015 ist die Militärgerichtsbarkeit in Verfahren gegen Zivilisten nicht mehr zuständig. Im Juli 2016 wurden durch das Revisionsgericht die Urteile eines Militärgerichts gegen 23 sahrauische Aktivisten im Zusammenhang mit dem Tod von Sicherheitskräften bei der Räumung des Protestlagers Gdim Izik aufgehoben. Von der ordentlichen Gerichtsbarkeit wurden die Angeklagten 2017 zu Haftstrafen zwischen zwei Jahren und lebenslänglich verurteilt (AA 14.2.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf , Zugriff 5.9.2019
- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2030898.html , Zugriff 6.7.2020
- ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko
- USDOS - United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 2.4.2020
Sicherheitsbehörden
Der Sicherheitsapparat verfügt über einige Polizei- und paramilitärische Organisationen, deren Zuständigkeitsbereiche sich teilweise überlappen. Die DGSN „Direction Générale de la Sûreté Nationale“ (Nationalpolizei) ist für die Umsetzung der Gesetze zuständig und untersteht dem Innenministerium. Bei den „Forces auxiliaires“ handelt es sich um paramilitärische Hilfskräfte, die dem Innenministerium unterstellt sind und die Arbeit der regulären Sicherheitskräfte unterstützen. Die Gendarmerie Royale ist zuständig für die Sicherheit in ländlichen Gegenden und patrouilliert auf Nationalstraßen. Sie untersteht dem Verteidigungsministerium (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 14.2.2018). Es gibt zwei Nachrichtendienste: den Auslandsdienst DGED („Direction Générale des Etudes et de Documentation“) und den Inlandsdienst DGST („Direction Générale de la Surveillance du Territoire“) (AA 14.2.2018; vgl. ÖB 5.2019). Im April 2015 wurde zusätzlich das „Bureau central d'investigations judiciaires“ (BCIJ) geschaffen. Es untersteht dem Inlandsdienst DGST. Von der Funktion entspricht es etwa dem deutschen Bundeskriminalamt mit originären Zuständigkeiten und Ermittlungskompetenzen im Bereich von Staatsschutzdelikten sowie Rauschgift- und Finanzdelikten im Rahmen von Verfahren der Organisierten Kriminalität (AA 14.2.2018).
Die zivile Kontrolle über die Sicherheitskräfte ist gemäß USDOS wirksam (USDOS 11.3.2020), gemäß auswärtigem Amt hingegen sind die Sicherheitskräfte weitgehend der zivilen Kontrolle durch Parlament und Öffentlichkeit entzogen (AA 14.2.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf , Zugriff 9.10.2019
- ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko
- USDOS - United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 2.4.2020
Folter und unmenschliche Behandlung
Die Verfassung gewährleistet die Grundrechte und verbietet Folter und unmenschliche Behandlung oder Bestrafung. Die Sicherheitsbehörden unterliegen der effektiven Kontrolle der zivilen Behörden und die Regierung bestreitet, dass sie die Anwendung von Folter erlaubt (USDOS 11.3.2020).
Folter ist gemäß Verfassung unter Strafe gestellt (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 14.2.2018). Marokko ist Vertragsstaat der Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen und hat auch das Zusatzprotokoll unterzeichnet (AA 14.2.2018; vgl. ÖB 5.2019). Der CNDH (Conseil National des Droits de l'Homme / Nationaler Menschenrechtsrat) ist für den Nationalen Präventionsmechanismus gegen Folter zuständig (CDNH o.D.; vgl. AA 14.2.2018, AI 26.2.2019). Die marokkanische Regierung lehnt den Einsatz von Folter ab und bemüht sich um aktive Prävention. Der Einsatz von systematischer, staatlich angeordneter Folter wird auch von NGOs nicht bestätigt. Gleichwohl berichten NGOs über Fälle von nicht gesetzeskonformer Gewaltanwendung gegenüber Inhaftierten durch Sicherheitskräfte. Die marokkanische Menschenrechtsorganisation OMDH („Organisation Marocaine des Droits de l’Homme“) geht vom Fehlverhalten einzelner Personen aus (AA 14.2.2018). Es kommt weiterhin zu Fällen übermäßiger Gewalt durch die Polizei und Folter in Gewahrsam. Einige der in den letzten Jahren inhaftierten Demonstranten gaben an, während der Festnahme geschlagen und verletzt worden zu sein, und einige wurden bis zur Verhandlung länger in Einzelhaft gehalten. Gefängnisse leiden häufig unter Überfüllung. Die Verurteilungen der Hirak-Rif-Demonstranten im April 2019 basierten auf durch Folter erlangten Geständnissen, die die Angeklagten während des Prozesses alle widerriefen (FH 4.3.2020; vgl. HRW 14.1.2020, AI 18.2.2020).
Es gibt Berichte, dass Folter oder exzessive Polizeigewalt vorkommen (FH 4.3.2020). Der Staatsminister für Menschenrechte räumt ein, dass Folter in Einzelfällen auftritt, aber es sich nicht mehr um eine systematische Praxis handeln würde. Es besteht kein systematischer Mechanismus, Menschenrechtsverletzungen und Korruption wirksam zu untersuchen und zu bestrafen, was Straffreiheit bei Vergehen durch die Sicherheitskräfte begünstigt (USDOS 11.3.2020). Die Behörden haben es versäumt, den Vorwürfen von Folter und anderen Misshandlungen angemessen nachzugehen, was zu unfairen Gerichtsverfahren führte. In mehreren Fällen wurde eine längere Einzelhaft von Gefangenen verzeichnet, die auf Folter oder andere Misshandlungen hinausläuft (AI 18.2.2020). Inhaftierte Islamisten werfen dem Sicherheitsapparat, insbesondere dem Inlandsgeheimdienst DGST, vor, Methoden anzuwenden, die rechtsstaatlichen Maßstäben nicht immer genügen (z.B. lange U-Haft unter schlechten Bedingungen, kein Anwaltszugang). Die zivilgesellschaftlichen Organisationen und Medien dokumentieren diese Vorwürfe nur bruchstückhaft (AA 14.2.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf , Zugriff 9.10.2019
- AI - Amnesty International (18.2.2020): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2019; Morocco and Western Sahara, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025837.html , Zugriff 7.7.2020
- AI - Amnesty International (4.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Morocco/Western Sahara, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003693/MDE2998912019ENGLISH.pdf , Zugriff 9.10.2019
- CDNH - Kingdom of Morocco, National Human Rights Council (o.D.): CNDH mandate for the protection of human rights, https://www.cndh.org.ma/an/presentation/cndhs-mandate-area-human-rights-protection , Zugriff 2.4.2020
- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2030898.html , Zugriff 2.7.2020
- HRW - Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022718.html , Zugriff 7.7.2020
- ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko
- USDOS - United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 2.4.2020
Korruption
Das Gesetz sieht für behördliche Korruption Strafen vor, doch setzt die Regierung die gesetzlichen Regelungen nicht effektiv um (USDOS 11.3.2020). Korruption ist in den staatlichen Institutionen und in der Wirtschaft weit verbreitet (FH 4.3.2020; vgl. GIZ 5.2020a). Staatsbedienstete,die in Korruptionsfälle verwickelt sind, gehen straffrei aus. Es gibt Berichte über Korruptionsfälle bei der Exekutive, Legislative und in der Justiz. Korruption ist bei der Polizei weit verbreitet (USDOS 11.3.2020).
Trotz der offiziellen Rhetorik über die Korruptionsbekämpfung ist die Bilanz bei der Durchsetzung der Gesetze gemischt. Tiefgreifende Reformen zur Bekämpfung der Korruption werden durch einen Mangel an politischem Willen, geringe institutionelle Kapazitäten und den Einfluss von Eliten, die vom Status quo profitieren, gebremst (FH 4.3.2020; vgl. GIZ 5.2020a) .
Die Antikorruptionsbehörde National Authority for Probity, Prevention, and Fighting Corruption (INPPLC), das Justizministerium und die Hohe Rechnungskontrollbehörde (Government Accountability Court) sind für Korruptionsfragen zuständig. Die Behörden ermitteln in Fällen von Korruption kleineren Ausmaßes, jedoch hängen die Fälle manchmal in den Ermittlungs- oder Verhandlungsphasen fest. Korruptionsvorwürfe gegen die Polizei werden oft abgeschmettert, da ausschließlich die Aussagen der Polizisten berücksichtigt werden (USDOS 11.3.2020).
Marokko belegt im Korruptionswahrnehmungsindex 2019 den 80. von insgesamt 180 Plätzen (TI 23.1.2020).
Quellen:
- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2030898.html , Zugriff 2.7.2020
- GIZ- Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (5.2020a), LIPortal - Marokko - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/marokko/geschichte-staat/ , Zugriff 2.7.2020
- TI - Transparency International (23.1.2020): Corruption Perceptions Index 2019 – Full Data Set, https://files.transparency.org/content/download/2450/14822/file/2019_CPI_FULLDATA.zip , Zugriff 11.2.2020
- USDOS - United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 2.4.2020
NGOs und Menschenrechtsaktivisten
Es gibt in Marokko eine lebendige und aktive Zivilgesellschaft mit nationalen und internationalen NGOs, die im Prinzip unbehelligt agieren kann. Verbote gegen einzelne Veranstaltungen und Einschränkungen für NGOs und Menschenrechtsorganisationen kommen jedoch vor (AA 14.2.2018; vgl. FH 4.3.2020). NGOs sind rechtlichen Schikanen, Reisebeschränkungen, aufdringlicher Überwachung und weiteren Behinderungen ihrer Arbeit ausgesetzt (FH 4.3.2020). Ein NGO-Gesetz gibt es nicht. Für NGOs gilt das Vereinsrecht. Sie müssen sich beim Innenministerium registrieren lassen. Es kommt vor, dass die Registrierungsanzeigen nicht fristgemäß mit einer Eingangsbestätigung beantwortet werden (AA 14.2.2018). Wenn NGOs Verbindungen zur islamistische Massenbewegung „al-Adl wal-Ihsan“ haben oder die Rechte marginalisierter Gemeinschaften geltend machen, verweigern die Behörden routinemäßig die Registrierung (FH 4.3.2020).
Menschenrechtsorganisationen publizieren Berichte über Menschenrechtsfälle. Die Einstellung der Regierung gegenüber lokalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen variiert jedoch, abhängig von der politischen Orientierung der Organisation und der Sensitivität der jeweiligen Angelegenheit. Lokale und internationale NGOs sind immer wieder Einschränkungen bei ihren Aktivitäten ausgesetzt (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 14.2.2018).
Der Bereich NGOs/Menschenrechtsverteidiger stellt sich als breit gefächerte Landschaft (ca. 90.000 Vereinigungen) dar, mit einer aktiven und sich artikulierenden Menschenrechtsverteidigerszene, die mit dem CNDH (Nationaler Rat für Menschenrechte) korreliert und dessen Arbeit ergänzt oder diesem sogar voraneilt. Sichtbarste und mit Veranstaltungen und Berichten hervortretende Protagonisten der Menschenrechtsszene sind die OMDH (Organisation Marocaine des Droits Humains) und die AMDH (Association Marocaine des Droits Humains). Die Zivilcourage der einzelnen Aktivisten verdient Anerkennung, weil nicht nur Gefahr besteht, mit staatlicher Repression in Konflikt zu geraten, sondern auch an die Grenzen des von der Gesellschaft Tolerierten zu stoßen (ÖB 5.2019). Die AMDH, eine der bekanntesten NGOs Marokkos, wird häufig von der Regierung ins Visier genommen. Laut Human Rights Watch wurden zwischen Jänner 2017 und Juli 2018 16 Veranstaltungen der AMDH abgesagt, weil die Eigentümer der Veranstaltungsorte unter Druck gesetzt wurden oder die Sicherheitskräfte den Zugang zu den Veranstaltungsräumen direkt blockierten. 2019 wurde mindestens fünf AMDH-Veranstaltungen der Zugang in ähnlicher Weise verweigert (FH 4.3.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf , Zugriff 9.10.2019
- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2030898.html , Zugriff 7.7.2020
- ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko
- USDOS - United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 2.4.2020
Ombudsmann
Zur Kontrolle der Gewährleistung grundlegender Menschenrechte wurde nach der Verabschiedung der neuen Verfassung im Jahr 2011 ein „Nationaler Menschenrechtsrat“ (Conseil National des droits de l’homme - CNDH) als besondere Verfassungsinstanz eingerichtet. Seine kritischen Bestandsaufnahmen und Empfehlungen zu Gesetzesentwürfen haben Gewicht und beeinflussen die Politik (AA 14.2.2018). Der CNDH ist sichtbar, aktiv und produktiv (Berichte über psychiatrische Anstalten, Strafvollzug, Jugendwohlfahrtseinrichtungen, Situation von Asylsuchenden und Migranten). Er legt jährlich einen Bericht vor, der dem König und dem Parlament zur Kenntnis gebracht wird und nimmt auch zu Individualfällen Stellung, bis hin zur Intervention (ÖB 5.2019). Menschenrechtsangelegenheiten werden somit durch den CNDH, die interministerielle Abordnung über Menschenrechte (DIDH), und die Institution des Médiateur (Ombudsmann) wahrgenommen (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf , Zugriff 9.10.2019
- ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko
- USDOS - United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 2.4.2020
Wehrdienst und Rekrutierungen
1966 hatte Marokko den Militärdienst eingeführt, 2006 war er abgeschafft worden, nun soll er wieder Pflicht werde. Bereits im Sommer 2018 hatte das marokkanische Parlament einen entsprechenden Gesetzentwurf verabschiedet. Am 25.1.2019 trat das Gesetz in Kraft (DIS 7.2019). Das Gesetz sieht die Wiedereinführung der Wehrpflicht für Marokkaner im Alter von 19 bis 25 Jahren vor. Insgesamt zwölf Monate sollen Männer und Frauen dienen, bis zum Alter von 25 Jahren (CIA 3.1.2020; vgl. DIS 7.2019; GIZ 5.2020a). Laut Medien hat König Mohammed VI. für 2019 festgelegt, dass die Regierung 10.000 Marokkaner rekrutieren soll, und dass die Anzahl bis Ende 2020 auf 15.000 erhöht werden soll. Wenn eine Person, die eingezogen wurde, der Vorladung ohne berechtigten Grund nicht nachkommt, wird sie mit einer Freiheitsstrafe zwischen einem und drei Monaten und einer Geldstrafe von 2.000 bis 5.000 Dirham bestraft (DIS 7.2019).
Quellen:
- CIA - Central Intelligence Agency (10.6.2020): The World Factbook - Morocco, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/mo.html , Zugriff 2.7.2020
- DIS - Danish Immigration Service (7.2019): Morocco; Military service, Juli 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2016126/brief COI report_military service in Morocco_July 2019_final.pdf, Zugriff 10.10.2019
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (5.2020a), LIPortal - Marokko - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/marokko/geschichte-staat/ , Zugriff 2.7.2020
Allgemeine Menschenrechtslage
Der Grundrechtskatalog (Kapitel I und II) der Verfassung ist substantiell; wenn man noch die durch internationale Verpflichtungen übernommenen Grundrechte hinzuzählt, kann man von einem recht umfassenden Grundrechtsrechtsbestand ausgehen. Als eines der Kerngrundrechte fehlt die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die Verfassung selbst stellt allerdings den Rechtsbestand unter den Vorbehalt der traditionellen „roten Linien“ - Monarchie, islamischer Charakter von Staat und Gesellschaft, territoriale Integrität (i.e. Annexion der Westsahara) - quasi als „Baugesetze“ des Rechtsgebäudes. Der vorhandene Rechtsbestand, der mit der neuen Verfassungslage, v.a. in Bereichen wie Familien- und Erbrecht, Medienrecht und Strafrecht, teilweise nicht mehr konform ist, gilt weiterhin (ÖB 5.2019).
In den unter Titel II aufgeführten Artikeln 19 bis 35 garantiert die Verfassung die universellen Menschenrechte (AA 14.2.2018).
Staatliche Repressionsmaßnahmen gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sind nicht festzustellen. Gewichtige Ausnahme: wer die Vorrangstellung der Religion des Islam in Frage stellt, die Person des Königs antastet oder die Zugehörigkeit der Westsahara zu Marokko anzweifelt. Obwohl Kritik an den Staatsdoktrinen strafrechtlich sanktioniert wird, werden entsprechende Verurteilungen in den vergangen Jahren eher selten bekannt. Marokkanische NGOs sind der Auffassung, dass administrative Schikanen eingesetzt und Strafverfahren zu anderen Tatbeständen (z. B. Ehebruch oder Steuervergehen) angestoßen oder auch konstruiert werden, um politisch Andersdenkende sowie kritische Journalisten einzuschüchtern oder zu verfolgen (AA 14.2.2018).
Im Mai 2017 stellte sich Marokko dem Universellen Staatenüberprüfungsverfahren (UPR) des UN-Menschenrechtsrats. Marokko akzeptierte 191 der 244 Empfehlungen (AA 14.2.2018).
Gesetzlich sind Meinungs- und Pressefreiheit garantiert, einige Gesetze schränken jedoch die Meinungsfreiheit im Bereich der Presse und den sozialen Medien ein (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 14.2.2018). Es kommt vereinzelt zur Strafverfolgung von Journalisten. Staatliche Zensur existiert nicht, sie wird durch die Selbstzensur der Medien im Bereich der drei Tabuthemen ersetzt. Ausländische Satellitensender und das Internet sind frei zugänglich (AA 14.2.2018).
Gesetzlich unter Strafe gestellt und aktiv verfolgt sind und werden kritische Äußerungen betreffend den Islam, die Institution der Monarchie und die offizielle Position der Regierung zur territorialen Integrität und den Anspruch auf das Gebiet der Westsahara (USDOS 11.3.2020; vgl. HRW 14.1.2020, AA 14.2.2018, FH 4.3.2020), sowie Kritik an Staatsinstitutionen oder das Gutheißen von Terrorismus. Für Kritik in diesen Bereich können weiterhin Haftstrafen verhängt werden. Für kritische Äußerungen in anderen Bereichen wurden Haftstrafen im Rahmen einer Änderung des Pressegesetzes im Juli 2016 abgeschafft und durch Geldstrafen ersetzt (HRW 14.1.2020).
Verfolgung wegen politischer Überzeugungen erfolgt zwar nicht systematisch flächendeckend, bleibt aber ein reelles Risiko für politisch aktive Personen außerhalb des politischen Establishments und Freigeister. Parameter des „Wohlverhaltens“ sind die „roten Linien“ (Monarchie, Islam, territoriale Integrität) sowie der Kampf gegen den Terrorismus. Wer sich dagegen kritisch äußert oder dagegen politisch aktiv wird, muss mit Repression rechnen. Durch Fokussierung auf Einzelfälle, deren Publizierung gar nicht behindert wird, entsteht eine generalpräventive Grundstimmung: die Marokkaner wissen sehr gut abzuschätzen, wann sie mit Äußerungen in tiefes Wasser geraten könnten. Dies hindert aber nicht, dass Jugend, Menschenrechtsaktivisten, Interessensvertreter dennoch laufend ihre Stimme erheben, wobei nicht jede kritische oder freiherzige Äußerung unbedingt Konsequenzen haben muss; insbesondere Medien und Persönlichkeiten mit großer Visibilität wird ein gewisser Freiraum zugestanden. Gegenüber Regierung, Ministern und Parlament etwa kann ganz freimütig Kritik geübt werden. Die „kritische Masse“ für das Eingreifen der Obrigkeit scheint erst beim Zusammentreffen mehrerer Faktoren zustande zu kommen: Etwa Infragestellen des Autoritätsgefüges (Königshaus, Sicherheitskräfte) oder Kritik am Günstlingsumfeld des Hofes („Makhzen“) verbunden mit publizitärer Reichweite des Autors (ÖB 5.2019).
Die – auch im öffentlichen Raum kaum kaschierten – Überwachungsmaßnahmen erstrecken sich auch auf die Überwachung des Internets und elektronischer Kommunikation, wobei Aktivisten, die für eine unabhängige Westsahara eintreten – vor allem im Gebiet der Westsahara selbst – besonders exponiert sind (ÖB 5.2019).
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind in der Verfassung von 2011 verfassungsrechtlich geschützt, werden aber durch die „roten Linien“ Glaube, König, Heimatland eingeschränkt (AA 14.2.2018). Versammlungen von mehr als drei Personen sind genehmigungspflichtig (USDOS 11.3.2020). Die Behörden gehen meist nicht gegen öffentliche Ansammlungen und die häufigen politischen Demonstrationen vor, selbst wenn diese nicht angemeldet sind (AA 14.2.2018; vgl. USDOS 11.3.2020). In Einzelfällen kommt es jedoch zur gewaltsamen Auflösung von Demonstrationen (AA 14.2.2018; vgl. FH 4.3.2020, USDOS 11.3.2020, HRW 14.1.2020).
2017 gab es eine Vielzahl von Protesten gegen staatliches Versagen, Korruption und Machtwillkür in der Rif-Region, die unter dem Schlagwort „Hirak“ zusammengefasst werden. Berichtet wurde von zunehmend hartem Durchgreifen der Sicherheitskräfte, Videos von Polizeieinsätzen wurden durch Aktivisten in Facebook hochgeladen (AA 14.2.2018).
Obwohl verfassungsmäßig Vereinigungsfreiheit gewährleistet ist, schränkt die Regierung dieses Recht manchmal ein (USDOS 11.3.2020). Organisationen wird die offizielle Registrierung verweigert (HRW 14.1.2020). Politischen Oppositionsgruppen und Organisationen, die den Islam als Staatsreligion, die Monarchie, oder die territoriale Integrität Marokkos infrage stellen, wird kein NGO-Status zuerkannt (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf , Zugriff 10.10.2019
- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2030898.html , Zugriff 2.7.2020
- HRW - Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022718.html , Zugriff 20.1.2020
- ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko
- USDOS - United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 2.4.2020
Opposition
Die Gründung von neuen Parteien wurde mit der Verfassung von 2011 vereinfacht. Verboten bleibt die Gründung von Parteien auf ethnischer, religiöser, sprachlicher oder regionaler Grundlage. Zugelassene Oppositionsparteien sind in ihrer Arbeit nicht wesentlich eingeschränkt. Politische Debatten werden offen und kontrovers geführt. Parteiprogrammatik ist insgesamt schwach ausgeprägt (AA 14.2.2018).
Neben der parlamentarischen Opposition sind im außerparlamentarischen Bereich vor allem folgende Gruppierungen zu nennen (AA 14.2.2018):
- Die durch den gewaltsamen Unfalltod eines Fischhändlers in Al Hoceima im Norden Marokkos im Oktober 2016 ausgelöste Protestbewegung („Hirak“) war eine vor allem über die sozialen Netzwerke organisierte Bewegung ohne klare Strukturen mit sozioökonomischen Forderungen (AA 14.2.2018). Die Bewegung Hirak war hauptsächlich 2016 und 2017 aktiv, es kam zu starken Repressionen seitens des marokkanischen Staates (lvsl 28.12.2019), aber auch zu Begnadigungen (AA 14.2.2018). Verfahren gegen Beteiligte führten in den Folgejahren zu Solidaritätsbekundungen in Form von Protesten (lvsl 28.12.2019).
- Die Bewegung „20. Februar“, die Auslöser bzw. Anführer der Protestbewegung im Jahr 2011 war, hat seit der Verfassungsreform und den Parlamentswahlen an Bedeutung verloren. Bei Demonstrationen zu unterschiedlichen Anlässen 2016 und 2017 konnte sie nur noch einige hundert Teilnehmer mobilisieren (AA 14.2.2018).
- „al-Adl wal-Ihsan“ ist die wichtigste islamistische Massenbewegung und der bedeutendste Gegenspieler der regierenden PJD im islamistischen Lager. Trotz Verbots 1990 wird sie von staatlicher Seite weitgehend geduldet. Die Organisation lehnt die Autorität des Königs als „Amir al-Mouminin“ (Führer der Gläubigen) und damit einen der Grundpfeiler des marokkanischen Staates ab. Sie betätigt sich vor allem karitativ, mobilisiert für sozialpolitische Forderungen und kann vermutlich mehrere zehntausend Anhänger hinter sich versammeln (AA 14.2.2018).
Die Bewegung „al-Tawhid wal-Islah“ („Monotheismus und Reform“) ist die weltanschauliche Heimat und religiöse Parallelorganisation der Regierungspartei PJD. Sie hat Vorbehalte gegenüber westlichen Demokratie-Modellen und ist in ihren gesellschaftspolitischen Forderungen konservativer als die Partei PJD (AA 14.2.2018).
Verfolgung wegen politischer Überzeugungen erfolgt zwar nicht systematisch flächendeckend, bleibt aber ein reelles Risiko für politisch aktive Personen außerhalb des politischen Establishments und Freigeister. Parameter des „Wohlverhaltens“ sind die schon zitierten „roten Linien“ (Monarchie, Islam, territoriale Integrität) sowie der Kampf gegen den Terrorismus. Wer sich dagegen kritisch äußert oder dagegen politisch aktiv wird, muss mit Repression rechnen (ÖB 5.2019). Vor 2011 war die PJD eine lautstarke, offizielle Oppositionspartei, und ihr Eintritt in die Regierung zeigte, dass das System eine gewisse Rotation der Macht erlaubte. Diese Möglichkeit ist jedoch durch die Präsenz und den Einfluss der Monarchie, sowohl formell als auch in der Praxis, dauerhaft eingeschränkt. Obwohl die PJD bei den Wahlen von 2016 eine Vielzahl von Sitzen gewann, kämpfte sie um die Bildung einer Regierungskoalition, und ihre Fähigkeit zur Machtausübung wurde durch die Unterstützung des Königs für palastloyale Parteien untergraben. Nach der Regierungsumbildung im Oktober 2019 unter der Führung des Monarchen entstand ein kleineres Kabinett mit einem großen Anteil palasttreuer Technokraten, so dass die gewählten politischen Parteien weniger Repräsentanz und Autorität innehaben (FH 4.3.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf , Zugriff 10.10.2019
- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2030898.html , Zugriff 7.7.2020
- lvsl - le vent se lève (28.11.2019): Répression des mouvements du Rif par l‘état marocain: aus origines de la fracture, https://lvsl.fr/repression-des-mouvements-du-rif-par-letat-marocain-aux-origines-de-la-fracture/ , Zugriff 23.1.2020
- ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko
Haftbedingungen
Die Zustände in den Gefängnissen haben sich verbessert, entsprechen jedoch in einigen Fällen nicht internationalen Standards (BAMF 3.6.2019; vgl. USDOS 11.3.2020). Obwohl 26 neue Haftanstalten, die internationalen Standards entsprechen, gebaut wurden, sind viele weiterhin überbelegt (BAMF 3.6.2019; vgl. FH 4.3.2020). Die zentrale Gefängnisverwaltung arbeitet am Bau von 36 weiteren Gefängnissen bis 2020 (AA 14.2.2018). Die neu errichteten Gefängnisse entsprechen - im Gegensatz zu den älteren Gefängnissen - internationalen Standards und verurteilte Straftäter und Untersuchungshäftlinge sind getrennt untergebracht (USDOS 11.3.2020).
Die Lage in den Haftanstalten bleibt problematisch. Trotz steigender Häftlingszahlen sinkt aufgrund des Baus neuer Haftanstalten die Überbelegungsquote langsam (2016 bei 38%). Insbesondere in Haftanstalten, die stark von der Überbelegung betroffen sind, müssen Gefangene wegen fehlender Betten auf dem Boden schlafen. Beklagt wird von vielen Häftlingen die schlechte Versorgungslage. Die Mahlzeiten sind unzulänglich und müssen durch gekaufte und durch die Familie mitgebrachte Nahrungsmittel aufgebessert werden. Jugendliche sind oft zusammen mit erwachsenen Straftätern untergebracht. Zwischen Männern und Frauen hingegen herrscht in den Haftanstalten eine strikte Trennung (AA 14.2.2018).
Der Menschenrechtsrat CNDH hat das Mandat, Haftbedingungen auf Anfrage des Inhaftierten zu prüfen. Ob Möglichkeiten der Abhilfe bestehen, wird mit der Gefängnisleitung aufgenommen, ggf. kommt eine Verlegung in eine andere Haftanstalt in Betracht. Die medizinische Versorgung ist in vielen Haftanstalten mangelhaft (AA 14.2.2018).
Die Regierung gestattet bestimmten NGOs mit Menschenrechtsauftrag, unbegleitete Kontrollbesuche durchzuführen. Die Regierungspolitik erlaubt den Zutritt zu den Gefangenen um diesen soziale, erzieherische oder religiöse Dienstleistungen zukommen zu lassen (USDOS 11.3.2020).
Inhaftierte berichteten über Folter und andere Misshandlungen im Polizeigewahrsam (BAMF 3.6.2019; vgl. FH 4.3.2020, USDOS 11.3.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf , Zugriff 10.10.2019
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (3.6.2019): Länderreport 11 - Algerien, Marokko, Tunesien - Menschenrechtslage - Im Fokus: Vulnerable Personen, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/Herkunftslaenderinformationen/algerien-marokko-tunesien-laenderreport-11.pdf?__blob=publicationFile , Zugriff 10.10.2019
- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2030898.html , Zugriff 2.7.2020
- USDOS - United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 2.4.2020
Todesstrafe
Marokko verhängt weiterhin die Todesstrafe. Seit 1993 gilt jedoch ein de-facto-Moratorium, Todesurteile werden nicht mehr vollstreckt (AA 14.2.2018; vgl. AI 4.2020; BAMF 3.6.2019).
Die Regierungspartei PJD sowie konservative gesellschaftliche Kräfte lehnen mit Verweis auf den Koran und islamisches Recht eine vollständige Abschaffung der Todesstrafe ab. Eine breite zivilgesellschaftliche Koalition, der die wichtigsten marokkanischen NGOs und viele Abgeordnete beider Kammern des Parlaments angehören, engagiert sich für die Abschaffung der Todesstrafe. Beobachter halten eine Wiederaufnahme der Vollstreckung von Todesurteilen für unwahrscheinlich (AA 14.2.2018). Im Wege von Begnadigungen durch König Mohammed VI. werden immer wieder Todesstrafen in Haftstrafen umgewandelt (AA 14.2.2018). 2019 wurden mehr als 7 Todesurteile ausgesprochen, zum Zeitpunkt der Erhebung allerdings noch nicht vollstreckt (AI 4.2020).
In Auslieferungsverfahren besteht die Möglichkeit, eine Bestätigung zu erhalten, dass die Todesstrafe nicht vollstreckt wird. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass eine derartige Zusage von marokkanischer Seite nicht eingehalten wird. Die marokkanischen Behörden gewähren der deutschen Botschaft den Zugang zu ausgelieferten marokkanischen Inhaftierten (AA 14.2.2018).
Ein Berufungsgericht hat 2019 die Todesurteile gegen die drei Hauptangeklagten für die Morde an den skandinavischen Rucksacktouristinnen bestätigt. Im Falle des vierten Angeklagten hat ein anderes Berufungsgericht die lebenslange Haftstrafe ebenfalls in eine Todesstrafe umgewandelt (BAMF 11.11.2019; vgl. NZZ 31.10.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf , Zugriff 14.10.2019
- AI - Amnesty International (4.2020): Death Sentences and Executions 2019, April 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2028355/ACT5018472020ENGLISH.PDF , Zugriff 2.7.2020
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (11.11.2019): Briefing Notes 11 November 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2020352/briefingnotes-kw46-2019.pdf , Zugriff 21.1.2020
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (3.6.2019): Länderreport 11 - Algerien, Marokko, Tunesien - Menschenrechtslage - Im Fokus: Vulnerable Personen, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/Herkunftslaenderinformationen/algerien-marokko-tunesien-laenderreport-11.pdf?__blob=publicationFile , Zugriff 10.10.2019
- HRW - Human Rights Watch (12.1.2018): World Report 2018 - Morocco and Western Sahara, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422521.html , Zugriff 21.1.2020
- NZZ - Neue Zürcher Zeitung (31.10.2019): Gericht in Marokko bestätigt Todesurteil nach Mord an Touristinnen, https://www.nzz.ch/panorama/gericht-in-marokko-bestaetigt-todesurteil-nach-mord-an-touristinnen-ld.1518922 , Zugriff 23.1.2020
Religionsfreiheit
Mehr als 99% der Bevölkerung sind sunnitische Muslime. Die restlichen religiösen Gruppen (Christen, Juden, schiitische Moslems und Baha’i) machen weniger als 1% der Bevölkerung aus (AA 14.2.2018; vgl. GIZ 5.2020b; USDOS 10.6.2020).
In Marokko sind Staat und Religion nicht getrennt (GIZ 5.2020b). Der sunnitische Islam malikitischer Rechtsschule ist die Staatsreligion in Marokko. Die verfassungsmäßige Stellung des Königs als Führer der Gläubigen und Vorsitzender des Ulema Rats (Möglichkeit des Erlassens religiös verbindlicher „fatwas“) ist weithin akzeptiert (AA 14.2.2018; vgl. GIZ 5.2020b; USDOS 10.6.2020). Das Religionsministerium kontrolliert strikt alle religiösen Einrichtungen und Aktivitäten und gibt das wöchentliche Freitagsgebet vor (AA 14.2.2018; vgl. USDOS 10.6.2020). Zur Prävention von Radikalisierung überwachen die Sicherheitsorgane islamistische Aktivitäten in Moscheen und Schulen (AA 14.2.2018).
Art. 3 der Verfassung garantiert Religionsfreiheit (AA 14.2.2018; vgl. USDOS 10.6.2020). Der Artikel zielt auf die Ausübung der Staatsreligion ab, schützt aber auch die Ausübung anderer anerkannter traditioneller Schriftreligionen wie Judentum und Christentum. Neuere Religionsgemeinschaften wie etwa die Baha'i werden ebenso wenig staatlich anerkannt wie abweichende islamische Konfessionen wie zum Beispiel die Schia. Fälle staatlicher Verfolgung aufgrund der Ausübung einer anderen als den anerkannten Religionen sind nicht bekannt (AA 14.2.2018).
Missionierung ist in Marokko nur Muslimen (de facto ausschließlich den Sunniten der malikitischen Rechtsschule) erlaubt (AA 14.2.2018; vgl. USDOS 10.6.2020). Mit Strafe bedroht ist es, Gottesdienste jeder Art zu behindern, den Glauben eines (sunnitischen) Muslim „zu erschüttern“ und zu missionieren (Art 220 Abs. 2 des marokkanischen Strafgesetzbuches). Dies schließt das Verteilen nicht-islamischer religiöser Schriften ein. Bibeln sind frei verkäuflich, werden jedoch bei Verdacht auf Missionarstätigkeit beschlagnahmt. Ausländische Missionare können unverzüglich des Landes verwiesen werden, wovon die marokkanischen Behörden in Einzelfällen Gebrauch machen (AA 14.2.2018).
Laizismus und Säkularismus sind gesellschaftlich negativ besetzt, der Abfall vom Islam (Apostasie) gilt als eine Art Todsünde, ist aber nicht strafbewehrt. Es gibt einen starken sozialen Druck, die islamischen Glaubensregeln zumindest im öffentlichen Raum zu befolgen. Grundsätzlich ist der freiwillige Religionswechsel Marokkanern nicht verboten, aber in allen Gesellschaftsschichten stark geächtet. Status rechtlich ist eine Konversion zum Christentum für Marokkaner nicht möglich. Staatliche Stellen behandeln Konvertiten insbesondere familienrechtlich weiter als Muslime (AA 14.2.2018).
Nicht-Muslime müssten zum Islam konvertieren, um die Pflegschaft für ein muslimisches Kind übernehmen zu können. Ein muslimischer Mann darf nach marokkanischem muslimischem Recht eine nicht-muslimische Frau heiraten, eine muslimische Frau kann dagegen in keinem Fall einen nicht-muslimischen Mann heiraten (AA 14.2.2018; vgl. USDOS 10.6.2020).
Die Behörden inhaftierten marokkanische Christen und befragten diese über ihren Kontakt zu anderen Christen. Passanten sollen während des Ramadan mindestens eine Person angegriffen haben, weil sie während des Ramadans in der Öffentlichkeit gegessen hatten (USDOS 10.6.2020).
Es gibt Berichte von gesellschaftlicher Diskriminierung basierend auf Religionszugehörigkeit, Glauben oder Religionsausübung. Christen berichten über sozialen Druck seitens nicht-christlicher Familienangehöriger und Freunde, zum Islam zu konvertieren. Juden leben vorwiegend unbehelligt im Land und können Gottesdienste in Synagogen feiern, es gibt jedoch vereinzelte Fälle von Antisemitismus. Im Gegensatz zu den Vorjahren gaben Baha'i-Führer an, im Laufe des Jahres 2019 keine Schikanen erlebt zu haben. Mitglieder des Baha'i-Glaubens berichten, sie seien offen über ihren Glauben gegenüber Familie, Freunden und Nachbarn (USDOS 10.6.2020; vgl. FH 4.3.2020). Marokkanische Christen und andere Religionsgemeinschaften üben ihren Glauben in der Regel nur im privaten Bereich aus. Marokkaner werden von staatlichen Organen gehindert, Gottesdienste in „ausländischen“ Kirchen zu besuchen, und riskieren bei jeder öffentlichen Glaubenspraxis den Vorwurf des Missionierens (AA 14.2.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf , Zugriff 10.10.2019
- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2030898.html , Zugriff 2.7.2020
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (5.2020a), LIPortal - Marokko - Gesellschaft, https://www.liportal.de/marokko/gesellschaft/ , Zugriff 2.7.2020
- USDOS - US Department of State (10.6.2020): 2019 Report on International Religious Freedom: Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2031298.html , Zugriff 2.7.2020
Ethnische Minderheiten
Marokko erkennt ausdrücklich in seiner Verfassung die Diversität der Nation an. Staatliche Diskriminierung gegenüber ethnischen Minderheiten ist nicht vorhanden (AA 14.2.2018).
Etwa die Hälfte der Bevölkerung macht eine berberische Abstammung geltend und spricht eine der drei in Marokko vertretenen Berbersprachen. Dies ist wichtiger Teil ihrer Identität. Die meisten Berber in Marokko sehen sich jedoch nicht als ethnische Minderheit. Marokko fördert Sprache und Kultur der Berber inzwischen aktiv (AA 14.2.2018). Wer sich den Berbern, die eine recht heterogene, auf drei Hauptstämme aufgegliederte Bevölkerungsgruppe darstellen, zugehörig fühlt, hängt vom familiären, geographischen und soziokulturellen Hintergrund ab. Im Allgemeinen verweisen Berberstämmige mit Stolz auf ihre Abkunft, insbesondere wenn sie zu den alteingesessenen Familien oder Clans der historischen Städte im Berbergebiet (Fes, Marrakesch, Ouarzazate usw.) gehören. Der „Minderheitencharakter“ der Berber ist bei ca. 40% der Bevölkerung mit berberischen Wurzeln relativ zu sehen. Aussagen über den Anteil von Berbern in bestimmten Bereichen (öffentlicher Dienst, Militär, freie Berufe, Wirtschaftstreibende) sind nicht greifbar. Nach Einschätzung der Botschaft mag eine Diskriminierung auf Grund der berberischen Herkunft im Einzelfall vorkommen, ein generelles diskriminierendes Verhaltensmuster ist nicht erkennbar (ÖB 5.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf , Zugriff 10.10.2019
- ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko Relevante Bevölkerungsgruppen
Bewegungsfreiheit
Gesetzlich sind innerhalb des Landes Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung gewährleistet. Die Behörden respektieren diese Rechte üblicherweise (USDOS 11.3.2020).
Sahrawis/Sahraouis genießen innerhalb Marokkos uneingeschränkte Bewegungsfreiheit (AA 14.2.2018). Die Regierung stellte Sahrawis weiterhin Reisedokumente zur Verfügung, und es wurden keine Fälle von Behörden gemeldet, die Sahrawis daran hinderten, das Land zu verlassen (USDOS 11.3.2020).
Wer nicht per Haftbefehl gesucht wird, kann unter Beachtung der jeweiligen Visavorschriften in der Regel problemlos das Land verlassen. Dies gilt auch für bekannte Oppositionelle oder Menschenrechtsaktivisten (AA 14.2.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf , Zugriff 5.9.2019
- USDOS - United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 2.4.2020
IDPs und Flüchtlinge
Marokko ist sowohl Herkunftsland von Migration in Richtung Europa als auch Transitland für irreguläre Migration und Schlepperei aus der Sub-Sahara (AA 14.2.2019; vgl. ÖB 5.2019). Marokko kooperiert mit der EU (FRONTEX) und insbesondere Spanien (ÖB 5.2019).
Die Regierung hat Flüchtlingen und Migranten befristete Aufenthaltsgenehmigungen erteilt, um ihren Status zu legalisieren und ihnen grundlegende Dienstleistungen zu bieten, was Marokko in den letzten Jahren internationales Lob einbrachte. Im Jahr 2018 gingen die Behörden jedoch hart gegen Flüchtlinge, Asylsuchende und Migranten aus Subsahara-Afrika vor. Ab Juli desselben Jahres führten die Sicherheitskräfte eine Reihe von Razzien durch, bei denen Tausende von Menschen festgenommen, mit Bussen in ein entlegenes Gebiet nahe der algerischen Grenze gebracht und dort ausgesetzt wurden. Die Verhaftungen wurden von internationalen Menschenrechtsgruppen wegen Verletzung des Völkerrechts sowie der grundlegenden Menschenrechte der Betroffenen verurteilt (FH 4.3.2020).
Die Zahl der in Marokko lebenden Migranten bzw. Flüchtlinge aus Ländern südlich der Sahara hat in den letzten Jahren nur leicht zugenommen. Konkrete Unterstützung finden sie unter anderem bei der Caritas Marokko, bei der Fondation Orient Occident und bei den nationalen Vertretungen ausländischer NGOs wie Ärzte ohne Grenzen. Zwar hat Marokko die Flüchtlingskonvention der UNO unterzeichnet. Bislang gibt es aber noch kein Asyl- oder Flüchtlingsgesetz. Asylbewerber müssen einen Antrag über den UNHCR in Rabat stellen (GIZ 5.2020b). Die Regierung hat den Entwurf des ersten marokkanischen Gesetzes über das Asylrecht noch nicht verabschiedet. Bis Juni 2019 hatte das Außenministerium 803 Personen, die vom UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) anerkannt worden waren, eine Flüchtlingskarte sowie spezielle Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen erteilt bzw. das Verwaltungsverfahren zur Erteilung dieser Karten eingeleitet. Alle der 6.244 Flüchtlinge, die seit 2007 vom UNHCR anerkannt wurden, haben Zugang zu öffentlichen Bildungs- und Gesundheitsdiensten, und die meisten von ihnen verfügen über eine reguläre Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung, so die UNHCR-Vertretung in Marokko (HRW 14.1.2020).
Die Regierung kooperiert ebenfalls mit UNHCR und anderen humanitären Organisationen, um Flüchtlingen, zurückkehrenden Flüchtlingen und Asylwerbern sowie anderen vulnerablen Personen Schutz und Hilfe zukommen zu lassen. Asylanträge und Entscheidungen über die Flüchtlingseigenschaft werden in Marokko traditionell ausschließlich durch UNHCR durchgeführt. Die Regierung stellte auch Mittel für humanitäre Organisationen zur Verfügung, um soziale Dienste für Migranten, einschließlich Flüchtlinge, bereitzustellen. Die Regierung erkennt zwei Arten von Asylstatus an: Flüchtlinge, die nach dem UNHCR-Statut benannt wurden, und die "außergewöhnliche Regularisierung von Personen in irregulärer Situation" im Rahmen des Programms zur Legalisierung von Migranten im Jahr 2016. Die Regierung gewährte den vom UNHCR anerkannten Flüchtlingen weiterhin einen Status (USDOS 11.3.2020).
Marokko hat im September 2013 die Entwicklung einer Migrations- und Asylstrategie nach internationalen Standards eingeleitet. Das in der Strategie vorgesehene Asylgesetz (mit eigenständiger marokkanischer Asylbehörde) und das Gesetz zur Regelung des Aufenthaltsstatus‘ von Ausländern wurden noch nicht vorgelegt. Marokko ist zunehmend auch Zielland von Migration. Im Rahmen von Regularisierungskampagnen erhielten seit 2014 ca. 33.000 Migranten überwiegend aus Subsahara-Afrika und Syrien einen Aufenthaltstitel (AA 14.2.2018). Rund 30% der Flüchtlinge stammen allein aus dem Senegal. Knapp 20% stammen aus Syrien. Dank der Legalisierung hat ein Teil der Flüchtlinge nun zumindest theoretisch Zugang zur Basisgesundheitsversorgung im Rahmen von RAMED, und die Chancen eines Teils der Flüchtlinge auf legale Arbeit sowie bezahlbaren Wohnraum verbesserten sich. Internationale und nationale Menschenrechtsorganisationen wie GADEM und die FIDH bewerten die neue marokkanische Flüchtlingspolitik allerdings skeptisch und fordern weitergehende Maßnahmen (GIZ 5.2020b). Mit der Aufenthaltsgenehmigung erhalten Migranten erleichterten Zugang zu Schule, Arbeitsmarkt und Gesundheitsvorsorge (AA 14.2.2018).
Die Zahl der irregulären Migranten wird auf ca. 50.000 geschätzt (AA 14.2.2018 vgl. GIZ 5.2020b). Ein Teil von ihnen hält sich in illegalen Camps nahe der beiden spanischen Exklaven Ceuta und Mellila auf. Es gab auch 2017 wieder mehrere, sehr gut koordinierte und teilweise auch gewaltsame Versuche, die Grenzsperranlagen der beiden spanischen Exklaven Ceuta und Melilla zu überwinden. Die Sicherheitsbehörden lösen diese illegalen Lager regelmäßig auf und verbringen die Migranten mit Bussen in weit entfernte Regionen (AA 14.2.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf , Zugriff 5.9.2019
- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2030898.html , Zugriff 7.7.2020
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (5.2020a), LIPortal - Marokko - Gesellschaft, https://www.liportal.de/marokko/gesellschaft/ , Zugriff 6.7.2020
- HRW - Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022718.html , Zugriff 7.7.2020
- ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko
- USDOS - United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 2.4.2020
Grundversorgung
Die Grundversorgung der Bevölkerung ist gewährleistet, Brot, Zucker und Gas werden subventioniert. Staatliche soziale Unterstützung ist kaum vorhanden, vielfach sind religiös-karitative Organisationen tätig. Die entscheidende Rolle bei der Betreuung Bedürftiger spielt nach wie vor die Familie. Staatliche und sonstige Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer gibt es nicht (AA 14.2.2018).
König Mohammed VI. und die bisherige Regierung streben eine durchgreifende Modernisierung und Diversifizierung des Landes an, das seine Chancen neben dem Hauptpartner EU verstärkt in Afrika sucht. Gebergemeinschaft, OECD und IWF unterstützen diesen Modernisierungskurs (AA 6.5.2019c). Formal ist Marokko eine freie Marktwirtschaft. Bedingt durch die starke Stellung der Königsfamilie und alteingesessener Eliten ist der Wettbewerb jedoch verzerrt. Seit dem Machtantritt von König Mohammed VI. hat die Vormachtstellung der Königsfamilie in Schlüsselsektoren wie Landwirtschaft, Bergbau, Einzelhandel, Transport, Telekommunikation und erneuerbaren Energien weiter zugenommen. Gleichzeitig sind immer mehr Marokkaner auf Überweisungen aus dem Ausland angewiesen, um zu überleben (GIZ 5.2020c).
Ein gravierendes Problem bildet nach wie vor die Arbeitslosigkeit 2018 (laut IMF bei 9,8%, Dunkelziffer liegt wesentlich höher), vor allem unter der Jugend (ÖB 5.2019). Der Bevölkerungszuwachs in den aktiven Altersgruppen liegt deutlich höher als die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Die reale Arbeitslosenquote, insbesondere bei Jugendlichen, liegt deutlich über den offiziell angegebenen ca. 10% (AA 6.5.2019c).
Laut Informationen der Weltbank steht Marokko in der MENA-Region bei der Höhe der Auslandsüberweisungen von Migranten (Remittances) an zweiter Stelle. Zur Sicherung des sozialen und politischen Friedens verteilt der Staat Subventionen: Diese wurden in den letzten Jahren allerdings gekürzt, von 5 Mrd. Euro auf voraussichtlich umgerechnet 1,2 Mrd. Euro in 2018. Für das Jahr 2019 wurde eine Erhöhung um 30% auf 1,6 Mrd. Euro angekündigt. Trotz Subventionskürzungen und Privatisierungen hat die Staatsverschuldung in den vergangenen Jahren zugenommen (GIZ 5.2020c).
Der informelle Bereich der Wirtschaft wird statistisch nicht erfasst, entfaltet aber erhebliche Absorptionskraft für den Arbeitsmarkt. Fremdsprachenkenntnisse - wie sie z.B. Heimkehrer aufweisen - sind insbesondere in der Tourismusbranche und deren Umfeld nützlich. Arbeitssuchenden steht die Internet-Plattform des nationalen Arbeitsmarktservices ANAPEC zur Verfügung (http://www.anapec.org/ ), die neben aktueller Beschäftigungssuche auch Zugang zu Fortbildungsmöglichkeiten vermittelt. Unter 30-Jährige, die bestimmte Bildungsebenen erreicht haben, können mit Hilfe des OFPPT (http://www.ofppt.ma/ ) eine weiterführende Berufsausbildung einschlagen. Die marokkanische Regierung führt Programme der Armutsbekämpfung (INDH) und des sozialen Wohnbaus. Eine staatlich garantierte Grundversorgung/arbeitsloses Basiseinkommen existiert allerdings nicht. Der Mindestlohn (SMIG) liegt bei 2.570 Dirham (ca. EUR 234). Ein Monatslohn von etwa dem Doppelten dieses Betrags gilt als durchaus bürgerliches Einkommen. Statistisch beträgt der durchschnittliche Monatslohn eines Gehaltsempfängers 4.711 Dirham, wobei allerdings die Hälfte der - zur Sozialversicherung angemeldeten - Lohnempfänger nur den Mindestlohn empfängt. Ein ungelernter Hilfsarbeiter erhält für einen Arbeitstag (10 Std.) ca. 100 Dirham, Illegale aus der Subsahara erhalten weniger (ÖB 5.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf , Zugriff 14.10.2019
- AA - Auswärtiges Amt (6.5.2019c): Marokko - Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/wirtschaft/224082 , Zugriff 5.9.2019
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (5.2020c): LIPortal - Marokko – Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/marokko/wirtschaft-entwicklung/ , Zugriff 6.7.2020
- ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko
Medizinische Versorgung
Politisch verantwortlich für die medizinische Versorgung ist das Gesundheitsministerium. Die meisten Marokkaner müssen für ihre Gesundheit allein vorsorgen. Wer einen formellen Arbeitsvertrag hat, ist zwar offiziell krankenversichert, aber viele Leistungen müssen trotzdem aus eigener Tasche bezahlt werden. Patienten mit geringem Einkommen haben seit 2002 die Möglichkeit, sich im Rahmen der öffentlichen Assurance Maladies Obligatoire (AMO) oder des Gesundheitssystems Régime d'Assistance Médicale (RAMED) behandeln zu lassen (GIZ 5.2020b).
Die medizinische Versorgung im Lande ist mit Europa nicht ganz zu vergleichen. In Rabat und Casablanca finden sich allerdings ausgezeichnete Privatkliniken von hohem Standard. Auf dem Lande hingegen kann die medizinische Versorgung bezüglich der apparativen Ausstattung bzw. Hygiene problematisch sein (AA 6.7.2020).
Die medizinische Grundversorgung ist vor allem im städtischen Raum weitgehend gesichert. Medizinische Dienste sind kostenpflichtig und werden bei bestehender gesetzlicher Krankenversicherung von dieser erstattet. Es gibt einen großen qualitativen Unterschied zwischen öffentlicher und (teurer) privater Krankenversorgung. Selbst modern gut ausgestattete medizinische Einrichtungen garantieren keine europäischen Standards. Insbesondere das Hilfspersonal ist oft unzureichend ausgebildet, Krankenwagen sind in der Regel ungenügend ausgestattet. Die Notfallversorgung ist wegen Überlastung der Notaufnahmen in den Städten nicht immer gewährleistet, auf dem Land ist sie insbesondere in den abgelegenen Bergregionen unzureichend (AA 14.2.2018).
Rund 30.000 Menschen in Marokko sollen mit HIV infiziert sein. Knapp 50% der Infizierten sind weiblich. Schätzungsweise 2% der Prostituierten sind HIV-positiv. Damit hat Marokko in der MENA-Region eine Spitzenposition inne (GIZ 10.2019b). Chronische und psychiatrische Krankheiten oder auch AIDS-Dauerbehandlungen lassen sich in Marokko vorzugsweise in privaten Krankenhäusern behandeln. Bei teuren Spezialmedikamenten soll es in der öffentlichen Gesundheitsversorgung bisweilen zu Engpässen kommen. Bei entsprechender Finanzkraft ist allerdings fast jedes lokal produzierte oder importierte Medikament erhältlich (AA 14.2.2018).
Im Bereich der Basis-Gesundheitsversorgung wurde 2012 das Programm RAMED eingeführt und erstreckt sich auf 8,5 Mio. Einwohner der untersten Einkommensschichten bzw. vulnerable Personen, die bisher keinen Krankenversicherungsschutz genossen. Im Oktober 2012 waren bereits 1,2 Mio. Personen im RAMED erfasst (knapp 3% der Haushalte). RAMED wird vom Sozialversicherungsträger ANAM administriert, der auch die Pflichtkrankenversicherung AMO der unselbständig Beschäftigten verwaltet. Zugang haben Haushaltsvorstände und deren Haushaltsangehörige, die keiner anderen Pflicht-Krankenversicherung unterliegen. Die Teilnahme an RAMED ist gratis („Carte RAMED“), lediglich vulnerable Personen zahlen einen geringen Beitrag (11 € pro Jahr pro Person). Ansprechbar sind die Leistungen im staatlichen Gesundheitssystem (Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung und Vorsorge sowie Krankenhäuser) im Bereich der Allgemein- und Fachmedizin, stationärer Behandlung, Röntgendiagnostik etc. Die Dichte und Bestückung der medizinischen Versorgung ist auf einer Website des Gesundheitsministeriums einsehbar (ÖB 5.2019). Mittellose Personen können auf Antrag bei der Präfektur eine „Carte RAMED“ erhalten. Bei Vorlage dieser Karte sind Behandlungen kostenfrei (AA 14.2.2018).
Auf 1.775 Einwohner entfällt ein Arzt. 141 öffentliche Krankenhäuser führen etwas mehr als 27.000 Betten (ein Spitalsbett auf ca. 1.200 Einwohner); daneben bestehen 2.689 Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung. Inhaber der Carte RAMED können bei diesen Einrichtungen medizinische Leistungen kostenfrei ansprechen. Freilich ist anzumerken, dass dieser öffentliche Gesundheitssektor in seiner Ausstattung und Qualität und Hygiene überwiegend nicht mit europäischen Standards zu vergleichen ist. Lange Wartezeiten und Mangel an medizinischen Versorgungsgütern und Arzneien sind zu beobachten. Wer weder unter das RAMED-System fällt, noch aus einem Anstellungsverhältnis pflichtversichert ist, muss für medizinische Leistungen aus eigenem aufkommen (ÖB 5.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf , Zugriff 14.10.2019
- AA - Auswärtiges Amt (6.7.2020): Marokko: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/marokkosicherheit/224080 , Zugriff 6.7.2020
- GIZ- Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (5.2020a), LIPortal - Marokko - Gesellschaft, https://www.liportal.de/marokko/gesellschaft/ , Zugriff 6.7.2020
- ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko
Rückkehr
Das Stellen eines Asylantrags im Ausland ist nicht strafbar und wird nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts von den Behörden nicht als Ausdruck oppositioneller Gesinnung gewertet. Aus den letzten Jahren sind keine Fälle bekannt, in denen es zu einem Gerichtsurteil wegen der Stellung eines Asylantrags oder wegen des in einem Asylantrag enthaltenen Vorbringens gekommen wäre (AA 14.2.2018).
Auf institutioneller Basis wird Rückkehrhilfe von IOM organisiert, sofern der abschiebende Staat mit IOM eine diesbezügliche Vereinbarung (mit Kostenkomponente) eingeht; Österreich hat keine solche Abmachung getroffen. Rückkehrer ohne eigene finanzielle Mittel dürften primär den Beistand ihrer Familie ansprechen; gelegentlich bieten auch NGOs Unterstützung. Der Verband der Familie und Großfamilie ist primärer sozialer Ankerpunkt der Marokkaner. Dies gilt mehr noch für den ländlichen Raum, in welchem über 40% der Bevölkerung angesiedelt und beschäftigt sind. Rückkehrer würden in aller Regel im eigenen Familienverband Zuflucht suchen. Der Wohnungsmarkt ist über lokale Printmedien und das Internet in mit Europa vergleichbarer Weise zugänglich, jedenfalls für den städtischen Bereich (ÖB 5.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf , Zugriff 6.9.2019
- ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko“.
A) 2. Beweiswürdigung
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde sowie in den Beschwerdeschriftsatz Beweis erhoben.
A) 2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinen Familienverhältnissen, seinem Gesundheitszustand, seiner Erwerbsfähigkeit, seiner Herkunft und seiner Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufkommen lässt.
Da der Beschwerdeführer entweder nicht imstande oder nicht willens war, den österreichischen Behörden identitätsbezeugende Dokumente vorzulegen, steht seine Identität nicht fest.
Der Umstand, dass er in Österreich zu keinem Zeitpunkt einer legalen Erwerbstätigkeit nachging, ergibt sich aus einer Abfrage im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger.
Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.
A) 2.2. Zu den vorgebrachten Fluchtgründen und einer Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer machte primär wirtschaftliche Fluchtgründe geltend. Er gab gegenüber der belangten Behörde glaubhaft an, er habe Marokko aus wirtschaftlichen Gründen verlassen und sei ausgereist, um hier zu arbeiten und seine Familie unterstützen zu können.
Bereits in seiner Erstbefragung gab er zu Protokoll, arbeitslos zu sein und keine Zukunftsperspektive in Marokko zu haben, sodass er im Falle seiner Rückkehr Arbeitslosigkeit und Armut befürchte.
Ergänzend behauptete er vor der belangten Behörde, von seinem Onkel geschlagen worden zu sein, wobei sich der letzte betreffende Vorfall vor etwa zwei Jahren ereignet habe. Der Grund hierfür wären familiäre Streitigkeiten gewesen, da der Onkel immer Geld von seinem Vater verlangt habe, obwohl er selbst welches gehabt hätte.
Ungeachtet des Umstandes, dass der letzte betreffende Vorfall laut dem Beschwerdeführers bereits etwa zwei Jahre zurückliege und sohin keinerlei zeitlicher Konnex zwischen den behaupteten Übergriffen seines Onkels und seiner Ausreise von Marokko nach Europa ersichtlich ist, kann eine Verfolgung durch Privatpersonen ohnedies nur bei fehlender Schutzfähigkeit oder -willigkeit des betreffenden Herkunftsstaates zur Gewährung von Asyl führen. Gegenständlich gab der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde ausdrücklich zu Protokoll, sich mit seinem Anliegen gar nicht hilfesuchend an die marokkanischen Behörden gewandt zu haben, da „seine Oma“ dies nicht gewollt habe. Wie dem Länderinformationsblatt zu entnehmen ist, verfügt Marokko grundsätzlich über einen funktionierenden Sicherheitsapparat und liegen auch keinerlei Hinweise vor, das vergleichbare Übergriffe seitens der staatlichen Behörden dort nicht ordnungsgemäß verfolgt würden. Der Beschwerdeführer hat daher auch nicht substantiiert dargelegt, dass ihm der marokkanische Staat keinen wirksamen Schutz vor der von ihm behaupteten Gefahr einer Verfolgung durch seinen Onkel gewähren würde.
Sofern im Beschwerdeschriftsatz zudem behauptet wird, der Beschwerdeführer habe vorgebracht, dass er durch eine Familienfehde bedroht werde, welche auf Grundstückstreitigkeiten zwischen seinem Vater und seinem Onkel basiere, wobei die Familie seines Onkels sehr groß sei und ihn landesweit bedrohen würde, ist dies schlicht aktenwidrig und wurden vom Beschwerdeführer weder Grundstückstreitigkeiten noch eine landesweite Verfolgung durch die Familie seines Onkels auch nur ansatzweise behauptet.
Damit ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine aktuelle, gegen seine Person gerichtete Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen. Nicht zuletzt gilt Marokko gemäß § 1 Z 9 Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl. II Nr. 177/2009 idgF BGBl. II Nr. 145/2019, als sicherer Herkunftsstaat.
A) 2.3. Zum Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wurden dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Marokko entnommen.
Bezüglich der Erkenntnisquellen zur Lage im Herkunftsstaat wurden sowohl Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie beispielsweise dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten und unabhängigen Nichtregierungsorganisationen, wie zB der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, herangezogen.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
A) 3. Rechtliche Beurteilung
A) 3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:
1. § 3 Abs. 1 und Abs. 3 Z 1, § 8 Abs. 1 Z 1, Abs. 2 und 3, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2020, lauten:
„Status des Asylberechtigten
§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) …
(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder
2. ....
(4) …
Status des subsidiär Schutzberechtigten
§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. … ,wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.
(3a) …
Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme
§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. …
3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
4. …
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.
(2) …
Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz
§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
(2) … “.
2. § 50, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9 sowie § 55 Abs. 1 und 1a Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 27/2020, lauten:
„Verbot der Abschiebung
§ 50. (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1958_210_0/1958_210_0.pdf , oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1955_55_0/1955_55_0.pdf , in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1974_78_0/1974_78_0.pdf ), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
(4) …
Rückkehrentscheidung
§ 52. (1) …
(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. …
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. ...
und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
(3) …
(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.
(10) …
Frist für die freiwillige Ausreise
§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.
(2) …“.
3. § 18 Abs. 1 Z 1 und 4 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2020, lautet:
„Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde
§ 18. (1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn
1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19 BF-VG) stammt,
2. …
4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,
5. …
(2) …“.
A) 3.2. Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:
A) 3.2.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides):
1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg.cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist).
Im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Oktober 1999, 99/01/0279).
Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr iSd Genfer Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Oktober 2000, 98/20/0233).
1.2. Der Beschwerdeführer brachte im Administrativverfahren vor, Marokko aus wirtschaftlichen Gründen verlassen zu haben. Ergänzend machte er körperliche Übergriffe durch seinen Onkel geltend, wobei der letzte betreffende Vorfall bereits zwei Jahre zurückliege. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers ist die Asylrelevanz abzusprechen.
Eine darüberhinausgehende Verfolgung wurde weder von Seiten des Beschwerdeführers behauptet, noch war eine solche für das Bundesverwaltungsgericht erkennbar.
2. Da somit die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
A) 3.2.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides):
1.1. Dem Beschwerdeführer droht in Marokko – wie bereits unter Punkt A) 3.2.1. dargelegt wurde – keine asylrelevante Verfolgung bzw. Bedrohung.
1.2. Es gibt auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Marokko die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (zur „Schwelle“ des Art. 3 EMRK vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Juli 2003, 2003/01/0059), zumal er jung, gesund und daher erwerbsfähig ist. Überdies verfügt er über ein familiäres Netzwerk in seinem Herkunftsstaat.
Außerdem besteht ganz allgemein in Marokko derzeit keine solche extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd. Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK ausgesetzt wäre. Nicht zuletzt gilt Marokko gemäß § 1 Z 9 Herkunftsstaaten-Verordnung als sicherer Herkunftsstaat.
Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Beschwerdeführer ein „reales Risiko“ einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.
Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher zu dem Schluss, dass durch eine Rückführung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat die (hohe) Eingriffsschwelle der Art. 2 und 3 EMRK jedenfalls nicht überschritten werden wird.
Auch ergeben sich angesichts der aktuellen COVID-19-Pandemie keine Rückführungshindernisse in Bezug auf den Beschwerdeführer. Dass er derzeit an einer COVID-19-Infektion leiden oder im Hinblick auf eine etwaige Vorerkrankung zu einer vulnerablen Personengruppe gehören würde, wurde nicht vorgebracht. Bei jungen Menschen ohne Schwächung des Immunsystems verläuft eine Infektion mit COVID-19 zudem mit nur geringen Symptomen vergleichbar einer Grippe.
2. Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes II des angefochtenen Bescheides abzuweisen war.
A) 3.2.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 Asylgesetz 2005 (Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides):
Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG 2005 wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich keinerlei Hinweise, die nahelegen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommen würde.
Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 Asylgesetz 2005 nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
A) 3.2.4. Zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und zur Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkte IV und V des angefochtenen Bescheides):
1.1. Da das Asylverfahren negativ abgeschlossen wurde, hat sich die belangte Behörde zutreffend auf § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 gestützt und eine Rückkehrentscheidung erlassen.
Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes ergibt auch eine individuelle Abwägung der berührten Interessen, dass ein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden kann:
Im Lichte des Art. 8 EMRK ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Aufenthalt des volljährigen und gesunden Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit seiner erstmaligen Einreise (spätestens) am 15. Juni 2020 etwa zwei Monate gedauert hat (vgl. dazu etwa das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 8. April 2008, Nnyanzi gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06, demzufolge der Gerichtshof es nicht erforderlich erachtete, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob während des fast zehnjährigen Aufenthalts des betreffenden Beschwerdeführers ein Privatleben iS von Art. 8 EMRK entstanden ist).
Die Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers wird zusätzlich dadurch relativiert, dass dieser illegal in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit dem 16. Juni 2020 durchgehend in Schubhaft befindet.
Dazu kommt, dass er in Österreich kein iSd Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben führt.
Auch sonst wurden im Beschwerdeverfahren keine Umstände dargetan, die eine maßgebliche Aufenthaltsverfestigung des Beschwerdeführers indizieren würden, er weist nämlich keinen maßgeblichen Grad an Integration auf. Insbesondere kann er kein Deutsch-Zertifikat vorweisen und ging zu keinem Zeitpunkt in Österreich einer legalen Erwerbstätigkeit nach.
Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie der Beschwerdeführer erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen. Überdies würde dies dazu führen, dass Fremde, die die fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen beachten, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, die ihren Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich durch ihre illegale Einreise und durch die Stellung eines unbegründeten oder sogar rechtsmissbräuchlichen Asylantrages erzwingen, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (zum allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen, vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Dezember 2003, 2003/07/0007; vgl. dazu auch das Erkenntnis VfSlg. 19.086/2010, in dem der Verfassungsgerichtshof auf dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Bezug nimmt und in diesem Zusammenhang erklärt, dass „eine andere Auffassung sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen würde“).
Während die Integration des Beschwerdeführers in Österreich als geringfügig einzustufen ist, kann dementgegen nach wie vor von einem Bestehen von Bindungen zu seinem Herkunftsstaat Marokko ausgegangen werden, zumal er dort den überwiegenden Teil seines Lebens verbracht hat, er dort hauptsozialisiert wurde und seine Enkulturation erfahren hat. Er spricht nach wie vor seine Muttersprache und ist mit den regionalen Sitten und Gebräuchen der marokkanischen Kultur weiterhin vertraut. Zudem verfügt er über familiäre Anknüpfungspunkte in Marokko. Raum für die Annahme einer völligen Entwurzelung im Hinblick auf seinen Herkunftsstaat besteht sohin nicht.
Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich steht somit das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gegenüber; diesem gewichtigen öffentlichen Interesse kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. März 2002, 98/18/0260, vom 18. Jänner 2005, 2004/18/0365, vom 3. Mai 2005, 2005/18/0076, vom 17. Jänner 2006, 2006/18/0001, und vom 9. September 2014, 2013/22/0246).
Die im vorliegenden Beschwerdefall vorzunehmende Interessenabwägung schlägt somit zuungunsten des Beschwerdeführers und zugunsten des öffentlichen Interesses an seiner Ausreise aus. Somit ergibt nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes eine individuelle Abwägung der berührten Interessen, dass ein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers durch seine Ausreise als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden kann. Die von der belangten Behörde erlassene Rückkehrentscheidung war daher nicht zu beanstanden.
1.2. Zur Feststellung, dass eine Abschiebung gemäß § 46 Fremdenpolizeigesetz 2005 nach Marokko zulässig ist (§ 52 Abs. 9 Fremdenpolizeigesetz 2005), ist auf die obenstehenden Ausführungen unter Punkt A) 3.2.2. zu verweisen.
2. Da somit eine Rückkehrentscheidung zu erlassen war und eine Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 Fremdenpolizeigesetz 2005 zulässig ist, erweist sich die Beschwerde in diesem Umfang als unbegründet, sodass sie hinsichtlich der Spruchpunkte IV und V des angefochtenen Bescheides abzuweisen war.
A) 3.2.5. Zur Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkte VI und VII des angefochtenen Bescheides):
1.1. Mit Spruchpunkt VII des angefochtenen Bescheides wurde einer Beschwerde gegen die Entscheidung über den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 und Z 4 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt, da „der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19 BF-VG) stammt“ (Z 1) und „der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat“ (Z 4).
Die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Z 1 und Z 4 BFA-Verfahrensgesetz sind im vorliegenden Beschwerdefall erfüllt, da Marokko gemäß § 1 Z 9 Herkunftsstaaten-Verordnung als sicherer Herkunftsstaat iSd § 19 BFA-Verfahrensgesetz gilt und der Beschwerdeführer zudem keine asylrelevante Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vorgebracht hat, sodass die belangte Behörde der vorliegenden Beschwerde zu Recht die aufschiebende Wirkung aberkannte.
Ausgehend von den unter Punkt A) 1.1. getroffenen Feststellungen bestand auch kein Anlass, im Rahmen der Ermessensübung und der vorzunehmenden Interessensabwägung von der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung Abstand zu nehmen.
1.2. Dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht besteht, wenn eine Entscheidung aufgrund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-Verfahrensgesetz durchführbar wird, ergibt sich schon unmittelbar aus § 55 Abs. 1a Fremdenpolizeigesetz 2005, sodass es keiner normativen Anordnung im Spruch des angefochtenen Bescheides bedarf. Insoweit kann der Beschwerdeführer auch nicht in Rechten verletzt sein.
2. Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich der Spruchpunkte VI und VII des angefochtenen Bescheides abzuweisen war.
A) 4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Im vorliegenden Beschwerdefall ist der Sachverhalt iSd § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-Verfahrensgesetz aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt [vgl. dazu insbesondere die Ausführungen unter den Punkten A) 3.2.1., A) 3.2.2. und A) 3.2.4.], sodass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben konnte.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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