BFG RV/5100069/2021

BFGRV/5100069/20214.5.2021

Familienbonus Plus eines Grenzgängers nach Deutschland für das dort lebende Kind.

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2021:RV.5100069.2021

 

Beachte:
Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2021/15/0067. Mit Erk. v. 6.4.2022 als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Michael Mandlmayr in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch August Proßegger, Fichtenweg 3 Tür 1, 5122 Hochburg-Ach, über die Beschwerde vom 15. Oktober 2020 gegen den Bescheid des Finanzamtes Braunau Ried Schärding vom 29. September 2020 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019, Steuernummer ***BF1StNr1*** ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind der Berechnung der Einkommensteuer am Ende von Pkt. 3.1 der Begründung zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

 

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (in der Folge kurz Bf) hat seinen Wohnsitz an der oben angeführten Adresse in Österreich und arbeitet als Grenzgänger in Deutschland.
In der mit FinanzOnline am 8. Mai 2020 elektronisch eingebrachten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019 machte Bf durch Eintragung von "J" und "1" in die dafür vorgesehenen Felder den Alleinerzieherabsetzbetrag geltend und teilte mit, für ein Kind Familienbeihilfe zu beziehen.


 

In der Beilage L1k machte Bf für seine 2 Söhne den Familienbonus Plus (FABO) geltend:

 

**SÄ** geb. 1997

**SJ** geb. 2002

Wohnsitzstaat des Kindes

Österreich

Deutschland

Unterhaltsleistungen des Bf im Jahr 2019

 

5.400 € (450/M)

Bf ist Bezieher Familienbeihilfe

ja

nein

Bf beantragt Familienbonus Plus (FABO)

ganz

ganz

Auswärtige Berufsausbildung des Kindes

12 Monate

 

Am 12. Mai 2020 langten beim Finanzamt folgende ergänzende Unterlagen ein:
- Bescheinigung der Familienkasse Bayern Süd vom 27. April 2020 an die in Deutschland
lebende Kindesmutter über den laufenden Bezug von Kindergeld von monatlich 204,00 € für
den in Deutschland lebenden jüngeren Sohn
- Antrag des seit 1. September 2004 geschiedenen Bf vom 6. Mai 2020 an sein Wohnsitzfinanzamt auf Zuerkennung der Familienbeihilfe ab 1. September 2017 für den in Österreich lebenden älteren Sohn wegen dessen Studiums

Mit Schreiben vom 8. Juni 2020 forderte das Finanzamt Bf sinngemäß auf, die Höhe des festgesetzten aktuellen Unterhalts durch Vorlage des Beschlusses des Bezirksgerichtes oder Niederschrift bei der Jugendwohlfahrt und dessen lückenlose Zahlung nachzuweisen und die aktuelle Wohnadresse des nicht haushaltszugehörigen Kindes bekannt zu geben.
Der Familienbonus Plus (FABO) stehe nur dann zu, wenn in Österreich für das Kind die Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) gewährt wird.
Bf möge die Kindesmutter veranlassen, einen "Antrag auf Gewährung einer Ausgleichszahlung/Differenzzahlung" (Formular Beih 38) beim Finanzamt einzureichen.
Für Unterhaltsleistungen an volljährige Kinder, für die keine Familienbeihilfe (bzw. deutsches Kindergeld) ausbezahlt wird, stehe gem. § 34 Abs. 7 Z 5 EStG 1988 kein Unterhaltsabsetzbetrag zu. Daher sei eine Bestätigung vorzulegen, dass für den volljährigen Sohn des Bf noch laufend Kindergeld bezogen werde.

Mit Einkommensteuerbescheid 2019 vom 29. September 2020 veranlagte das Finanzamt Bf mit den aus seiner Tätigkeit in Deutschland erzielten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit unter Berücksichtigung der Kosten für die auswärtige Berufsausbildung eines Kindes als ao Belastung mit einem Einkommen von 82.860,44 € und setzte die Einkommensteuer unter Abzug des ganzen Familienbonus Plus von 500,16 € (für den über 18-jährigen in Österreich bei Bf lebenden älteren Sohn) und des Alleinerzieherabsetzbetrages von 494,00 € mit 28.947,00 € fest, woraus sich durch die Einkommensteuervorauszahlungen von insgesamt 29.920,00 € eine Abgabengutschrift von 973,00 € ergab.
Zur Begründung wurde - offensichtlich mangels Erfüllung der Anforderungen des Vorhaltes vom 8. Juni 2020 - sinngemäß ausgeführt, mangels Erhalts der angeforderten Unterlagen, sei nur die Berücksichtigung im nachgewiesenen Ausmaß möglich gewesen.

Mit am 15. Oktober 2020 mit FinanzOnline elektronisch gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 erhobener Beschwerde beantragte Bf sinngemäß mit folgender Begründung die Berücksichtigung des Unterhaltsabsetzbetrages und des Familienbonus Plus für den in Deutschland lebenden jüngeren Sohn:
In der Anlage werde die Festsetzung des Unterhalts mit 448,00 € aus dem Jahr 2008 übermittelt. Aus den angeschlossenen Bankdaten sei die monatliche Zahlung von 500,00 € im Jahr 2019 ersichtlich.
Die Wohnadresse des in Deutschland lebenden jüngeren Sohnes habe sich nicht geändert.
Im Ergänzungsersuchen vom 8. Juni 2020 werde für die Geltendmachung des FABO Plus ein Antrag der Kindesmutter mit dem Formular Beih 38 gefordert.
Die Kindesmutter könne einen derartigen Antrag gar nicht stellen, weil sie in Österreich nicht steuerpflichtig sei. Sollte diese Eingabe in der EDV erforderlich sein, so habe das Finanzamt dies zu überwinden ("übersteuern"). Der FABO werde nur über die Versicherungsnummer des Kindes gesteuert und kontrolliert. Für den FABO sei nur der Nachweis der Zahlung des Kindergeldes und des Unterhalts für dieses Kind und, dass kein anderer den FABO beantragt hat, erforderlich.
Der Beschwerde waren folgende Beilagen angeschlossen
- mit dem Programm George der Sparkasse erstellter Kontoauszug, wonach Bf 2019 monatlich
500,00 € Alimente mit der Bezeichnung Unterhalt überwiesen hat
- Schreiben der Bf vertretenden Rechtanwaltskanzlei vom 18. Juli 2008 an die von Bf
geschieden Gattin, wonach der von Bf für den bei der Mutter in Deutschland lebenden
jüngeren Sohn monatlich 448,00 € Unterhalt zu zahlen hat. Nach dem mit 1.1.2008 in Kraft
getretenen Unterhaltsänderungsgesetz sei die betreuende Mutter bereits ab dem 3.
Lebensjahr eines Kindes verpflichtet, berufstätig zu sein. Bf sei deshalb ab September 2008
nicht mehr zur Leistung eines Unterhalts für seine geschiedene Ehegattin verpflichtet.
- Bestätigung betreffen Anmeldung der geschiedenen Gattin des Bf und deren beider Söhne am
27. Juni 2006 am Arbeitsort des Bf in Deutschland
- Die bereits oben erwähnte, am 12. Mai 2020 beim Finanzamt eingelangte Bescheinigung der
Familienkasse Bayern Süd vom 27. April 2020

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 12. Jänner 2021 änderte das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 2019 sinngemäß im Wesentlichen mit folgender Begründung durch Berücksichtigung des Unterhaltsabsetzbetrages von 341,28 € ab, wodurch sich bei unverändertem Einkommen von 82.860,44 € eine gerundete Einkommensteuer von 28.606,00 € und eine Abgabengutschrift von 341,00 € ergaben:
Der Familienbonus Plus stehe gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 nur für ein Kind zu, für das Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) in Österreich gewährt wird. Bisher sei für das Kind, das im EU-Raum lebt, kein Antrag auf Familienbeihilfe gestellt worden, sodass in Österreich keine Überprüfung des Anspruchs auf Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) erfolgen könne. Erst wenn positiv über einen Anspruch auf Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) abgesprochen worden sei, könne der Familienbonus Plus für ein Kind im EU-Raum berücksichtigt werden.
Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 in der ab 1. Mai 2010 gültigen Fassung regle, welcher Mitgliedstaat für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen vorrangig zur Gewährung der im jeweiligen Hoheitsgebiet vorgesehenen Familienleistungen verpflichtet ist. Vorrangig müsse grundsätzlich jener Mitgliedstaat die Familienleistungen gewähren, in dem eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird.
Sind die Elternteile in verschiedenen Mitgliedstaaten erwerbstätig, treffe die vorrangige Verpflichtung zur Gewährung der Familienleistungen jenen Mitliedstaat, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen.
Sind die Familienleistungen im anderen Mitgliedstaat höher, bestehe dort gegebenenfalls ein Anspruch auf Gewährung des Unterschiedsbetrages (Art. 68 der Verordnung EG Nr. 883/2004).
Werde in jenem Mitgliedstaat, der vorrangig zur Gewährung der Familienleistungen verpflichtet ist, kein Antrag gestellt, so könne der andere Mitgliedstaat dennoch jene Leistungen, die bei Antragstellung gewährt worden wären, bei der Berechnung des Unterschiedsbetrages berücksichtigen.

Der Familienwohnsitz der Kindesmutter und des Kindes (jüngerer Sohn) befinde sich in Deutschland. Bf sei in Deutschland beschäftigt. Es werde somit weder von der Kindesmutter noch von Bf eine Beschäftigung in Österreich ausgeübt.
Der Familienbonus Plus für den in Deutschland lebenden Sohn des Bf könne daher nicht berücksichtigt werden.

Bf stellte am 30. Jänner 2021 mit FinanzOnline elektronisch einen Vorlageantrag und führte ergänzend sinngemäß im Wesentlichen Folgendes aus:
Mit der Beschwerdevorentscheidung vom 12. Jänner 2021 sei die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 betreffend den Familienbonus für den in Deutschland lebenden jüngeren Sohn mit der Begründung abgewiesen worden, dass weder die Kindesmutter noch Bf eine Beschäftigung in Österreich ausüben.
Der Beschäftigungsort sei jedoch überhaupt keine Voraussetzung für die Gewährung des FABO+. Bf sei seit1993 in Deutschland bei der ***FirmaD*** in ***ArbeitsortD*** beschäftigt und versteuere als Grenzgänger sein Einkommen in Österreich.
Mit der Versteuerung des Einkommens in Österreich seien die Voraussetzungen für den FABO+ erfüllt. Bf habe die Unterhaltszahlungen nachgewiesen. Deshalb habe das Finanzamt den Unterhaltsabsetzbetrag für den in Deutschland lebenden jüngeren Sohn gewährt.
Es sei nicht nachvollziehbar, warum dann der FABO+ nicht gewährt wird.
Bf stehe als Unterhaltszahler der Familienbonus in voller Höhe zu.
Im fernen Ministerium in Wien habe man die Probleme im Grenzraum nicht bedacht.
Das Finanzamt habe bestätigt, dass der Familienbonus über die Versicherungsnummer des Kindes kontrolliert wird:
Die österreichische Gesundheitskasse vergibt für die betreffenden Kinder auf Anforderung die Versicherungsnummer. Über die Versicherungsnummer des Kindes kann die Anerkennung einer Doppelbeantragung durch die Mutter und den Unterhaltszahler ausgeschlossen werden.

Ein Antrag auf Differenzzahlung (Beih38) betreffend Familienbeihilfe sei im Gesetz nirgends festgelegt. Der Gesetzgeber habe es bis heute nicht geschafft, eine einfache und praktikable Lösung bei Unterhaltszahlungen über die Grenze im Verordnungsweg niederzuschreiben.
Es wäre höchste Zeit, dass sich die Beamten in Wien die Probleme der eigenen Mitarbeiter bei den Finanzämtern an der Grenze anhören.

Die Verweigerung des Familienbonus an den Steuerpflichtigen verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz und würde vor dem Verfassungsgerichtshof niemals standhalten.

Im Vorlagebericht vom 5. Feber 2021 beantragte das Finanzamt das Finanzamt die Abweisung der Beschwerde betreffend den Familienbonus Plus des in Deutschland lebenden Sohnes des Bf und führte dazu sinngemäß im Wesentlichen Folgendes aus:
Sachverhalt:
Bf beantrage für den mit der Kindesmutter in Deutschland lebenden jüngeren Sohn den FABO Plus. Bf und die Kindesmutter seien in Deutschland beschäftigt. Es werde somit weder von der Kindesmutter noch von Bf eine Beschäftigung in Österreich ausgeübt
Der Familienbonus plus könne für den in Deutschland lebenden Sohn deshalb nicht berücksichtigt werden.
Stellungnahme:
Es werde beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Familienbonus Plus stehe gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 nur für ein Kind zu, für das Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) in Österreich gewährt wird. Bisher sei für das Kind, das im EU-Raum lebt, kein Antrag auf Familienbeihilfe gestellt worden, sodass eine Überprüfung des Anspruchs auf Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) in Österreich nicht erfolgen könne. Erst wenn positiv über einen Anspruch auf Familienbeihilfe (Ausgleichs- oder Differenzzahlung) abgesprochen wurde, könne der Familienbonus Plus für ein Kind im EU-Raum berücksichtigt werden.
Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 in der ab 1. Mai 2010 gültigen Fassung regle, welcher Mitgliedstaat für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen vorrangig zur Gewährung der im jeweiligen Hoheitsgebiet vorgesehenen Familienleistungen verpflichtet ist. Vorrangig müsse grundsätzlich jener Mitgliedstaat die Familienleistungen gewähren, in dem eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird.
Sind die Elternteile in verschiedenen Mitgliedstaaten erwerbstätig, treffe die vorrangige Verpflichtung zur Gewährung der Familienleistungen jenen Mitgliedsstaat, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen.
Sind die Familienleistungen im anderen Mitgliedsstaat höher, bestehe dort gegebenenfalls ein Anspruch auf Gewährung des Unterschiedsbetrages (Artikel 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004). Wird in jenem Mitgliedstaat, der vorrangig zur Gewährung von Familienleistungen verpflichtet ist, kein Antrag gestellt, so könne der andere Mitgliedsstaat dennoch jene Leistungen, die bei Antragstellung gewährt worden wären, bei der Berechnung des Unterschiedsbetrages berücksichtigen.
Der Familienbonus plus könne daher für den in Deutschland lebenden Sohn nicht berücksichtigt werden.

Mit E-Mail vom 17. März 2021 übermittelte der Steuerberater des Bf dem erkennenden Gericht den Vorlagebericht vom 5. Februar 2021 und das in der FINDOK in anonymisierter Form veröffentlichte Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts, BFG 1.12.2020, RV/5101183/2020, und wies sinngemäß auf Folgendes hin:
Im beim Bundesfinanzgericht anhängigen gegenständlichen Verfahren sei im Vorlageantrag noch der Familienbonus für den in Deutschland lebenden Sohn, für den Bf den Unterhalt bezahlt habe, strittig.
Zu dieser Rechtslage sei bereits am 1.12.2020 das Erkenntnis des BFG zu RV/ 5101183/2020, mit folgender Kernaussage ergangen:
Steht dem Unterhaltszahler der Unterhaltsabsetzbetrag zu, dann steht ihm auch der Familienbonus zu. Es ist völlig unerheblich, ob ein Antrag auf Ausgleichszahlung oder Differenzzahlung gestellt wurde.
Diese Entscheidung sei (Zusatz des erkennenden Gerichts: im gegenständlichen Verfahren bei Erlassung der Beschwerdevorentscheidung) entweder dem Finanzamt Braunau nicht bekannt gewesen oder nicht berücksichtigt worden.
Beim entschiedenen Fall sei der Unterhaltszahler in Österreich beschäftigt gewesen und das unterhaltsberechtigte Kind habe in Deutschland gewohnt.
Der einzige Unterschied des gegenständlichen Falles des Bf zum vom BFG entschiedenen Fall bestehe darin, dass Bf in Österreich wohnt und auch seine aus der Arbeit in Deutschland resultierenden Einkünfte versteuert.
Trotz dieser unterschiedlichen Sachlage müsse der Familienbonus auch im gegenständlichen Fall zustehen.
Somit müsse das BFG zur gleichen Entscheidung wie im Erkenntnis vom 1. Dezember 2020 kommen.

Mit Telefax vom 19. März 2021 erteilte der Steuerberaters des Bf die Zustimmung zur Bescheidaufhebung des Finanzamtes gemäß § 300 Abs. 1 BAO und stellte klar, dass seine Vertretungsvollmacht die Zustellung nicht umfasst.

Mit Beschluss vom 19. März 2021 übermittelte das erkennende Gericht dem Finanzamt diese Zustimmungserklärung und räumte ihm eine Frist zur Aufhebung des bekämpften Bescheides und Erlassung eines der Beschwerde entsprechenden Bescheides von sechs Wochen ein, weil sich der Spruch des bekämpften Bescheides - in Ansehung des Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichtes BFG 1.12.2020, RV/5101183/2020, als nicht richtig erweist.

Mit E-Mail vom 14. April 2021 wurde dazu seitens des Finanzamtes mitgeteilt, das Finanzamt werde keinen Bescheid iSd § 300 BAO erlassen.
Für den jüngeren, in Deutschland lebenden Sohn stehe keine Familienbeihilfe zu:
Es werde auf das Erkenntnis BFG RV/5101217/2020, hingewiesen - somit bestehe auch kein Anspruch auf den Familienbonus Plus:
"Gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 steht der Familienbonus Plus für ein Kind zu, für das Familienbeihilfe nach dem FLAG gewährt wird. Aufgrund der gewählten (und insoweit mit § 33 Abs. 3 übereinstimmenden) Textierung reicht der Anspruch auf Familienbeihilfe nicht aus, die Familienbeihilfe muss vielmehr gemäß § 10 FLAG beantragt (soweit die Gewährung nicht gemäß § 10a FLAG automatisch erfolgt) und auch tatsächlich gewährt werden."
Sollte der Beschwerde stattgegeben werden, werde vom Finanzamt vermutlich eine Revision erhoben werden.

 

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (in der Folge kurz Bf) hat seinen Wohnsitz an der oben angeführten Adresse in Österreich und arbeitet in Deutschland. Der Wohnort in Österreich und der Arbeitsort in Deutschland, von dem Bf täglich an seinen Wohnsitz in Österreich zurückkehrt befinden sich in der Nähe der gemeinsamen Grenze und sind weniger als 10 km von einander entfernt.
Aus dieser Tätigkeit als Grenzgänger bezog 2019 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ohne Steuerabzug von 84.523,44 €.

Der seit 2006 geschiedene Bf hat zwei Söhne. Im Beschwerdejahr 2019 bestand folgende Lage:
Der ältere, 1997 geborene Sohn **SÄ** lebte beim Bf in Österreich. Für ihn bezog Bf Familienbeihilfe.
Für diesen Sohn wurde vom Finanzamt bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 2019 der Alleinerzieherabsetzbetrag von 494,00 € und die von Bf beantragten Kosten für die auswärtige Berufsausbildung gem. § 34 Abs. 8 EStG 1988 von 1.320,00 € (110,00 € x 12) sowie der ganze Familienbonus Plus für über 18-jährige mit 500,16 € (41,68 € x 12) berücksichtigt.

Der jüngere, 2002 geborene Sohn **SJ** lebte bei seiner Mutter in Deutschland, die für ihn in Deutschland ein monatliches Kindergeld von 204,00 € bezog, während Bf für diesen Sohn einen monatlichen Unterhalt von 500,00 € bezahlte.

Bf und seine beiden Söhne sind österreichische Staatsbürger. Die geschiedene Gattin ist hingegen Staatsbürgerin von Deutschland.

Im bekämpften Einkommensteuerbescheid 2019 versagte das Finanzamt die Anerkennung des von Bf in der Einkommensteuererklärung als Unterhaltszahler für den jüngeren, in Deutschland lebenden Sohn geltend gemachten Unterhaltsabsetzbetrages und ganzen Familienbonus Plus.

In der teilweise stattgebenden Beschwerdevorentscheidung berücksichtigte das Finanzamt den Unterhaltsabsetzbetrag, jedoch nicht den Familienbonus Plus.

Beweiswürdigung

Wohnort und Arbeitsort sind unstrittig und gehen aus dem Akteninhalt, insbesondere dem Lohnzettel und der Erklärung des Bf zur Arbeitnehmerveranlagung hervor.
Die Grenznähe von Wohnsitz und Arbeitsort des Bf ist durch das ausgedruckte Ergebnis der vom erkennenden Gericht erstellten Anfrage an den Routenplaner belegt.
Die Höhe der unstrittigen nichtselbständigen Einkünfte ist durch einen Lohnzettel und den bekämpften Bescheid belegt.

Die Daten betreffend den älteren, in Österreich lebenden Sohn sind ebenso unstrittig und durch den Akteninhalt, insbesondere die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung, und das von Bf für seinen Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe ausgefüllte Formular Beih 100-PDF sowie den bekämpften Bescheid belegt.

Die Daten betreffend den jüngeren, in Deutschland lebenden Sohn sind ebenso unstrittig und durch den Akteninhalt, insbesondere die Bescheinigung der Familienkasse Bayern Süd, das Schreiben der Rechtsanwaltskanzlei und die Kontoauszüge des Bf betreffend Überweisung des Unterhalts, die Meldebestätigung für die geschiedene Gattin und den bei ihr lebenden jüngeren Sohn am Arbeitsort des Bf in Deutschland und die entsprechende Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung belegt.

Die Staatsangehörigkeit der genannten Personen ergibt sich aus den vom erkennenden Gericht erstellten Ausdrucken des Ergebnisses der Anfragen an das Zentrale Melderegister.

Der bekämpfte Bescheid und die Beschwerdevorentscheidung sind Bestandteil der dem erkennenden Gericht elektronisch übermittelten Akten.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Besteuerungsrecht an Arbeitseinkünften des Grenzgängers als Ausnahme

Bf unterliegt auf Grund seines Wohnsitzes in Österreich gem. § 1 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. 1988/400 (EStG 1988) mit allen in- und ausländischen Einkünften, wozu gem. § 2 Abs. 3 Z 4 EStG 1988 auch der Arbeitslohn aus nichtselbständiger Arbeit iSd § 25 zählt, in Österreich der Einkommensteuer.

Auf Grund des Art. 15 Abs. 6 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland vom 24. August 2000, BGBl. III Nr. 182/2002 idF des Abänderungsprotokolls vom 29. Dezember 2010, BGBl. III Nr. 32/2012 (DBA BRD), verbleibt Österreich - abweichend von der Grundregel des Art. 15 Abs. 1 , wonach dem Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht zukommt - für in Österreich wohnende Grenzgänger das Besteuerungsrecht für den Arbeitslohn aus deren Tätigkeit in Deutschland.
Grenzgänger ist nach Art. 15 Abs. 6 des DBA BRD nämlich eine Person, die jeweils in der Nähe der Grenze in dem einen Staat ihren Wohnsitz und im anderen Staat ihren Arbeitsort hat (Z 1) und täglich von ihrem Arbeitsort an ihren Wohnort zurückkehrt (Z 2).
Nach Abs. 8 des Schlussprotokolls zu Art. 15 Abs. 6 des DBA BRD gilt als Nähe der Grenze die Lage in einer Zone von je 30 km beiderseits der Grenze.
Da nach obigen Feststellungen die Voraussetzungen der Grenznähe (Wohnsitz in Österreich und Arbeitsort in Deutschland nicht einmal 10 km voneinander entfernt) und tägliche Rückkehr vom Arbeitsort zum Wohnsitz erfüllt sind, verbleibt Österreich das Besteuerungsrecht aus dem Arbeitslohn des Bf für seine Tätigkeit in Deutschland.

Steuerbegünstigungen Familienbonus Plus und Unterhaltsabsetzbetrag

Gemäß § 33 Abs. 2 EStG 1988 in der für das Veranlagungsjahr 2019 anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 103/2019 sind von dem sich nach Abs. 1 ergebenden Betrag der Einkommensteuer Absetzbeträge in folgender Reihenfolge abzuziehen (Fettdruck durch das erkennende Gericht):

  1. 1. Der Familienbonus Plus gemäß Abs. 3a; der Familienbonus Plus ist insoweit nicht abzuziehen, als er jene Steuer übersteigt, die auf das gemäß Abs. 1 zu versteuernde Einkommen entfällt.
  2. 2. Die Absetzbeträge nach Abs. 4 bis 6.

§ 33 Abs. 3a EStG 1988 lautet:
Für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, steht auf Antrag ein Familienbonus Plus nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu:
1. Der Familienbonus Plus beträgt
a) bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden
Kalendermonat 125 Euro;
b) nach Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden
Kalendermonat 41,68 Euro.

2. Abweichend von Z 1 ist für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, die Höhe des Familienbonus Plus sowie der Absetzbeträge gemäß Abs. 4 auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnen Mitgliedstaat der EU, jede Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes und die Schweiz im Verhältnis zu Österreich zu bestimmen:

a) Die Höhe des Familienbonus Plus und der Absetzbeträge gemäß Abs. 4 ist ab 1. Jänner 2019 auf Basis der zum Stichtag 1. Juni 2018 zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen. Die Höhe ist in der Folge jedes zweite Jahr auf Basis der zum Stichtag 1. Juni des Vorjahres zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen.

b) Der Bundesminister für Finanzen hat die Berechnungsgrundlagen und die Beträge mit Verordnung bis spätestens 30. September nach dem Stichtag gemäß lit. a kundzumachen.

3. Der Familienbonus Plus ist in der Veranlagung entsprechend der Antragstellung durch den Steuerpflichtigen wie folgt zu berücksichtigen:

a) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat kein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:

- Beim Familienbeihilfenberechtigten oder dessen (Ehe-)Partner der nach Z 1 oder Z 2
zustehende Betrag oder

- beim Familienbeihilfenberechtigten und dessen (Ehe-)Partner jeweils die Hälfte des nach Z 1
oder Z 2 zustehenden Betrages.

b) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:

- Beim Familienbeihilfenberechtigten oder vom Steuerpflichtigen, dem für das Kind der
Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder

- beim Familienbeihilfenberechtigten und dem Steuerpflichtigen, dem für das Kind der
Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden
Betrages.

Für einen Monat, für den kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht dem Unterhaltsverpflichteten kein Familienbonus Plus zu.

c) Die Aufteilung des Familienbonus Plus gemäß lit. a und b ist bei gleichbleibenden Verhältnissen für das gesamte Kalenderjahr einheitlich zu beantragen. Wird von den Anspruchsberechtigten die Berücksichtigung in einer Höhe beantragt, die insgesamt über das nach Z 1 oder Z 2 zustehende Ausmaß hinausgeht, ist jeweils die Hälfte desmonatlich zustehenden Betrages zu berücksichtigen.

d) Der Antrag kann zurückgezogen werden. Ein Zurückziehen ist bis fünf Jahre nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides möglich und gilt nach Eintritt der Rechtskraft als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a der Bundesabgabenordnung sowohl für den Zurückziehenden als auch für den anderen Antragsberechtigten gemäß lit. a oder b. Wird der Antrag zurückgezogen, kann der gemäß lit. a oder b andere Antragsberechtigte den ganzen nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrag beantragen.

6. In der Steuererklärung ist die Versicherungsnummer (§ 31 ASVG) oder die persönliche Kennnummer der Europäischen Krankenversicherungskarte (§ 31a ASVG) jedes Kindes, für das ein Familienbonus Plus beantragt wird, anzugeben.

7. Der Bundesminister für Finanzen hat die technischen Voraussetzungen für die Berücksichtigung des Familienbonus Plus im Rahmen der Veranlagung zur Verfügung zu stellen.

Gemäß § 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, die für ein Kind den gesetzlichen Unterhalt leisten, ein Unterhaltsabsetzbetrag von 29,20 Euro monatlich zu, wenn

Gemäß § 33 Abs. 4 Z 4 EStG 1988 bestimmt sich abweichend von Z 1 bis 3 die Höhe der Absetzbeträge für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten , nach Abs. 3a Z 2 . Steht ein Absetzbetrag für mehrere Kinder zu und halten sich diese in unterschiedlichen Ländern auf, sind zuerst ältere vor jüngeren anspruchsvermittelnden Kindern zu berücksichtigen.

 

Erwägungen

Folgende Überlegungen sind - in modifizierter Form - teilweise dem bereits erwähnten Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts, BFG 1.12.2020, RV/5101183/2020, entnommen.

Die zitierten Bestimmungen bedeuten für den gegenständlichen Fall Folgendes:

Unterhaltsabsetzbetrag für den in Deutschland lebenden jüngeren Sohn

Dass Bf für den in Deutschland lebenden jüngeren Sohn der Unterhaltsabsetzbetrag nach § 33 Abs. 4 Z 4 EStG 1988 zusteht, hat das Finanzamt durch Abzug des Betrages von 341,28 € unter der Bezeichnung Unterhaltsabsetzbetrag, ohne dies zu begründen in der Beschwerdevorentscheidung konzediert.
Die Zahlung des Unterhalts durch Bf für diesen, nicht seinem Haushalt zugehörigen Sohn, für den er auch keine Familienbeihilfe bezieht, ist nach obigen Feststellungen erwiesen.
Der Beschwerde ist deshalb in diesem Punkt berechtigt.

Familienbonus Plus für den in Deutschland lebenden jüngeren Sohn

Der in Österreich ansässige Bf unterliegt nach obigen Ausführungen mit seinen in Deutschland als Grenzgänger erzielten nichtselbständigen Einkünften der Einkommensteuer in Österreich - somit österreichischen Rechtsvorschriften.
Anspruch auf Familienbeihilfe haben gemäß § 2 Abs. 1 FLAG Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.
Gemäß § 2 Abs. 2 zweiter Satz FLAG hat eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach § 2 Abs. 2 ersterSatz FLAG anspruchsberechtigt ist (vgl. VwGH 22.11.2016, Ro 2014/16/0067, mit Hinweis auf VwGH 23.2.2010, 2009/15/0205).
Da Bf in Österreich wohnt und Unterhalt für seinen in Deutschland lebenden, jüngeren Sohn leistet, kann im gegenständlichen Fall ein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehen.

Gemäß § 4 Abs. 1 FLAG haben Personen, die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe haben, keinen Anspruch auf Familienbeihilfe.
Gemäß § 4 Abs. 2 FLAG erhalten österreichische Staatsbürger, die gemäß Abs. 1 oder gemäß § 5 Abs. 5 vom Anspruch auf Familienbeihilfe ausgeschlossen sind, eine Ausgleichszahlung, wenn die Höhe der gleichartigen ausländischen Beihilfe, auf die sie oder eine andere Person (§ 5 Abs. 5) Anspruch haben, geringer ist als die Familienbeihilfe, die ihnen nach diesem Bundesgesetz ansonsten zu gewähren wäre.

Gemäß § 53 Abs. 1 FLAG sind Staatsbürger von Vertragstaaten des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) , soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Hiebei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten.


 

Unionsrecht

Das Finanzamt hat in der Beschwerdevorentscheidung zutreffend darauf hingewiesen, dass im gegenständlichen Fall auch die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 in der für das Beschwerdejahr geltenden Fassung zu berücksichtigen sind.

Diese Verordnung dient, was schon in ihrer Überschrift zum Ausdruck kommt, "zur Koordinierung der Systeme der nationalen Sicherheit" mit Bedeutung für den EWR und die Schweiz.

Dem Erkenntnis des BFG vom 9.4.2019, RV/7101188/2019, betreffend Ausgleichs-/Differenzzahlungen gemäß § 4 Abs. 2 FLAG kann dazu Folgendes entnommen werden:

Die VO 883/2004 gilt nach deren Art. 2 Abs. 1 für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.

Nach Art. 3 Abs. 1 lit. j umfasst der sachliche Geltungsbereich dieser Verordnung auch Familienleistungen.

Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben nach deren mit der Überschrift "Gleichbehandlung" versehenen Art. 4 Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates.

Sofern in der Verordnung nichts anderes bestimmt ist, dürfen Geldleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder nach dieser Verordnung zu zahlen sind, nach dem mit der Überschrift "Aufhebung der Wohnortklauseln" versehenen Art. 7 nicht aufgrund der Tatsache gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden, dass der Berechtigte oder seine Familienangehörigen in einem anderen als dem Mitgliedstaat wohnt bzw. wohnen, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat.

Im Titel II "Bestimmung des anwendbaren Rechts" trifft Art 11 folgende allgemeine Regelung: Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel. Vorbehaltlich der Ar. 12 bis 16 gilt nach Art. 11 Abs. 3 lit a Folgendes:
Eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats.

In Kapitel 8 dieser Verordnung werden Familienleistungen geregelt.

 

Nach Art. 67 gilt für "Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen":
Eine Person hat auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden.

Art. 68 normiert folgende "Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen":

(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:

a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.

b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach folgenden subsidiären Kriterien:

i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. Im letztgenannten Fall werden die Kosten für die Leistungen nach in der Durchführungsverordnung festgelegten Kriterien aufgeteilt;

ii) bei Ansprüchen, die durch den Bezug einer Rente ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass nach diesen Rechtsvorschriften eine Rente geschuldet wird, und subsidiär gegebenenfalls die längste Dauer der nach widerstreitenden Rechtsvorschriften zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten;

iii) bei Ansprüchen, die durch den Wohnort ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder.

(2) Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Abs. 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird.

(3) Wird nach Artikel 67 beim zuständigen Träger eines Mitgliedsstaats, dessen Rechtsvorschriften gelten, aber nach den Prioritätsregeln der Absätze 1 und 2 des vorliegenden Artikels nachrangig sind, ein Anspruch auf Familienleistungen gestellt, so gilt Folgendes:

a) Dieser Träger leitet den Antrag unverzüglich an den zuständigen Träger des Mitgliedstaats weiter, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, teilt dies der betroffenen Person mit und zahlt unbeschadet der Bestimmungen der Durchführungsverordnung über die vorläufige Gewährung von Leistungen erforderlichenfalls den in Abs. 2 genannten Unterschiedsbetrag;

b) der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, bearbeitet den Antrag, als ob er direkt bei ihm gestellt worden wäre; der Tag der Einreichung des Antrags beim ersten Träger gilt als der Tag der Einreichung bei dem Träger der vorrangig zuständig ist.

Mit der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 wurden die Modalitäten für die Durchführung der oben auszugsweise zitierten Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit festgelegt.
Art. 60 Abs. 1 dieser Verordnung (EG) Nr. 987/2009 lautet:

Die Familienleistungen werden bei dem zuständigen Träger beantragt. Bei der Anwendung von Artikel 67 und 68 der Grundverordnung ist, insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelangt, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaates fallen und dort wohnen. Nimmt eine Person, die berechtigt ist, Anspruch auf die Leistungen zu erheben, dieses Recht nicht wahr, berücksichtigt der zuständige Träger des Mitgliedstaates, dessen Rechtsvorschriften anzuwenden sind, einen Antrag auf Familienleistungen, der von dem anderen Elternteil, einer als Elternteil behandelten Person oder von der Person oder Institution, die als Vormund des Kindes oder der Kinder handelt, gestellt wird.

Rechtliche Würdigung:

Seitens des Finanzamtes Österreich wird in der E-Mail vom 14. April 2021 unter Hinweis auf das Erkenntnis BFG vom 29.3.2021, RV/5101217/2020, eine stattgebende Erledigung gem. § 300 BAO abgelehnt. Für den Jüngeren Sohn stehe keine Familienbeihilfe zu, weil er in Deutschland lebt.

Dies negiert das Unionsrecht, auf das vom Finanzamt selbst schon in der Beschwerdevorentscheidung hingewiesen worden ist.

Ab Mai 2010 gilt die Verordnung (EG)Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit mit der Durchführungsverordnung (EG)Nr. 987/2009 für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union. (vgl. Csaszar in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, Rz 19 und 20 zu § 53)

Diese Verordnungen sind anwendbar, wenn ein Sachverhalt vorliegt, der zwei oder mehr Mitgliedstaaten berührt.

Aufgrund der Erwerbstätigkeit des in Österreich wohnenden Bf als Grenzgänger in Deutschland und dem Wohnort des jüngeren Sohnes und seiner Mutter in Deutschland sowie der österreichischen Staatsangehörigkeit des Bf und dieses Sohnes und der deutschen Staatsangehörigkeit der Kindesmutter liegt ein grenzüberschreitender Sachverhalt mit Unionsbezug vor. Die VO 883/2004 ist gemäß deren Art. 2 Abs. 1 auf die genannten Personen persönlich anwendbar.

Der von Bf. beantragte Familienbonus Plus ist unter die Familienleistungen iSd Art. 3 Abs. 1 lit. j VO 883/2004 zu subsumieren; daher ist diese Verordnung im gegenständlichen Fall auch sachlich anwendbar.

Nach dem Unionsrecht unterliegen Personen, für die die VO 883/20014 gilt, immer nur den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates (Art. 11 Abs. 1 VO 883/2004). Welche Rechtsordnung hierfür in Frage kommt, ist unter Titel II Art. 11 ff VO 883/2004 geregelt.

In der Regel sind dies gemäß Art. 11 Abs. 3 lit. a VO 883/2004 die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates, also jenes Staates, in welchem eine selbständige oder nichtselbständige Tätigkeit ausgeübt wird, und zwar auch dann, wenn die Person im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnt.

Der in Österreich wohnende Bf ist als Grenzgänger in Deutschland beschäftigt. Nach obigen Ausführungen unterliegt diese Tätigkeit auf Grund des DBA-BRD jedoch dem alleinigen Besteuerungsrecht Österreichs. Die Vertragsstaaten Österreich und Deutschland behandeln demnach einvernehmlich die Einkünfte des Bf so wie aus in Österreich ausgeübten Tätigkeiten. Zu Folge der Unterwerfung dieser Einkünfte der Besteuerung nach dem österreichischen EStG 1988 unterliegt Bf - jedenfalls was die Besteuerung anbelangt daher den österreichischen Rechtsvorschriften.

Da im gegenständlichen Fall die VO 883/2004 zu berücksichtigen ist, finden allerdings die auf Wohnortklauseln beruhenden Bestimmungen des § 2 Abs. 1 FLAG 1967, welche den Familienbeihilfenbezug auf den Wohnort im Bundesgebiet abstellt, des § 2 Abs. 8 FLAG 1967, welche auf den wesentlich durch den Wohnort bestimmten Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet abstellt, und des § 5 Abs. 3 FLAG 1967, das einen vom Wohnort abhängigen Ausschluss der Familienbeihilfe bei ständigem Aufenthalt des Kindes im Ausland vorsieht, zufolge des Art. 7 VO 883/2004 und dessen Anwendungsvorrangs insoweit keine Anwendung. Zufolge des in Art. 4 VO 883/2004 normierten Gleichbehandlungsgrundsatzes für Personen, für die diese Verordnung gilt, finden die durch den Anwendungsvorrang dieser Bestimmung verdrängten Bestimmungen des § 3 Abs. 1 und 2 FLAG 1967 mit besonderen Voraussetzungen für Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, keine Anwendung. (vgl. VwGH 22.11.2016, Ro 2014/16/0067).

In diesem Zusammenhang hat der EuGH zu Art. 67 VO 883/2004 und Art. 60 Abs. 1 VO 987/2009 in seiner Entscheidung vom 22.10.2015, C-378/14 (Tomislaw Trapkowski) Folgendes ausgesprochen (Fettdruck durch das erkennende Gericht):

" 38 Aus Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 in Verbindung mit Art. 60 Abs. 1 der Verordnung Nr. 987/2009 ergibt sich zum einen, dass eine Person Anspruch auf Familienleistungen auch für Familienangehörige erheben kann, die in einem anderen als dem für ihre Gewährung zuständigen Mitgliedstaat wohnen, und zum anderen, dass die Möglichkeit , Familienleistungen zu beantragen, nicht nur den Personen zuerkannt ist, die in dem zu ihrer Gewährung verpflichteten Mitgliedstaat wohnen, sondern auch allen "beteiligten Personen" , die berechtigt sind, Anspruch auf diese Leistungen zu erheben, zu denen die Eltern des Kindes gehören, für das die Leistungen beantragt werden.

40 Es obliegt jedoch der zuständigen nationalen Behörde, zu bestimmen, welche Personen nach nationalem Recht Anspruch auf Familienleistungen haben.

41 Nach alledem ist Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 987/2009 dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Fiktion dazu führen kann, dass der Anspruch auf Familienleistungen einer Person zusteht, die nicht in dem Mitgliedstaat wohnt, der für die Gewährung dieser Leistung zuständig ist, sofern alle anderen durch das nationale Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Gewährung erfüllt sind, was von dem vorlegenden Gericht zu prüfen ist."

Das Unionsrecht selbst vermittelt somit keinen originären Anspruch auf nationale Familienleistungen. Es ist nach wie vor Sache der Mitgliedstaaten, wem sie unter welchen Voraussetzungen wie lange Familienleistungen zuerkennen. Das Unionsrecht verlangt allerdings im Allgemeinen, dass diese Zuerkennung diskriminierungsfrei erfolgen muss, und im Besonderen, dass die Familienangehörigen einer Person, die in den Anwendungsbereich der VO 883/2004 fällt, so zu behandeln sind, als hätten alle Familienangehörigen ihren Lebensmittelpunkt in dem Mitgliedstaat, der Familienleistungen gewähren soll. (BFG 24.8.2017, RV/5101270/2017, 31.5.2017, RV/5100349/2016, 7.2.2017, RV/7106469/2016, 15.11.2016, RV/7103786/2015, und 19.8.2016, RV/76101889/2016)

Die nach Art. 67 VO 883/2004 iVm Art. 60 Abs. 1 Satz 2 VO 987/2009 vorzunehmende Fiktion bewirkt, dass die Wohnsituation auf Grundlage der im Streitzeitraum im anderen EU-Mitgliedstaat gegebenen Verhältnisse (fiktiv) ins Inland übertragen wird. Diese Fiktion besagt aber nur, dass zu unterstellen ist, dass alle Familienangehörigen im zuständigen Mitgliedstaat wohnen. Ob etwa ein gemeinsamer Haushalt besteht, ist dagegen sachverhaltsbezogen festzustellen. (BFG vom 24.08.2017, RV/5101270/2017, BFG vom 31.05.2017, RV/5100349/2016, BFG vom 07.02.2017, RV/7106469/2016, BFG vom 15.11.2016, RV/7103786/2015, BFG vom 19.08.2016, RV/76101889/2016).

Wer von den unionsrechtlich grundsätzlich als anspruchsberechtigte Personen anzusehenden Familienangehörigen tatsächlich primär oder sekundär oder gar keinen Anspruch auf österreichische Familienleistungen hat, ist daher nach nationalem Recht zu beurteilen. (BFG vom 07.02.2017, RV/7106469/2016, BFG vom 15.11.2016, RV/7103786/2015, BFG vom 19.08.2016, RV/76101889/2016)

Es ist daher im gegenständlichen Fall nach österreichischem Recht zu prüfen, ob Bf einen Familienbeihilfenanspruch hat oder nicht, wobei (vgl. den oben zitierten § 53 Abs. 1 FLAG) zu fingieren ist, dass alle Familienangehörigen, nämlich der Jüngere Sohn und dessen Mutter in Österreich wohnen (weshalb - wie bereits ausgeführt - die auf Wohnortklauseln beruhenden Bestimmungen außer Acht zu lassen sind).

§ 2 Abs. 2 erster Satz FLAG 1967 stellt hinsichtlich des Familienbeihilfenanspruchs primär auf die Haushaltszugehörigkeit mit einem Kind ab und nur subsidiär (§ 2 Abs. 2 zweiter Satz FLAG 1967) darauf ab, welche Person die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt. Einem Anspruch auf Familienbeihilfe im Sinne des zweiten Satzes des § 2 Abs. 2 FLAG 1967 steht der ausschließliche Anspruch einer Person, bei der das Kind im strittigen Zeitraum haushaltszugehörig war, zwingend entgegen (VwGH 25.02.1987, 86/13/0158, und 27.09.2012, 2012/16/0054).

Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu jedoch in seinem auf Grund einer Amtsrevision des Finanzamtes, das auch den bekämpften Bescheid des gegenständlichen Verfahrens erlassen hat, ergangenen Erkenntnis VwGH 12.11.2019, Ra 2019/16/0133, betreffend Differenzzahlungen nach dem FLAG unter 14 Abs. 2 sinngemäß ausgeführt, dass der Anwendungsvorrang des Art. 60 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung (EU) Nr. 987/2009 § 2 Abs. 2 letzter Halbsatz FLAG verdrängt, und folgenden Rechtsatz gebildet (Fettdruck durch das erkennende Gericht):

In seinem Urteil vom 22. Oktober 2015, C-378/14 , Tomislaw Trapkowski, unterschied der EuGH ausdrücklich zwischen Satz 2 und Satz 3 von Art. 60 Abs. 1 Verordnung Nr. 987/2009 : von der im dortigen Fall primär zu beantwortenden Frage, wem aller ein Anspruch zustehen kann, ist die im vorliegenden Revisionsfall wesentliche Frage zu unterscheiden, wer dieses Recht wahrnehmen kann. Nimmt eine Person, die berechtigt ist, Anspruch auf Leistungen zu erheben, dieses Recht nicht wahr, ist nach Art. 60 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 987/2009 auch ein Antrag der dort genannten anderen Personen zu berücksichtigen. Es ist daher ohne Bedeutung, welcher Elternteil den entsprechenden Antrag stellt (vgl. Csaszar in Csaszar/Lenneis/Wanke, Kommentar zum FLAG, Rz 208 zu § 53 FLAG mwN). Daher ist die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wie sie u.a. im Erkenntnis vom 22. November 2016, Ro 2014/16/0067, zum Ausdruck gelangte, durch das Urteil des EuGH vom 22. Oktober 2015, C-378/14 , nicht "überholt", zumal den Entscheidungen jeweils verschiedene Sachverhalte zugrunde lagen.

Das erkennende Gericht teilt nicht die seitens des Finanzamtes Österreich in der E-Mail vom 14. April 2021 ins Treffen geführte, (zunächst) auf den Wortlaut des § 33 Abs. 3a EStG 1988 beschränkte Interpretation im Erkenntnis BFG vom 29.3.2021, RV/5101217/2020, zumal in diesem unter Hinweis auf Jakom/Kanduth-Kristen, EStG ,2019, § 33 Rz 31, in der Folge konzediert wird, dass der Familienbonus Plus schon bei Anspruch auf eine Ausgleichszahlung iSd § 4 FLAG dem Grunde nach zusteht.

Für den Familienbonus Plus sind nämlich nicht der Antrag oder eine tatsächliche Gewährung der Familienleistungen, sondern deren Anspruchsvoraussetzung wesentlich. Dies gilt auch dann, wenn allfällige Familienleistungen im Ausland höher wären und die Differenzzahlung betragsmäßig Null wäre (BFG 1.12.2020, RV/5101183/2020, unter Hinweis auf Jakom/Kanduth-Kristen EStG 2020, § 33 Tz 31).

Dass auch tatsächlich ein Antrag gem. § 4 Abs. 4 FLAG 1967 auf die Ausgleichszahlung nach Ablauf des entsprechenden Kalenderjahres eingebracht werden muss, ist demnach gar nicht erforderlich. Es genügt die Anspruchsberechtigung dem Grunde nach.

In § 33 Abs. 3a EStG 1988 wird nämlich auf die Gewährung von Familienbeihilfe nach dem FLAG hingewiesen. Da in § 4 Abs. 1 FLAG jedoch eindeutig nur auf den Anspruch auf Familienbeihilfe abgestellt wird, ist dies bei der Auslegung der Bestimmungen des EStG 1988, die an das FLAG anknüpfen, zu berücksichtigen. § 33 Abs. 3a EStG ist deshalb teleologisch von der Gewährung auf den Anspruch von Familienbeihilfe zu reduzieren (BFG 1.12.2020, RV/5101183/2020).

Dies entspricht offensichtlich auch der Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Finanzen, weil dessen Lohnsteuerrichtlinien (LStR 2002 Rz 769b) Folgendes postulieren:
"Sind die Voraussetzungen für eine Differenzzahlung (Kind wohnt im EU- oder EWR-Auslandoder in der Schweiz und im Inland wird eine Beschäftigung im Sinne der Verordnung(EG) Nr. 883/2004 ausgeübt) im Sinne des § 4 FLAG 1967 dem Grunde nach erfüllt, steht der Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 auch dann zu, wenn die Familienleistungen im Ausland höher sind und die Differenzzahlung betragsmäßig Null beträgt."

Dem in der Beschwerdevorentscheidung erhobenen Einwand des Finanzamtes, im gegenständlichen Fall werde weder von Bf noch von der Kindesmutter des jüngeren Sohnes in Österreich eine Beschäftigung ausgeübt, ist Folgendes entgegen zu halten:

Seitens Bf wurde (dazu) schon im Vorlageantrag sinngemäß der Vorwurf der gleichheitswidrigen Vorenthaltung des Familienbonus Plus durch das Finanzamt erhoben.

Der in Österreich wohnende Bf ist zwar in Deutschland beschäftigt. Als Grenzgänger unterliegt Bf mit den aus dieser Tätigkeit resultierenden nichtselbständigen Einkünften nach obigen Ausführungen jedoch dem alleinigen Besteuerungsrecht Österreichs. Die Beschäftigung des Bf als Grenzgänger ist deshalb in verfassungskonformer Interpretation einer in Österreich ausgeübten Beschäftigung gleichzuhalten.

Es wäre unsachlich, dem in Österreich wohnenden und Einkommensteuer zahlenden Bf die diese Personensteuer mindernde Berücksichtigung des Familienbonus Plus für seinen jüngeren Sohn, für den er Unterhalt zahlt, bei Nichtbeanspruchung durch die Kindesmutter vorzuenthalten.

Der Familienbonus Plus steht Bf daher auch für seinen im Beschwerdejahr 2019 17-jährigen, In Deutschland lebenden Sohn zu.

Der dies nicht berücksichtigende bekämpfte Bescheid ist auch insoweit rechtswidrig.

Der Beschwerde kommt deshalb auch in diesem Punkt Berechtigung zu.

 

Berechnung der Einkommensteuer 2019

Beträge in Euro

Einkommen unverändert wie im bekämpften Bescheid vom 29.9.2020

82.860,44

Steuer vor Abzug der Absetzbeträge (unverändert)

29.453,01

Familienbonus Plus 500,16 bisher + 1.461,00

  • 1.961,16

Alleinerzieherabsetzbetrag (unverändert)

  • -494,00

Unterhaltsabsetzbetrag (wie BVE)

  • -341,28

Verkehrsabsetzbetrag (unverändert)

  • -400,00

Pendlereuro (unverändert)

  • -10,00

Steuer nach Abzug der Absetzbeträge

  • 26.246,57

Steuer für sonstige Bezüge (unverändert)

  • 898,57

Einkommensteuer

  • 27.145,14

Rundung gem. § 39 Abs. 3 EStG 1988

  • -0,14

Festgesetzte Einkommensteuer

  • 27.145,00

(bisher : bekämpfter Bescheid 28.947,00; BVE 28.606,00)

 

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine derartige Rechtsfrage liegt auf Grund der zitierten Rechtsprechung nicht vor.

 

 

Linz, am 4. Mai 2021

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 33 Abs. 3a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom 30.04.2004 S. 1
VO 987/2009, ABl. Nr. L 284 vom 30.10.2009 S. 1
Art. 67 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom 30.04.2004 S. 1
Art. 60 Abs. 1 VO 987/2009 , ABl. Nr. L 284 vom 30.10.2009 S. 1

Verweise:

VwGH 23.02.2010, 2009/15/0205
VwGH 22.11.2016, Ro 2014/16/0067
EuGH 22.10.2015, C-378/14
VwGH 12.11.2019, Ra 2019/16/0133
BFG 09.04.2019, RV/7101188/2019
BFG 01.12.2020, RV/5101183/2020

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