BVwG I403 2162875-2

BVwGI403 2162875-222.1.2019

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §20
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
EMRK Art.9
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:I403.2162875.2.00

 

Spruch:

I403 2162875-2/3E

 

I403 2162871-2/3E

 

I403 2162874-2/4E

 

I403 2162873-2/4E

 

I403 2162876-2/4E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

1. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL über die Beschwerde von XXXX, StA. Ägypten, vertreten durch VEREIN MENSCHENRECHTE ÖSTERREICH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 14.12.2018, Zl. 562304403-180832388, zu Recht:

 

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen,

dass der Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheids zu lauten hat:

 

"Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 wird Ihnen nicht erteilt."

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

2. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL über die Beschwerde von XXXX, StA. Ägypten, vertreten durch VEREIN MENSCHENRECHTE ÖSTERREICH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 14.12.2018, Zl. 627849802-180827821, zu Recht:

 

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen,

dass der Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheids zu lauten hat:

 

"Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 wird Ihnen nicht erteilt."

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

3. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL über die Beschwerde von XXXX, vertreten durch die Kindesmutter XXXX, StA. Ägypten, vertreten durch VEREIN MENSCHENRECHTE ÖSTERREICH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 14.12.2018, Zl. 1079568107-180827848, zu Recht:

 

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen,

dass der Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheids zu lauten hat:

 

"Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 wird Ihnen nicht erteilt."

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

4. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL über die Beschwerde von XXXX, vertreten durch die Kindesmutter XXXX, StA. Ägypten, vertreten durch VEREIN MENSCHENRECHTE ÖSTERREICH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 14.12.2018, Zl. 1079568303-180827856, zu Recht:

 

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen,

dass der Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheids zu lauten hat:

 

"Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 wird Ihnen nicht erteilt."

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

5. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL über die Beschwerde von XXXX, vertreten durch die Kindesmutter XXXX, StA. Ägypten, vertreten durch VEREIN MENSCHENRECHTE ÖSTERREICH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 14.12.2018, Zl. 627850509-180827830, zu Recht:

 

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen,

dass der Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheids zu lauten hat:

 

"Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 wird Ihnen nicht erteilt."

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Die Beschwerdeführerinnen und die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Ägyptens und Christen. Der Erstbeschwerdeführer ist der Vater, die Zweitbeschwerdeführerin ist die Mutter der minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen und des minderjährigen Fünftbeschwerdeführers.

 

2. Die Beschwerdeführer beantragten im Jänner bzw. April 2017 Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) wies die Anträge ab, erließ gegen die Beschwerdeführer jeweils eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I.), erklärte deren Abschiebung nach Ägypten für zulässig (Spruchpunkt II.) und stellte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen fest (Spruchpunkt III.). Die Beschwerden gegen diese Bescheide hat dieses Gericht mit Erkenntnissen vom 06.07.2018 (zu GZ. I419 2162875-1, I419 2162871-1, I419 2162874-1, I419 2162873-1, I419 2162876-1) abgewiesen.

 

3. Die Beschwerdeführer sollten am 02.09.2018 in den Herkunftsstaat abgeschoben werden. Die Zweitbeschwerdeführerin, die sich am 31.08.2018 zum Zeitpunkt ihrer zu diesem Zweck angeordneten Festnahme mit den Kindern in einer Nachbarwohnung aufhielt, gab bei dieser Gelegenheit an, einen Asylantrag stellen zu wollen. Der Erstbeschwerdeführer stellte seinen Antrag auf internationalen Schutz am 03.09.2018.

 

4. Mit den bekämpften Bescheiden vom 14.12.2018 wies das BFA die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz betreffend den Status von Asylberechtigten ([jeweils] Spruchpunkt I.) sowie von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Ägypten (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich wurde den Beschwerdeführern kein Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" "gemäß § 57 AsylG" erteilt (Spruchpunkt III.), gegen sie Rückkehrentscheidungen erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkte IV. und V.) und die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft beträgt (Spruchpunkt VI).

 

5. In den dagegen erhobenen Beschwerden vom 28.12.2018 wird vorgebracht, Christen seien im Herkunftsland immer wieder Ziel von Anschlägen, speziell auch des Islamischen Staates. Dafür wurden mehrere Beispiele aus dem Frühjahr 2017 sowie je eines aus Dezember 2017 und November 2018 angeführt. Das BFA hätte internationalen Schutz zu gewähren oder - weil die Beschwerdeführer hervorragend integriert seien - einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 zu erteilen gehabt.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Die unter Punkt I getroffenen Ausführungen werden als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

 

1.1. Zu den Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführern:

 

Die Identität der Beschwerdeführer steht fest. Der Erstbeschwerdeführer verfügte von 10.08.2011 bis 14.08.2016 über Aufenthaltsbewilligungen für den Zweck "Studierender". Ein weitere Verlängerungsantrag wurde mangels Studienerfolgs abgewiesen, was das VwG Wien am 14.12.2016 bestätigte. Der Erstbeschwerdeführer war auf Basis von Beschäftigungsbewilligungen seit 2011 bei verschiedenen Arbeitgebern beschäftigt, zuletzt in einem Gastronomiebetrieb als Küchenhilfe und zwar bis 08.01.2017 für 20 Wochenstunden mit einem Monatslohn von brutto € 710,--. Er könnte dort auch wieder arbeiten, wobei ihm eine Stelle als Koch mit 40 Wochenstunden und einem Bruttolohn von € 2.050,-- zugesagt wurde.

 

Die anderen Beschwerdeführer verfügten jeweils über einen Aufenthaltstitel "Familiengemeinschaft" bis 14.08.2016, ihre Verlängerungsanträge wurden mit Rechtskraft vom 20.04.2017 abgewiesen.

 

Die Zweitbeschwerdeführerin folgte, gemeinsam mit dem Fünftbeschwerdeführer, im Herbst 2013 ihrem Ehemann nach Österreich nach und wohnt seither mit diesen im gemeinsamen Haushalt, mit den beiden anderen Beschwerdeführern seit deren Geburt im Mai 2015. Die Beschwerdeführer haben über Advent, Weihnachten und Neujahr 2015/2016 den Herkunftsstaat und dabei ihre Angehörigen dort besucht. Mit Angehörigen im Herkunftsstaat stehen sie mehrmals wöchentlich in telefonischem oder in Kontakt über Internet, der Erstbeschwerdeführer mit seiner Mutter etwa dreimal wöchentlich, die Zweitbeschwerdeführerin mit ihrer Schwester jeden zweiten Tag.

 

Im Herkunftsstaat leben außerdem der Vater der Zweitbeschwerdeführerin und neben den Eltern des Erstbeschwerdeführers sein Bruder, zwei Tanten und ein Onkel. In Österreich leben außer den Beschwerdeführern noch eine Tante, ein Onkel, zwei Cousins und eine Cousine des Erstbeschwerdeführers, wobei dieser Onkel die Beschwerdeführer finanziell unterstützt. Die Zweitbeschwerdeführerin hat eine Schwester, einen Schwager, zwei Nichten und einen Neffen im Herkunftsstaat. Zu diesen hat sie Kontakt, keinen jedoch zu ebenso dort wohnenden Tanten, Onkeln, Cousinen und einem Cousin.

 

Im gemeinsamen Haushalt leben außer den Beschwerdeführern keine anderen Personen. Sie verfügen in Österreich über Freunde und Bekannte aus der Wohnumgebung, der Erstbeschwerdeführer auch aus dem Kreis von ehemaligen Arbeitskollegen. Sie sind nicht Mitglied in Vereinen und leiden an keinen ernsten Krankheiten. Es gibt keinen Hinweis auf Krankheiten der drei minderjährigen Beschwerdeführer. Die Beschwerdeführer gehen keiner angemeldeten Beschäftigung nach, zuletzt bezogen sie im Juli 2016 pauschaliertes Kindergeld. Sie bewohnen eine Mietwohnung in Wien.

 

Der Fünftbeschwerdeführer ist wie die Eltern im Herkunftsstaat geboren und besucht in Österreich die Volksschule, die Dritt- und Viertbeschwerdeführerin sind in Österreich geborene Zwillinge und gehen in den Kindergarten. Die minderjährigen Beschwerdeführer sprechen Arabisch und Deutsch.

 

Der Erstbeschwerdeführer hat im Juli 2014 Deutschkenntnisse auf Niveau B2 nachgewiesen, die Zweitbeschwerdeführerin im März 2017 solche auf Niveau A2. Beide sind strafrechtlich unbescholten.

 

Die Zweitbeschwerdeführerin verfügt über einen Universitätsabschluss in Psychologie. Sie war vor ihrer Ausreise nach Österreich kurzfristig für eine Versicherung tätig. Der Erstbeschwerdeführer verfügt über einen Abschluss (Bachelor) in Chemie und Botanik. Er war in Ägypten in der Datenerhebung im medizinischen Bereich tätig.

 

Der Erstbeschwerdeführer war ab dem Wintersemester 2011/12 als außerordentlicher und ab 2014/15 als ordentlicher Student an einer österreichischen Universität für ein Masterstudium zugelassen. Er hat bisher keine Prüfung absolviert.

 

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat:

 

Dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (Stand: 16.4.2018), welches sich auch in den angefochtenen Bescheiden wiederfindet, sind die folgenden Feststellungen zu entnehmen:

 

Kurzinformation vom 16.4.2018, Präsidentschaftswahlen in Ägypten

 

Ägyptens autoritäres Staatsoberhaupt Abdel Fattah al-Sisi hat bei der Präsidentschaftswahl in Ägypten [Anm.: die von 26. bis 28.3.2018 stattfand] nach Angaben der Wahlkommission 97,08% der gültigen Stimmen bekommen. Die Wahlbeteiligung bei der Abstimmung in der vergangenen Woche habe 41,5% betragen, teilte die Kommission mit (TS 2.4.2018; vgl. DS 2.4.2018). Neben Al-Sisi trat nur der weitgehend unbekannte Politiker Mussa Mustafa an, in dem Beobachter einen Alibi-Kandidaten sahen. Dieser kam auf 2,92% der Stimmen (DS 2.4.2018; vgl. TS 2.4.2018).

 

Quellen:

 

 

 

Politische Lage

 

Ägypten sieht sich nach der Absetzung von Präsident Mohamed Mursi im Juli 2013 und der Wahl von Abdel Fattah Al-Sisi zum Staatspräsidenten im Mai 2014 noch immer vor allem enormen wirtschafts- und sicherheitspolitischen Herausforderungen gegenüber, die die politische Konsolidierung verzögern. Die 2014 in Kraft getretene Verfassung sieht für das Land das Regierungssystem eines demokratischen Rechtsstaats vor. Die Wahlen zum neuen Parlament Ende 2015 vollzogen sich grundsätzlich frei und gesetzmäßig, fanden jedoch in einem Klima allgemeiner staatlicher Repression statt, in dem politische Opposition oder der Einsatz für Menschenrechte in die Nähe von Terrorismus und staatsfeindlichen Aktivitäten gerückt wurden. Dies setzt der freien politischen Betätigungen faktisch enge Grenzen. Das von etwa 25 % der ägyptischen Wahlberechtigten gewählte und im Januar 2016 konstituierte ägyptische Parlament zeigt die erwarteten Anlaufschwierigkeiten auf dem Weg zu einem eigenständigen politischen Akteur, der seine Kontrollfunktion gegenüber der Regierung effektiv und selbstbewusst ausübt. Das Parlament bleibt dennoch die einzige Institution in Ägypten, die derzeit das Potential hierzu besitzt. Die Parteienlandschaft ist schwach ausgeprägt. Die Parteien vermögen es in der Regel nicht, landesweite Strukturen aufzubauen und programmatische Akzente zu setzen. Das 2014 reformierte Wahlrecht trug zur weiteren Schwächung der Parteien bei, die im Parlament keine wichtige Rolle spielen. Die Mehrheit der Abgeordneten im ägyptischen Parlament ist regierungstreu. Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz sind verfassungsrechtlich vorgesehen, jedoch durch weitreichende politische Einflüsse zunehmend eingeschränkt. Die Justiz, die in der Vergangenheit viel auf die eigenen Standards hielt, ist zum Instrument der Repression geworden. Drakonische Strafen, die seit dem Sommer 2013 verhängt werden, sind oft Vergeltungsmaßnahmen gegen Akteure, durch die sich der "tiefe Staat" bedroht sieht, insbesondere die Zivilgesellschaft auf der einen und die Muslimbruderschaft auf der anderen Seite. Bedenklich ist die verbreitete Praxis von Strafverfahren gegen Zivilisten vor Militärgerichten sowie erzwungenes Verschwindenlassen, langwierige Haft ohne Anklage, Prozesse, die rechtsstaatlichen Kriterien nicht genügen, Folter und Misshandlungen in Polizeigewahrsam, überbelegte Haftanstalten und schlechte Haftbedingungen. Militär und Sicherheitsbehörden nehmen im Staatsgefüge eine dominierende Position ein und verfügen über weitreichende Befugnisse und Einflussmöglichkeiten. Gerade auf dem Gebiet der begrifflich sehr weit verstandenen Terrorismusbekämpfung sind die Sicherheitsbehörden der Kontrolle durch die Justiz und andere Verfassungsorgane weitgehend entzogen. Polizei und Staatsschutz (National Security Services) sind formal getrennt, unterstehen jedoch gemeinsam dem Innenministerium (AA 15.12.2016).

 

Mit dem Verfassungsreferendum im Januar 2014, der Wahl Abdel Fattah Al-Sisis zum Staatspräsidenten im Mai 2014 und den Wahlen zum Abgeordnetenhaus im November und Dezember 2015 hat Ägypten formal seinen "Fahrplan zur Demokratie" abgeschlossen. Die Verfassung vom Januar 2014 enthält einen im Vergleich zu früheren Verfassungen erweiterten Grundrechtskatalog, der sowohl bürgerlich-politische wie auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte umfasst. Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern wird gewährt. Jedoch können einzelne Grundrechte durch einfache Gesetze wieder eingeschränkt werden; in der Verfassungswirklichkeit ist die Geltung und Geltendmachung der Grundrechte eingeschränkt. Im November und Dezember 2015 fanden die Wahlen zum Parlament statt. Die Verfassung von 2014 sieht ein Parlament mit nur einer Kammer (Abgeordnetenhaus oder Maglis El-Nuab) vor. Das bisherige Oberhaus des Parlamentes (Schurarat) wurde dagegen abgeschafft. Das ägyptische Wahlrecht sah für die politischen Parteien hohe administrative Hürden vor, sodass die Mehrheit der 596 Abgeordneten als unabhängige Einzelkandidaten gewählt wurde. Daneben zogen 120 Abgeordnete über die Wahlliste "In Liebe zu Ägypten" in das Parlament ein, die sich die Unterstützung von Staatspräsident Al-Sisi auf die Fahnen geschrieben hatte. 28 Abgeordnete wurden nicht gewählt, sondern vom Staatspräsidenten bestimmt. Als stärkste politische Partei sind die "Freien Ägypter" mit 65 Abgeordneten im Parlament vertreten, vor der "Zukunft der Nation" und der traditionellen Wafd-Partei. Die salafistische Nour-Partei hat als einzige islamistische Partei 11 Abgeordnete. Die Sozialdemokratische Partei ist mit vier Abgeordneten vertreten.

 

Arbeitsschwerpunkte der Regierung unter Premierminister Sherif Ismael bleiben Stabilitätserhalt und Wirtschaftsförderung. Mit der "Egypt Vision 2030" legte die ägyptische Regierung einen ambitionierten Entwicklungsplan vor, der thematisch sämtliche Bereiche umspannt und sich an den internationalen Zielen für Nachhaltige Entwicklung (SDGs) orientiert. Das Jahr 2017 wurde von Staatspräsident Al-Sisi zum ägyptischen "Jahr der Frau" erklärt, nachdem 2016 offiziell als "Jahr der Jugend" deklariert wurde (AA 2 .2017a).

 

Quellen:

 

 

 

Sicherheitslage

 

Die Armee ging 2016 weiterhin mit gepanzerten Fahrzeugen, Artillerie und Luftangriffen gegen bewaffnete Gruppen im Norden der Sinai-Halbinsel vor. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums wurden bei jedem Einsatz zahlreiche "Terroristen" getötet. Für einen Großteil des Gebietes galt weiterhin der Ausnahmezustand. Unabhängige Menschenrechtsbeobachter und Journalisten hatten faktisch keinen Zugang. Bewaffnete Gruppen verübten mehrfach tödliche Anschläge auf Sicherheitskräfte sowie auf Regierungsbedienstete, Justizpersonal und andere Zivilpersonen. Die meisten Angriffe gab es im Norden des Sinai, aber auch aus anderen Landesteilen wurden Bombenanschläge und Schießereien bewaffneter Gruppen gemeldet. Zu vielen Anschlägen bekannte sich ein Ableger der bewaffneten Gruppe Islamischer Staat (IS), der sich "Provinz Sinai" nennt. Die bewaffnete Gruppe gab an, sie habe im Laufe des Jahres 2016 mehrere Männer hingerichtet, weil diese für die Sicherheitskräfte spioniert hätten (AI 22.02.2017).

 

Am 18. April 2017 kam es zu einem Anschlag auf einen Kontrollposten in unmittelbarer Nähe des Katharinenklosters im Süden der Sinai-Halbinsel, bei dem ein Polizist getötet und weitere Personen verletzt wurden. Am Palmsonntag, den 9. April 2017, wurden zwei Anschläge auf christlich-koptische Kirchen in der Stadt Tanta, ca. 80 km nördlich von Kairo entfernt, und in Alexandria verübt. Es sind zahlreiche Tote und Verletzte zu beklagen. Bereits am 11. Dezember 2016 fielen Teilnehmer an einem Gottesdienst in der koptischen Kirche "Peter und Paul" in Kairo einem Attentat zum Opfer. Damit wurden im zeitlichen Zusammenhang mit hohen christlichen Feiertagen wiederholt koptische Kirchen zu Anschlagszielen (AA 02.05..2017)

 

Quellen:

 

 

 

Rechtsschutz/Justizwesen

 

Die Unabhängigkeit der Justiz ist vor allem im Bereich der äußerst weit verstandenen Terrorismusbekämpfung erheblich beeinträchtigt. Willkürliche Verhaftungen und politisch motivierte Gerichtsverfahren sind an der Tagesordnung. Folter und Misshandlungen in Haft sind verbreitet. Die justizielle Kontrolle des Einsatzes von Sicherheitsbehörden unterliegt faktischen und rechtlichen Grenzen. Die Todesstrafe wird verhängt und gegenwärtig auch vollstreckt. Zu diskriminierender Strafverfolgung oder Strafzumessung aufgrund bestimmter Merkmale liegen keine belastbaren Erkenntnisse vor. In diesem Bereich macht sich häufig der Druck der öffentlichen Meinung bemerkbar. Harte Strafen gegen Angehörige der Muslimbruderschaft und oppositionspolitische Aktivisten sind häufig Ausdruck einer politisierten Justiz, die nicht nach rechtsstaatlichen Grundsätzen verfährt. Vor dem Hintergrund allgemein harter und häufig menschenrechtswidriger Haftbedingungen gibt es Hinweise, dass insbesondere junge und unbekannte politische Straftäter besonders harten Haftbedingungen ausgesetzt sind. Amnestien werden wiederholt angekündigt und auch umgesetzt. Anlässlich ägyptischer Feiertage werden immer wieder Gefangene amnestiert bzw. im formellen Sinne begnadigt. Allerdings profitieren hiervon in der Regel keine politischen Gefangenen, sondern ausschließlich Strafgefangene. Allgemeine Voraussetzungen sind in der Regel die Verbüßung von mindestens der Hälfte der Haftzeit und gute Führung in Haft. Im November 2016 kam es jedoch zur Amnestierung von über 100 Studenten und Journalisten, die wegen Teilnahme an Demonstrationen oder wegen ihrer Berichterstattung festgenommen wurden (AA 15.12.2016).

 

In den meisten Fällen mutmaßlicher Menschenrechtsverletzungen leiteten die Behörden keine wirksamen Untersuchungen ein. Dies betraf Folter und andere Misshandlungen, Verschwindenlassen, Todesfälle in Gewahrsam und die weitverbreitete Anwendung unverhältnismäßiger Gewalt durch Sicherheitskräfte seit 2011. Die Täter wurden nicht zur Rechenschaft gezogen. Die Staatsanwaltschaft weigerte sich regelmäßig, von Gefangenen erhobene Vorwürfe, sie seien gefoltert und anderweitig misshandelt worden, zu untersuchen und ignorierte Hinweise darauf, dass Sicherheitskräfte in Fällen von Verschwindenlassen das Datum der Festnahme gefälscht hatten (AI 22.02.2017).

 

Die Verfassung sieht die Unabhängigkeit und Immunität der Richter vor. Die Gerichte handelten in der Regel unabhängig, obwohl es einzelnen Gerichten manchmal an Unparteilichkeit fehlte und diese zu politisch motivierten Ergebnissen gelangten. Die Regierung respektierte in der Regel Gerichtsbeschlüsse. Das Gesetz geht von einer Unschuld der Angeklagten aus, und die Behörden informieren sie in der Regel unverzüglich und im Detail über die Anklagen gegen sie. Die Angeklagten haben das Recht, bei den Verfahren anwesend zu sein. Die Teilnahme ist verpflichtend für Personen, die eines Verbrechens angeklagt werden, und fakultativ für diejenigen, die wegen Vergehen angeklagt sind. Zivilverhandlungen sind in der Regel öffentlich. Die Angeklagten haben das Recht, einen Anwalt zu konsultieren, und die Regierung ist zuständig für die Beratung, wenn der Angeklagte sich keinen Rechtsanwalt leisten kann. Verhandlungen vor dem Militärgericht sind nicht öffentlich (USDOS 03.03.2017).

 

Die ägyptische Justiz ist in Zivil- und Strafgerichte einerseits und Verwaltungsgerichte andererseits unterteilt. Jeweils höchste Instanz ist das Kassationsgericht bzw. das Hohe Verwaltungsgericht. Darüber hinaus existieren Sonder- und Militärgerichte. Seit 1969 ist das Oberste Verfassungsgericht das höchste Gericht. Obwohl die Gerichte in Ägypten - mit gewissen Einschränkungen - als relativ unabhängig gelten und sich Richter immer wieder offen gegen den Präsidenten stellten, gab es immer wieder Vorwürfe gegen Richter, Prozesse im Sinn des Regimes zu manipulieren. Solche Vorwürfe werden auch heute noch in Bezug auf die Prozessführung gegen die angeklagten Spitzen des alten Regimes sowie hohe Offiziere der Sicherheitskräfte erhoben. Das Mubarak-Regime bediente sich immer wieder der durch den Ausnahmezustand legitimierten Militärgerichte, um politische Urteile durchzusetzen. Auch nach der Revolution wurden zahlreiche Zivilisten vor Militärgerichten angeklagt (GIZ 9.2016a).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Sicherheitsbehörden

 

Lang andauernde Haft ohne Anklage ist auf Veranlassung der Sicherheitsbehörden verbreitet. Urteile in politisch motivierten Verfahren basieren in der Regel nicht auf rechtsstaatlichen Grundsätzen (AA 15.12.2016).

 

Die primären Sicherheitskräfte des Innenministeriums sind die Polizei und die Zentralen Sicherheitskräfte. Die Polizei ist für die Strafverfolgung bundesweit verantwortlich. Die Zentralen Sicherheitskräfte sorgen für die Sicherheit der Infrastruktur und wichtigen in- und ausländischen Beamten. Zivile Behörden behielten die wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte bei. Die Straflosigkeit blieb jedoch auch aufgrund schlecht geführter Ermittlungen ein Problem. Die Polizei hat gemeldeten Polizeimissbrauch nicht ausreichend untersucht (USDOS 03.03.2017).

 

Quellen:

 

 

 

Folter und unmenschliche Behandlung

 

Folter wird durch ägyptische Sicherheitsbehörden in unterschiedlichen Formen und Abstufungen praktiziert. In Polizeigewahrsam sind Folter und Misshandlungen weit verbreitet. In diesem Zusammenhang kommt es auch zu Todesfällen in Haft. Menschenrechtsverteidiger kritisierten, dass Beweise, die zu Verurteilungen in Strafverfahren führten, unter Folter gewonnen worden waren. Die Praxis der Folter ist nicht auf bestimmte Gruppen beschränkt, auch wenn missliebige politische Aktivisten besonders gefährdet sind. Folter wird als Mittel zur Abschreckung und Einschüchterung eingesetzt.

 

Extralegale Tötungen werden im Zusammenhang mit dem staatlichen Vorgehen gegen Islamisten verübt. Nach offiziellen Darstellungen handelt es sich um gerechtfertigte Tötungen, z. B. im Zusammenhang mit Widerstand bei der Festnahme oder der Verhinderung von Terroranschlägen. Es kommt zu willkürlichen Festnahmen und erzwungenem Verschwindenlassen. Inhaftierungen durch die Sicherheitsbehörden über längere Zeiträume ohne Anklage und Information von Angehörigen und Rechtsbeiständen sind verbreitet und üblich. Die Zahl solcher Fälle ist zuletzt im Zuge der verstärkten Repression gegen die politische Opposition stark angestiegen (AA 15.12.2016).

 

Gefangene in Gewahrsam der Sicherheitskräfte wurden verprügelt und anderweitig misshandelt. Verhörbedienstete des nationalen Geheimdienstes folterten und misshandelten zahlreiche Personen, die Opfer des Verschwindenlassens geworden waren, um "Geständnisse" zu erpressen, die später vor Gericht als Beweismittel verwendet wurden (AI 22.02.2017).

 

Beamte der National Security Agency folterten routinemäßig und gewaltsam Verdächtige mit wenig Konsequenzen. Viele der Gefangenen, die diese Missbräuche erlitten haben, wurden der Sympathie oder der Mitgliedschaft in der Muslimbruderschaft bezichtigt, die die Regierung im Jahr 2013 als eine terroristische Gruppe einstufte, aber die größte Oppositionsbewegung des Landes geblieben ist (HRW 12.01.2017).

 

Die Verfassung besagt, dass keine Folter, Einschüchterung, Zwang, körperlicher Schaden einer Person zugefügt werden darf, die Behörden inhaftiert oder festgenommen haben. Das Strafgesetzbuch verbietet die Folter, um ein Geständnis von einem festgenommenen oder inhaftierten Verdächtigen zu erlangen (USDOS 03.03.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Korruption

 

Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption vor, aber die Regierung setzte das Gesetz nicht konsequent um. Die Korruptionsbehörde der Regierung (CAA) legte dem Präsidenten und dem Premierminister Berichte vor, die der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung standen (USDOS 03.03.2017).

 

Laut Corruption Perceptions Index 2016 befindet sich Ägypten auf Platz 108 von 176 Ländern (TI 25.01.2017)

 

Quellen:

 

 

 

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

 

Ausländische Finanzierung ("Foreign Funding") von NGOs wird mit empfindlichen Geldstrafen belegt (AA 15.12.2016).

 

Das Parlament und die Behörden haben beispiellose Schritte unternommen, um die unabhängige Menschenrechtsarbeit von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zu beschränken und ihre Existenz zu bedrohen (HRW 12.01.2017).

 

Die Regierung setzte ihre unkooperative Haltung gegenüber internationalen und lokalen Menschenrechtsorganisationen fort. Der "National Council on Human Rights" (NCHR) überwachte den staatlichen Missbrauch von Menschenrechten und übermittelte Bürgerbeschwerden der Regierung. Eine Reihe von namhaften Menschenrechtsaktivisten ist im Vorstand der Organisation, obwohl einige Beobachter behaupteten, dass die Wirksamkeit des Vorstands manchmal begrenzt sei, weil es an ausreichenden Mitteln fehlte und die Regierung selten auf ihre Erkenntnisse einging (USDOS 03.03.2017).

 

Menschenrechtsorganisationen sind in Ägypten derzeit in bisher ungekanntem Ausmaß Ziel von Repressionen wie Kontosperrungen, Ausreiseverboten und Ermittlungen geworden. Ein 2015 beschlossenes Antiterrorgesetz stellt unter anderem "schädliche Handlungen gegen das nationale Interesse oder zur Destabilisierung des allgemeinen Friedens, der Unabhängigkeit oder der Einheit Ägyptens" unter hohe Strafen bis hin zu lebenslänglicher Haft. Ein restriktives Gesetz, zu dem derzeit eine Novelle erarbeitet wird, erschwert in- und ausländischen Nichtregierungsorganisationen die Arbeit. (AA 02.2017a).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Ombudsmann

 

Das Strafgesetzbuch sorgt für einen vernünftigen Zugang zu Gefangenen. Es gab keinen offiziellen Ombudsmann für Gefangene (USDOS 03.03.2017)

 

Quellen:

 

 

Wehrdienst und Rekrutierungen

 

Es gibt keine belastbaren Erkenntnisse, dass die Heranziehung zum Militärdienst an gruppenbezogenen Merkmalen orientiert ist. Die Art und Weise des Einsatzes von Wehrpflichtigen folgt allerdings nach Kriterien der sozialen Zugehörigkeit. So werden wehrpflichtige Angehörige niedriger, insbesondere ländlicher, Bevölkerungsschichten häufig für (bereitschafts-)polizeiliche Aufgaben unter harten Bedingungen eingesetzt. Die Möglichkeit des Ersatzdienstes besteht nicht. Vom Bestehen inoffizieller Möglichkeiten des "Freikaufs" ist auszugehen. Amnestien im Bereich des Wehrdienstes sind nicht bekannt. Wehrdienstverweigerung wird mit Haftstrafen von im Normalfall bis zu zwei Jahren in Verbindung mit dem Entzug politischer Rechte und der Verpflichtung, den Wehrdienst nachträglich abzuleisten, bestraft (AA 15.12.2016).

 

Männer, die den Wehrdienst nicht abgeschlossen haben, dürfen nicht ins Ausland reisen oder auswandern. Nationale Identifikationskarten indizieren den Abschluss des Militärdienstes (USDOS 03.03.2018).

 

Quellen:

 

 

 

Allgemeine Menschenrechtslage

 

Die im Januar 2014 angenommene Verfassung enthält einen im Vergleich zu früheren Verfassungen erweiterten Grundrechtskatalog, der sowohl bürgerlich-politische wie auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte umfasst. Viele dieser Grundrechte stehen jedoch unter einem einfachen Gesetzesvorbehalt. Ägypten hat den Kernbestand internationaler Menschenrechtsübereinkommen ratifiziert, so etwa den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Pakt über wirtschaftliche und soziale Rechte, die Konvention zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung von Frauen, die UN-Folterkonvention und die UN-Behindertenrechtskonvention von 2008. Erhebliche Vorbehalte zu diesen Instrumenten betreffen unter anderem Bestimmungen betreffend die Gleichstellung von Mann und Frau vor dem Hintergrund islamischen Rechts (Scharia-Vorbehalt) (AA 15.12.2016).

 

Die Behörden gingen 2016 mit willkürlichen Massenfestnahmen gegen Demonstrationen und Kritik an der Regierung vor. Sie inhaftierten Journalisten, Menschenrechtsverteidiger und Protestierende und beschnitten die Arbeit von Menschenrechtsorganisationen. Hunderte Gefangene, die sich in Gewahrsam des nationalen Geheimdienstes befanden, wurden Opfer des Verschwindenlassens. Angehörige des nationalen Geheimdienstes und andere Sicherheitskräfte folterten und misshandelten Häftlinge. Sicherheitskräfte setzten bei regulären Polizeieinsätzen unverhältnismäßige tödliche Gewalt ein, in einigen Fällen könnte es sich dabei um außergerichtliche Hinrichtungen gehandelt haben. Es gab weiterhin grob unfaire Massenprozesse vor Zivil- und Militärgerichten. Die Behörden leiteten weder angemessene Untersuchungen von Menschenrechtsverletzungen ein, noch zogen sie die Täter zur Verantwortung. Frauen wurden weiterhin Opfer von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt. Die Regierung unterdrückte nach wie vor religiöse Minderheiten und verfolgte Personen wegen "Diffamierung der Religion". Die Behörden nahmen Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung fest und stellten sie wegen "Ausschweifung" vor Gericht. Tausende Flüchtlinge, Asylsuchende und Migranten, die das Mittelmeer überqueren wollten, wurden festgenommen. Gerichte verhängten nach wie vor Todesurteile, und es wurden Hinrichtungen vollstreckt (AI 22.02.2017).

 

Die bedeutendsten Menschenrechtsprobleme waren ein übermäßiger Einsatz von Gewalt durch Sicherheitskräfte, Defizite in ordentlichen Gerichtsverfahren und die Unterdrückung der bürgerlichen Freiheiten. Übermäßiger Einsatz von Gewalt umfasste rechtswidrige Tötungen und Folter. Zu den prozessbedingten Problemen gehörten die übermäßige Verwendung von präventiver Haft und Untersuchungshaft. Die Probleme bei den bürgerlichen Freiheiten beinhalten gesellschaftliche und staatliche Beschränkungen der Meinungs- und Medienfreiheit sowie der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Andere Menschenrechtsprobleme beinhalteten das Verschwindenlassen, harte Gefängnisbedingungen, willkürliche Verhaftungen, eine Justiz, die in einigen Fällen zu Ergebnissen kam, die nicht durch öffentlich zugängliche Beweise gestützt wurden oder die politische Motivationen zu reflektieren schienen, Straflosigkeit für Sicherheitskräfte, Begrenzung der Religionsfreiheit, Korruption, Gewalt, Belästigung und gesellschaftliche Diskriminierung von Frauen und Mädchen, einschließlich weiblicher Genitalverstümmelung, Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen, Menschenhandel, gesellschaftliche Diskriminierung religiöser Minderheiten, Diskriminierung und Verhaftungen auf der Grundlage sexueller Orientierung (USDOS 03.03.2017).

 

Die Lage der Menschenrechte ist besorgniserregend.

Menschenrechtsorganisationen berichten von Folter in Haftanstalten und auf Polizeistationen sowie von überlangen Haftzeiten unter widrigen Bedingungen ohne Anklage. Das Phänomen des Erzwungenen Verschwindenlassens nimmt in seinem Ausmaß weiter zu. Zudem können Zivilisten weiterhin für Straftaten gegen Einrichtungen der Streitkräfte der Militärgerichtsbarkeit unterstellt werden (AA 02.2017a).

 

Obwohl Ägypten alle wichtigen internationalen Menschenrechtskonventionen unterzeichnete und Personen- und Freiheitsrechte in der Verfassung geschützt sind, wurde und wird das Land regelmäßig wegen Menschenrechtsverletzungen stark kritisiert. Internationale Menschenrechtsorganisationen sowie viele der über 30 ägyptischen Menschenrechtsorganisationen veröffentlichen regelmäßig englisch- und arabischsprachige Berichte zur Menschenrechtslage in Ägypten, darunter die Egyptian Organization for Human Rights EOHR, das Nadim Zentrum für Gewaltopfer, die Egyptian Initiative for Personal Rights EIPR und das Budgetary and Human Rights Observatory (GIZ 09.2016a).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Meinungs- und Pressefreiheit

 

Das Antiterrorismusgesetz von 2015 sieht für Journalisten empfindliche Geldstrafen für das Abweichen von offiziellen Linien der Berichterstattung, etwa über Terroranschläge, vor.

 

Die Meinungs- und Pressefreiheit sind stark eingeschränkt. Kritische Stimmen finden in den Medien kaum Gehör - sei es in den direkt gesteuerten Staatsmedien oder in den privaten Medien, die durch Selbstzensur auf Regierungslinie berichten oder kommentieren. Nur einzelne Zeitungen und vor allem Onlineportale bieten kritischen Stimmen noch einen gewissen Raum. Insbesondere im Fernsehen wird fast alles ausgeblendet, was die offizielle Sicht in Frage stellt. Ein neues Anti-Terrorismusgesetz stellt einen tiefen Einschnitt in die professionelle Arbeit von Journalisten in Ägypten dar. Es schränkt ihre Recherchemöglichkeiten erheblich ein und entzieht ihnen die freie Wahl ihrer Quellen. Das Abweichen von offiziellen Linien der Berichterstattung wird mit empfindlichen Geldstrafen bedroht. Journalisten wurden im Berichtszeitraum wiederholt an freier Berichterstattung gehindert. Zahlreiche Journalisten befinden sich in Haft, viele ohne formelle Anklage. Besonders breite Aufmerksamkeit erregte das Vorgehen der Sicherheitsorgane gegen den Sender Al Jazeera, dessen ägyptischer Ableger im August 2013 geschlossen worden war (AA 15.12.2016).

 

Die Behörden schränkten die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit 2016 drastisch ein, sowohl durch Gesetze als auch in der täglichen Praxis. Journalisten, Aktivisten und andere Personen mussten mit Festnahmen, strafrechtlicher Verfolgung und Gefängnisstrafen rechnen (AI 22.02.2017).

 

Die Verfassung sieht die Redefreiheit und die der Presse vor, beinhaltet aber eine Klausel, wonach diese in Kriegszeiten oder anlässlich einer öffentlichen Mobilisierung einer begrenzten Zensur unterworfen werden kann. Die Regierung regulierte die Lizenzierung von Zeitungen und kontrollierte den Druck und die Verteilung der Mehrheit der Zeitungen, darunter private Zeitungen und die der oppositionellen politischen Parteien. Die Regierung beschränkte oder störte im Allgemeinen den Zugang zum Internet oder zensurierte Online-Inhalte nicht. Die Verfassung schützt das Recht auf Privatsphäre, auch im Internet. Die Verfassung sieht die Vertraulichkeit und die "Unverletzlichkeit" der postalischen, telegraphischen und elektronischen Korrespondenz vor (USDOS 03.03.2017).

 

Die Pressefreiheit ist in der Praxis eingeschränkt, Ägypten erreicht in der Rangliste der Pressefreiheit der Organisation "Reporter ohne Grenzen" für das Jahr 2016 den 159. von 180 Plätzen. Laut dem "Committee to Protect Journalists" ist in Ägypten die weltweit dritthöchste Zahl von Journalisten inhaftiert. Journalisten sind durch Verhaftung aufgrund von Vorwürfen wie der "Verbreitung falscher Informationen", durch Ausreiseverbote und politischen/wirtschaftlichen Druck auf Medienhäuser bedroht. Ein im Dezember 2016 verabschiedetes Gesetz über die Regulierungsgremien im Medienbereich zementiert eine weitgehende Kontrolle der Regierung über die Medienaufsicht. Auch ausländische Medien sind mit Anfeindungen und Ausweisungsdrohungen konfrontiert (AA 2 .2017a).

 

Die Verfassung von 2014 hat in Ägypten nur auf dem Papier mehr Presse- und Meinungsfreiheit gebracht. Regierung und Justiz gehen systematisch gegen Medien mit Verbindungen zur oder Sympathien für die Muslimbruderschaft vor. Militärprozesse gegen Journalisten sind unverändert möglich. Reporter müssen mit Gewalt von Sicherheitskräften und Demonstranten rechnen, häufig werden sie von aufgebrachten Menschenmengen bedrängt. Willkürliche Festnahmen und Folter sind an der Tagesordnung. Selbstzensur ist verbreitet. Viele Medien ergreifen offen Partei für Armee und Regierung, nur wenige ägyptische Journalisten wagen Kritik. Ägypten befindet sich laut Reporter ohne Grenzen betreffend Pressefreiheit auf Platz 161 von 180 (ROG 2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

 

Die in der Verfassung garantierte Versammlungsfreiheit wird durch das im November 2013 in Kraft getretene Demonstrationsgesetz sehr weitgehend eingeschränkt. Seither müssen Demonstrationen im Vorfeld genehmigt werden. Zivilgesellschaftliche Akteure berichten von Problemen bereits bei der Antragsstellung und von Ablehnungen ohne Angaben von Gründen. In der Nähe von Militäreinrichtungen sind Versammlungen generell verboten. Bei Verstößen drohen lange Haftstrafen. Auf der Grundlage des verschärften Demonstrationsgesetzes haben die Sicherheitskräfte hart gegen öffentliche Protestveranstaltungen durchgegriffen. Viele prominente Menschenrechtsverteidiger sind wegen ihrer Teilnahme an nicht genehmigten Demonstrationen (u. a. aus Protest gegen das Demonstrationsgesetz) in Haft. Die Zahl der Demonstrationen ist zuletzt stark zurückgegangen. Gegen die wenigen Proteste geht die Polizei weiterhin mit Härte häufig schon präventiv vor. Dabei kam es wiederholt zu Toten und Verletzten. Polizeigewalt gegen Demonstrationen bleibt in der Regel straffrei. Innerbetriebliche Auseinandersetzungen und die Zahl der Arbeitsniederlegungen haben zugenommen. Allerdings fallen auch spontane Versammlungen vor den Werkstoren unter das Demonstrationsrecht und müssen daher im Vorfeld genehmigt werden, dies schränkt die Möglichkeiten der Arbeitnehmer ein, sich zu organisieren. Unverhältnismäßig hoch sind Strafandrohungen im Versammlungsrecht, insbesondere im Zusammenhang mit der Teilnahme an unangemeldeten Demonstrationen. In diesem Kontext wurden Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren verhängt (AA 15.12.2016).

 

Die Verfassung garantiert die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit. Die Versammlungsfreiheit setzt eine gesetzlich vorgeschriebene Anmeldung voraus. Die Vereinigungsfreiheit wurde durch Gesetz erheblich beschränkt (USDOS 03.03.2017).

 

Das 2013 in Kraft getretene Demonstrationsgesetz, das die Versammlungsfreiheit sehr weitgehend einschränkt, wird derzeit vom Parlament überarbeitet. Das neue Gesetz sieht vor, dass Demonstrationen nur noch per Gerichtsbeschluss und mit Nennung von Gründen verboten werden dürfen. Ein im Januar 2017 vom Kabinett gebilligtes Bannmeilendekret verbietet Demonstrationen im Umkreis staatlicher Einrichtungen allerdings pauschal, was de facto zu einem pauschalen Protestverbot in ägyptischen Stadtzentren führen könnte. Bei Verstößen drohen weiterhin lange Haftstrafen (AA 02.2017a).

 

Quellen:

 

 

 

 

Opposition

 

Die Betätigungsmöglichkeiten der politischen Opposition sind sehr eingeschränkt. Die Regierung geht gegen die Opposition repressiv vor. In einem politischen Klima, in dem die gegenwärtige Politik unter Staatspräsident Al-Sisi als nationaler Überlebenskampf gegen Terrorismus und fremde Einflüsse stilisiert wird, steht oppositionelle Betätigung unter dem Generalverdacht der Staatsfeindlichkeit. Die oppositionelle Muslimbruderschaft, die im Volk nach wie vor über eigene Anhängerschaft verfügt, ist, als Terrororganisation klassifiziert verboten. Ein Großteil der Führungskader befindet sich in Haft. Auch liberale Aktivisten sind Ziel von Verfolgungsmaßnahmen und einem harten, oft willkürlichen Vorgehen seitens der Sicherheitsbehörden. Die in Ägypten verbotene Muslimbruderschaft ist exilpolitisch aktiv und operiert vorwiegend von Büros in London und Istanbul aus. Von repressiven Maßnahmen gegen zurückgekehrte Aktivisten ist, angesichts der allgemeinen Repression gegen Angehörige der Organisation im Land, bei Führungskadern auszugehen. Prominente regimekritische Aktivisten müssen mit Ausreisesperren, Inhaftierung und Strafverfolgung rechnen. Vermutete politische Aktivitäten im Ausland können selbst bei nur kurzen Aufenthalten (z. B. zur Teilnahme an Seminaren) zu längeren Befragungen durch die Sicherheitsbehörden nach Rückkehr führen (AA 15.12.2016).

 

Kritiker und Regierungsgegner mussten 2016 weiterhin mit willkürlicher Festnahme und Haft rechnen. Auch mehrere Menschenrechtsverteidiger wurden willkürlich festgenommen (AI 22.02.2017).

 

Quellen:

 

 

 

Haftbedingungen

 

Die Bedingungen in den Haftanstalten entsprechen nicht internationalen Standards. Haftanstalten sind gegenwärtig überfüllt. Folter und Misshandlungen sowie Todesfälle in Haft sind verbreitet. Zwangsarbeit kann in Verbindung mit Haftstrafen als Teil der Strafe verhängt werden, ausdrücklich auch in Form von schwerer körperlicher Arbeit ("hard labour") (AA 15.12.2016).

 

Die Haftbedingungen blieben hart. Der halbamtliche Nationalrat für Menschenrechte berichtete weiterhin, dass Gefängnisse und andere Haftanstalten stark überfüllt waren (HRW 12.01.2017).

 

Die Bedingungen in den Gefängnissen und Haftanstalten waren hart und potenziell lebensbedrohlich wegen Überbelegung, körperlichen Missbrauchs, unzureichender medizinischer Versorgung, schlechter Infrastruktur und schlechter Belüftung (USDOS 03.03.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

Todesstrafe

 

Das ägyptische Strafrecht sieht die Möglichkeit, die Todesstrafe zu verhängen. Im Juni 2014 wurde nach einem seit 2011 bestehenden de-facto Moratorium die Vollstreckung der Todesstrafe wieder aufgenommen. Öffentlichkeitswirksam wurden zahlreiche Führungskader der Muslimbrüder erstinstanzlich zum Tode verurteilt. Die Verfahren entsprachen nicht rechtsstaatlichen Prinzipien, sondern sind das Instrument einer politisierten Justiz, sich an der staatlichen Repression gegen die Muslimbrüder zu beteiligen und diese unter zusätzlichen Druck zu setzen. Auch bei schweren Verbrechen ohne politischen Hintergrund wird die Todesstrafe verhängt (AA 15.12.2016).

 

Quellen:

 

 

Religionsfreiheit

 

Die Religionsfreiheit ist eingeschränkt. Die Verfassung von 2014 erhebt den Islam zur Staatsreligion und bestimmt die Scharia zur Hauptquelle der Verfassung. Die Grenze zwischen Staat und sunnitischer Mehrheitsreligion ist nicht klar geregelt. Die Verfassung garantiert lediglich Glaubensfreiheit uneingeschränkt. Die Freiheit des Kultes und das damit verbundene Recht zum Bau von Gotteshäusern bleiben den Offenbarungsreligionen (Muslime, Christen, Juden) vorbehalten. Durch die Beschränkung der Glaubensfreiheit auf einzelne Religionen wird eine Unterscheidung zwischen "anerkannten" und "nicht-anerkannten" Religionen getroffen, die zu zahlreichen Formen der Diskriminierung im Alltag führt. Darunter leiden Angehörige kleinerer Glaubensgemeinschaften. So werden die 150.000 - 200.000 in Ägypten lebenden Schiiten nicht als gleichwertige Religionsgemeinschaft anerkannt. Gleiches gilt für die etwa 2.000 Bahai, die ebenfalls keine staatliche Anerkennung genießen. 2015 wurden einzelne christliche Kirchen angegriffen und Eigentum von Kopten zerstört. Besonders in Oberägypten kommt es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, deren Ursache häufig in Streitigkeiten auf lokaler Ebene liegen. Traditionelle Vorstellungen von (Blut‑)Rache und (kollektiver) Vergeltung sind in den ländlichen Gebieten Oberägyptens nach wie vor vorherrschend. Traditionelle Streitschlichtungsmechanismen spielen auch aufgrund der Abwesenheit funktionierender staatlicher Institutionen eine große Rolle. Dabei kommt es regelmäßig zu strukturellen Benachteiligungen der Christen. Im Mai 2016 flammte die Gewalt gegen Christen wieder neu auf, was zu einer öffentlichen Debatte über das Thema und zur Verabschiedung des umstrittenen Gesetzes über den Kirchenbau führte. Am 11. Dezember 2016 kam es in Kairo zu einem schweren Anschlag auf die koptische Kirche Peter und Paul. Dabei wurden 26 Menschen getötet und 49 zum Teil schwer verletzt. Staatspräsident Al-Sisi gab einen Tag nach dem Anschlag öffentlich bekannt, dass die Hintergründe aufgeklärt seien, und der Täter der Muslimbruderschaft zugeordnet werden könne. Dem gegenüber steht ein Selbstbekenntnis des "IS Misr". Die Konversion vom Christentum zum Islam ist einfach und wird vom Staat anerkannt, während die umgekehrte Konversion vom Islam zum Christentum zu massiven Problemen für die Betroffen führt. Zwar ist die Aufgabe des islamischen Glaubens nicht im geschriebenen Recht, wohl aber nach islamischem Recht verboten. Aufgrund innerislamischer Vorschriften gegen Apostasie haben Konvertiten in Ägypten mit gesellschaftlicher Ächtung zu rechnen. Die Behörden weigern sich in solchen Fällen häufig, neue Personaldokumente auszustellen. Der Eintrag der Religionszugehörigkeit in Personaldokumenten bleibt auch für andere religiöse Minderheiten ein Einfallstor für Diskriminierung und Ungleichbehandlung. Seit März 2009 ist es beispielsweise den Bahais erlaubt, nationale Ausweise und Pässe zu haben, in denen das Feld "Religion" offen bleibt, was jedoch zu vielfältigen Problemen im Alltag führt. Auch die Organisation innerhalb der sunnitischen Glaubensgemeinschaft mit dem Ministerium für religiöse Stiftungen an der Spitze und weitgehenden Durchgriffsrechten steht einer umfassenden Glaubensfreiheit im Weg. Um in den offiziellen Moscheen predigen zu können, müssen die Imame an der al-Azhar Universität ausgebildet worden sein. Das Ministerium gibt zudem die Themen und Schwerpunkte der Freitagspredigten vor. Das ägyptische Strafrecht sieht den Straftatbestand der Blasphemie und dafür bis zu fünf Jahre Haft vor. Es werden zum Teil lange Gefängnisstrafen wegen des Blasphemievorwurfs verhängt. Zudem wird in interreligiösen Auseinandersetzungen häufig der Vorwurf der Blasphemie gegen Angehörige religiöser Minderheiten vorgebracht, um diese unter Druck zu setzen und Gewalt gegen sie zu legitimieren. Christen und Angehörige anderer religiöser Minderheiten sind, vor allem in ländlichen Gebieten, immer wieder Gewaltakten und Einschüchterungen aus den Reihen der muslimischen Mehrheitsgesellschaft ausgesetzt, wobei ein genügender Schutz durch die Sicherheitsbehörden nicht gewährleistet ist (AA 15.12.2016).

 

Religiöse Minderheiten wie koptische Christen, Schiiten und Baha'i wurden weiterhin durch Gesetze diskriminiert und bei der Ausübung ihrer Religion eingeschränkt. Außerdem waren sie nicht ausreichend gegen Gewalt geschützt (AI 22.02.2017).

 

Im August verabschiedete das Parlament ein lang erwartetes Gesetz betreffend Beschränkungen über den Bau und die Sanierung von Kirchen (HRW 12.01.2017).

 

Kein Angehöriger einer religiöser Minderheiten gehörte zu den ernannten Gouverneuren der 27 Regierungsbezirke (USDOS 03.03.2017).

 

Die Religionsfreiheit bleibt eingeschränkt. Die Verfassung garantiert lediglich die Glaubensfreiheit uneingeschränkt. Die Freiheit des Kultes und das damit verbundene Recht zum Bau von Gotteshäusern bleiben den Offenbarungsreligionen (Muslime, Christen, Juden) vorbehalten. Im August 2016 wurde ein lange erwartetes Gesetz über den Kirchenbau verabschiedet, das dem Bau von Kirchen allerdings nach wie vor administrative Hürden in den Weg legt (AA 02.2017a).

 

90% aller Ägypter sind Muslime, fast alle von ihnen Sunniten. Sie folgen der hanafitischen Rechtstradition, die als die liberalste der vier heute verbreiteten islamischen Rechtsschulen gilt. Ca. 9% gehören der orthodoxen ägyptischen koptischen Kirche und ca. 1% gehören anderen christlichen Konfessionen an. Das Religionsverständnis hat sich in den letzten Jahren jedoch je nach sozialer Gruppe in unterschiedlicher Form gewandelt. Mit dem Aufstieg des politischen Islam wurde in manchen Schichten eine engere und stärker auf äußere Formen orientierte Auslegung und Praktizierung der islamischen Religion populär (GIZ 03.2017b).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

Religiöse Gruppen/Kopten

 

Kopten, die etwa 10% der ägyptischen Gesellschaft ausmachen und in ihrer Eigenwahrnehmung keine Minderheit darstellen, sind Opfer vielfacher Diskriminierungen, die oft auch in Gewalt münden. Insbesondere während der Welle der Gewalt im August 2013, die seit Mai 2016 wieder aufflammte, wurden koptische Kirchen attackiert und Christen ermordet. Die Sicherheitskräfte griffen kaum zu ihrem Schutz ein. Im August 2016 verabschiedete das ägyptische Parlament ein einerseits lange erwartetes, andererseits hoch umstrittenes Gesetz über den Bau von Kirchen in Ägypten. Obwohl die Führungspersönlichkeiten der drei großen christlichen Kirchen dem Gesetz zugestimmt haben, lassen vage Formulierungen darin Raum für Diskriminierung in der Praxis; dem Kirchenbau sind weiterhin gesetzliche Hürden in den Weg gelegt (AA 15.12.2016).

 

Kopten sehen sich vielfach als Opfer von Diskriminierungen, die des Öfteren auch in Gewalt münden (AA 02.2017a).

 

Quellen:

 

 

 

Frauen/Kinder

 

Die Verfassung verpflichtet den Staat auf das Ziel, die Gleichheit von Männern und Frauen zu gewährleisten. Frauen werden aber durch Einzelvorschriften des ägyptischen Rechts diskriminiert. Insbesondere im Familienrecht kommt es zu einer systematischen Ungleichbehandlung. Auch im für Muslime maßgeblichen islamischen Erbrecht sind diskriminierende Regelungen vorhanden. Gesellschaftlich ist ein konservatives Rollenbild vorherrschend. Im öffentlichen Leben sind Frauen präsent, aber deutlich unterrepräsentiert. Bei der Beurteilung der Stellung der Frauen in der Gesellschaft ist nach der sozialen Stellung zu differenzieren. So sind die selbstbewusst und in angesehenen beruflichen Positionen oder öffentlichen Ämtern auftretenden Frauen in aller Regel Angehörige der Oberschicht. Sexuelle Belästigungen und Übergriffe finden häufig statt und werden in der Regel nicht strafrechtlich verfolgt. Laut einer Studie von UN Women von 2013 waren 99,3 % der befragten ägyptischen Frauen sexuellen Belästigungen und/oder Übergriffen ausgesetzt, insbesondere im familiären Umfeld. Strafvorschriften zur sexuellen Gewalt sind unzureichend, diskriminierend gegenüber Frauen und erschweren die juristische Aufarbeitung. Es besteht kein effektiver staatlicher Schutz vor sexueller Gewalt; selbst wenn es zu Verurteilungen kommt, bleiben Opfer oft lebenslänglich sozial stigmatisiert. Dem Problem der verbreiteten sexuellen Gewalt wird vorherrschend durch Wegsehen und Verschweigen begegnet. NRO, die sich für die Rechte von Frauen und Gewaltopfern einsetzen, bemängeln das Fehlen einer Strategie der Regierung, sich dem Problem von Gewalt und Diskriminierung anzunehmen. Seit einigen Monaten sehen sich gerade diese NRO zunehmender staatlicher Repression ausgesetzt. Die seit 2008 verbotene Praxis der Genitalverstümmelung wird insbesondere in den ländlichen Gebieten weiterhin praktiziert. Laut einer Studie des ägyptischen Gesundheitsministeriums wurden 92 % der verheirateten Frauen in Ägypten in ihrer Kindheit beschnitten.

Menschenrechtsaktivisten werfen der Regierung vor, zu wenig zur Durchsetzung des Verbots zu unternehmen. Einzelne Initiativen zielen darauf, unter Ärzten das Problembewusstsein zu erhöhen, andere versuchen gemeinsam mit liberalen Imamen den religiösen Diskurs zu beeinflussen. Im Februar 2015 hat die für Rechtsgutachten (Fatwa) zuständige Behörde, Dar-al-Iftar eine Fatwa herausgegeben, der zufolge Genitalverstümmelung im Gegensatz zur islamischen Sharia steht und damit Sünde ist (haram). Im August 2016 wurde das Gesetz über das Verbot von Genitalverstümmelung verschärft, indem härtere Strafen für Ärzte sowie für Personen, die die Betroffenen zu dieser Praxis zwingen, eingeführt wurden (AA 15.12.2016).

 

Frauen und Mädchen waren weiterhin nicht ausreichend gegen sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt geschützt und wurden durch Gesetze und im täglichen Leben diskriminiert. Dies galt insbesondere für gesetzliche Regelungen zur Scheidung. Am 25. September 2016 unterzeichnete Präsident al-Sisi ein Gesetz, das die Strafe für weibliche Genitalverstümmelung anhebt. Die Mindeststrafe beträgt statt drei Monaten künftig fünf Jahre. Die Maximalstrafe wurde von drei auf 15 Jahre erhöht. Außerdem sollen auch Personen bestraft werden, die Mädchen zur Genitalverstümmelung zwingen (AI 22.02.2017).

 

Keine Gesetze beschränkten die Teilnahme von Frauen und Angehörigen von Minderheiten am politischen Prozess. Sowohl Frauen als auch Minderheiten nahmen an diesem teil. Frauen führten vier Kabinettsministerien. Jedoch gehörten keine Frauen zu den ernannten Gouverneuren der 27 Regierungsbezirke. Das Gesetz verbietet Vergewaltigung. Diese wird mit einer Freiheitsstrafe von 15 bis 25 Jahren bestraft. Das Gesetz wird jedoch nicht effektiv umgesetzt. Vergewaltigung in der Ehe ist nicht strafbar. Häusliche Gewalt bleibt weiterhin ein Problem. Das Gesetz verbietet nicht häusliche Gewalt oder Missbrauch durch den Ehegatten. Mehrere NGOs boten Beratung, Rechtshilfe und andere Dienstleistungen für Frauen an, die Opfer von Vergewaltigung und häuslicher Gewalt waren. Das Ministerium für soziale Solidarität unterstützte neun Frauenhäuser. Das Innenministerium umfasst eine Einheit, die für die Bekämpfung von sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt zuständig ist. Die weibliche Genitalverstümmelung ist illegal blieb jedoch ein ernstes Problem. Das Gesetz bezieht sich nicht speziell auf "Ehren"-Verbrechen, die wie jedes andere Verbrechen behandelt werden. Es gab keine verlässlichen Statistiken über Tötungen und Angriffe, die durch "Ehre" motiviert wurden, aber Beobachter erklärten, dass solche Tötungen vor allem in ländlichen Gebieten auftraten. Sexuelle Belästigung blieb ein ernstes Problem. Die Regierung hat die Bemühungen zur Bekämpfung der sexuellen Belästigung priorisiert. Die Verfassung sieht die Gleichberechtigung für Männer und Frauen vor, jedoch haben Frauen nicht die gleichen gesetzlichen Rechte und Chancen wie Männer genossen, und die Diskriminierung war weiterhin weit verbreitet. Gesetze und der traditionelle Praktiken beeinträchtigten Frauen im Familien-, Sozial- und Wirtschaftsleben weiterhin. Frauen sehen sich weiterhin einer weit verbreiteten gesellschaftlichen Diskriminierung, Bedrohungen ihrer körperlichen Sicherheit und Vorurteilen am Arbeitsplatz ausgesetzt, die ihren sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt behinderten (USDOS 03.03.2017).

 

Frauen sind in der ägyptischen Gesellschaft in einigen Bereichen schlechter gestellt als ihre männlichen Mitbürger. Sexuelle Belästigung und häusliche Gewalt gehören weithin zur gesellschaftlichen Realität und werden oft nicht strafrechtlich verfolgt. Auch die seit 2008 gesetzlich verbotene Praxis der Genitalverstümmelung wird, trotz neuerdings verschärfter Strafen, weiterhin von weiten Teilen der Bevölkerung und unabhängig von der Religionszugehörigkeit praktiziert (AA 02.2017a).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Kinder

 

Die ägyptische Verfassung bekennt sich abstrakt zum Schutz der Rechte von Kindern. Sie verbietet Kinderarbeit bis zum Abschluss der verpflichtenden Grundschulausbildung. Dennoch ist Kinderarbeit ein weitverbreitetes Phänomen. Es gibt keine größeren sichtbaren Anstrengungen, den Schutz von Kindern zu erhöhen. Nach offiziellen Angaben arbeiten zwei Millionen Kinder im Alter zwischen fünf und 15 Jahren regelmäßig mehrere Stunden am Tag, darunter auch körperlich schwere und gesundheitsgefährdende Arbeit in der Landwirtschaft, auf dem Bau, in Steinbrüchen, Metall- und Elektrobetrieben und in der Abfallentsorgung. Auch die Zahl der Straßenkinder ist hoch und nach offiziellen Angaben in den vergangenen Jahren stark angestiegen (Schätzungen gehen von bis zu einer Million Kindern aus). Straßenkinder leben in einem Zustand der völligen Schutzlosigkeit. Sie sind häufig Opfer von Ausbeutung, körperlicher Gewalt und sexuellen Übergriffen. Der Besuch der Grundschule ist verpflichtend und für ägyptische Kinder kostenlos. Die bestehende Schulpflicht wird jedoch vielfach nicht durchgesetzt. Auch ist die Qualität der Schulbildung nicht ausreichend, um eine ausreichende Grundbildung zu gewährleisten. Es gibt keine Jugendstrafanstalten, die den besonderen Bedürfnissen Minderjähriger entsprechen. Immer wieder werden Minderjährige im Zuge von politischen Prozessen inhaftiert (AA 15.12.2016).

 

Bildung ist verpflichtend und frei bis zur neunten Klasse. Die Verfassung definiert ein Kind als jedermann unter 18 Jahren. Das bedingt, Kinder vor allen Formen von Gewalt, Missbrauch, Misshandlung und kommerzieller und sexueller Ausbeutung zu schützen. Es gab weit verbreitete Berichte über Kindesmissbrauch. Das gesetzliche Alter zur Eheschließung ist 18 Jahre.

Menschenrechtsorganisationen berichteten, dass Kinder in der Inhaftierung misshandelt wurden, einschließlich Folter, Teilen von Zellen mit Erwachsenen, Verweigerung ihres Rechts auf Beratung und Unterlassung der Behörden ihre Familien zu benachrichtigen. Das Gesetz sieht Freiheitsstrafen bis fünf Jahre und Geldstrafen für kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern und Kinderpornographie vor. Die Regierung konnte das Gesetz nicht ausreichend durchsetzen (USDOS 03.03.2017).

 

Quellen:

 

 

 

Meldewesen

 

Für ägyptische Staatsangehörige besteht keine zentrale Meldepflicht; eine dem deutschen Meldewesen vergleichbare Einrichtung gibt es in Ägypten nicht. Bei Forderungen gegen unbekannt verzogene ägyptische Staatsangehörige ist daher der Versuch einer Aufenthaltsermittlung nahezu aussichtslos (DBK 03.2014).

 

Quellen:

 

 

IDPs und Flüchtlinge

 

Zu internen Ausweichmöglichkeiten liegen keine belastbaren Erkenntnisse vor. Es ist grundsätzlich von einer unterschiedslosen Verfolgungspraxis auszugehen. Allerdings kann zumindest bei vergleichsweise minderschweren Verfolgungsgründen (z. B. niedrigschwelligem oppositionellen Engagement) der Ortswechsel innerhalb des Landes dazu führen, dass die Betroffenen unbehelligt bleiben. Auf dem Nordsinai und in entlegenen Wüstenregionen ist das staatliche Gewaltmonopol zum Teil faktisch eingeschränkt. Ägypten versteht sich traditionell nicht als Aufnahme-, sondern als Transitland. NROen berichten von überwiegend prekären Lebensbedingungen. Aufgegriffene Flüchtlinge werden, etwa nach gescheiterter irregulärer Ausreise über den Seeweg, zum Teil gemeinsam mit Straf-gefangenen, in "detention camps" festgehalten. Wenngleich systematische Misshandlungen nicht belegt sind, sind die Bedingungen in den Lagern zumindest problematisch. Flüchtlinge haben in Ägypten weder die Möglichkeit einer legalen Arbeitsaufnahme (auch wenn die Beschäftigung von syrischen Flüchtlingen auf dem illegalen Arbeitsmarkt im Gegensatz zu Afrikanern in der Regel toleriert wird) noch die Aussicht auf Einbürgerung. Die Aufenthaltsgenehmigung muss selbst für UNHCR-registrierte Flüchtlinge bei den Behörden in der Regel alle sechs Monate erneuert werden. Auch ist der rechtlich durchaus bestehende Anspruch auf Familienzusammenführung aufgrund strenger ägyptischer Visarestriktionen häufig nicht realisierbar. Allein aufgrund fehlender Zukunftsperspektiven ist der Druck Ägypten zu verlassen groß. Nach Berichten von UNHCR gab und gibt es eine verbreitete Praxis der Rückführung von Asylsuchenden und Migranten in die Herkunftsländer, insbesondere in den Sudan. UNHCR setzt sich dafür ein, dass Rückführungen nach Syrien weiter unterbleiben. Aus jüngster Zeit liegen jedoch Berichte über Rückführungen nach Syrien vor (AA 15.12.2016).

 

Die Verfassung sieht den Schutz von politischen Flüchtlingen vor, aber die Gesetze sehen keinen Asyl- oder Flüchtlingsstatus vor, und die Regierung hat keine umfassenden rechtlichen Rahmenbedingungen für den Schutz der Flüchtlinge eingerichtet (USDOS 03.03.2017).

 

Quellen:

 

 

 

Grundversorgung und Wirtschaft

 

Subventionen zur Absicherung der Grundversorgung der ägyptischen Bevölkerung haben eine lange Tradition und zehren einen erheblichen Teil des Staatshaushaltes auf. Die Zurverfügungstellung von subventionierten Lebensmitteln (vor allem Brot) ist eine zentrale Aufgabe des Ministeriums für Binnenhandel. Es ist nach Aussagen der ägyptischen Regierung davon auszugehen, dass ca. 70 Mio. Menschen derzeit berechtigt sind, auf subventionierte Lebensmittel zuzugreifen. Die Verwaltung erfolgt durch familienbezogene elektronische Bezugskarten, die mit Punkten aufgeladen werden, die wiederum in staatlichen Supermärkten eingelöst werden können. Das Spektrum der in diesen Ausgabestellen verfügbaren Lebensmittel hat sich seit einer grundlegenden Reform des Systems seit Anfang 2014 deutlich verbreitert. Auch ist davon auszugehen, dass die tatsächliche Anzahl der Nutzer dieser Systems der Nahrungsmittelgrundversorgung deutlich unter der o.g. Zahl der Berechtigten liegt. Eine umfassende Neuregistrierung von tatsächlich bedürftigen Personen ist hiesigem Wissen nach noch nicht erfolgt. Nicht-Ägypter haben nach hiesiger Kenntnis keinen Zugang zu diesem System. Ein weiteres Instrument der sozialen Sicherung liegt im Mietrecht begründet. Für einen Großteil von Mietverträgen die in den 1950er und 1960er Jahren geschlossen wurden und seitdem innerhalb der Großfamilie weitergegeben wurden gilt noch eine Mietpreisbindung, die im Altbestand zu teilweise grotesk niedrigen Mieten führt. Für neue Verträge seit ca. 1990 gelten ohnehin die Gesetze des Marktes. Im Rahmen der Erschließung von Wüstenregionen wird ein gewisser Prozentsatz an Land und Wohnungen an arme Bevölkerungsteile verlost. Im Rahmen von zwei Sozialhilfeprogrammen KARAMA und TAKAFUL werden zudem verstärkte Schritte für eine gezielte Unterstützung der Ärmsten vorgenommen. Das Karama Projekt sieht monatliche Geldleistungen im Umfang von 40-80 USD an die Ärmsten der Armen sowie an ältere Menschen und Behinderte vor. Das konditionierte Takaful Projekt zielt auf die finanzielle Unterstützung von Familien mit Kindern ab, vorausgesetzt diese besuchen regelmäßig eine Schule. Darüber hinaus existiert ein zwar in seiner Leistungsfähigkeit beschränktes, aber funktionierendes Sozialversicherungssystem, welches Arbeitslosen-, Kranken-, Renten- und Unfallversicherungselemente enthält und von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam bezahlt wird. Die größten Probleme ergeben sich hier aus relativ geringen tatsächlichen Auszahlungen und der Nichterfassung der großen Anzahl an Personen ohne formelle Erwerbsaktivitäten (informeller Sektor) bzw. solche die arbeitslos sind. Einen erheblichen Beitrag zur sozialen Sicherung leisten karitative Einrichtungen, vornehmlich auf religiöser Basis und finanziert aus Spenden und wohltätigen Stiftungen. Insbesondere in den letzten zehn Jahren intensivieren nicht-staatliche Organisationen - oft mit internationaler Unterstützung - Unterstützungsmaßnahmen in allen Bereichen der Gesellschaft. Formale staatliche Institutionen für die Aufnahme von Rückkehrern sind hier nicht bekannt. Steigende Inflation und Subventionsabbau drohen die wirtschaftliche Situation vor allem der armen Segmente der Gesellschaft derzeit erheblich zu verschlechtern. Ob es gelingt, dem Unmut der Bevölkerung durch den Ausbau staatlicher Sozialhilfeprogramme entgegenzuwirken ist derzeit fraglich. Es zeichnet sich ab, dass Militär und auch Sicherheitsdienste in sozialen Bereichen, beispielsweise in der Verteilung von Lebensmitteln, einspringen und staatliche Aufgaben verstärkt substituieren (AA 15.12.2016).

 

Ägypten ist das nach Südafrika am stärksten industrialisierte Land Afrikas. Außerhalb der Ballungsgebiete spielt insbesondere die Landwirtschaft eine erhebliche Rolle. Der große informelle Sektor (v.a. Dienstleistungen; Schätzungen gehen von 30% des BIP aus) nimmt zudem einen Großteil der Arbeitskräfte auf. Bei einem Netto-Bevölkerungswachstum von jährlich rund zwei Millionen Menschen ist die Arbeitslosigkeit und insbesondere Jugendarbeitslosigkeit besonders hoch (offiziell wird die Jugendarbeitslosigkeit mit 28% angegeben, Schätzungen gehen von höheren Zahlen aus). Ägypten hat ein großes Interesse an ausländischen Direktinvestitionen und fördert diese gezielt. Zahlreiche Handelshemmnisse und Bürokratie schrecken potentielle Investoren jedoch ab. Staatliche Unternehmen sowie das ägyptische Militär spielen im Wirtschaftsleben eine starke Rolle. Jeder dritte Ägypter ist in der Landwirtschaft beschäftigt. Die landwirtschaftliche Nutzfläche erstreckt sich vor allem entlang des Nils sowie im Nildelta, macht aber nur rund vier Prozent der Gesamtfläche des Landes aus. Aufgrund der starken Parzellierung können viele Landwirte lediglich Subsistenzwirtschaft betreiben (AA 03.2017b).

 

Der Dienstleistungssektor ist der größte Wirtschaftssektor. Er bietet rund 50% der ägyptischen Arbeitskräfte eine Beschäftigung und trägt mit rund 49% etwa die Hälfte zum BIP bei. Mehr als 54 Millionen Ägypter sind im arbeitsfähigen Alter. Davon sind nach Angaben der ägyptischen Statistikbehörde CAPMAS knapp 27 Millionen auf dem Arbeitsmarkt, was einer Erwerbsquote von 49,5% entspricht. Die Erwerbsquote von Frauen ist mit rund 23% die niedrigste unter vergleichbaren arabischen Ländern, was v.a. mit der Arbeitsmarktstruktur, den niedrigen Löhnen, den langen Wartezeiten auf die von Frauen bevorzugten Jobs im öffentlichen Sektor sowie kulturellen Vorstellungen zu tun hat. Der ägyptische Arbeitsmarkt ist jung. 38% der ägyptischen Arbeitskräfte sind zwischen 15 und 29 Jahre alt. In den letzten Jahren drängten jährlich etwa 800.000 Ägypter neu auf den Arbeitsmarkt, was einer Wachstumsrate von ca. 3% entspricht. Die offizielle Arbeitslosenrate schwankte in den letzten zehn Jahren zwischen 9 und 10.5%. Unabhängige Schätzungen gehen jedoch von bis zu 30% Arbeitslosen aus da viele Arbeitswillige aus der engen Definition der Arbeitssuchenden herausfallen. Grundsätzlich gilt für Ägypten, dass Armut nicht mit Arbeitslosigkeit gleichgesetzt werden kann. Anders als die Nicht-Armen, die bei Arbeitslosigkeit auf die Unterstützung ihrer Familien zählen können, können es sich die Armen nicht leisten, über einen längeren Zeitraum kein wenn auch noch so niedriges Einkommen zu haben. (GIZ 03.2017b).

 

Quellen:

 

 

 

 

Medizinische Versorgung

 

Das grundlegend funktionierende Sozialversicherungssystem mit Elementen der Kranken- und Unfallversicherung ist eingeschränkt leistungsfähig. Eine minimale kostenlose Grund-versorgung ist gegeben. Notfälle werden behandelt; die Grundversorgung chronischer Krankheiten ist minimal und oft nur mit Zuzahlungen gegeben. Es gibt im Großraum Kairo über 100 staatliche Krankenhäuser, u. a. die Unikliniken Kasr El Aini und Ain Shams. Die Versorgung mit Medikamenten im örtlichen Markt ist ausreichend. Importe werden staatlich kontrolliert (AA 15.12.2016).

 

Mit fast 30 Ärzten pro 10.000 Einwohner (regionaler Schnitt 10/10.000) hat Ägypten eine vergleichsweise gute medizinische Versorgung. Die Möglichkeit der ambulanten Versorgung in privaten Kliniken oder Praxen ist in Kairo vielfältig. Etliche in Europa oder den USA ausgebildete Fachärzte und Professoren bieten oft nach ihrer Tätigkeit in den überlaufenen staatlichen Universitätskrankenhäusern nachmittags oder abends private Konsultationen an. Die Ausstattung der Praxen ist oft einfach, die Hygiene meistens nicht mit europäischen Verhältnissen vergleichbar und der Verkehrsstau vor dem Erreichen der Sprechstunde die Regel, so dass die ambulante Versorgung für einen Patienten sehr anstrengend sein kann. Das Fehlen der Allgemeinmedizin, des "praktischen Hausarztes" kann unter Umständen zur Überdiagnostik beim Facharzt führen, die ganzheitliche Versorgung des Kranken kann dabei zu kurz kommen. Eine Vielzahl von privaten Belegkrankenhäusern finden sich verteilt über die einzelnen Stadtteile der Millionenmetropole. Einige der renommierteren Privatkliniken haben über hundert Belegärzte, die meisten von ihnen sind an mehreren Häusern tätig. Fachabteilungen im eigentlichen Sinn (Chefarzt, Oberärzte, Assistenten) sind nicht vorhanden, das Pflegepersonal arbeitet täglich mit einer großen Anzahl unterschiedlicher Fachärzte zusammen. Gezielte Eingriffe sind durchaus möglich, die Ausstattung mit modernen medizinischen Geräten ist gut, Hygiene und pflegerische Versorgung aber oft nicht auf europäischem Niveau. Deshalb sollte auch grundsätzlich überlegt werden, ob selektive Eingriffe, bei denen man den Zeitpunkt selber bestimmen kann, in Kairo durchgeführt werden müssen. Die fachärztliche Kompetenz ist in den meisten Fällen gegeben, die Infrastruktur der privaten Belegkrankenhäuser lässt oftmals zu wünschen übrig. Das staatliche Rettungswesen, unter der Telefonnummer 123 zu erreichen, ist recht zuverlässig. Die Verständigung erfolgt auf Arabisch, eine ärztliche Begleitung wird nur auf begründeten Wunsch gewährt. Durch Stationierung an strategisch wichtigen Punkten der Stadt sind Krankenwagen trotz dichtem Verkehr oft erstaunlich schnell zur Stelle. Die akute Notfallversorgung wird im zuerst erreichbaren Krankenhaus erfolgen, wenn genügend Zeit zu Verfügung steht, kann auch eine andere Klinik angefahren werden, das muss gesondert bezahlt werden. Beste intensivmedizinische Versorgung findet sich je nach Wohngebiet der Entsandten im Dar El Fuad Hospital (6th of October), Misr International (Dokki, Zamalek, Mohandessin), Air Force Specialist Hospital (New Cairo), Saudi German Hospital (Heliopolis)

 

und As Salam International (Maadi). Diese Krankenhäuser haben auch eigene, besser ausgestattete Ambulanzfahrzeuge zu Verfügung (DBK 06.2016).

 

Der Großteil der ägyptischen Bevölkerung ist über den Staat versichert. Problematisch ist, dass diese Versicherung an Ausbildung oder Arbeitsplatz gekoppelt ist, und Arbeitslose oder Arme daher ausschließt. Wegen der teils gravierenden Qualitätsmängel in der staatlichen Versorgung - mangelnde Hygiene oder vernachlässigte Wartung von Geräten ebenso wie unterbezahltes Personal - meidet, wer kann, die großen Krankenhäuser ohnehin zugunsten privater Kliniken (GIZ 03.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

Rückkehr

 

Aktuell sind Rückkehr- und Reintegrationsprojekte nicht bekannt. Es gibt keine gesonderten Aufnahmeeinrichtungen. Zur Situation von Rückkehrern liegen keine Erkenntnisse vor. Staatliche Maßnahmen als Reaktion auf Asylanträge im Ausland sind nicht bekannt (AA 15.12.2016).

 

Quellen:

 

 

Dokumente

 

Totalgefälschte Reisedokumente bzw. Personenstandsurkunden sind ohne größere Schwierigkeiten auf dem Schwarzmarkt zu erlangen. Gleiches gilt für echte Dokumente mit zweifelhafter Beweiskraft (AA 15.12.2016).

 

Quellen:

 

 

In den Beschwerden wurde zur Situation in Ägypten Folgendes festgestellt:

 

Christen sind in Ägypten immer wieder Ziel von Diskriminierungen und Anschlägen (http://www.bbc.com/news/world-middle-east-39694408 ). Anfang April 2017 starben bei einem Doppelanschlag auf Kirchen in Alexandria und in Tanta mehr als 45 Menschen. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte die Taten für sich. Die ständige Diskriminierung und die Gefahr verletzt oder sogar getötet zu werden, ist immer vorhanden (vgl. USCIRF - US Commission on International Religious Freedom: United States Commission on International Religious Freedom 2017 Annual Report; 2017 Country Reports; Tier 2 Countries: Egypt, 26. April 2017, verfügbar auf ecoi.net: http://www.ecoi.net/file upload/5250 1494425701 eqypt- 2017.pdft. Im Mai 2017 erfolgte wiederum ein blutiger Anschlag auf koptische Christen (http://orf.at/stories/2393l01/2393102/ (Zugriff 26.05.2017)). Anfang Mai drohten die Extremisten mit neuen Angriffen auf Christen. Muslime sollten Ansammlungen von Christen und Ausländern aus dem Westen meiden, warnte ein namentlich nicht genannter Anführer der Gruppe in einem Interview der iS-Publikation "al-Nabaa". Er forderte Muslime auch dazu auf, Einrichtungen der ägyptischen Armee, Polizei und Regierung fernzubleiben.

 

Ende Dezember 2017 töteten Terroristen des IS zehn Menschen bei einem Angriff auf die Kirche St. Mina südlich von Kairo. (DerStandard, Mindestens zehn Tote nach Terroranschlag auf Kirche bei Kairo, verfügbar auf:

https://derstandard.at/200007l186987/Mehrere-Todesopfer-bei-Angriff-auf-koptische-Kirche-in-Aegypten )

 

Im November 2018 wurde ein Bus mit Kopten auf dem Weg zu einem Kloster vom Islamischen Staat angegriffen. Sieben Menschen wurden getötet, 14 zum Teil schwer verletzt. (Deutsche Welle, Bus mit Köpften in Ägypten gerät unter Feuer, verfügbar auf:

https://www.dw.com/de/bus-mit-kopten-in- äqypten-gerät-unter-feuer/a-461374531)

 

"IGFM-Vorstandssprecher Martin Lessenthin erklärte auf der Pressekonferenz, Ursache für die prekäre Lage der Christen sei der weiter wachsende islamische Fundamentalismus. Radikale Islamisten, zum Teil unterstützt aus Saudi-Arabien, könnten erfolgreich ihr fundamentalistisches Weltbild verbreiten. "Selbst in Schulen und staatlichen Insitutionen wie der weltberühmten Al-Azhar-Universität propagieren Scharfmacher ungehindert Menschenrechtsverletzungen an Andersgläubigen und Frauen. Auf diese Weise werden immer neue Jahrgänge junger Menschen und junger muslimischer Geistlicher indoktriniert", so Lessenthin." (Internationale Gesellschaft für Menschenrechte, Christenverfolgung in Ägypten, https://www.iqfm-de/michael-leh-chri5tenverfolgung-in-aegypten/ )

 

Das BMEIA schreibt hinsichtlich der Reiseinformation zu Ägypten:

"Bei Reisen nach Ägypten, einschließlich der Touristengebiete am Roten Meer, wird generell zu Vorsicht geraten. Trotz erhöhter Sicherheitsmaßnahmen besteht im ganzen Land ein allgemeines Sicherheitsrisiko von terroristischen und anderen Angriffen. Dies gilt insbesondere für die Umgebung von Sicherheitseinrichtungen, Polizei- und Armeeposten sowie bei politischen Kundgebungen, Demonstrationen und religiösen Veranstaltungen in Ballungsräumen. Insbesondere bei christlich-orthodoxen Feiertagen ist in der Umgebung von christlichen Einrichtungen erhöhte Vorsicht geboten."

(BMEIA, Ägypten, verfügbar auf;

https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aegypten/ )

 

1.3. Zur Lage der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Ägypten:

 

Bei den Beschwerdeführern handelt es sich um koptische Christen. Es ist nicht glaubhaft, dass sie im Falle einer Rückkehr nach Ägypten wegen ihrer Religion Verfolgung zu erwarten haben. Es besteht auch keine reale Gefahr, dass sie Opfer eines Anschlages oder von Organhandel werden. Zudem besteht auch keine reale Gefahr, dass sie in eine existenzbedrohende Lage geraten.

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Zum Verfahrensgang:

 

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und der vorliegenden Gerichtsakten und der im Verfahrensgang genannten Erkenntnisse dieses Gerichts vom 06.07.2018. Auskünfte aus dem Strafregister und dem Zentralen Melderegister (ZMR) wurden ergänzend eingeholt.

 

2.2. Zu den Personen:

 

Die Feststellungen zu den Lebensumständen, ihrer Familie, den Geburtsdaten und Identitäten, der Herkunft der Beschwerdeführer und ihrer Integration ergaben sich aus ihren Aussagen, dem unbestrittenen Inhalt der vorliegenden Reisepässe und anderen Urkunden sowie den Registerabfragen.

 

Die Feststellungen zur Gesundheit der Beschwerdeführer ergeben sich aus den Angaben vor dem BFA. Der Erstbeschwerdeführer erklärte zwar in seiner Einvernahme am 15.11.2018, dass seine Frau noch immer an den gesundheitlichen Problemen aufgrund des Kaiserschnitts leide und aktuell eine Diät mache, doch ergibt sich daraus keine schwere gesundheitliche Einschränkung der Zweitbeschwerdeführerin. In der Einvernahme durch das BFA am selben Tag erklärte die Zweitbeschwerdeführerin, dass sie keine Medikamente nehmen würde und gesund sei. Auch in der Beschwerde wurden keine gesundheitlichen Probleme geltend gemacht.

 

Die Feststellung zur Glaubensgemeinschaft der Beschwerdeführer ergibt sich aus deren diesbezüglich gleichbleibenden Angaben vor dem BFA bzw. im Vorverfahren.

 

2.3. Zur Lage im Herkunftsland:

 

Bei den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (Stand: 16.04.2018) handelt es sich um eine ausgewogene Auswahl sowohl staatlichen als auch nicht staatlichen Ursprungs, die es ermöglicht, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen.

 

Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vor-schriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine ein-seitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich bei den Feststellungen im angefochtenen Bescheid um ausreichend ausgewogene und aktuelle.

 

Die Beschwerdeführer sind den Feststellungen des Länderinformationsblattes auch nicht substantiiert entgegengetreten. Die in der Beschwerde zitierten Berichte zeichnen kein anderes Bild als das Länderinformationsblatt, in dem ebenfalls von vereinzelten Anschlägen, unter anderem auf koptische Kirchen, berichtet wird. Der Erstbeschwerdeführer erklärte zwar in der Einvernahme durch das BFA am 15.11.2018, allerdings nachdem er auf eine Erörterung des bzw. Einsicht in das Länderinformationsblatt verzichtet hatte, dass es nicht stimmen würde, dass die christliche Minderheit in Ägypten geschützt würde und das kirchliche Oberhaupt auch nicht die Wahrheit sage, um die Christen nicht weiterer Verfolgung auszusetzen, doch reicht dies nicht aus, um dem Feststellungen im angefochtenen Bescheid entgegenzutreten.

 

2.4. Zum Vorbringen:

 

Bei ihrer Erstbefragung am 01.09.2018 gab die Zweitbeschwerdeführerin zum Fluchtgrund an, dass es bei ihrer Reise nach Österreich im Jahr 2013 erstens um die Familienzusammenführung gegangen sei (ihr Ehemann befand sich ja seit 2011 in Österreich) und sich daneben die Situation für die christliche Minderheit in Ägypten permanent verschlechtert habe. Sie fürchte um das Leben ihrer Kinder. Auch in der Einvernahme durch das BFA am 15.11.2018 gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass sie ihrem Mann im September 2013 nach Österreich gefolgt sei, da sie die Situation wegen des arabischen Frühlings als zu gefährlich für sich und ihren Sohn empfunden habe. Konkret machte sie geltend, dass sich die allgemeine Sicherheit in Ägypten verschlechtert habe, dass die christliche Minderheit in Ägypten diskriminiert werde und sie sexueller Belästigung ausgesetzt gewesen sei.

 

Dem BFA ist zuzustimmen, wenn es im angefochtenen Bescheid ausführt, dass die Zweitbeschwerdeführerin damit keine Verfolgung ihrer Person bzw. ihrer Kinder glaubhaft machen konnte. Auch wenn das Bundesverwaltungsgericht die Situation für Frauen in Ägypten keineswegs beschönigen will, so kann dennoch aus dem Umstand, dass ein Busfahrer einmal versucht hatte, der Zweitbeschwerdeführerin auf die Beine zu greifen, was diese aber zu verhindern wusste, keine konkrete Verfolgung der Zweitbeschwerdeführerin abgeleitet werden und auch keine Gefahr für ihr Leben und ihre körperliche Unversehrtheit.

 

Auf die Frage nach weiteren Fluchtgründen gab die Zweitbeschwerdeführerin an, der Fünftbeschwerdeführer wolle nicht ins Herkunftsland zurück, weil er dort noch keine Schule besucht und seine Freunde hier habe. Sicherheit und Politik würden es ihnen als Christen unmöglich machen, eine Zukunft aufzubauen. Auch der Erstbeschwerdeführer verwies bei seiner Einvernahme durch das BFA darauf, dass sich sein Sohn in Österreich gut integriert und keine Bindungen zu Ägypten habe. Daraus ergibt sich aber weder eine Verfolgung noch eine Bedrohung der Beschwerdeführer.

 

Soweit die Zweitbeschwerdeführerin auf eine Verschlechterung der Sicherheitssituation in Ägypten verweist, etwa darauf dass ihrer Schwester kürzlich das Mobiltelefon gestohlen worden sei, reicht dies ebenso wenig wie der pauschale Verweis des Erstbeschwerdeführers auf Organhandel aus, um eine konkrete Verfolgung der Beschwerdeführer darzulegen. Der Erstbeschwerdeführer erklärte dann noch, dass die Autoscheiben seines Schwagers eingeschlagen worden seien und diesem gedroht worden sei, dass seine Kinder getötet würden, wenn er eine Anzeige machen würde. Dieser kriminelle Akt kann aber keinesfalls dem Staat zugerechnet werden und kann, wie auch vom BFA im angefochtenen Bescheid dargelegt, nicht von einer generellen Schutzunfähigkeit bzw. -unfähigkeit der ägyptischen Behörden ausgegangen werden. Zudem fehlt ein Bezug zu den Beschwerdeführern. Soweit diese darüber hinaus erklärten, dass dem Vater der Zweitbeschwerdeführerin wegen seiner Religion im Krankenhaus die Sauerstoffmaske entfernt worden sei, woran er verstorben sei, so handelt es sich diesbezüglich um einen reinen Verdacht der Beschwerdeführer.

 

Der Zweitbeschwerdeführerin gelang es nicht, eine konkrete Verfolgung oder Gefährdung ihrer Person geltend machen, sondern blieb sie bei allgemeiner Kritik an den ägyptischen Verhältnissen, wie der folgende Auszug aus dem Protokoll der Einvernahme durch das BFA am 15.11.2018 zeigt: "Das erste ist einmal, ich habe Angst, dass ich und meine Kinder getötet werden. Es gibt derzeit kein Gesetz, das die Minderheit der Christen schützt. Allgemein die politische Lage und die religiöse Lage sind sehr schwierig und kompliziert. Die Beweise sind vorhanden, was in Al-Minya und in Kairo passiert ist."

In Bezug auf die Situation koptischer Christen in Ägypten gestand auch das BFA im angefochtenen Bescheid Diskriminierung und einzelne gewalttätige Übergriffe ein, verwies aber zu Recht darauf, dass sich daraus weder eine Gruppenverfolgung noch die reale Gefahr für Leben und Unversehrtheit für jeden koptischen Christen ergibt. Wenn in der Beschwerde dazu nur gemeint wird, dass von einer Gruppenverfolgung auszugehen sei, "da die Terroristen gezielt ägyptische Christen (Kopten) töten", ist dies keine substantiierte Behauptung, da sich aus einzelnen Anschlägen, etwa des Islamischen Staates, noch keine Gruppenverfolgung gibt, was sich auch daran zeigt, dass, wie vom BFA im angefochtenen Bescheid ausgeführt, die restlichen Familienmitglieder in Ägypten leben und einer Arbeit nachgehen.

 

Auch der Erstbeschwerdeführer erklärte, dass er wegen der allgemeinen Situation für Christen nicht nach Ägypten zurückwolle. In der Erstbefragung am 03.09.2018 meinte er, dass mittlerweile eine hasserfüllte Politik gegen die christliche Minderheit vorherrsche, täglich christliche Mitbürger verschleppt und ermordet sowie Kirchen geplündert und zerstört würden. Bei seiner Einvernahme durch das BFA am 15.11.2018 verwies er auf verschiedene terroristische Angriffe. Wie bereits ausgeführt und auch vom BFA im angefochtenen Bescheid dargelegt, vermögen die einzelnen gewalttätigen Angriffe auf koptische Christen und Einrichtungen aber keine konkrete Gefährdung für jeden einzelnen der 10 Millionen in Ägypten lebenden Christen darzulegen.

 

Beide Beschwerdeführer machten keine konkrete Bedrohung ihrer Person geltend; so meinte die Zweitbeschwerdeführerin zum BFA: "Ich wurde jetzt nicht bedroht oder verfolgt." Und der Erstbeschwerdeführer:

"Ich wurde nicht persönlich bedroht." Erst nach Rückübersetzung ergänzte der Erstbeschwerdeführer, dass er beim Verlassen der Kirche mit Schimpfwörtern bedacht worden sei. Eine konkrete Verfolgung ergibt sich aber auch daraus nicht.

 

Gegen eine Verfolgung der Beschwerdeführer in Ägypten spricht auch, dass diese 2016 zu einem Besuch nach Ägypten fuhren. Zudem wurden die Anträge der Beschwerdeführer erst nach einem mehrjährigen Aufenthalt in Österreich gestellt und erst als eine Festnahme zum Zwecke der Abschiebung verhängt werden sollte. Dies rechtfertigt die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung, dass das Stellen des Antrages auf internationalen Schutz nur den weiteren Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet ermöglichen sollte.

 

Es liegt zusammengefasst kein Hinweis vor, dass den Beschwerdeführern im Falle einer Rückkehr Verfolgung aus religiösen Gründen droht oder sie der Gefahr von Entführung oder Organhandel ausgesetzt wären.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu A)

 

3.1. Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkte I. der angefochtenen Bescheide):

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Die Beschwerdeführer konnten nicht glaubhaft machen, dass ihnen aus einem der Gründe der Genfer Flüchtlingskonvention Verfolgung droht. Konkret brachten sie vor, wegen ihres koptischen Glaubens verfolgt zu werden. Die Verfolgung aus Gründen der Religion ist nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK geschützt (VwGH, 13.12.2018, Ra 2018/18/0395). In seinem Urteil vom 04.10.2018, Bahtiyar Fathi, C-56/17 , hat der Gerichtshof der Europäischen Union jüngst präzisiert, dass eine "schwerwiegende Verletzung" der Religionsfreiheit vorliegen muss, die den Betroffenen erheblich beeinträchtigt, damit die betreffenden Handlungen als Verfolgung im asylrechtlichen Sinn (vgl. Art. 9 Abs. 1 und 2 der Statusrichtlinie) gelten können. Dieses Erfordernis ist erfüllt, wenn die Person aufgrund der Ausübung dieser Freiheit in ihrem Herkunftsland tatsächlich Gefahr läuft, durch einen der in Art. 6 der Richtlinie genannten Akteure verfolgt oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu sein, etwa wenn eine Todes- oder Freiheitsstrafe droht. In Ägypten ist die Ausübung der christlich-koptischen Religion allerdings nicht verboten.

 

Von Art. 9 EMRK wird neben der Glaubensfreiheit (forum internum) auch die Bekenntnisfreiheit geschützt, das Recht, seinen Glauben nach außen zu manifestieren, wodurch eine Interaktion mit anderen stattfindet und ein erhöhtes Konfliktpotential entstehen kann (forum externum). So ist auch das Tragen religiöser Kleidung vom Schutzbereich umfasst. Eine entsprechende Untersagung wäre daher ein Eingriff in Art. 9 EMRK, der nur dann gerechtfertigt wäre, wenn die Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 EMRK erfüllt sind. Ebenso fällt Missionstätigkeit unter den Schutzbereich des Grundrechts. Der Begriff der Religion in Art. 10 Abs. 1 litera b der Statusrichtlinie beinhalte alle Komponenten der Religion, ob öffentlich oder privat, kollektiv oder individuell. Der Schutzbereich der Religionsfreiheit erfasst daher nicht nur die Glaubensfreiheit bzw. Tätigkeiten im privaten Bereich, sondern auch Tätigkeiten in der Öffentlichkeit. Grundsätzlich können daher alle Arten von Eingriffen in die Religionsfreiheit eine Verfolgung darstellen. Art. 9 EMRK verpflichtet die Konventionsstaaten allerdings nicht dazu, die von dieser Vorschrift geschützten Handlungen vor Beeinträchtigung durch andere Staaten im Sinne einer Schutzpflicht zu schützen. Erreichen diese Beeinträchtigungen aber das Ausmaß der von Art. 2 und Art. 3 EMRK erfassten Handlungen, so trifft die Konventionsstaaten eine entsprechende Schutzpflicht. Die Möglichkeit, durch Verzicht auf bestimmte religiöse Betätigungen, der Verfolgungsgefahr zu entkommen, verhindert eine Flüchtlingseigenschaft nicht, da nach dem EuGH-Urteil vom 05.09.2012, verb. RS C-71/11 sowie C-99/11 die Behörden dem Antragsteller nicht zumuten können, auf diese religiösen Betätigungen zu verzichten. Es darf nicht gefordert werden, sich auf das forum internum zu beschränken.

 

Die Beschwerdeführer legten aber auch nicht dar, dass ihnen die religiöse Ausübung nicht mehr möglich wäre; dass der Beschwerdeführer darauf verwies, dass er beim Verlassen der Kirche beschimpft worden sei, reicht noch nicht aus, um eine Beeinträchtigung im Sinne der Art. 2 und Art. 3 EMRK darzulegen.

 

Den Länderfeststellungen ist zu entnehmen, dass Mitglieder der koptischen Glaubensgemeinschaft Opfer vielfacher Diskriminierungen sind, die oft auch in Gewalt münden. Die von den Beschwerdeführern in der Beschwerde zitierten Ereignisse bestätigen dies, sind aber nicht dazu geeignet zu bescheinigen, dass die Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Ziel solcher Anschläge zu werden.

 

Daher stellte das BFA im angefochtenen Bescheid zu Recht fest, dass die Beschwerdeführer keine konkret gegen sie gerichteten Verfolgungshandlungen behauptet bzw. glaubhaft gemacht haben.

 

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass den Beschwerdeführern im Herkunftsstaat Ägypten keine Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht und der Ausspruch in Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide zu bestätigen ist.

 

3.2. Zum Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkte II. der angefochtenen Bescheide):

 

Gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 idgF ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

Das BFA stellte in den angefochtenen Bescheiden zu Recht fest, dass eine Abschiebung nach Ägypten nicht automatisch eine Gefahr für Leib und Leben bedeutet. Nun verkennt das Bundesverwaltungsgericht nicht, dass Mitglieder der koptischen Glaubensgemeinschaft einem erhöhten Risiko unterliegen, Opfer von Diskriminierung oder auch gewalttätigen Übergriffen zu werden. In der Beschwerde wurden Angriffe der Terrororganisation Islamischer Staat auf Kopten bzw. koptische Einrichtungen im April 2017, Mai 2017, Dezember 2017 und November 2018 aufgelistet. Das Bundesverwaltungsgericht ist sich - in Einklang mit den in den angefochtenen Bescheiden getroffenen Feststellungen - bewusst, dass sich die Lage für die koptische Gemeinschaft in den letzten zehn Jahren verschlechtert hat und dass die Angriffe der Terrormiliz Islamischer Staat bereits zahlreiche Todesopfer forderten. Dennoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass jedem der zehn Millionen Kopten in Ägypten die reale Gefahr droht, Opfer eines Anschlages zu werden - dies trifft genauso auf die Beschwerdeführer zu, die keinem höheren Risiko unterliegen als die anderen Mitglieder ihrer Glaubensgemeinschaft.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach erkannt, dass auch die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten kann, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. u.a. VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174). Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend (vgl. u.a. VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174). Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 200/01/0443 und zuletzt VwGH, 25.05.2016, Ra 2016/19-0036-5). Es ist nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer in eine Notlage geraten würden, da die Zweitbeschwerdeführerin und der Erstbeschwerdeführer gesund, jung, erwerbsfähig und gut ausgebildet sind. Der Erstbeschwerdeführer war vor seiner Ausreise nach Österreich erwerbstätig. Zudem können die Beschwerdeführer auf familiäre Unterstützung zurückgreifen. Aufgrund dieser Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Ägypten jedenfalls ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen können und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage geraten.

 

Besondere Umstände, welche die Rückkehr der Beschwerdeführer im Widerspruch zu Art. 2 oder 3 EMRK erscheinen lassen würden, sind im gegenständlichen Asylverfahren daher nicht hervorgekommen, sodass der Ausspruch in Spruchteil II. der angefochtenen Bescheide zu bestätigen war.

 

3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide):

 

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde unter Zitierung des § 57 AsylG 2005 zwar ausgesprochen hat, dass ein Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" gemäß § 57 AslG 2005 nicht erteilt werde, dass sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides jedoch unzweifelhaft ergibt, dass die belangte Behörde tatsächlich rechtsrichtig über eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG 2005 abgesprochen und eine solche nicht erteilt hat. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 57 AsylG wurde nicht behauptet, so dass auch die Beschwerden gegen die Spruchpunkte III. der angefochtenen Bescheide abzuweisen sind, allerdings mit der Maßgabe, dass im Spruch der angefochtenen Bescheide auf die "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu verweisen ist.

 

3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. der angefochtenen Bescheide):

 

Nach § 55 AsylG 2005 ist Drittstaatsangehörigen eine "Aufenthaltsberechtigung" bzw. unter weiteren Voraussetzungen eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, daher immer dann, wenn es gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.

 

§ 9 Abs. 2 BFA-VG sieht vor, dass bestimmte Aspekte bei der Beurteilung des genannten Privat- und Familienlebens besonders zu berücksichtigen sind, auf die daher im Folgenden einzugehen ist:

 

Eine Rückkehrentscheidung stellt gegenständlich keinen Eingriff in das Familienleben der Beschwerdeführer dar, da die aufenthaltsbeendende Maßnahme die gesamte Kernfamilie betrifft und daher von keiner Trennung der einzelnen Familienmitglieder auszugehen ist. Den Feststellungen nach leben im Inland zwar noch eine Tante, ein Onkel, Cousins und Cousinen des Erstbeschwerdeführers. Da diese nicht zusammenwohnen, ist ein Familienleben nur mit dem Onkel denkbar, und zwar insofern, als dieser die Familie finanziell unterstützt. Selbst wenn damit ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis und dadurch ein Familienleben entstanden wäre, würde dieses nicht zwingend aufrechterhalten werden müssen, weil der Erstbeschwerdeführer arbeitsfähig und erklärtermaßen auch arbeitswillig ist, sodass die Abhängigkeit spätestens im Rückkehrfall obsolet wird. Daher wäre das - allfällige - Familienleben mit dem Onkel nicht derart gravierend, dass es eine Rückkehrentscheidung hinderte. Der Kontakt zu diesem und zu dessen Angehörigen ist den Beschwerdeführern sowohl durch gegenseitige Besuche als auch auf elektronischem Wege möglich.

 

Zur Frage des Privatlebens ist zunächst die Dauer des bisherigen Aufenthalts und dessen (Un‑)Rechtmäßigkeit zu prüfen: Der Erstbeschwerdeführer hält sich seit über sieben Jahren im Inland auf, und zwar ursprünglich rechtmäßig, da er angab, ein Studium betreiben zu wollen, doch seit 15.12.2016 ist sein Aufenthalt rechtswidrig. Seinen Aufenthaltstitel für Studierende hat er nicht zum vorgesehenen Zweck genutzt, an der Universität selbst hat er keine Prüfung abgelegt.

 

Angesichts dessen, dass der Erstbeschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt erfolgreich sein Studium betrieb, konnte er auch nicht mit einem dauerhaften Verbleib in Österreich rechnen. Sein Aufenthalt war demnach unsicher, wenngleich überwiegend nicht rechtswidrig. Erschwerend kommt aber hinzu, dass er das Bundesgebiet trotz der explizit mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.07.2018 ausgesprochener Ausreiseverpflichtung nicht verlassen hatte.

 

Der Aufenthalt der Zweitbeschwerdeführerin und des Fünftbeschwerdeführers währt seit fünf Jahren, Dritt- und Viertbeschwerdeführerin wurden vor gut dreieinhalb Jahren geboren. Ihre Aufenthaltsgenehmigungen endeten mit 20.04.2017, sodass ihr Aufenthalt seither ebenfalls rechtswidrig ist. Die Familie durfte im Lichte des fehlenden Studienerfolgs des Erstbeschwerdeführers nicht mit einem dauerhaften Verbleib in Österreich rechnen. Die Zweitbeschwerdeführerin versuchte zudem, sich der Abschiebung zu entziehen, indem sie sich in einer anderen Wohnung versteckte.

 

Die Beschwerdeführer führen aber ohne Zweifel ein Privatleben im Bundesgebiet, an dessen Aufrechterhaltung sie Interesse haben, seien es die verschiedenen Sozialkontakte, seien es die Bildungseinrichtungen, welche von den Kindern besucht werden.

 

Wie bereits sowohl in den vorangegangenen Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.07.2018 wie auch in den angefochtenen Bescheiden vom 14.12.2018 festgestellt wurde, vermögen aber auch diese Aspekte nicht zu einem Überwiegen des privaten Interesses an einem Verbleib im Bundesgebiet zu führen.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH, 13.11.2018, Ra 2018/21/0196; VwGH, 21.03.2018, Ra 2017/18/0333 bis 0335) sind im Rahmen der Abwägung gemäß § 9 BFA-VG bei einer Rückkehrentscheidung, von der Kinder bzw. Minderjährige betroffen sind, "die besten Interessen und das Wohlergehen dieser Kinder", insbesondere das Maß an Schwierigkeiten, denen sie im Heimatstaat begegnen, sowie die sozialen, kulturellen und familiären Bindungen sowohl zum Aufenthaltsstaat als auch zum Heimatstaat zu berücksichtigen. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei den Fragen zu, wo die Kinder geboren wurden, in welchem Land und in welchem kulturellen und sprachlichen Umfeld sie gelebt haben, wo sie ihre Schulbildung absolviert haben, ob sie die Sprache des Heimatstaats sprechen, und insbesondere, ob sie sich in einem anpassungsfähigen Alter befinden (vgl. unter Bezugnahme auf Judikatur des EGMR etwa VwGH 30.8.2017, Ra 2017/18/0070 bis 0072, Rn. 28, und daran anschließend VwGH 21.3.2018, Ra 2017/18/0333 bis 0335, Rn. 13).

 

Im gegenständlichen Fall wurde vom BFA zu Recht darauf hingewiesen, dass sich die Drittbeschwerdeführerin, die Viertbeschwerdeführerin und der Fünftbeschwerdeführer in einem anpassungsfähigen Alter befinden und ihnen mit ihren Eltern eine Eingliederung in die ägyptische Gesellschaft möglich ist. Dabei wurde auch berücksichtigt, dass sie hier die Schule bzw. den Kindergarten besuchen. Sie sprechen Arabisch, so dass ihnen auch in Ägypten der Besuch von Bildungseinrichtungen möglich ist und verfügen sie dort über einen großen Verwandtenkreis, was den Anfang erleichtern sollte.

 

Das vom BFA erzielte Ergebnis, die gemeinsame Ausreise der Kinder mit den Eltern stelle keine unverhältnismäßige Härte dar, ist vor allem angesichts ihres anpassungsfähigen Alters - die in Österreich geborenen Kinder besuchten im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide erst den Kindergarten und der älteste Sohn verbrachte die ersten Lebensjahre in Ägypten und ist mittlerweile nicht so lange in Österreich sozialisiert, dass für ihn eine Rückkehr unzumutbar erscheinen musste - nicht als unvertretbar anzusehen.

 

Die Beschwerdeführer weisen insgesamt gute Deutschkenntnisse auf, der Erstbeschwerdeführer legte auch eine Einstellungszusage vor. Eine Integration am Arbeitsmarkt ist aktuell aber nicht gegeben.

 

Im gegenständlichen Fall ist aber insbesondere zu Ungunsten der Beschwerdeführer zu berücksichtigen, dass sie bereits im Jänner bzw. April 2017 Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gestellt hatten, dass diese Anträge aber mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.07.2018 abgewiesen wurden und die gegen die Beschwerdeführer ausgesprochenen Rückkehrentscheidungen rechtskräftig wurden; dennoch kamen die Beschwerdeführer ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nach, sondern verblieben im Bundesgebiet, versuchten sich ihrer Abschiebung zu entziehen und stellten erst angesichts der drohenden Abschiebung, Jahre nach der Ankunft im Bundesgebiet, Anträge auf internationalen Schutz. Alle Beschwerdeführer haben zudem ihre Aufenthaltsdauer widerrechtlich bis dato verlängert, indem sie ohne Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet verblieben sind.

 

Wie festgestellt, weisen die Beschwerdeführer intensive Bindungen zu ihren jeweiligen Angehörigen im Herkunftsstaat auf, mit denen sie auch regelmäßig kommunizieren. Erstbeschwerdeführer und Zweitbeschwerdeführerin sind in Ägypten aufgewachsen und haben dort den Großteil ihres Lebens verbracht, sie sind daher mit dessen Sprache und Kultur vertraut. Besondere Vulnerabilitäten, etwa in Form einer Erkrankung, bzw. besondere Rückkehrhindernisse liegen nicht vor.

 

Dem BFA ist im Ergebnis nicht entgegenzutreten, dass der Eingriff in die Interessen der Beschwerdeführer verhältnismäßig ist. Es würde eine Benachteiligung jener Fremden gleichkommen, die die Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen in Österreich beachten, wenn sich etwa der Erstbeschwerdeführer erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen könnte, obwohl er seinen Aufenthalt lediglich durch seinen behaupteten, aber nicht verwirklichten Studienwunsch erlangt hat und dann nach Ablauf seiner Aufenthaltsbewilligung fortsetzte. In letzter Konsequenz würde ein solches Verhalten zu einer unsachlichen und damit verfassungswidrigen Differenzierung der Fremden untereinander führen.

 

Ihren Interessen an einem Verbleib in Österreich stehen öffentliche Interessen gegenüber. Da ihre Gründe des Privat- oder Familienlebens keine gewichtigen sind, überwiegt das öffentliche Interesse am Vollzug des geltenden Migrationsrechts. Im Übrigen kam das Bundesverwaltungsgericht bereits in seinen Erkenntnissen vom 06.07.2018 zum Ergebnis, dass eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf die Beschwerdeführer verhältnismäßig ist. Eine Änderung des Sachverhalts in den seither vergangenen sechs Monaten wurde nicht vorgebracht.

 

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden und waren die Beschwerden gegen die Spruchpunkte IV. der angefochtenen Bescheide abzuweisen.

 

3.5. Zur Zulässigkeit der Abschiebungen (Spruchpunkte V. der angefochtenen Bescheide):

 

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dies wäre aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich.

 

Die Abschiebung in einen Staat ist nach § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention verletzt würden, oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

 

Wie bereits unter Punkt 3.2. dieses Erkenntnisses und vom BFA in den angefochtenen Bescheiden ausgeführt, bedeutet eine Rückkehr der Beschwerdeführer nach Ägypten keine Gefährdung im Sinne der Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention. Stichhaltige Gründe für die Annahme, dass in Ägypten das Leben der Beschwerdeführer oder ihre Freiheit aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wären, sind im Verfahren nicht hervorgekommen, auch nicht wie behauptet wegen der christlichen Religion der Beschwerdeführer. Dies deckt sich im Übrigen auch mit dem Ergebnis der Prüfung der Zulässigkeit der Abschiebungen in den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.07.2018; eine Änderung des Sachverhalts in den seither vergangenen sechs Monaten wurde nicht vorgebracht.

 

Aufgrund dessen sind auch die Beschwerden gegen die Spruchpunkte V. der angefochtenen Bescheide abzuweisen.

 

3.6. Zur Ausreisefrist (Spruchpunkte VI. der angefochtenen Bescheide):

 

Das BFA hat die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer jeweils mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgestellt, wobei es sich auf § 55 Abs. 1 bis 3 FPG bezog. Dieser Bestimmung - konkret Abs. 2 - ist zu entnehmen, dass die Frist grundsätzlich 14 Tage beträgt, soweit nicht ausnahmsweise besondere Umstände eine längere Frist gebieten (Abs. 2 f) oder nach Abs. 1a keine solche besteht. Da keiner der Ausnahmefälle behauptet wurde oder vorlag, hat das BFA die Frist korrekt festgestellt, womit die Beschwerden auch für diesen Spruchpunkt abzuweisen waren.

 

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Frage der Rückkehrentscheidung betreffend Drittstaatsangehörige nach Ende des Aufenthaltstitels, auch nicht mit Inlandsanknüpfungen im Privat- oder Familienleben.

 

Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Zum Unterbleiben einer Verhandlung:

 

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

 

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung relevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. (Vgl. VwGH 28.06.2018, Ra 2018/19/0271 mwH)

 

Außerdem muss die Verwaltungsbehörde ihre die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Gericht diese tragenden Erwägungen in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

 

Die genannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist - aufgrund des Umstandes, dass die Entscheidung rund drei Wochen nach Einbringung der Beschwerden ergeht - die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung der belangten Behörde hat sich das Gericht zur Gänze angeschlossen. Wie das BFA zu Recht aufgezeigt hat, ist das vage Vorbringen der Beschwerdeführer, welchem keine konkrete Verfolgung zu entnehmen war, nicht geeignet, einen Anspruch auf internationalen Schutz zu begründen. Der Sachverhalt als solcher blieb unbestritten, machten die Beschwerdeführer doch eben gerade keine persönliche Verfolgung ihrer Person geltend, sondern verwiesen sie nur auf die allgemeine Sicherheitslage in Ägypten und die Diskriminierung der Kopten, welche auch den angefochtenen Bescheiden und dem gegenständlichen Erkenntnis zugrunde gelegt wurde. Gegen ein Schutzbedürfnis spricht im Übrigen, wie vom BFA aufgezeigt, der Zeitpunkt der Antragstellung.

 

Zwar kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen der mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zu (VwGH 23.03.2017, 2016/21/0349), und das auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände. Daraus ist aber keine "absolute" (generelle) Pflicht zur Durchführung einer Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, bei denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen positiven persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte mündliche Verhandlung unterbleiben (VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0422).

 

Das Gericht musste sich keinen persönlichen Eindruck von den Beschwerdeführern verschaffen, da es sich um einen solchen eindeutigen Fall in dem Sinne handelt, dass auch bei Berücksichtigung aller zugunsten der Fremden sprechenden Fakten für sie kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn der persönliche Eindruck ein positiver ist.

 

Angesichts des fast völligen Fehlens familiärer Anknüpfungspunkte der Beschwerdeführer im Inland außerhalb der Kernfamilie kann bei den unstrittigen Aufenthaltsdauern und dem zuletzt unrechtmäßigen Aufenthalt kein anderes Ergebnis im Beschwerdeverfahren erzielt werden. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen, dass die Anträge der Beschwerdeführer auf Erteilung von Aufenthaltstiteln nach Art. 8 EMRK mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.07.2018 abgewiesen wurden und für den Zeitraum der seither vergangenen sechs Monate keine Änderung des Sachverhaltes behauptet wurde.

 

Die Abhaltung einer Verhandlung konnte demnach unterbleiben.

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