B-VG Art.133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:G314.2156025.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, deutscher Staatsangehöriger, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 05.04.2017, Zahl XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF) wurde am XXXX.2015 in XXXX für einige Stunden festgenommen. Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX, XXXX, wurde er wegen mehrerer Vergehen zu einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt.
Mit Schreiben vom 09.12.2016 wurde der BF aufgefordert, sich zur beabsichtigen Erlassung eines Aufenthaltsverbots wegen dieser Verurteilung zu äußern. Er gab eine mit 22.12.2016 datierte Stellungnahme ab.
Mit dem oben angeführten Bescheid wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein dreijähriges Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), ihm gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde dagegen die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt III.). Das Aufenthaltsverbot wurde im Wesentlichen mit der strafgerichtlichen Verurteilung und mit dem Fehlen familiärer und sonstiger Bindungen des BF zu Österreich begründet. Von ihm gehe eine tatsächliche, erhebliche und gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus, zumal er vier einschlägige Vorverurteilungen in Deutschland aufweise und die letzte Straftat innerhalb offener Probezeit begangen habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde mit den Anträgen, den angefochtenen Bescheid - allenfalls nach Verfahrensergänzung - zu beheben, das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht des BF anzuerkennen, dies allenfalls unter der Auflage, sich - eventuell unter Beiziehung des Arbeitgebers - Schulungen zur Gewaltprävention zu unterziehen oder sich in eine andere psychologisch/psychotherapeutische Behandlung zu begeben, sowie den Durchsetzungsaufschub zu widerrufen, eine Beschwerdeverhandlung durchzuführen, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, in eventu, den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Sache an das BFA zurückzuverweisen. Der BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass die Behörde ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt und sich nicht mit seinen Bemühungen um ein rechtschaffenes Fortkommen in Österreich auseinandergesetzt habe. Er bereue seine Straftaten, die seinem jugendlichen Leichtsinn zuzuschreiben seien. Er sei bereit, an Schulungen zur Gewaltprävention teilzunehmen oder psychologische/psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Er habe eine Vollzeitbeschäftigung bei einem renommierten österreichischen Unternehmen in Aussicht und könne daher seinen Lebensunterhalt bestreiten, ohne dem Staat zur Last zu fallen. Ein Mitarbeiter seines Arbeitgebers stehe ihm unterstützend zur Seite. Von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sei keinesfalls mehr auszugehen. Seine gerade eingegangene Beziehung sorge für eine weitere Stabilisierung. Der BF habe ein schützenswertes Privat- und Familienleben in Österreich.
Das BFA legte die Beschwerde und die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 08.05.2017 einlangten.
Bei der Beschwerdeverhandlung am 19.06.2017 wurde der BF vernommen.
Feststellungen:
Der inzwischen fast XXXX-jährige BF wuchs in Deutschland auf; seine Muttersprache ist Deutsch. Er absolvierte in XXXX die Volks- und Hauptschule und machte anschließend zwischen XXXX 2011 und XXXX 2012 eine XXXXlehre in XXXX. Nach der Insolvenz seines österreichischen Arbeitgebers beendete er seine Lehrzeit in Deutschland und legte erfolgreich die Gesellenprüfung ab.
Der BF ist ledig und hat weder Kinder noch andere Sorgepflichten. Seit kurzem hat er eine Beziehung zu einer deutschen Staatsangehörigen.
Bis XXXX 2017 lebte der BF gemeinsam mit seiner Mutter XXXX in deren Mietwohnung in XXXX, wo er über ein eigenes Zimmer verfügte. Seither ist sein Hauptwohnsitz in XXXX gemeldet. Sein Unterkunftgeber XXXX ist (wie er) bei der XXXX beschäftigt.
Der BF ist mehrfach vorbestraft. Seit 2009 wurde er in Deutschland vier Mal wegen Eigentums- und Gewaltdelikten strafgerichtlich verurteilt. Am XXXX wurde er wegen 35-facher räuberischer Erpressung, Falschaussage und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte (Datum der letzten Tathandlung: XXXX.2009) zu einer auf Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Trotz der Anordnung von Bewährungshilfe wurde er bereits am XXXX.2010 erneut straffällig, indem er einem anderen durch einen Faustschlag einen zweifachen Unterkieferbruch zufügte. Er wurde deshalb mit Urteil vom XXXX wegen vorsätzlicher Körperverletzung (unter Einbeziehung der vorangegangenen Verurteilung) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollzug nachträglich auf Bewährung ausgesetzt wurde. Da er am XXXX.2012 zwei Personen nach einem Discobesuch durch Faustschläge und Fußtritte gegen Kopf und Körper verletzte, wurde er wegen vorsätzlicher Körperverletzung mit Urteil vom XXXX unter Einbeziehung der vorangegangenen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, die im Rechtsmittelweg auf zwei Jahren und zehn Monaten herabgesetzt wurde. Wegen einer weiteren, schon wenige Tage nach dieser Verurteilung am XXXX.2012 begangenen schweren Körperverletzung mit der Folge einer dauernden erheblichen Entstellung oder Behinderung wurde er mit Urteil vom XXXX unter Einbeziehung der Vorentscheidungen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Er hatte einen anderen vor einem Nachtlokal grundlos angerempelt, ihm eine brennende Zigarette ins Auge geschnippt und ihm Ohrfeigen und Faustschläge versetzt. Der BF wurde am XXXX.2012 festgenommen und zunächst in Untersuchungs- und anschließend in Strafhaft angehalten. Am XXXX.2014 wurde er unter Bestimmung einer Probezeit bis XXXX.2017 bedingt entlassen.
Nach seiner Enthaftung war der BF in Deutschland 2015 bei einem XXXXunternehmen und 2016 für ein paar Monate bei einem XXXXunternehmen erwerbstätig.
Zuletzt wurde der BF mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX, XXXX, zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Dieser Verurteilung liegt zugrunde, dass der BF und ein weiterer Täter in den Morgenstunden des XXXX.2015 in XXXX eine Auseinandersetzung mit drei Männern hatten, bei der der BF einen seiner Kontrahenten gegen das Geländer der XXXXbrücke drückte und androhte, ihn von der mehr als fünf Meter hohen Brücke in die XXXX zu werfen. Einem anderen schlug er zwei Mal mit der Faust ins Gesicht und verletzte ihn im Bereich des linken Unterkiefers. Als ein Polizeibeamter versuchte, den BF von weiteren Angriffen abzuhalten und ihn festzunehmen, hinderten der BF und sein Mittäter ihn daran mit Gewalt. Der Mittäter des BF fixierte den Beamten, während der BF ihn mit einer Hand würgte und an den Armen erfasste und ihm in weiterer Folge Schläge gegen dessen in Abwehrhaltung erhobene Hände versetzte, wodurch der Beamte multiple Prellungen und Hämatome erlitt.
Der BF hat dadurch die Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB, der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (idF vor BGBl I 2015/112), der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 2, 84 Abs 2 StGB sowie des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 erster Fall StGB begangen und wurde - ausgehend von einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe - rechtskräftig zu einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Einer Berufung des BF wurde nicht Folge gegeben. Es handelt sich um seine erste strafgerichtliche Verurteilung in Österreich. Bei der Strafzumessung wurden das Teilgeständnis des BF und die vollständige Schadensgutmachung gegenüber dem verletzten Polizisten als mildernd berücksichtigt. Erschwerend wirkten sich die vier einschlägigen Vorverurteilungen, die Tatbegehung während laufender Probezeit zu einer bedingten Entlassung und das Zusammentreffen mehrerer Vergehen aus.
Der Vollzug der Freiheitsstrafe wurde mit Beschluss des Landesgerichts XXXX vom XXXX, XXXX, über Antrag des BF aus beruflichen Gründen bis einschließlich XXXX.2017 aufgeschoben. Der BF beantragte den Vollzug der Strafe im elektronisch überwachten Hausarrest. Er hat vor, während des elektronisch überwachten Hausarrests in XXXX in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Partnerin zu leben und weiterhin seiner schon bisher ausgeübten Arbeit nachzugehen.
Aufgrund der neuerlichen Verurteilung des BF wurde die Probezeit nach der bedingten Entlassung in Deutschland bis XXXX 2018 verlängert.
Bei seinen Straftaten stand der BF meist unter Alkoholeinfluss.
Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Seit XXXX.2017 ist er bei der XXXX in XXXX erwerbstätig, wobei er zunächst geringfügig beschäftigt war und seit XXXX.2017 einer Vollzeitbeschäftigung als XXXX mit einem monatlichen Nettoeinkommen von ca. EUR 1.750 nachgeht. Er hat weder Schulden noch Vermögen. Er hat keine familiären Bindungen zu Österreich.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG. Entscheidungswesentliche Widersprüche bestehen nicht.
Die Feststellungen zur Identität des BF und zu seinen persönlichen und finanziellen Verhältnissen beruhen auf seinen Angaben gegenüber dem BFA und bei der Beschwerdeverhandlung sowie auf den entsprechenden Feststellungen im Strafurteil. Bei er Beschwerdeverhandlung wies er sich mit seinem deutschen Reisepass aus.
Die Deutschkenntnisse des BF ergeben sich aus seiner Herkunft und Ausbildung in Deutschland und konnten bei seinen Einvernahmen überprüft werden.
Aus dem Zentralen Melderegister ergibt sich, dass der Hauptwohnsitz des BF seit XXXX.2017 in XXXX gemeldet ist. Sein Unterkunftgeber ist XXXX, der laut Beschwerdevorbringen bei der XXXX tätig ist und den BF dort unterstützt.
Die Feststellungen zur Beschäftigung des BF bei der XXXX basieren auf den Angaben des BF in der Beschwerdeverhandlung, die durch den vorgelegten Arbeitsvertrag und den Versicherungsdatenauszug untermauert werden. Auch den plausiblen und schlüssigen Angaben des BF zu seiner Ausbildung und Erwerbstätigkeit in Deutschland kann bedenkenlos gefolgt werden.
Die Feststellungen zur Arbeitsfähigkeit und zum Gesundheitszustand des BF beruhen darauf, dass er aktuell einer Erwerbstätigkeit nachgeht und die Frage nach allfälligen Erkrankungen ausdrücklich verneinte. Es liegen keine Hinweise auf gesundheitliche Probleme des BF vor.
Die Feststellungen zu den Vorstrafen des BF und zu seiner bedingten Entlassung im XXXX 2014 beruhen auf dem ECRIS-Auszug. Die Konstatierungen im Strafurteil und die Angaben des BF dazu stehen damit im Einklang.
Die Feststellungen zu den vom BF begangenen Straftaten, zu seiner letzten Verurteilung und zu den Erschwerungs- und Milderungsgründen basieren ebenfalls auf dem Strafurteil. Aus dem Urteil des Oberlandesgerichtes XXXX vom XXXX, XXXX, ergibt sich, dass der Berufung dagegen keine Folge gegeben wurde. Die Rechtskraft der Verurteilung wird durch den entsprechenden Eintrag im Strafregister belegt, in dem keine weiteren Verurteilungen aufscheinen. Der Umstand, dass der Strafvollzug bis XXXX.2017 aufgeschoben wurde, ergibt sich aus dem Beschluss des Landesgerichts XXXX vom XXXX,
XXXX.
Die Feststellung, dass die Probezeit in Deutschland verlängert wurde und dass der BF bei seinen Straftaten unter Alkoholeinfluss stand, beruht auf seinen Angaben in der Beschwerdeverhandlung.
Dass der BF keine familiären Bindungen zu Österreich hat, lässt sich daraus schließen, dass er nie etwas in diese Richtung vorgebracht hat und bei der Beschwerdeverhandlung angab, er sei aus beruflichen Gründen nach Österreich gekommen. Es sind auch sonst keine dahingehenden Anhaltspunkte hervorgekommen. Abgesehen von XXXX sind keine Bezugspersonen des BF in Österreich aktenkundig.
Rechtliche Beurteilung:
Als Staatsangehöriger von Deutschland ist der BF EWR-Bürger iSd § 2 Abs 4 Z 8 FPG.
Gemäß § 67 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen EWR-Bürger, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Gemäß § 67 Abs 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Wenn der EWR-Bürger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt (so etwa, wenn er zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt wurde), kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs 3 FPG auch unbefristet erlassen werden.
Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 67 Abs 4 FPG auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auch auf die privaten und familiären Verhältnisse (VwGH Ra 2016/21/0075).
Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu erstellen, bei der das Gesamtverhalten des Betroffenen in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 19.02.2014, 2013/22/0309).
Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art 8 Abs 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Gemäß § 9 BFA-VG ist (ua) die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 FPG, durch das in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:
Aufgrund des kurzen Aufenthalts des BF in Österreich ist der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 zweiter Satz FPG ("tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt") anzuwenden.
Die Verurteilung des BF, die Anlass für das nunmehr bekämpfte Aufenthaltsverbot war, beruht auf mehreren Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit. Aufgrund seines einschlägig belasteten Vorlebens, der Ergebnislosigkeit der bisherigen strafrechtlichen Sanktionen und des raschen Rückfalls nach einer bedingten Entlassung ist auf eine hohe kriminelle Energie des BF zu schließen, die sich auch im beträchtlichen Aggressionsniveau seiner Taten zeigt. Der BF hat die zuletzt über ihn verhängte Strafe noch nicht verbüßt. Seiner in der Beschwerde bekundeten Reue kommt keine entscheidende Bedeutung zu, zumal der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (siehe VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233).
Das gegen den BF erlassene Aufenthaltsverbot ist zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer dringend geboten, zumal seit der letzten Straftat erst wenig Zeit vergangen ist und dem BF - insbesondere aufgrund seines getrübten Vorlebens und der Wirkungslosigkeit des bereits verspürten Haftübels - trotz einer aktuell offenbar stabilen sozialen und beruflichen Situation derzeit keine positive Zukunftsprognose attestiert werden kann.
Aufgrund der mehrfachen Gewaltdelikte und des Umstands, dass alle bisherigen Sanktionen den BF nicht von der Begehung weiterer Straftaten abhielten, ist unter Bedachtnahme auf Art und Schwere der Delikte, auf das Persönlichkeitsbild, das sich daraus ergibt, und das Gesamtverhalten des BF die für die Erlassung des Aufenthaltsverbots erforderliche aktuelle Gefährdung von öffentlichen Interessen in maßgeblicher Intensität zu bejahen. Der Beschwerdeargumentation ist in diesem Zusammenhang zu entgegnen, dass der BF auch in Deutschland (oder in anderen Staaten außer Österreich) einer Beschäftigung nachgehen und dort psychologische oder psychotherapeutische Behandlungen oder Schulungen zur Gewaltprävention absolvieren kann.
Die wiederholte Delinquenz des BF, der offenbar insbesondere unter Alkoholeinfluss zu äußerst aggressivem Verhalten neigt, zeigt, dass von ihm auch zukünftig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit iSd § 67 Abs 1 FPG ausgehen wird, zumal ihn nicht einmal der Vollzug einer längeren Freiheitsstrafe davon abzuhalten vermochte, erneut straffällig zu werden. Er wird seinen Gesinnungswandel erst durch einen längeren Wohlverhaltenszeitraum nach dem Strafvollzug unter Beweis stellen müssen.
Weitere Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist, dass ein damit verbundener Eingriff in das Familien- und Privatleben des BF verhältnismäßig sein muss. Auch diese Voraussetzung ist hier erfüllt, zumal sich sein Lebensmittelpunkt bis XXXX 2017 in Deutschland befand und er seinen Wohnsitz in XXXX zu einer Zeit begründete, als er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war. Der BF hat zwar keine familiären Bindungen in Österreich, aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit hier und seiner Sozialkontakte zu seinen Arbeitskollegen liegt aber ein schützenswertes Privatleben vor, zumal er vorhat, hier mit seiner Partnerin zusammenzuleben, um seine Strafe im elektronisch überwachten Hausarrest zu verbüßen. Die für seine Integration wesentliche soziale Komponente wird aber dadurch beeinträchtigt, dass er in Österreich - wie schon zuvor in seinem Herkunftsstaat - Aggressionsdelikte beging. Da der BF den weitaus überwiegenden Teil seines Lebens in seinem Herkunftsstaat verbrachte, dort seine Schul- und Berufsausbildung absolvierte, erwerbstätig war und über eine Unterkunft in der Wohnung seiner Mutter verfügt, wo er bis vor kurzem noch wohnte, bestehen nach wie vor sehr starke Bindungen zu seinem Herkunftsstaat. Es wird dem BF möglich sein, auch in Deutschland einer seiner Ausbildung entsprechenden Beschäftigung nachzugehen und für seinen Lebensunterhalt aufzukommen. Bei der Abwägung dieser Umstände überwiegt das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung das persönliche Interesse des BF an einem Verbleib in Österreich, zumal ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen, insbesondere der Gewalt- und Eigentumskriminalität besteht (vgl VwGH 22.02.2017, Ra 2017/19/0043), auch wenn dabei in Erwägung gezogen wird, dass ein Aufenthaltsverbot allenfalls dem Strafvollzug im elektronisch überwachten Hausarrest entgegensteht. Das vom BFA erlassene Aufenthaltsverbot erweist sich somit im Ergebnis dem Grunde nach als zulässig.
Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots von drei Jahren ist angesichts des belasteten Vorlebens des BF, seines raschen Rückfalls, der nunmehrigen Verurteilung zu einer mehrmonatigen Freiheitsstrafe und den vergleichsweise wenig ins Gewicht fallenden privaten Anknüpfungspunkten ebenfalls nicht zu beanstanden, zumal beim BF die Voraussetzungen für ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot erfüllt sind. Während dieser vom BFA maßvoll bemessenen Dauer des Aufenthaltsverbots wird es dem BF möglich sein, seine Lebenssituation nachhaltig zu stabilisieren und seinen Gesinnungswandel durch die Vermeidung eines Rückfalls zu untermauern.
Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist. Da beim BF angesichts der mehrfachen Verurteilung wegen Gewaltdelikten und seines belasteten Vorlebens eine hohe Wiederholungsgefahr besteht, ist dem BFA darin beizupflichten, dass seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Weder die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes gemäß § 70 Abs 3 FPG noch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG ist somit zu beanstanden, sodass die Beschwerde auch in Bezug auf die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheids unbegründet ist.
Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und die Bemessung der Dauer eines Einreise- oder Aufenthaltsverbots sind im Allgemeinen nicht revisibel (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284). Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil sich das BVwG an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.
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