BFG RV/5101246/2011

BFGRV/5101246/201110.7.2014

1. Anwendbarkeit des Wiederaufnahmerechtes idF FVwGG 2012 2. Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes 3. Zustellung an Nachsendeadresse 4. Zustellung durch Hinterlegung im Akt

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2014:RV.5101246.2011

 

Entscheidungstext

Bahnhofplatz 7

4020 Linz

www.bfg.gv.at

DVR: 2108837

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden SV. und die weiteren Senatsmitglieder S1., S2. und S3. in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch Gerhard Peither, Klammstraße 1a, 4020 Linz gegen den Bescheid des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr vom 17. August 2011, Steuernummer: xx, betreffend Abweisung eines Wiederaufnahmeantrages gemäß § 303 Abs. 1 BAO für die Verfahren hinsichtlich der Umsatzsteuer 2004 bis 2008 und der Einkommensteuer für 2004 bis 2008 in der Sitzung am 10. Juli 2014 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

1. Sachverhalt und Parteienvorbringen:

1.1 Bestehen von Zustellungsbevollmächtigungen gegenüber der belangten Behörde:

Aus dem Dauerakt des von der belangten Behörde vorgelegten Einkommensteueraktes zu Steuernummer xx geht hervor, dass der belangten Behörde eine Vollmacht des Beschwerdeführers an die Wirtschaftstreuhänderin WT1. vom 2. April 1998 vorliegt, welche auch die "Ermächtigung zum Empfang von Schriftstücken der Abgabenbehörde, welche nunmehr ausschließlich dem Bevollmächtigten zuzustellen sind", enthalten hat.

Die Zustellvollmacht für WT1 bestand vom 19.1.2001 bis zum 4.5.2006 und wurde am 4.5.2006 von der Zustellbevollmächtigten über FinanzOnline storniert.

Vom 18.3.2010 bis zum 16.1.2011 bestand eine Zustellvollmacht für die WT2., die über FinanzOnline von der Zustellbevollmächtigten über FinanzOnline angemerkt worden war.

Die Zustellvollmacht von WT3 besteht seit 5.7.2011 bis laufend. Sie wurde vom Zustellvertreter über FinanzOnline angemerkt.

1.2. Wiederaufnahmeantrag und Beschwerdevorbringen

Mit Anbringen vom 23. Mai 2011 beantragte der Bf. die Aufhebung gemäß § 299 BAO der Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2004 vom 21. Juni 2006, der Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2005 vom 20. August 2008, der Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2006 vom 20. August 2008, der Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2007 vom 2. März 2009, sowie der Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2008 vom 5. November 2009. Im Aufhebungsantrag war ausgeführt, dass im Zuge einer Besprechung des steuerlichen Vertreters mit dem Bf.  festgestellt wurde, dass Aufzeichnungen über die Einnahmen und über die Ausgaben vorliegen. Es läge auch eine ordentliche Einnahmen-Ausgaben-Rechnung für die Tätigkeit als Fahrradbote vor. Die so ermittelten Besteuerungsgrundlagen wichen wesentlich von den im Schätzungsweg ermittelten ab. Dem Anbringen wurden Abgabenerklärungen für die Jahre 2004 bis 2008 beigelegt.

Die belangte Behörde hat mit Bescheid vom 31. Mai 2011 den Aufhebungsantrag mit dem Hinweis auf § 302 Abs. 1 BAO wegen nicht fristgerechter Einbringung zurückgewiesen.

Der Bf. beantragte mit Anbringen vom 5. Juli 2011 die Wiederaufnahme des Verfahrens mit dem Argument, dass im Zuge einer Besprechung des steuerlichen Vertreters mit dem Bf. am 12. Mai 2011 festgestellt wurde, dass Aufzeichnungen über die Einnahmen und über die Ausgaben vorliegen und nicht im Zuge einer Übersiedlung verloren gegangen wären. Dies sei der Grund gewesen, warum nicht schon früher ein Rechtsmittel ergriffen bzw. keine Änderung der Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide der Jahre 2004 bis 2008 begehrt wurde. Es wurde die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide für 2004 und die Festsetzung der Abgaben entsprechend der bereits eingereichten Abgabenerklärungen beantragt.

Mit dem angefochtenen, am 17. August 2011 zugestellten Bescheid hat die belangte Behörde den Wiederaufnahmeantrag vom 5. Juli 2011 abgewiesen und führte zur Begründung aus, inwieweit die jahrelange Nichtabgabe durch den behaupteten Wiederaufnahmegrund entschuldigt ist, sei für die belangte Behörde nicht nachvollziehbar. Die wiederholte Nichtabgabe der Steuererklärungen stelle nach Ansicht der belangten Behörde ein grobes Verschulden des Bf. dar. Somit seien keine Wiederaufnahmegründe gegeben.

Der Bf. beantragte am 16. September 2011 die Verlängerung der Rechtsmittelfrist bis 23. September 2011.

In der am 22. September 2011 per Telefax eingebrachten Berufung brachte der Bf. im Wesentlichen vor, dass er im betreffenden Zeitraum zwei Mal übersiedelt sei. Einerseits im Februar 2006 von Z., S.-Straße 24 nach G., F.-Straße 36 und andererseits im Februar 2008 von G., F.-Straße 36 nach N., E.-Straße 22. Zwischenzeitig hätte der Bf. bei seinem Vater in O., L.-Straße 9 gewohnt, ohne hiebei seinen Hauptwohnsitz umzumelden. Nach dem Tod des Vaters des Bf. seien anlässlich der Wohnungsräumung Ende April 2011 die bisher verloren geglaubten Unterlagen der Jahre 2004 bis 2007 und ein Großteil der Belege des Jahres 2008 in einem Kellerabteil vorgefunden worden.

Der Bf. beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat.

Mit Anbringen vom 1. Juli 2014 wurde auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

1.3. Zur beantragten Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich der Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2004 vom 21. Juni 2006:

Die Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2004 vom 21. Juni 2006 wurden mit Zustellnachweis gemäß § 22 Zustellgesetz an die der belangten Behörde zu diesem Zeitpunkt bekannte Adresse des Beschwerdeführers (Bf.) in Z., S-Straße 24 zugestellt. Auf den beiden bei der belangten Behörde rückgelangten Zustellnachweisen ist Folgendes vermerkt:

Seitens des Gerichtes wurde durch Abfrage im Zentralen Melderegister festgestellt, dass der Bf. an der Adresse "F.-Straße 36, N." am 26. Juni 2006 nicht gemeldet war.

Der Bf. räumte in der Stellungnahme vom 23. Mai 2014 dazu ein, zu diesem Zeitpunkt hätte er sich in seinem Elternhaus in L.-Straße 9, O. befunden. Er hätte sich dort immer wieder vorübergehend aufgehalten, wenn sein Vater wegen einer Urlaubsreise das Haus verließ. Er sei also vorübergehend nicht an der Abgabestelle „Z., S-Straße 24" anwesend gewesen.

Die belangte Behörde führte in der Stellungnahme vom 20. Mai 2014 hingegen dazu aus, es entspreche der Lebenserfahrung, dass jemand, der der Post einen Nachsendeauftrag erteilt, an der genannten Adresse eine Abgabestelle hat. Nachdem offensichtlich der Bf. selbst einen Nachsendeauftrag erteilt hatte und mangels eines gegenteiligen Vorbringens des Bf., sehe die belangte Behörde keine Veranlassung, am Vorhandensein einer Abgabestelle an der Nachsendeadresse zu zweifeln. Die Zustellung sei daher bereits durch die Hinterlegung beim Postamt N. bewirkt worden, wenn der Bf. keinen Gegenbeweis erbringe.

In der Stellungnahme vom 1. Juli 2014 stellte der Bf. klar, er hätte im Zeitraum Februar 2006 bis Februar 2008 in in G., F.-Straße 36 mit seiner Lebensgefährtin Frau E. R. gewohnt. In seinem Elternhaus O., L.-Straße 9 hätte er sich aufgehalten, wenn dieses unbewohnt war (bei Abwesenheit seines Vaters). Die Abgabestelle Z., S-Straße 24 sei schon ab Februar 2006 nicht mehr von ihm frequentiert worden.

1.4. Zur beantragten Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich der Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2005 vom 20. August 2008:

Die Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2005 vom 20. August 2008 wurden mit Zustellnachweis gemäß § 22 Zustellgesetz an die Adresse des Bf. in Z., S-Straße 24 zugestellt. Auf dem bei der belangten Behörde rückgelangten RSb-Kuvert samt Inhalt ist Folgendes vermerkt:

Ein weiterer Zustellversuch ist nicht aktenkundig.

Die belangte Behörde räumte in der Stellungnahme vom 20. Mai 2014 ein, der Akt sei dem Gericht vollständig übermittelt. Dokumentationen iSd. § 23 Abs. 2 ZustellG seien nicht ersichtlich und könnten daher nicht nachgereicht werden. Die Rechtsfolgen würden von der Abgabenbehörde zur Kenntnis genommen.

 

 

1.5. Zur beantragten Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich der Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2006 vom 20. August 2008:

Die Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2006 vom 20. August 2008 wurden mit Zustellnachweis gemäß § 22 Zustellgesetz an die Adresse des Bf. in Z., S-Straße 24 zugestellt. Auf dem bei der belangten Behörde rückgelangten RSb-Kuvert samt Inhalt ist Folgendes vermerkt:

Am 26. August 2008 erfolgte eine Anfrage beim zentralen Melderegister. Dazu wurde in einem Aktenvermerk angeführt: "neue Adresse unbekannt!"

Die belangte Behörde räumte in der Stellungnahme vom 20. Mai 2014 ein, der Akt sei dem Gericht vollständig übermittelt. Dokumentationen iSd. § 23 Abs. 2 ZustellG seien nicht ersichtlich und könnten daher nicht nachgereicht werden. Die Rechtsfolgen würden von der Abgabenbehörde zur Kenntnis genommen.

1.6. Zur beantragten Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich der Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2007 vom 2. März 2009:

Die Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2007 vom 2. März 2009 wurden ohne Zustellnachweis an die Adresse des Bf. in Z., S-Straße 24 zugestellt. Auf dem bei der belangten Behörde rückgelangten Kuvert samt Inhalt wurde am 5. März 2009 Folgendes vermerkt:

Ein weiterer Zustellversuch ist nicht aktenkundig.

Die belangte Behörde räumte in der Stellungnahme vom 20. Mai 2014 ein, der Akt sei dem Gericht vollständig übermittelt. Dokumentationen iSd. § 23 Abs. 2 ZustellG seien nicht ersichtlich und könnten daher nicht nachgereicht werden. Die Rechtsfolgen würden von der Abgabenbehörde zur Kenntnis genommen.

1.7. Zur beantragten Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich der Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2008 vom 5. November 2009:

Die Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2008 vom 5. November 2009 wurden mit Zustellnachweis gemäß § 22 Zustellgesetz an die Adresse des Bf. in N., E.-Straße 22 zugestellt. Auf den bei der belangten Behörde rückgelangten Zustellnachweisen ist Folgendes vermerkt:

Auf dem rückgelangten Briefkuvert samt Inhalt ist vermerkt:

Ein weiterer Zustellversuch ist nicht aktenkundig.

Der Bf. brachte in der Stellungnahme vom 23. Mai 2014 vor, an der Abgabestelle „N., E.-Straße 10" hätte sich für die beiden Hausparteien je ein Briefkasten befunden. Einer sei mit „R." (Lebensgefährtin des Bf.) und der andere mit „Th." gekennzeichnet gewesen. Dass die Hinterlegungsanzeige nicht zur Kenntnis gelangte mag daran liegen, dass sie in den Briefkasten „Th." eingeworfen worden und dies auch nicht von Frau Th. rechtzeitig entdeckt worden wäre, weil sie sich ständig wegen ihrer Tätigkeit ais Beach-Volleyballspielerin auswärts aufgehalten hätte.

Dem Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom 11. Juni 2014 binnen zwei Wochen zu beweisen oder glaubhaft zu machen, dass die Hinterlegungsanzeige in Zusammenhang mit der Zustellung der Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2008 vom 5. November 2009 in den Briefkasten „Th." eingeworfen worden ist, beantwortete der Bf. in der Stellungnahme vom 1. Juli 2014 wie folgt:

Der Versuch die neue Anschrift von Frau Th. ausfindig zu machen sei nicht gelungen. Es könne daher ein Zeugenbeweis mit  dieser Person angeboten werden. Als einzige Person, welche davon noch Kenntnis hatte, könne die Lebensgefährtin von Herrn ÖZ., Frau R., genannt werden.

1.8. Zur Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes:

Dem Bf. wurde mit Beschluss vom 11. Juni 2014 aufgetragen, zur Beseitigung von Zweifeln in Zusammenhang mit Kenntniserlangung der Aufzeichnungen und Belegsammlungen der Jahre 2004 bis 2008 möge er binnen zwei Wochen aufklären,

Diesbezügliche Behauptungen seien zu beweisen oder glaubhaft zu machen.

Dazu führte der Bf. in der Stellungnahme vom 1. Juli 2014 aus, die Belege und Aufzeichnungen seien getrennt nach Einnahmen und Ausgaben in chronologischer Reihenfolge in Belegordnern abgelegt worden.

Die Einnahmen aus der Zustellung mittels Fahrrad hätten sich in einer Größenordnung bewegt, welche die Untergrenze der Lebenserhaltungskosten kaum überschritten hätte. Eine Bearbeitung durch ein Steuerberatungsbüro hätte er sich zu diesem Zeitpunkt kaum leisten können.

Wie sich im Nachhinein herausstellte seien die Belegordner im Keller seines Elternhauses verstaut worden, wo diese auch nach dem Ableben des Vaters gefunden gefunden worden waren.

Der Bf. sei davon ausgegangen, dass die Belege und Aufzeichnungen der Jahre 2004 bis 2008 im Zuge seiner Übersiedlungen verloren gegangen wären.

2. Rechtslage

Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht außer in den Fällen des § 278 BAO immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

2.1. Zur Zustellung der Bescheide, deren Wiederaufnahme beantragt wird: 

Gemäß § 104 der Bundesabgabenordnung (BAO) besteht gegenüber Abgabenbehörden die Verpflichtung zur Mitteilung im Sinne des § 8 Abs. 1 des Zustellgesetzes für Abgabepflichtige auch so lange, als von ihnen Abgaben, ausgenommen durch Einbehaltung im Abzugswege zu entrichtende, wiederkehrend zu erheben sind. § 8 Abs. 2 des Zustellgesetzes ist sinngemäß anzuwenden.

Gemäß § 8 Abs. 1 Zustellgesetz (ZustG) hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.

Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist nach § 8 Abs. 2 ZustG, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

§ 17 ZuStG lautet:

"(1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.
(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.
(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.
(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde."

Gemäß § 18 Abs 1 Z 1 ZustG in der hier anzuwendenden Fassung des BGBl. Nr. 200/1982 ist eine durch Organe der Post zuzustellende Sendung an eine andere inländische Abgabestelle nachzusenden, wenn sich der Empfänger nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufhält (sodass eine Hinterlegung an dieser nicht zulässig ist) und die Nachsendung nach den für die Beförderung von Postsendungen geltenden Vorschriften (§§ 204 ff PostO) vorgesehen ist.

§ 23 ZustG lautet:

"§ 23. (1) Hat die Behörde auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift angeordnet, daß ein Dokument ohne vorhergehenden Zustellversuch zu hinterlegen ist, so ist dieses sofort bei der zuständigen Geschäftsstelle des Zustelldienstes, beim Gemeindeamt oder bei der Behörde selbst zur Abholung bereitzuhalten.
(2) Die Hinterlegung ist von der zuständigen Geschäftsstelle des Zustelldienstes oder vom Gemeindeamt auf dem Zustellnachweis, von der Behörde auch auf andere Weise zu beurkunden.
(3) Soweit dies zweckmäßig ist, ist der Empfänger durch eine an die angegebene inländische Abgabestelle zuzustellende schriftliche Verständigung oder durch mündliche Mitteilung an Personen, von denen der Zusteller annehmen kann, daß sie mit dem Empfänger in Verbindung treten können, von der Hinterlegung zu unterrichten.
(4) Das so hinterlegte Dokument gilt mit dem ersten Tag der Hinterlegung als zugestellt."

2.2. Zur Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 303 der Bundesabgabenordnung idF des FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, lautet:

"(1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
 

(2) Der Wiederaufnahmsantrag hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird;
b) die Bezeichnung der Umstände (Abs. 1), auf die der Antrag gestützt wird.

(3) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, durch Verordnung die für die Ermessensübung bedeutsamem Umstände zu bestimmen."

Gemäß § 304 BAO idF des FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, ist nach Eintritt der Verjährung eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur zulässig, wenn der Wiederaufnahmsantrag vor Eintritt der Verjährung eingebracht ist.

Hingegen sah § 304 lit. a BAO idF vor dem FVwGG 2012 vor, dass nach Eintritt der Verjährung ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausgeschlossen, sofern ihr nicht ein innerhalb des Zeitraumes, bis zu dessen Ablauf die Wiederaufnahme von Amts wegen unter der Annahme einer Verjährungsfrist (§§ 207 bis 209 Abs. 2 BAO) von sieben Jahren zulässig wäre, oder eingebrachter Antrag gemäß § 303 Abs. 1 zugrunde liegt.

Gemäß § 323 Abs. 37 treten die §§ 303 und 304 BAO  jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 14/2013, mit 1. Jänner 2014 in Kraft und sind, soweit sie Beschwerden betreffen, auch auf alle an diesem Tag unerledigten Berufungen und Devolutionsanträge anzuwenden.

3. Erwägungen

3.1. Maßgebliche Rechtslage

Dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der reformatorischen Entscheidung (Art 130 Abs 3 und 4 B-VG) folgend, ist die Entscheidung in der Sache in allen Fällen geboten, in denen keine Formalerledigung oder Kassation zulässig ist. Das Verwaltungsgericht hat grundsätzlich auf Grund der zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung gegebenen Sach- und Rechtslage zu entscheiden, soweit sich nicht insbesondere aus dem Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften das Gebot zur Anwendung der zu einem bestimmten früheren Zeitpunkt maßgebenden Rechtslage ergibt oder ein Sachverhalt zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt zugrunde zu legen ist (vgl VwGH 27. 9. 2012, 2012/16/0090).

Die Abänderungsbefugnis des Verwaltungsgerichts „nach jeder Richtung“ ist durch die Sache begrenzt. Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der Abgabenbehörde gebildet hat. Einen anderen Sachverhaltskomplex (also Gegenstand des Verfahrens vor der Abgabenbehörde) darf das Verwaltungsgericht dabei allerdings nicht annehmen (vgl VwGH 27. 9. 2012, 2010/16/0206).

§ 303 BAO idF FVwGG 2012 ist eine Verfahrensbestimmung und gilt, zumal keine besonderen Übergangsbestimmungen normiert wurden, daher ab Inkrafttreten auch für die Wiederaufnahme vor ihrem Inkrafttreten mit Bescheid abgeschlossener Verfahren.

Unstrittig wurde der hier in Rede stehende Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens im Juli 2011 gestellt, somit zu einem Zeitpunkt, der unter dem Aspekt der damals anwendbaren Bestimmung des § 304 BAO auch für das Jahr 2004 offenbar noch als rechtzeitig zu betrachten war, so dass die belangte Behörde in der Sache zu entscheiden hatte. Der Umstand, dass ab dem 1. Jänner 2014 der § 304 idF FVwGG 2012 wirksam geworden ist, hat zunächst zur Folge, dass für Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens, die nach dem 31. 12. 2013 eingebracht wurden, § 304 BAO idF FVwGG 2012 von Bedeutung ist. Eine Anwendung dieser Vorschrift auf Anträge, die vor diesem Datum gestellt wurden, ist dem Wortlaut nach nicht zwingend. Sie verbietet sich - im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation der Rechtslage - dann, wenn sie dazu führt, dass zulässige Anträge nachträglich unzulässig werden, weil dem Abgabepflichtigen in diesem Fall der Weg zur Wiederaufnahme des Verfahrens versperrt wird und es daher zu einer Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf (Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) kommt (vgl. VfGH 28.9.2011, B1129/10 ua zu Fristen nach § 216 BAO).

Anders verhält es sich hingegen bei der Anwendung des § 303 BAO idF FVwGG 2012, da diese Bestimmung nach den Gesetzesmaterialien (RV 2007 BlgNR 24. GP ) die "Harmonisierung der Rechtslage für amtswegige wie für antragsgebundene Wiederaufnahmen des Verfahrens" vor Augen hatte und gerade diese Harmonisierung aus verfassungsrechtlichen Aspekten geboten erschien.

3.2. Wirksamkeit der Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2004 vom 21. Juni 2006:

Zur Frage, wo der Bf. am 26. Juni 2006 eine Abgabestelle hatte, machte der Bf. widersprüchliche Angaben. Einerseits führte er in der gegenständlichen Beschwerde aus, dass er im Februar 2006 von Z., S.-Straße 24 nach G., F.-Straße 36 übersiedelt sei, andererseits gab er in der Stellungnahme vom 23. Mai 2014 dazu an, zu diesem Zeitpunkt in seinem Elternhaus in L.-Straße 9, O., gewesen zu sein. Er sei also vorübergehend nicht an der Abgabestelle „Z., S-Straße 24" anwesend gewesen. Die Erstaussage impliziert, dass der Bf. zu diesem Zeitpunkt in „Z., S-Straße 24" keine Abgabestelle mehr hatte und nach G., F.-Straße 36 übersiedelt war. Dafür spricht der Umstand, dass der Bf. einen Nachsendeauftrag an diese Adresse gegeben hat. Demnach ist vom Bestehen einer Abgabestelle an dieser Adresse auszugehen. Der Einwand, dass er zum Zeitpunkt der Zustellung von der Abgabestelle in G., F.-Straße 36 ortsabwesend war, ist entgegen zu halten, dass durch die bloße Behauptung des Beschwerdeführers, ortsabwesend gewesen zu sein, eine Unwirksamkeit der durch Hinterlegung erfolgten Zustellung (noch) nicht dargetan wird. Vielmehr bedarf es hiezu eines konkreten, mit geeigneten Beweismitteln belegten Vorbringens, das klare Aussagen über den Umstand und die Dauer der Abwesenheit von der Abgabestelle enthält (vgl. VwGH 24.3.2004, 2004/04/0033). Diese klaren Aussagen fehlen gänzlich, sodass die behauptete Ortsabwesenheit nicht anzunehmen ist, vielmehr sprechen die widersprüchlichen Angaben des Bf. dafür, dass er einen Zustellmangel lediglich behauptet, um eine günstigere Rechtsposition zu erlangen.

Zudem führte der Oberste Gerichtshof in seinem Urteil vom 14.2.2007, 2Ob163/07w Folgendes aus:

"Im Schrifttum ist umstritten, ob diese Bestimmung auch dann Anwendung findet, wenn der Empfänger die bisherige Abgabestelle endgültig aufgegeben hat (so Stumvoll in Fasching/Konecny2 II/2 Anh § 87 ZPO [§ 18 ZustG] Rz 7 f; Gitschthaler in Rechberger ZPO3 § 87 [§ 18 ZustG] Rz 2; nunmehr auch Feil, Zustellwesen5 § 18 ZustG Rz 1), oder ob sich der Anwendungsbereich der Vorschrift auf die Fälle vorübergehender Abwesenheit von der Abgabestelle beschränkt (vgl die Zitate bei Stumvoll aaO und Gitschthaler aaO; jüngst auch Wessely in Raschauer/Sander/Wessely, Österreichisches Zustellrecht, § 18 ZustG Rz 3). Der erkennende Senat pflichtet der ersteren, praxisnahen Auslegung bei, besteht doch gerade nach Aufgabe der bisherigen Abgabestelle (etwa wegen einer Übersiedelung) das Bedürfnis, die Post an die neue Abgabestelle nachgesendet zu erhalten (Gitschthaler aaO § 18 ZustG Rz 2). Den Vertretern der gegenteiligen Ansicht ist mit Stumvoll (aaO) entgegenzuhalten, dass eine am engen Wortlaut der Regelung haftende Interpretation mit dem vom Gesetzgeber erkennbar beabsichtigten Zweck der Bestimmung, die Zustellung durch Nachsendung zu beschleunigen, nicht vereinbar wäre. Primäre Voraussetzung für die Anwendung des § 18 Abs 1 ZustG ist somit lediglich, dass an der bisherigen Abgabestelle eine Zustellung nicht (mehr) möglich ist.

Nach einhelliger Auffassung der Lehre setzt ein wirksamer Zustellvorgang an der Nachsendeadresse ferner voraus, dass diese alle Voraussetzungen einer Abgabestelle im Sinne des § 2 Z 5 ZustG erfüllt (Stumvoll aaO § 18 ZustG Rz 9 mwN; Gitschthaler aaO § 18 ZustG Rz 2; Feil aaO § 18 ZustG Rz 1; Wessely aaO § 18 ZustG Rz 2; Danzl, Geo. § 125 Anm 25 lit c; vgl auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 24. 8. 2006, Zl 2005/17/0281). Demnach darf an der Nachsendeadresse nur zugestellt werden, wenn der Empfänger dort seine Wohnung oder sonstige Unterkunft, eine Betriebsstätte, den Sitz, einen Geschäftsraum, die Kanzlei oder seinen Arbeitsplatz hat.

Dem ist grundsätzlich zuzustimmen; eine differenzierte Beurteilung ist nach Ansicht des erkennenden Senats aber dann geboten, wenn der Empfänger die Nachsendeadresse in einem Nachsendeauftrag selbst bestimmt. Besteht an der von ihm angegebenen Anschrift tatsächlich keine Abgabestelle im Sinne des § 2 Z 5 ZustG, widerspräche es Treu und Glauben, würde ihm nach einer seinem Auftrag gemäß durchgeführten Zustellung der Einwand offen stehen, an der Nachsendeadresse habe niemals eine Abgabestelle existiert. In solchen Fällen erscheint es sachgerecht, den Empfänger an die von ihm selbst geschaffene Fiktion einer Abgabestelle soweit zu binden, dass er sich eine seinem Wunsch gemäß an der Nachsendeadresse bewirkte Zustellung auch zurechnen lassen muss. Sorgt er dafür, dass die Zustellung an der Nachsendeadresse durch die Anwesenheit dort wohnender oder arbeitender, zur Übernahme bereiter, erwachsener Personen gewährleistet ist, so sind diese ungeachtet der weiteren Voraussetzungen des § 16 Abs 2 ZustG als taugliche Ersatzempfänger anzusehen."

Der Rechtsauffassung des OGH folgt auch der erkennende Senat. Demnach findet die Bestimmung des § 18 Abs 1 Z 1 ZustG über die Nachsendung von Postsendungen auch dann Anwendung, wenn der Empfänger die bisherige Abgabestelle endgültig aufgegeben hat. Ein wirksamer Zustellvorgang an der Nachsendeadresse setzt grundsätzlich voraus, dass diese alle Voraussetzungen einer Abgabestelle im Sinne des § 2 Z 5 ZustG erfüllt. Somit darf an der Nachsendeadresse grundsätzlich nur dann zugestellt werden, wenn der Empfänger dort seine Wohnung oder sonstige Unterkunft, eine Betriebsstätte, den Sitz, einen Geschäftsraum, die Kanzlei oder seinen Arbeitsplatz hat. Besteht allerdings an einer vom Empfänger in einem Nachsendeauftrag selbst bestimmten Nachsendeadresse keine Abgabestelle im Sinne des § 2 Z 5 ZustG, dann ist der Empfänger an die von ihm selbst geschaffene Fiktion einer Abgabestelle insoweit gebunden, dass er sich eine seinem Wunsch gemäß an der Nachsendeadresse bewirkte Zustellung auch zurechnen lassen muss.

Im gegenständlichen Fall wurde vom Bf. klargestellt, dass sich auf der Nachsendeadresse sein damaliger Wohnsitz (bei der Lebensgefährtin) befunden hat. Eine Zustellung bzw. ein Zustellversuch an diese Nachsendeadresse war damit zulässig. Die behauptete Ortsabwesenheit im Zeitpunkt der Zustellung wurde - wie oben bereits dargelegt - nicht bewiesen und ist daher nicht relevant. Demnach ist die Zustellung der Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2004 vom 21. Juni 2006 als rechtswirksam bewirkt anzusehen.

3.3. Wirksamkeit der Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2005 vom 20. August 2008, der Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2006 vom 20. August 2008, der Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2007 vom 2. März 2009:

§ 8 Abs. 2 ZustG regelt die Folgen der Unterlassung der Mitteilung der Änderung der Abgabestelle in jenen Fällen, in denen die Behörde zwar vor der zu veranlassenden Zustellung - zB infolge eines fehlgeschlagenen Zustellversuchs - von der Änderung weiß, die neue Abgabestelle aber nicht kennt bzw kennen konnte. Diese Regelung ist von dem Gedanken getragen, dass die Unterlassung der Mitteilung dann zu Lasten der Partei geht, wenn die Behörde die geänderte Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten in Erfahrung bringen kann. Eine Partei, die der in § 8 Abs. 1 ZustG normierten Mitteilungspflicht nicht nachkommt, hat die Gefahr zu tragen, dass Zustellungen ohne Zustellversuch an ihrer früheren Abgabestelle erfolgen, weil ihre geänderte Abgabestelle für die Behörde nicht feststellbar war (VwGH 05.09.1994,  94120/0139 mwN; VwGH 22.01.2002, 99/09/0116). Es ist daher Sache der Partei, entsprechende Vorsorge zu treffen, dass dem Gericht im laufenden Verfahren ihre jeweilige korrekte Abgabestelle bekannt ist (OGH 28.03.2001, 9 Ob 296/00w).

Wird die Änderung iSd § 8 Abs. 1 ZustG der Behörde nicht unverzüglich mitgeteilt, darf nur nach § 8 Abs. 2 ZustellG hinterlegt werden. Voraussetzung (vgl VwGH 14.12.1994, 94/01/0135, 21.06.2001, 2001/20/0050; 17.10.2006, 2005/20/0217) für die als Zustellung geltende Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch nach § 8 Abs. 2 ZustG ist

Eine Hinterlegung gemäß § 8 ZustG bedarf einer entsprechenden behördlichen Anordnung gemäß § 23 Abs. 1 ZustG, welcher eine Prüfung der Voraussetzungen voranzugehen hat (vgl. VwGH 5.11.1984, 84/10/0176). Eine Hinterlegung ohne Zustellversuch gem. § 23 Abs. 1 ZustG bedeutet, dass eine Hinterlegung durchzuführen ist, ohne dass vorerst versucht werden müsste, den Empfänger an einer Abgabestelle anzutreffen. Keinesfalls kann aber auch auf die Hinterlegung selbst verzichtet werden. § 23 Abs. 1 ZustG spricht ausdrücklich davon, dass die hinterlegte Sendung bei der Behörde zur Abholung bereitzuhalten ist; gem Abs 2 ist die Hinterlegung von der Behörde "auf andere Weise"  (zB. durch Aktenvermerk; VwGH 21.10.1993, 91/15/0098) zu beurkunden.

Dem vorliegenden Akt ist aber nicht zu entnehmen, dass es überhaupt zu einer Hinterlegung der Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2005 vom 20. August 2008, der Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2006 vom 20. August 2008, der Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2007 vom 2. März 2009 (samt der Möglichkeit der Behebung der Sendung) gekommen ist. Die Schriftstücke wurde vielmehr von der belangten Behörde ohne weitere Veranlassung abgelegt. Dadurch wurde § 23 ZustG bei der Durchführung der gem § 8 Abs. 2 ZustG verfügten Zustellung durch Hinterlegung ohne Zustellversuch nicht eingehalten. Diese Zustellvorgänge konnten daher keine rechtmäßige Zustellung der Bescheide der belangten Behörde im Grunde des § 23 Abs. 4 ZustG bewirken (vgl. VwGH 8. 5. 1998, 96/19/1803).

3.4. Zur Wirksamkeit der Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2008 vom 5. November 2009:

Nach § 21 Abs. 2 ZustG hat der Zusteller die Wahl, ob er die Hinterlegungsanzeige an der Abgabestelle in einen Briefkasten, einen Briefeinwurfschlitz in der Wohnungstür oder ein Hausbrieffach einlegt. Es muss jedoch die objektive Gewähr gegeben sein, dass die Verständigung den Empfänger erreichen kann. Von einem für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten im Sinne des § 21 Abs. 2 ZustG kann nur dann gesprochen werden, wenn dieser Briefkasten nur einer Abgabestelle, und zwar der des Empfängers dient. Anderenfalls wäre nicht die die Zustellfiktion rechtfertigende Gewähr gegeben, ein durchschnittlich sorgfältiger Empfänger könne nach der Rückkehr an die Abgabestelle in den Besitz der Verständigung bzw. der Hinterlegungsanzeige kommen (vgl. OGH 28. 3. 2000, 1 Ob 247/99a, EvBl 2000/160). In einem solchen Fall ist, sofern auch die Zurücklassung an der Abgabestelle nicht möglich ist, die Verständigung an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen (VwGH 28.10.2003, 2003/11/0161). Dem Vorbringen des Bf., wonach sich an der Abgabestelle „N., E.-Straße 10" für die beiden Hausparteien je ein Briefkasten befunden hätte, ist entgegen zu halten, dass die Zustellung an die richtige Abgabestelle in „N., E.-Straße 22" erfolgte.

Den Angaben des Zustellers zu Folge, erfolgte der Einwurf der Hinterlegungsanzeige in ein Hausbrieffach. Der Bf. bestreitet nicht, dass eine Hinterlegungsanzeige an der Abgabestelle zurückgelassen wurde. Er vermutet bloß, dass diese Hinterlegungsanzeige in den ihm objektiv nicht zugänglichen Briefkasten einer Nachbarin eingelegt wurde, ohne diese Vermutung durch entsprechende Beweise zu stützen. Der Bf. meint in der Stellungnahme vom 1. Juli 2014 lediglich dazu, dass die Lebensgefährtin des Bf. als einzige Person, welche von diesem Vorgang Kenntnis gehabt hätte, genannt werden kann. Einen konkreten Beweisantrag zu diesem Thema hat der Bf. nicht gestellt, obwohl ihm aufgetragen wurde, seine Vermutung zu beweisen bzw. glaubhaft zu machen. Die Verwechslung des Hausbrieffaches durch den Zusteller wurde für den konkreten Zustellvorgang nicht behauptet, sondern lediglich vermutet. Die Verifizierung eines hypothetischen Sachverhaltes läuft auf die Erhebung eines Erkundungsbeweises hinaus, zu dessen Erhebung das Gericht nicht verpflichtet ist (vgl. VwGH 7.7.2011, 2008/15/0010). Vielmehr scheint die vom Bf. vermutete fehlerhafte Anbringung der Hinterlegungsanzeige lediglich eine Schutzbehauptung dahingehend zu sein, um die ordnungsgemäße Zustellung der Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2008 vom 5. November 2009 in Zweifel zu ziehen. Das Gericht geht daher in freier Beweiswürdigung davon aus, dass die Hinterlegungsanzeige ordnungsgemäß an der Abgabestelle hinterlassen wurde und daher der Zustellvorgang rechtswirksam war. Zudem hätte auch die verspätete Ausfolgung der Hinterlegungsanzeige nicht die Rechtswirksamkeit des Zustellvorganges bewirkt (vgl. VwGH 1.9.2005, 2005/20/0410).

3.5. Zur beantragten Wiederaufnahme der Verfahren betrteffend die Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2005 vom 20. August 2008, Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2006 vom 20. August 2008, Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2007 vom 2. März 2009:

Da die Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2005 vom 20. August 2008, die Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2006 vom 20. August 2008, die Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2007 vom 2. März 2009 nicht wirksam ergangen sind, kommt eine Wiederaufnahme des Verfahrens schon auf Grund des klaren Wortlautes des § 303 Abs. 1 BAO, wonach nur "ein mit Bescheid abgeschlossenes Verfahren" wieder aufgenommen werden kann, nicht in Betracht. Die Wiederaufnahme eines Verfahrens setzt ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren voraus. Die (formelle) Rechtskraft dieses Bescheides ist nicht erforderlich.

Demnach ist diesbezüglich die Abweisung des Wiederaufnahmeantrages durch die belangte Behörde rechtmäßig.

3.6. Zur beantragten Wiederaufnahme der Verfahren betreffend die Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2004 vom 21. Juni 2006 und die Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2008 vom 5. November 2009:

Den Wiederaufnahmegrund bestimmt bei der Wiederaufnahme auf Antrag die betroffene Partei. Sie gibt im Wiederaufnahmeantrag an, aus welchen Gründen sie eine Wiederaufnahme des Verfahrens als notwendig erachtet. Es berechtigen nur solche Tatsachen oder Beweismittel zur Wiederaufnahme, die beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, jedoch mangels Kenntniserlangung durch die Abgabenbehörde oder die Partei (§ 78 BAO) nicht berücksichtigt werden konnten. Ob diese Tatsachen oder Beweismittel „neu hervorgekommen“ sind, ist demnach aus der Sicht der jeweiligen Verfahrenspartei zu beurteilen. Umstände, die der Partei (§ 78 BAO) im Zeitpunkt der Entscheidung zwar bekannt, jedoch (etwa auf Grund einer Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht) bei der Bescheiderlassung nicht berücksichtigt werden konnten, bilden keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund für eine Wiederaufnahme auf Antrag der Partei (§ 78 BAO) (vgl. Fischerlehner, Abgabenverfahren (2013), § 303 Anm. 6).

Nach Ritz, (BAO5, 303 Tz 47) sei durch die Vereinheitlichung der Wiederaufnahms­voraussetzungen der Judikatur (zu § 303 Abs 1 BAO aF), wonach für die Wiederaufnahme auf Antrag die Wiederaufnahmsgründe für die Partei neu hervorkommen müssen (zB VwGH 26.2.2003, 97/13/0081) als Folge der Gesetzes­änderung „der Boden entzogen“. Diese Judikatur sei vom BMF abgelehnt worden.

Die Gesetzesmaterialien (RV 2007 BlgNR 24. GP ) enthielten keinen Hinweis, dass die Bundesregierung von der „offiziellen“ Rechts­auffassung des BMF abweichen wollte bzw dass sie die bisherige Rechtslage für die Wiederaufnahme auf Antrag (abgesehen vom Wegfall des Rechts­anspruches und der kürzeren Frist des § 304) dadurch parteifeindlicher gestalten wollte, dass sie die Wiederaufnahme auf Antrag de facto abschaffen wollte. Die Umstände seien der Partei idR an sich bekannt, sie unterlasse lediglich (ua versehentlich oder im Vertrauen auf die Rechtsrichtigkeit von Erlassaussagen des BMF) ihre Geltendmachung.

Dazu ist zu bemerken, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner jüngsten Rechtsprechung (VwGH 27.2.2014, 2011/15/0199) klarstellte, dass es nach österreichischem Verfassungsrecht nicht der Exekutive obliegt, Gesetze im formellen Sinn zu erlassen. Nach Art. 24 B-VG werde die Gesetzgebung des Bundes vom Nationalrat gemeinsam mit dem Bundesrat ausgeübt. Im Schoß der Exekutive gepflogene Überlegungen könnten nicht der Legislative zugerechnet werden.

Für die Erläuterungen in einer Regierungsvorlage gelte freilich Besonderes:
"Gemäß Art. 41 Abs. 1 B-VG gelangen Gesetzesvorschläge an den Nationalrat als Anträge seiner Mitglieder, des Bundesrates oder eines Drittels der Mitglieder des Bundesrates sowie als Vorlagen der Bundesregierung. Soweit die Erläuterungen einer Regierungsvorlage, die zu einem Gesetzesbeschluss des Gesetzgebers geführt hat, Darlegungen zur inhaltlichen Bedeutung der von der Regierung vorgeschlagenen verba legalia enthalten, können diese Darlegungen insofern der Interpretation des Gesetzestextes dienen, als sich (regelmäßig) aus dem Umständen ergibt, dass der Gesetzgeber von diesem Verständnis des von ihm beschlossenen Gesetzestextes ausgegangen ist. Demgegenüber sind vor bzw. außerhalb der Regierungsvorlage iSd Art. 41 Abs. 1 B-VG angestellte Überlegungen der Exekutive in der Regel nicht geeignet, den Inhalt des von Nationalrat und Bundesrat herbeigeführten Gesetzesbeschlusses auszuloten. In Bezug auf den Ministerialentwurf eines Gesetzes kommt dem Parlament verfassungsrechtlich nicht mehr als Beobachterstatus zu."

Die Gesetzesmaterialien (RV 2007 BlgNR 24. GP ) führen Folgendes aus:

"Zu Z 52 bis Z 56 (§§ 303, 303a, 304, 305 und 306 BAO)

Die Änderung der Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens dient nicht nur der Vereinfachung des Verfahrensrechts. Sie trägt auch rechtspolitischen (bzw. sogar verfassungsrechtlichen) Bedenken gegen die Unterschiede bei der Wiederaufnahme auf Antrag und jener von Amts wegen Rechnung. Ebenso wie auch bei den anderen Verfahrenstiteln der BAO (insbesondere bei den §§ 293, 293b, 295, 295a und 299 BAO) ist eine Harmonisierung der Rechtslage für amtswegige wie für antragsgebundene Wiederaufnahmen des Verfahrens sachgerecht.

Diese Harmonisierung betrifft auch die sich aus Verjährungsbestimmungen ergebende Befristung der Verfügung bzw. Bewilligung der Wiederaufnahme des Verfahrens.

Eine die Ermessensübung determinierende Verordnung des BM für Finanzen soll die Rechtssicherheit bzw. die Vorhersehbarkeit behördlicher Entscheidungen erhöhen.

Die Wiederaufnahme des Verfahrens dient grundsätzlich dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung; dies unabhängig davon, ob sie sich zu Gunsten des Abgabengläubigers oder zu Gunsten des Abgabenschuldners auswirkt. Sie darf somit (aus Ermessensüberlegungen) nur ausnahmsweise (insbesondere bei absoluter und relativer Geringfügigkeit der Auswirkungen, bei Vortäuschung von Aktiva in Gläubigerschädigungsabsicht, wiederholte vorsätzliche Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten, als Folge des Grundsatzes von Treu und Glauben oder bei Uneinbringlichkeit der aus ihr resultierenden Nachforderung) unterbleiben.

Der Wegfall des § 306 BAO erfolgt, weil dieser Bestimmung keine normative Bedeutung zukommt."

Gerade die Gesetzesmaterialien sprechen davon, dass die Novellierung des § 303 BAO den "rechtspolitischen (bzw. sogar verfassungsrechtlichen) Bedenken gegen die Unterschiede bei der Wiederaufnahme auf Antrag und jener von Amts wegen Rechnung" trägt. Diese Ausführungen bedeuten aber nicht, dass der Gesetzgeber der bisherigen vom BMF abgelehnten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegentreten wollte. Zur "offiziellen" Rechtsauffassung des BMF zu dieser Rechtsprechung verschweigen sich die Materialien, sodass daraus nichts zu gewinnen ist.

Die von den Gesetzesmaterialien angesprochene "Harmonisierung der Rechtslage für amtswegige wie für antragsgebundene Wiederaufnahmen des Verfahrens" ist eher gegeben, wenn Abgabenbehörde und Abgabepflichtiger in ihren Eingriffsmöglichkeiten in die Rechtskraft von Bescheiden gleichgestellt werden. Somit ist diese nach dem Willen des Gesetzgebers angestrebte Harmonisierung dann eher erreicht, wenn einerseits der Behörde bei der amtswegigen Wiederaufnahme Versäumnisse bei der Verwertung von im abgeschlossenen Verfahren ihr bekannten Beweisen und Tatsachen entgegen stehen und andererseits  die beantragte Wiederaufnahme insbesondere bei unter Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht gegenüber der Behörde verschwiegenen relevanten Beweise und Tatsachen nicht möglich ist.

Wenn Ritz davon spricht, dass eine derartige Sichtweise die Wiederaufnahme "parteifeindlicher gestalte" oder "die Wiederaufnahme auf Antrag de facto abschaffen wollte", übersieht er, dass das Ziel des Gesetzgebers offenbar die Harmonisierung zwischen amtswegiger und beantragter Wiederaufnahme war. Es gibt auch Tatsachen und Beweismittel, von denen der Abgabepflichtige im abgeschlossenen Verfahren keine Kenntnis hatte. Derartige Tatsachen und Beweismittel würden jedenfalls zur Wiederaufnahme auf Antrag berechtigen. Die von Ritz vertretene Rechtsauffassung läuft hingegen de facto darauf hinaus, dass der die Wahrheits- und Offenlegungspflicht verletzende Abgabepflichtige bis zum Eintritt der Verjährung jederzeit die Möglichkeit hat, in die Rechtskraft von Bescheiden einzugreifen. Dies bedeutet de facto eine Verlängerung der Rechtsmittelfrist bis zum Ablauf der Verjährung. Eine deratige Erweiterung der Eingriffsmöglichkeiten in die Rechtskraft von Bescheiden erscheint auch verfassungsrechtlich bedenklich, zumal dadurch das rechtsstaatliche Prinzip, dessen Ausfluss die Rechtskraftwirkung von Bescheiden ist, einseitig zu Gunsten des Abgabepflichtigen untergraben wird. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtslage vor dem 1.1.2014, wonach für die Wiederaufnahme auf Antrag die Wiederaufnahmsgründe für die Partei neu hervorkommen müssen (zB VwGH 26.2.2003, 97/13/0081), ist nach Ansicht des Senates entgegen der Auffassung von Ritz trotz der Novellierung der Wiederaufnahmebestimmungen im Abgabenverfahrensrecht nach wie vor im Wortlaut des neuen § 303 Abs. 1 BAO gedeckt, sodass sich das Gericht der Sichtweise von Ritz nicht anschließen kann.

Der erkennende Senat folgt der sich an der bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes orientierenden Rechtsauffassung Fischerlehners, wonach Umstände, die der Partei (§ 78 BAO) im Zeitpunkt der Entscheidung zwar bekannt, jedoch (etwa auf Grund einer Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht) bei der Bescheiderlassung nicht berücksichtigt werden konnten, keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund für eine Wiederaufnahme auf Antrag der Partei (§ 78 BAO) bilden (vgl. Fischerlehner, Abgabenverfahren (2013), § 303 Anm. 6).

Im konkreten Fall macht der Bf. als Wiederaufnahmegrund geltend, dass im Zuge einer Besprechung des steuerlichen Vertreters mit dem Bf. am 12. Mai 2011 festgestellt wurde, dass Aufzeichnungen über die Einnahmen und über die Ausgaben vorliegen und nicht im Zuge einer Übersiedlung verloren gegangen wären. Nach dem Tod des Vaters des Bf. seien anlässlich der Wohnungsräumung Ende April 2011 die bisher verloren geglaubten Unterlagen der Jahre 2004 bis 2007 und ein Großteil der Belege des Jahres 2008 in einem Kellerabteil vorgefunden worden.

Taugliche Wiederaufnahmegründe sind etwa neu hervorgekommene Aufzeichnungen (vgl. Ritz, BAO 5, § 303 Tz. 22) und Belege. Nach eigenen Angaben des Bf. ist er im Februar 2006 von Z., S-Straße 24 nach G., F.-Straße 36 und andererseits im Februar 2008 von G., F.-Straße 36 nach N., E.-Straße 22 verzogen. Abgelegt wurden die Belege über die Einnahmen und über die Ausgaben nach den Angaben in der Stellungnahme vom 1. Juli 2014 chronologisch. Diese wurden in einem Kellerabteil in O., L.-Straße 9 gelagert. Nach diesen Schilderungen hat der Bf. offenbar von 2004 bis 2008 Belege gesammelt, diese nur nicht dem Finanzamt offengelegt. Wenn über einen so langen Zeitraum Belege gesammelt und "chronologisch abgelegt" werden, erscheint es wenig glaubwürdig, dass diese Unterlagen einmal verloren gehen und dann plötzlich im Zuge einer Wohnungsräumung wieder auftauchen. Vielmehr hatte der Bf. offenbar über den gesamten Zeitraum hinweg zwar Kenntnis von seiner steuerpflichtigen Tätigkeit und sammelte entsprechende Belege, fand es aber nicht für notwendig, diese dem Finanzamt gegenüber offenzulegen. Die Geschichte mit den zwischenzeitig verloren geglaubten Unterlagen ist als typische Schutzbehauptung anzusehen, um einen Wiederaufnahmegrund für die abgeschlossenen Verfahren zu konstruieren. Eigenartig ist auch, dass diese Unterlagen und Belege in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Gespräch mit dem steuerlichen Vertreter aufgefunden wurden. In freier Beweiswürdigung geht der erkennende Senat davon aus, dass die Unterlagen der Jahre 2004 bis 2007 und ein Großteil der Belege des Jahres 2008 dem Bf. immer zur Verfügung gestanden sind, er diese lediglich in Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht dem Finanzamt nicht bekannt gegeben hat. Umstände, die der Partei (§ 78 BAO) im Zeitpunkt der Entscheidung zwar bekannt, jedoch (etwa auf Grund einer Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht) bei der Bescheiderlassung nicht berücksichtigt werden konnten, bilden keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund für eine Wiederaufnahme auf Antrag der Partei (§ 78 BAO). Demnach ist die Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme der Verfahren betreffend die Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2004 vom 21. Juni 2006 und die Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für 2008 vom 5. November 2009 nicht rechtswidrig.

Zulässigkeit einer Revision

Gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall fehlt eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den §§ 303 und 304 der Bundesabgabenordnung idF des FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, daher ist eine Revision zulässig.

 

Linz, am 10. Juli 2014

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 18 Abs. 1 Z 1 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 23 Abs. 1 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 8 Abs. 2 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 304 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Verweise:

VfGH 28.09.2011, B1129/10
VwGH 26.02.2003, 97/13/0081
VwGH 27.09.2012, 2012/16/0090
VwGH 27.09.2012, 2010/16/0206
VwGH 27.02.2014, 2011/15/0199

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