BFG RV/7104316/2020

BFGRV/7104316/20204.8.2021

Aufgrund der großen Entfernung außergewöhnlich hohe Aufwendungen für die Abholung und das Zurückbringen des Kindes, um das Kontaktrecht auszuüben.

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2021:RV.7104316.2020

 

Beachte:
Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2021/13/0018.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterRi in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 27. Juli 2020 gegen den Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom 17. Juli 2020 zu Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28. Juli 2021 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO abgeändert. Die Einkommensteuer für das Jahr 2019 wird mit -1.569,00 € festgesetzt. Die Bemessungsgrundlagen hierfür sind dem beigefügten Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf.) machte in seiner Einkommensteuererklärung (Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2019 u.a. berufliche Fahrtkosten iHv 234,36 € und Tagesdiäten iHv 205,15 € als Werbungskosten sowie außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 37,00 € (eigene Krankheitskosten) und in Höhe von 6.500,00 € für das imSommer2011 geborene Kind (NameKind) ohne Behinderung geltend.

Das Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart richtete an den Bf. ein mit 17. Juni 2020 datiertes Ergänzungsersuchen (Ergänzungsvorhalt) u.a. betreffend die außergewöhnlichen Belastungen.

Der Bf. beantwortete das Ergänzungsersuchen zunächst mit Schreiben vom 8.7.2020, worin u.a. ausgeführt wurde, dass die außergewöhnlichen Belastungen betreffend eigene Krankheitskosten (Krankenversicherungsanstalt) 18,92 € betragen würden, wozu entsprechende Behandlungsbeitrag-Rechnungen der Krankenversicherungsanstalt beigelegt wurden. Zu den beruflichen Reisekosten wurde ausgeführt, dass der diesbezügliche Arbeitgeber (FaArbeitgeber2) die Reisekosten nicht ersetze. In einer der Beilagen wurden die beruflichen Fahrtkosten mit 281,40 € km-Geld für 670 km angegeben.

Weiters übermittelte der Bf. am 16.7.2020 zwei Seiten der Übersetzung eines tschechischen Urteiles betreffend das Kind NameKind in die deutsche Sprache und brachte vor, dass er laut dessen Punkt II seinen Sohn NameKind bei der Mutter abzuholen und zur Mutter zurückzubringen habe. Er wohne in Ort1inÖ und sein Sohn lebe in Ort2inTschechien (Tschechien). Die Distanz lt. google Map sei ca. 140 km. Jeden zweiten Freitag - inzwischen habe sich der Bf. mit der Kindesmutter auf Freitag statt Samstag geeinigt - fahre der Bf. um 12:00 Uhr nach Ort2inTschechien und fahre dann mit seinem Sohn nach Ort1inÖ, damit er auch Kontakt mit seinen Großeltern und der restlichen Familie in Österreich habe und auch wegen des Erlernens der deutschen Sprache. Am Sonntag fahre der Bf. wieder nach Ort2inTschechien und anschließend wieder nach Ort1inÖ.

Das Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart erließ an den Bf. den angefochtenen, mit 17. Juli 2020 datierten Einkommensteuerbescheid 2019, in welchem Werbungskosten iHv 1.111,89 € (darin enthalten berufliche Fahrtkosten iHv 234,36 € und Tagesdiäten iHv 205,15 €) sowie außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 37,00 € berücksichtigt wurden, welche durch einen Selbstbehalt in derselben Höhe neutralisiert wurden. Hinsichtlich außergewöhnliche Belastungen wurde in der Bescheidbegründung ausgeführt: "… Die von Ihnen geltend gemachten Aufwendungen für Fahrtkosten betreffend Abholung Ihres Kindes, sind weder aus tatsächlichen, rechtlichen noch sittlichen Gründen zwangsläufig erwachsen und daher keine außergewöhnliche Belastung in Sinne des Einkommensteuergesetzes. …
Die Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen haben wir nicht berücksichtigt.
Der Grund: Die Aufwendungen sind niedriger als der für Sie gültige Selbstbehalt in Höhe von 5.432,33 Euro."

Gegen diesen Bescheid erhob der Bf. am 27. Juli 2020 auf elektronischem Wege Beschwerde und machte außergewöhnliche Belastungen für ein Kind ohne Behinderung in Höhe von 6.761,68 € geltend. Der Bf. brachte vor: "Im Einkommensteuerbescheid 2019 vom 17.7.2020 wurden mir die Aufwendungen für Fahrtkosten betreffend der Abholung meines Kindes nicht anerkannt. Begründet wurde das damit, dass es keine tatsächlichen, rechtlichen noch sittliche Gründe zwangsläufig gibt, die Kosten anzuerkennen. Aus dem Urteil der tschechischen Republik, welches dem Finanzamt vor liegt, vom 16.2.2014 geht hervor, dass ich die Zeit an geraden Wochenende + seinen jeden 2. Geburtstag sowie jeweils vom 25.12-26.12 mit meinem Kind verbringen darf. Weiters wird angeführt, dass ich meinen Sohn abzuholen habe und wieder zurück zu bringen habe. Es steht ausser Frage, dass es sowohl sittlich wie auch rechtlich für das Wohl des Kindes zu seinem Besten ist wenn es Kontakt zu seinem Vater hat noch dazu wenn die Entfernung so groß ist und die Kosten fürs Hin und Herfahren nicht von beiden Elternteilen geteilt werden müssen.
Ich habe dem Finanzamt mein Fahrtenbuch vorgelegt aus dem die Fahrten für denArbeitgeber2 ersichtlich sind. In diesem Fahrtenbuch ist auch eine Spalte in der die Fahrten von und zu meinem Kind angeführt sind. Allerdings ist diese Spalte nicht als solche gekennzeichnet, da mir nicht von Anfang an klar war, dass das FA auch diese Daten von mir haben wollte und auch keine weiteren Daten (Einträge im Fahrtenbuch) von mir gefordert hat.
Eine Fahrtstrecke beträgt ca 150 km von Ort1inÖ nach Ort2inTschechien (in Tschechien). Diese Strecke fahre ich zumindest jedes 2. Wochenende 4 Mal. Von Ort1inÖ nach Tschechien (allerdings meist schon am Freitag), mit meinem Kind wieder nach Ort1inÖ wo wir das Wochenende verbringen um am Sonntag wieder mein Kind zurück zu bringen.
Kosten von, im Durchschnitt ca € 6.500 sind 600 km pro Fahrt mal ca 27 Wochen mal 0,42 € amtliches Kilometergeld.
Tatsächlich gefahren bin ich im Jahr 2019 16.099 km. Das entspricht einem KMGeld von € 6.761,58.
Diese Kosten sind mehr als durchschnittlich, sie sind zwangsläufig aus dem Urteil der Tschechischen Republik entstanden und reduzieren erheblich meine wirtschaftliche Situation."

Das Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart erließ hierzu eine abweisende, mit 5. Oktober 2020 datierte Beschwerdevorentscheidung mit folgender Begründung: "Aufwendungen für Besuchsfahrten zu den Kindern bei getrennt lebenden Partnern stellen keine außergewöhnlichen Belastungen dar. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen: Zwangsläufigkeit (laut Urteil vom 28.1.14 sind Sie berechtigt ihr Kind abzuholen und zurückzubringen), Außergewöhnlichkeit (es ist nicht außergewöhnlich, dass ein Vater sein Kind besucht) und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit muss wesentlich beeinträchtigt sein. Da nicht alle Voraussetzungen erfüllt sind, können die Kosten nicht berücksichtigt werden."

Hierzu brachte der Bf. am 6. Oktober 2020 auf elektronischem Wege über FinanzOnline einen Vorlageantrag (Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht) ein, beantragte eine mündliche Verhandlung und brachte vor: "In der Beschwerdevorentscheidung ist nur minimal auf meine Begründung in der Beschwerde eingegangen worden.
Weiters verkennt die Beschwerdevorentscheidungserlassende Behörde den Hintergrund und die Zusammenhänge.
Es wird von einem Besuchrecht ausgegangen. Entsprechend der meisten Urteile für aussergewöhnliche Belastungen für Besuche wird von einen gelegentlichen Besuch ausgegangen und nicht der regelmäßigen Erziehungsaufgaben für ein minderjähriges Kind. Für meinen Sohn NameKind haben seine Mutter und ich gemeinsame Obsorge. (Entsprechend geltendem tschechischen Recht).
Obsorgerecht hat eine andere Dringlichkeit und Notwendigkeit als lediglich ein Besuchsrecht. Es geht um die Erziehung und Entscheidungen für unser Kind.
Gem § 34 Einkommensteuergesetz ist eine Belastung dann aussergewöhnlich, wenn sie
-außergewöhnlich
-zwangsläufig erwachsen
und sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.
Meist teilen sich die Eltern die Kosten für Fahrten zum jeweilig anderen Elternteil. Dies ist bei uns nicht der Fall und ich habe die Kosten alleine zu tragen.
Wie schon aus der Beschwerdevorentscheidung hervorgeht ist die Belastung wohl aussergewöhnlich, da eine gemeinsame Obsorge in Österreich nicht die Regel ist und sich die Behörde auch gar nicht um diesen Umstand gekümmert hat. Aus den daraus erwachsensen Rechten und Pflichten leitet sich die zwangsläufig erwachsene Belastung ab.
Meiner Obsorgepflicht wird seit der Trennung nachgegangen. Belegbar durch das Fahrtenbuch. Auch kann die [Kindesmutter] diesbezüglich befragt werden.
Auch die Höhe der entsprechenden Belastung ist sicher höher als der Großteil jener Eltern die gemeinsame Obsorge haben und auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist, wie in der Berufung angeführt, gegeben.
Das sind Tatsachen die sowohl sittlich notwendig als auch rechtlich erforderlich sind."

Das Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart legte die Beschwerde am 11. November 2020 an das Bundesfinanzgericht (BFG) vor.

Im diesbezüglichen Vorlagebericht brachte das Finanzamt (belangte Behörde) vor, dass die Voraussetzungen für Verpflegungsmehraufwendungen für die Tätigkeit als BrancheAG2 in Ort3inÖ, Ort4inÖ NamenszusatzOrt4inÖ und Ort5inÖsterreich nicht gegeben seien. Die Entfernung für die einfache Wegstrecke zu diesen Orten betrage weniger als 25 Kilometer.
Das Fahrtenbuch weise folgende Mängel auf: Die Monate Mai und Juni seien für das Jahr 2018 übermittelt worden. Am 31. August und 1. Oktober 2019 sei nur eine Kilometeranzahl (jeweils 26 km) ohne sonstige Angaben eingetragen. Am 16. Dezember sei ebenfalls nur eine Kilometeranzahl (28 km) ohne sonstige Angaben eingetragen.
Die belangte Behörde beantragte, nur die Verpflegungsmehraufwendungen für Wien iHv 40,70 € anzuerkennen.
Weiters beantragte die belangte Behörde, die Fahrtkosten iHv 186,48 €, somit ohne die Monate Mai und Juni sowie ohne die vorgenannten Tage anzuerkennen.

Zum ursprünglichen und hauptsächlichen Streitpunkt brachte die belangte Behörde in ihrem Vorlagebericht vor, dass keine Zwangsläufigkeit vorliege, wenn die Aufwendungen eine Folge freiwilligen Verhaltens des Steuerpflichtigen seien. Laut Verwaltungsgerichtshof könnten Aufwendungen, die in Folge einer einvernehmlichen Ehescheidung nach § 55a EheG anfielen, keine außergewöhnliche Belastung sein, weil sie auf ein Verhalten zurückgingen, zu dem sich sowohl der eine als auch der andere Ehepartner aus freien Stücken entschlossen haben (Verweis auf VwGH 18.2.1999, 98/15/0036).
Häufig werde im Zuge einer Ehescheidung für den nicht obsorgeberechtigten Elternteil ein Besuchsrecht vereinbart. Dies sei üblicherweise mit einem erhöhten Aufwand, z.B. zusätzlichen Fahrtkosten, verbunden, der bewusst für das Kindeswohl in Kauf genommen werde. Auch wenn es sich hier laut Vorbringen um eine geteilte Obsorge handele, beschlössen die Eltern freiwillig, sich zu trennen und nicht mehr im gemeinsamen Haushalt zu leben. Daraufhin sei jede Art der Wohnsitzverlegung denkbar und eine logische Folge der Scheidung. Damit seien Aufwendungen für das Besuchen des Kindes bzw. auch das Abholen des Kindes eine Folge der (freiwilligen) Ehescheidung.
Weiters verwies die belangte Behörde auf VwGH 23.2.2010, 2008/15/0104 und zitierte daraus.

Am 1. Jänner 2021 trat das Finanzamt Österreich gemäß § 323b Abs. 1 BAO an die Stelle des bisherigen Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart.

Das Bundesfinanzgericht richtete an den Bf. und das Finanzamt Österreich (nunmehrige belangte Behörde) einen mit 8. April 2021 datierten Vorhalt. Darin wurde der belangten Behörde zu den Fahrtenbuchblättern für Mai und Juni vorgehalten:
"In der Datumsspalte der vom Beschwerdeführer übermittelten Fahrtenbuchblätter für Mai und Juni steht zwar jeweils das Jahr 2018 statt 2019, aber die Kilometerstände schließen ohne Lücke an die Fahrtenbuchblätter für April 2019 und Juli 2019 an. Dies deutet darauf hin, dass es sich trotz der Jahreszahl "2018" bei den übermittelten Fahrtenbuchblättern für Mai und Juni um diejenigen für das Jahr 2019 handelt."

Diesbezüglich wurde der Bf. im Vorhalt gefragt: "Wie ist die Jahreszahl "2018" in der Datumsspalte der übermittelten Fahrtenbuchblätter für Mai und Juni zu erklären? Wenn es für Mai und Juni 2019 andere Fahrtenbuchblätter als die übermittelten Fahrtenbuchblätter gibt, werden Sie um Nachreichung der anderen Fahrtenbuchblätter ersucht."

Zu den Werbungskosten, zu denen das Finanzamt in seinem Vorlagebericht etwas Neues vorbringe, wurde zwecks Nachvollziehung, wie das Finanzamt die Ermittlung des bisherigen Betrages der "Werbungskosten, die der Arbeitgeber nicht berücksichtigen konnte" (1.111,89 €) rechnerisch vorgenommen habe, vorgehalten:

Arbeitsmittel laut Aufstellung

1.078,96 €

abzüglich 40% Privatanteil

-431,58 €

Zwischensaldo

647,38 €

Fachliteratur

25,00 €

Reisekosten laut Aufstellung

234,36 €

Tagesdiäten laut Aufstellung

205,15 €

Summe

1.111,89 €

Die Reisekosten (Fahrtkosten) laut Aufstellung in Höhe von 234,36 € entsprächen 558 km zu 0,42 €. Dem Richter des BFG sei aufgefallen, dass die Summe der beruflichen Kilometer laut Fahrtenbuchblättern hingegen 670 km (=112+28+118+132+80+144+28+28) betrage. Somit sei nach seiner Ansicht von diesen 670 km auszugehen, von denen nach dem Antrag des Finanzamtes allerdings einige Fahrten nicht anzuerkennen wären.

Die Tagesdiäten laut Aufstellung entsprächen der Summe der Stundengelder laut den Fahrtenbuchblättern. Bei der Berechnung der einzelnen Stundengelder (Tagesgelder) sei dem Richter des BFG aber folgendes aufgefallen:

Dem Bf. wurde vorgehalten: "Das Finanzamt bemängelte im Vorlagebericht am Fahrtenbuch, dass für den 31.8.2019 sowie für den 1.10.2019 (auf dem September-Blatt des Fahrtenbuches) sowie für den 16.12.2019 jeweils berufliche Kilometer, aber keine weiteren Angaben (Zielort) eingetragen sind. Das Finanzamt beantragte, die an diesen Tagen eingetragenen Kilometer nicht bei der Ermittlung der als Werbungskosten abzugsfähigen Fahrtkosten anzusetzen." Diesbezüglich wurde der Bf. gefragt, ob er die nach Ansicht des Finanzamtes fehlenden Angaben ergänzen könne, oder sonst diesbezüglich eine Stellungnahme abgeben wolle.

Zu dem Antrag des Finanzamtes im Vorlagebericht, wonach keine Verpflegungsmehraufwendungen (Taggelder, Tagesdiäten) für die Tätigkeiten des Bf. in Ort3inÖ, Ort4inÖ NamenszusatzOrt4inÖ und Ort5inÖsterreich als abzugsfähige Werbungskosten anerkannt werden sollten, wurde der Bf. um eine Stellungnahme ersucht.

Der Bf. wurde im Vorhalt des BFG gefragt, ob er mit der Mutter des gemeinsamen Kindes NameKind, verheiratet sei oder gewesen sei. Wenn er mit ihr verheiratet gewesen sei, wurde er nach Details der Scheidung gefragt. Weiters wurde der Bf. gefragt, wie es gekommen sei, dass das gemeinsame Kind, welches ebenso wie die Kindesmutter laut zentralem Melderegister bis 31.7.2012 beim Bf. in Ort1inÖ (Adresse1) gelebt habe, nunmehr in Ort2inTschechien in der Tschechischen Republik lebe.

Der Bf. wurde um Übermittlung der restlichen Seiten der Übersetzung des tschechischen Urteiles in die deutsche Sprache an das BFG ersucht.

Weiters hielt das BFG vor, dass die wesentliche Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in § 34 Abs. 4 EStG mittels des Überschreitens eines Selbstbehaltes definiert werde, wobei der Selbstbehalt im Falle seines Überschrittenwerdens von der außergewöhnlichen und zwangsläufigen Belastung abzuziehen sei.
Der Selbstbehalt betrage laut der Begründung des angefochtenen Bescheides 5.432,33 €. Anhand der Beträge des angefochtenen Bescheides inkl. Lohnzetteldaten habe der Richter des BFG die Ermittlung dieses Selbstbehaltes folgendermaßen nachvollziehen können:

 

(Vorspalte)

(Hauptspalte)

Einkommen

 

39.388,37 €

Sonstige Bezüge (Kennzahl 220)

6.945,88 €

 

abzügl. SV-Beiträge für Sonst.Bez. (Kz 225)

-1.064,80 €

 

 

5.881,08 €

5.881,08 €

adaptiertes Einkommen für Selbstbehalt

 

45.269,45 €

davon 12%

 

5.432,33 €

Dem Finanzamt wurde mit dem Ersuchen um Stellungnahme vorgehalten, dass nach Ansicht des Richters des BFG diese Ermittlung des Selbstbehaltes unter Anwendung von 12% nicht richtig sei, weil der Bf. (ganzjährig) Anspruch auf den Unterhaltsabsetzbetrag für ein Kind habe und deshalb ein Kind im Sinne des § 106 EStG zu berücksichtigen sei, was gemäß § 34 Abs. 4 EStG die Verminderung des Prozentsatzes von 12% um einen Prozentpunkt auf 11% zur Folge habe. Unter der Voraussetzung, dass das Einkommen vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen sich nicht verändere, wäre der Selbstbehalt daher 4.979,64 € (11% von 45.269,45 €).

Weiters erfolgte eine Vorhaltung iZm den im angefochtenen Bescheid angesetzten außergewöhnliche Belastungen (Krankheitskosten) in Höhe von 37,00 €, welche durch den Selbstbehalt in derselben Höhe neutralisiert worden seien. Ob der Betrag von 37,00 € stimme, sei nicht relevant (gewesen), solange keine weiteren außergewöhnlichen Belastungen anerkannt worden seien, durch welche der Selbstbehalt insgesamt überschritten werde. Das Beschwerdebegehren nach Anerkennung von (weiteren) 6.751,68 € [Anm.: eigentlich 6.761,58 €] als außergewöhnliche Belastung würde im Fall seiner Stattgabe zu einer Überschreitung des Selbstbehaltes führen, und dann wären auch die 37,00 € relevant, sodass folgender Vorhalt nötig sei: "Die Antwort des Beschwerdeführers vom 8.7.2020 auf das Ergänzungsersuchen des Finanzamtes vom 17.6.2020 hat ergeben, dass die Krankheitskosten des Jahres 2019 nicht 37,00 €, sondern 18,92 € (aus 2 Behandlungsbeitragsrechnungen der Krankenversicherungsanstalt) betragen."

In Beantwortung des Vorhaltes des BFG vom 8. April 2021 teilte der Bf. mit, dass er das Fahrtenbuch als Excel-Datei führe, wobei ihm der Fehler unterlaufen sei, die Blätter für die Monate Mai und Juni in der Datumsspalte nicht geändert zu haben. Es handele sich bei den von ihm übermittelten Blättern um die Fahrtenbücher aus Mai 2019 und Juni 2019, nicht um diejenigen aus 2018.

Der Bf. sei einverstanden mit Vorgehensweise bezüglich Bruchteilen einer Stunde und Kürzung auf das Maximum für den 8.6.2019 sowie mit der Streichung der Kilometer für 31.8.2019, 1.10.2019 und 16.12.2019.

Zu den Tätigkeiten in Ort4inÖ etc. brachte der Bf. vor, dass hier kein neuer Mittelpunkt der Tätigkeit begründet worden sei, weshalb Tagesdiäten anrechenbar seien, wozu er auf folgendes Zitat von der Website der Österreichischen Gesundheitskasse verwies: "Bei Dienstreisen im Nahbereich können Tagesgelder nur dann (bzw. so lange) steuerfrei gewährt werden, wenn (als) kein neuer Mittelpunkt der Tätigkeit begründet wird. Und zwar weder am Einsatzort, in einem Einsatzgebiet (Zielgebiet) noch im Rahmen einer Fahrtätigkeit."

Der Bf. teilte mit, dass er und die Mutter seines Kindes nicht verheiratet gewesen seien. Die Kindesmutter sei von sich aus mit dem gemeinsamen Kind wieder zurück zu ihrer Mutter nach Tschechien gegangen. Danach sei ein längerer Gerichtsstreit gefolgt, welcher in der Vereinbarung/Urteil endete.

Der Bf. übermittelte das komplette (zweitinstanstanzliche) Urteil des tschechischen Kreisgerichtes vom 24.1.2014, Geschäftszahl RechtsmittelGZ, über die Berufung des Bf. gegen das Urteil des Bezirksgerichtes vom 25.2.2013, sowohl in tschechischer Sprache als auch übersetzt in die deutsche Sprache.

Die 18,92 € seien die beiden Behandlungsbeitragsrechnungen der Krankenversicherungsanstalt.

Das BFG übermittelte die Vorhaltsbeantwortung des Bf. am 20. April 2021 an das Finanzamt.

Das Finanzamt gab zum Vorhalt des BFG am 22. April 2021 eine Stellungnahme ab, in welcher im Wesentlichen keine Einwände geäußert wurden.

Am 28. Juli 2021 führte das BFG über die Beschwerde eine mündliche Verhandlung durch, an welcher seitens des Finanzamtes wegen Personalmangels niemand teilnahm. (Dem Finanzamt wird die Niederschrift über die mündliche Verhandlung als Beilage zu dieser Entscheidung des BFG übermittelt.)

In der mündlichen Verhandlung wurde klargestellt, dass die Spalte "Privat 1" im Fahrtenbuch die Fahrten zur Abholung bzw. zum Zurückbringen des Kindes enthält. Die Summe der Kilometer ist 16.101, was einem Kilometergeld von 6.762,42 € entspricht.

Der Bf. brachte zur Außergewöhnlichkeit vor, dass es nicht um das an sich übliche Abholen des Kindes gehe, sondern um die in seinem Fall außergewöhnlich hohen Aufwendungen. Jedes zweite Wochenende fahre der Bf. um 12.00 Uhr am Freitag in Ort1inÖ weg, sei um 14.00 Uhr in Tschechien und um 16.00 Uhr wieder in Ort1inÖ. Am Sonntag sei es genauso.

Zur Zwangsläufigkeit legte der Bf. zusätzlich eine Vereinbarung zwischen ihm und der Kindesmutter, betreffend den Kontakt des Bf. zum minderjährigen NameKind, vor. Der Inhalt der Vereinbarung stimmt mit dem überein, was im Urteil steht.

Zur Zwangsläufigkeit brachte der Bf. auch den im Urteil zitierten § 858 des Tschechischen Handelsgesetzbuches vor, wonach er die Pflicht habe, den Kontakt zum Kind aufrecht zu erhalten. Unter Verweis auf einen Artikel der Rechtsanwaltskanzlei RAkanzlei aus dem Internet sei nicht nur die Vernachlässigung der Unterhaltspflicht, sondern auch die Vernachlässigung der Unterstützungspflicht nach tschechischem Recht eine Straftat.

Aus österreichischer Sicht sei es seine moralische bzw. sittliche Pflicht, sich um sein Kind derart zu kümmern. Diese Bemühungen hätten auch ein Ergebnis: Das Kind spreche gut deutsch, obwohl es die meiste Zeit in tschechischer Umgebung aufwachse.

Auf Vorhalt des Richters, dass im Urteil eine gemeinsame Obsorge im Sinne des österreichischen Rechtes nicht vorkomme, entgegnete der Bf., dass er im Gegensatz zu Vätern von Kindern, die dem österreichischen Recht unterlägen, auch an der Erziehung des Kindes teilnehme. Er könne auch mitbestimmen, in welche Schule das Kind gehe.

Zu den Diäten bringt der Bf. vor, dass er als BrancheAG2 keine Möglichkeit zum Verlassen des Arbeitsplatzes habe und sich daher nicht eine günstige Verpflegungsmöglichkeit suchen könne. Es bleibe nur die Möglichkeit, jemanden zu bitten, ihm z.B. bei der Veranstaltung in Ort4inÖ etwas zu essen zu bringen. Dies sei aber nur zu hohen Preisen möglich.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zu den Tagesgeldern (Mehraufwendungen für Verpflegung):

Laut Routenplaner betragen die Distanzen

Das Vorbringen des Bf. mit den Ausführungen der Österreichischen Gesundheitskasse betreffend Tagesgelder bei Dienstreisen im Nahbereich geht daran vorbei, dass es sich hierbei um die Sozialversicherungs-Betragsfreiheit für Tagesgelder handelt, welche der Arbeitgeber zusätzlich zum Lohn anlässlich einer Dienstreise auszahlt. Dem entspricht die Ausnahme von der Einkommensteuerpflicht (und damit Lohnsteuerabzugsverpflichtung) gemäß § 26 Z 4 EStG für bestimmte Beträge, die der Arbeitgeber aus Anlass einer Dienstreise als Tagesgelder auszahlt.

Im vorliegenden Fall, in welchem der Arbeitgeber - etwa weil es im anzuwendenden Kollektivvertrag nicht geregelt ist - keine Tagesgelder für Mehraufwendungen für Verpflegung auszahlt, geht es aber um die Abzugsfähigkeit von Tagesgeldern als Werbungskosten gemäß § 16 Abs. 1 Z 9 EStG, wobei diese Gesetzesstelle lautet:
"9. Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Verpflegung und Unterkunft bei ausschließlich beruflich veranlassten Reisen. Diese Aufwendungen sind ohne Nachweis ihrer Höhe als Werbungskosten anzuerkennen, soweit sie die sich aus § 26 Z 4 ergebenden Beträge nicht übersteigen. Dabei steht das volle Tagesgeld für 24 Stunden zu. Höhere Aufwendungen für Verpflegung sind nicht zu berücksichtigen."

Diese Regelung übernimmt nur die Zahlen aus § 26 Z 4 EStG - Tagesgeld 26,40 € pro Tag / Mindestdauer 3 Stunden / je angefangene Stunde ein Zwölftel. Sie ist aber ansonsten anders als die hier nicht als Ganzes anwendbare Regelung des § 26 Z 4 EStG:

Eine - zur Abzugsfähigkeit von Reisekosten (z.B. Verpflegungsmehraufwand in Form von Tagesgeldern berechtigende - Reise im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 9 EStG liegt nach herrschender Meinung vor, wenn sich der Steuerpflichtige aus beruflichem Anlass mindestens 20 bis 25 km vom Mittelpunkt der Tätigkeit entfernt und eine (inländische) Reisedauer von mehr als drei Stunden vorliegt und kein weiterer bzw. neuer Mittelpunkt der Tätigkeit begründet wird (vgl. Lenneis in Jakom EStG, § 16 Rz 43; Schubert in Wiesner et al., EStG, Anm. 112 f. zu § 16; Zorn in Doralt et al., EStG, § 16 Tz 172 f.). Ohne Reise iSd § 16 Abs. 1 Z 9 EStG sind tatsächlich angefallene Verpflegungsmehraufwendungen - wie sie der Bf. in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich Ort4inÖ glaubhaft gemacht hat - gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG als Aufwendungen für die Lebensführung nicht abzugsfähig.

Hinsichtlich Ort3inÖ, Ort4inÖ und Ort5inÖsterreich lagen keine Reisen iSd § 16 Abs. 1 Z 9 EStG vor und die diesbezüglich geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen (Tagesgelder) iHv 13,20 € für 22. Mai 2019, iHv 15,40 € für 8. Juli 2019, iHv 14,85 € für 9. Juli 2019, iHv 16,50 € für 11. Juli 2019, iHv 16,50 € für 25. Juli 2019, iHv 14,85 € für 31. Juli 2019, iHv 16,50 € für 1. August 2019, iHv 14,85 € für 3. August 2019 und iHv 11,00 € für 16. November 2019, sind nicht absetzbar. Als absetzbar verbleiben die Mehraufwendungen hinsichtlich Wien iHv 17,60 € für 21. März 2019, iHv 26,40 (begrenzt auf Maximalbetrag für 24 Stunden) für 8. Juni 2019 und iHv 24,20 € (auch für die angefangene 11. Stunde die gesamten 2,20 € pro Stunde) für 7. September 2019. Unter dem Titel des Verpflegungsmehraufwendungen (Tagesgelder) sind somit insgesamt 68,20 € (gegenüber 205,15 € im angefochtenen Bescheid). Aus diesem Titel sind daher die Werbungskosten, die der Arbeitgeber nicht berücksichtigen konnte, in der Entscheidung des BFG um 136,95 € niedriger als im angefochtenen Bescheid anzusetzen.

Zu den Reisekosten in Gestalt von Fahrtkosten:

Die Fahrtenbuchblätter für Mai und Juni sind nur irrtümlich mit Jahreszahlangaben für 2018 versehen. Tatsächlich enthalten sie Fahrten in Mai und Juni 2019. Der Bf. hat den diesbezüglichen Irrtum aufgeklärt. Die Kilometerstände der Fahrtenbuchblätter Mai und Juni schließen ohne Lücke an die Fahrtenbuchblätter für April 2019 und Juli 2019 an.

Die Summe der beruflichen Kilometer laut Fahrtenbuchblättern beträgt 670 km (=112+28+118+132+80+144+28+28). Die als beruflich eingetragenen 26 km für 31.8.2019 und 26 km für 1.10.2019 (unten auf dem Septemberblatt) und 28 km für 16.12.2019 sind ohne Zielorte eingetragen worden. Der Bf. hat die Zielorte in der Beantwortung des Vorhaltes des BFG nicht ergänzt, sondern hat sich mit der Nichtanerkennung dieser Kilometer einverstanden erklärt. Da berufliche Fahrtenbucheintragungen ohne Zielort keinen beruflichen Zweck dokumentieren, werden die diesbezüglichen 26+26+28=80 km nicht anerkannt. Es verbleiben sohin 590 berufliche Kilometer. Dies entspricht einen Kilometergeld iHv 247,80 € (gegenüber 234,36 € im angefochtenen Bescheid). Aus diesem Titel sind daher die Werbungskosten, die der Arbeitgeber nicht berücksichtigen konnte, in der Entscheidung des BFG um 13,44 € höher als im angefochtenen Bescheid anzusetzen.

Zur rechnerischen Auswirkung auf die Werbungskosten, die der Arbeitgeber nicht berücksichtigen konnte:

Werbungskosten laut angefochtenem Bescheid

1.111,89 €

Änderung iZm Tagesgeldern

-136,95 €

Änderung iZm Fahrtkosten

13,44 €

Werbungskosten für das vorliegende Erkenntnis des BFG

988,38 €

 

Zu den außergewöhnlichen Belastungen:

NameKind, der Sohn des Bf., wurde imSommer2011 geboren. Laut Zentralem Melderegister (ZMR) wohnten der Bf. und Kindesmutter, die Mutter des Kindes vom Jänner 2011 bis Ende Juli 2012 an der Adresse des Bf. (Adresse1 in Ort1inÖ). Dort wohnte laut ZMR auch NameKind ab seiner Geburt bis Ende Juli 2012. Ende Juli 2012 übersiedelte die Kindesmutter samt dem zu diesem Zeitpunkt 11 Monate alten Kind in die Tschechische Republik zu ihrer Mutter. Der Bf. und die Kindesmutter waren nicht verheiratet gewesen, sodass eine Ehescheidung - und damit auch eine einvernehmliche Ehescheidung - kein Thema waren.

Der Bf. versuchte auf zivilgerichtlichem Wege in der tschechischen Republik, deren Staatsangehörigkeit das Kind laut ZMR hat und in welcher der Aufenthaltsort des Kindes war, eine Kontaktregelung zu erreichen. Das Bezirksgericht vertraute mit erstinstanzlichem Urteil vom 25.2.2013 (Akt.nr. erstinstanzGZ) das Kind der Erziehung der Mutter an, verpflichtete den Bf. zum Beitrag zum Unterhalt des Kindes und gewährte dem Bf. den Kontakt zu seinem Kind an jedem geraden Samstag im Jahr, wobei der Bf. das Kind um 10:00 Uhr in der Wohnung der Mutter abzuholen und um 18:00 Uhr dort wieder zurückzugeben hatte (vgl. 2. Seite der Übersetzung des zweitinstanzlichen Urteiles des Kreisgerichtes in die deutsche Sprache).

Der Bf. legte gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Berufung ein; er hielt die Regelung des Umganges mit seinem Kind für zu einschränkend. Der Bf. schloss eine Vereinbarung mit der Kindesmutter, die das Kreisgericht im Berufungsverfahren mit Urteil vom 28. Jänner 2014 wie folgt bewilligte:
Der Bf. sei berechtigt, mit seinem Kind die Zeit an den geraden Wochenenden, immer vom Samstag ab 10:00 Uhr bis Sonntag 18:00 Uhr. Der Bf. sei berechtigt, den Sohn zu der angegebenen zeit bei der Mutter abzuholen und den Sohn zu der angegebenen Zeit der Mutter zurückzubringen.
Der Bf. sei berechtigt, mit seinem Kind jedes Jahr den ersten und zweiten Weihnachtstag zu verbringen, immer vom 25.12. um 10:00 Uhr bis 26.12 um 18:00 Uhr (Abholung bei der Mutter und Zurückbringen zur Mutter).
Der Bf. sei berechtigt, mit seinem Kind jedes gerade Jahr den Geburtstag des Sohnes zu verbringen (Abholung ab Geburtstag bei der Mutter um 10:00 Uhr, Zurückbringen am Folgetag um 18:00 Uhr).

Später einigte sich der Bf. mit der Kindesmutter, dass er seinen Sohn jedes zweite Wochenende bereits am Freitag und nicht erst am Samstag abholt.

Das Recht des Bf. auf Kontakt zu seinem Sohn entspricht insgesamt ungefähr dem Ausmaß, welches von der österreichischen Rechtsprechung zu Schulkindern gewährt wird (alle 14 Tage am Wochenende mit Übernachtung, zwei Wochen in den Sommerferien, einige Tage in anderen Ferien; vgl. Hopf in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB5, §§ 187-188 Rz 6). Die Abholung des Kindes durch den Bf. und das Zurückbringen des Kindes durch den Bf. sowie die Kostentragung durch den Bf. entspricht dem österreichischen Regelfall (vgl. Hopf aaO, Rz 8).

Die Stellung des Bf. als nicht ehelicher Vater entspricht nicht derjenigen Stellung, wie sie § 177 Abs. 1 (österreichisches) ABGB dem mit der Mutter des Kindes verheirateten Vater durch die Obsorge beider Eltern (gemeinsame Obsorge, beidseitige Obsorge) gibt. Denn das tschechische Bezirksgericht hat - unverändert durch das Berufungsgericht - das Kind der Erziehung der Mutter anvertraut (vgl. 2. Seite des zweitinstanzlichen Urteiles des Kreisgerichtes, GZ. RechtsmittelGZ).

Indem der Sohn des Bf. jedes zweite Wochenende (und einige weitere Tage zu Weihnachten und anlässlich jedes zweiten Geburtstages) beim Bf. verbringt, kann der Bf. an der Erziehung seines Sohnes teilhaben und den emotionalen Kontakt zu seinem Sohn aufrechterhalten. Die materielle Versorgung des Sohnes durch den Bf., solange er den Sohn in seiner Obhut hat, ist ein unvermeidlicher Nebeneffekt der Wahrnehmung des Kontaktrechtes durch den Bf., aber nicht der Zweck der Wahrnehmung des Kontaktrechtes. Inwieweit die Stellung des Bf. in Bezug auf Mitsprachmöglichkeiten etc. bei der Obsorge für das dem tschechischen Recht unterliegende Kind besser ist, als wenn es sich um ein dem österreichischen Recht unterliegendes Kind handelte, kann hier dahingestellt bleiben.

Die Fahrtaufwendungen des Bf., um seinen Sohn jedes zweite Wochenende, zu Weihnachten und anlässlich jedes zweiten Geburtstages bei der Kindesmutter abzuholen, zu sich nach Hause zu bringen, wieder zur Mutter zurückzubringen und um wieder nach Hause zu fahren, sind nicht anhand von verschiedentlich vorgebrachten Durchschnittswerten zu ermitteln, sondern anhand der tatsächlich laut Fahrtenbuch gefahrenen Kilometer:

Monat

Kilometer

Jänner

1.205

Februar

1.030

März

1.808

April

1.809

Mai

1.207

Juni

1.507

Juli

1.205

August

904

September

1.810

Oktober

1.208

November

903

Dezember

1.505

Summe

16.101

16.101 km x 0,42 € = 6.762,42 € Kilometergeld. Dieser Betrag stellt die gegenständliche Belastung dar, zumal keine Kostenrefundierungen ersichtlich oder denkbar sind.

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG muss eine außergewöhnliche Belastung außergewöhnlich sein, zwangsläufig erwachsen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen; die Belastung darf weder Betriebsausgabe, Werbungskosten noch Sonderausgabe sein.

Unmittelbar ersichtlich ist, dass die Belastung weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten noch Sonderausgaben darstellt.

§ 34 Abs. 2: "Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst."

Gewöhnlich ist bei der Ausübung des Kontaktrechtes die Abholung des Kindes im näheren Umkreis und das Zurückbringen des Kindes im näheren Umkreis. Der Bf. fährt laut Fahrtenbuch

Jede Ausübung des Kontaktrechtes ist im Fall des Bf. sohin mit den Kosten für 600 Kilometer Autofahrt verbunden. (Eine sinnvolle Eisenbahnverbindung steht nicht zur Verfügung; die Auskunft bei oebb.at lieferte kein Ergebnis; die Auskunft bei bahn.de lieferte acht- bis neunstündige Verbindungen mit Umweg über Prag.)
Die Kosten für 600 Kilometer Autofahrt für jede Ausübung des Kontaktrechtes zum Kind sind außergewöhnlich.

§ 34 Abs. 3 EStG: "Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann."
Aus der Wortgruppe "nicht entziehen kann" schließt der Verwaltungsgerichtshof (VwGH), dass Aufwendungen im Gefolge einer Ehescheidung im Einvernehmen nach § 55a Ehegesetz dem Steuerpflichtigen nicht zwangsläufig erwachsen, sondern auf ein Verhalten zurückgehen, das der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen haben muss (VwGH 18.2.1999, 98/15/0036; VwGH 29.1.2002, 2001/14/0218; VwGH 23.2.2010, 2008/15/0104).

Der Bf. war mit der Kindesmutter nicht verheiratet, sodass er nicht von ihr geschieden werden konnte. Im vorliegenden Fall handelt es sich daher nicht um Aufwendungen im Gefolge einer einvernehmlichen Ehescheidung. Die diesbezügliche Argumentation des Finanzamtes ist daher auf die Belastung des Bf. nicht anwendbar, und die drei Varianten der Zwangsläufigkeit sind näher zu untersuchen:

Das Kriterium der wesentlichen Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wird in § 34 Abs. 4 und 5 EStG mittels eines Selbstbehaltes umgesetzt.

Es gibt noch ein weiteres Kriterium für die Absetzbarkeit von außergewöhnlichen Belastungen, nämlich dass die Belastungen nicht durch Absetzbeträge als abgegolten gelten:

§ 34 Abs. 7 EStG bestimmt: "(7) Für Unterhaltsleistungen gilt folgendes:
1. Unterhaltsleistungen für ein Kind sind durch die Familienbeihilfe, den Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a, den Kindermehrbetrag gemäß § 33 Abs. 7 sowie gegebenenfalls den Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 3 abgegolten, und zwar auch dann, wenn nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) Anspruch auf diese Beträge hat.
2. Leistungen des gesetzlichen Unterhalts für ein Kind sind bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 33 Abs. 4 Z 3 durch den Unterhaltsabsetzbetrag abgegolten.
[Anm.: Z 3 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 111/2010]
4. Darüber hinaus sind Unterhaltsleistungen nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Ein Selbstbehalt (Abs. 4) auf Grund eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten ist nicht zu berücksichtigen.
5. (Verfassungsbestimmung) Unterhaltsleistungen an volljährige Kinder, für die keine Familienbeihilfe ausbezahlt wird, sind außer in den Fällen und im Ausmaß der Z 4 weder im Wege eines Kinder- oder Unterhaltsabsetzbetrages noch einer außergewöhnlichen Belastung zu berücksichtigen."

Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 4 Z 3 EStG sind beim Bf. gegeben, und demgemäß ist im angefochtenen Bescheid der Unterhaltsabsetzbetrag berücksichtigt worden. Somit sind gemäß § 34 Abs. 7 Z 2 EStG "Leistungen des gesetzlichen Unterhalts" durch den Unterhaltsabsetzbetrag abgegolten. Folglich stellt sich die Frage, ob die Teilnahme des Bf. an der Erziehung seines Sohnes die Aufrechterhaltung des emotionalen Kontaktes zu seinem Sohn, d.h. der Zweck des Abholens und Zurückbringens des Sohnes, unter die "Leistungen des gesetzlichen Unterhalts" zu subsumieren ist.

Der Unterhalt umfasst laut Wanke in Wiesner et al., Anm. 51 zu § 34 EStG "etwa Aufwendungen für Nahrung, Kleidung, Wohnung, Erholung, Freizeitgestaltung, medizinische Versorgung und Pflege" sowie die Leistung einer Heiratsausstattung (eines Heiratsgutes).
Daraus ist zu schließen, dass einkommensteuerlich beim Unterhalt die materielle Seite, d.h. durch Geldunterhalt substituierbare Leistungen, entscheidend sind. Unterhaltsleistungen im Sinne des EStG sind demnach Leistungen von Geldeswert, über deren Abzugsfähigkeit das EStG Regelungen enthält. Nicht zu den Unterhaltsleistungen im Sinne des EStG gehören ideelle Leistungen an das Kind, d.h. die unmittelbare Leistung von Erziehung und Kontaktpflege durch die Eltern bzw. einen Elternteil. Im zivilrechtlichen Sinne gehört hingegen die Pflege und Erziehung des Kindes iSd §§ 158 und 160 ABGB zu den gesamten Lebensbedürfnissen, die durch den Unterhalt zu decken sind (vgl. Hopf in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB5, § 231 Rz 2; Stabentheiner/Reiter in Rummel/Lukas, ABGB4, § 231 Rz 4)

Das Abholen und Zurückbringen des Sohnes iZm der Ausübung des Kontaktrechtes ist daher nicht als Leistung von Unterhalt im einkommensteuerlichen Sinne zu qualifizieren; die Fahrtaufwendungen für Abholen und Zurückbringen sind daher nicht durch den Unterhaltsabsetzbetrag abgegolten und nicht von der Abzugsfähigkeit als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen.

Die außergewöhnlichen Belastungen iZm Krankenversicherungsanstalt-Beiträgen sind im nachgewiesenen Ausmaß (18,92 €) anzuerkennen. Bei Krankheitskosten wird die Außergewöhnlichkeit stets angenommen (Wanke in Wiesner et al., Anm. 24 zu § 34 EStG) und auch die Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen stets angenommen (Fuchs in Doralt et al., EStG, § 34 Tz 38 f.).

Die außergewöhnlichen Belastungen betragen vor Abzug des Selbstbehaltes somit insgesamt 18,92 + 6.762,42 = 6.781,34 €.

Selbstbehaltermittlung für BFG-Erkenntnis

Vorspalte

Hauptspalte

Einkommen vor Abzug der ag. Belastungen

 

39.515,39 €

Sonstige Bezüge (Kennzahl 220)

6.945,88 €

 

abzügl. SV-Beiträge für Sonst.Bez. (Kz 225)

-1.064,80 €

 

 

5.881,08 €

5.881,08 €

adaptiertes Einkommen für Selbstbehalt

 

45.396,47 €

davon 11% Selbstbehalt

 

4.993,61 €

Da im Hauptstreitpunkt der Beschwerde stattgegeben wird, nicht aber im Nebenstreitpunkt der Tagesdiäten, lautet die Entscheidungsrichtung auf teilweise Stattgabe.

Zur Zulässigkeit einer Revision:

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die vom Finanzamt herangezogene Judikatur (VwGH 23.2.2010, 2008/15/0104) betrifft die Kosten von Besuchen des geschiedenen Vaters eines Kindes, welches mit der Mutter vorübergehend in Südafrika lebte. Die Nichtabzugsfähigkeit der Aufwendungen resultierte aus der mangelnden Zwangsläufigkeit, weil eine einvernehmliche Scheidung stattgefunden hatte und diese eine freiwillige Entscheidung des Vaters gewesen sei. Mangels (einvernehmlicher) Scheidung im vorliegenden Fall ist dieses VwGH-Erkenntnis hier nicht anwendbar. Weiters verneinte der VwGH die sittliche Verpflichtung für den Vater, sein Kind in Südafrika zu besuchen, was als obiter dictum einzustufen ist.

Ähnlich in Bezug auf die freiwillige Entscheidung zu einer einvernehmlichen Scheidung ist VwGH 18.2.1999, 98/15/0036: Deshalb keine Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für die Besuche bei dem mit der Ex-Gattin in Italien lebenden Kindes. Keine Aussage des VwGH zur sittlichen Verpflichtung. Dieses VwGH-Erkenntnis ist somit im vorliegenden Fall nicht anwendbar.

Unter der Voraussetzung, dass das o.a. obiter dictum nicht für die Bestimmung der Rechtsprechung des VwGH heranzuziehen ist, fehlt somit eine Rechtsprechung zur Frage, ob außergewöhnlich hohe Fahrtkosten zur Abholung des Kindes und zum Zurückbringen des Kindes bei der Ausübung des Kontaktrechtes des Kindesvaters zwangsläufig erwachsen.

 

 

Wien, am 4. August 2021

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 34 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Verweise:

VwGH 23.02.2010, 2008/15/0104
VwGH 29.01.2002, 2001/14/0218
VwGH 18.02.1999, 98/15/0036

Stichworte