VwGH Ra 2019/16/0133

VwGHRa 2019/16/013312.11.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des Finanzamtes Braunau Ried Schärding in Ried im Innkreis gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 23. April 2019, RV/5101186/2017, betreffend Differenzzahlungen nach dem FLAG für die Monate April 2015 bis November 2016 (mitbeteiligte Partei: MM in G, vertreten durch die Aigner Fischer Stranzinger Rechtsanwaltspartnerschaft in 4921 Hohenzell bei Ried, Gonetsreith 15), zu Recht erkannt:

Normen

EURallg
FamLAG 1967 §2 Abs2
FamLAG 1967 §53
32009R0987 Koordinierung Soziale Sicherheit DV Art60 Abs1
62014CJ0378 Trapkowski VORAB

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019160133.L00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Die Mitbeteiligte, eine rumänische Staatsangehörige, hat seit 9. Feber 2015 ihren Hauptwohnsitz in Österreich. In der Zeit von 16. Feber bis 9. September 2015 war sie hier als Arbeiterin beschäftigt; während des Zeitraumes vom 10. September 2015 bis 9. Oktober 2016 bezog sie nach der Geburt ihres vierten, nicht verfahrensgegenständlichen Kindes Kinderbetreuungsgeld. Vom 10. Oktober 2016 bis 29. September 2017 war sie unselbständig beschäftigt.

Ihrer mittlerweile geschiedenen Ehe mit CIT entstammt das Kind C-NT, über das die Mitbeteiligte das Obsorgerecht zugesprochen erhielt; der Vater des Kindes wurde zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltes in der Höhe von 25 v.H. seines Nettolohnes verpflichtet.

Die Mitbeteiligte ist seit 9. September 2015 mit dem rumänischen Staatsangehörigen S-CM verheiratet, der am 11. Dezember 2014 nach Österreich zugezogen war und hier gemeinsam mit der Mitbeteiligten seinen Hauptwohnsitz hat.

2 Die Mitbeteiligte beantragte am 31. Mai 2016 die Gewährung einer Differenzzahlung für ihre Kinder C-NT sowie M-E und R-CM für den Zeitraum "April 2015 bis 2016". Die Kinder würden am Familienwohnort in Rumänien wohnen; das ältere Kind besuche dort eine Schule, die beiden jüngeren den Kindergarten.

Der Ehegatte der Mitbeteiligten gab auf dem Formblatt die Erklärung ab, auf die ihm vorrangig zustehende "Ausgleichszahlung" zugunsten der Antragstellerin zu verzichten.

Mit Bescheid vom 14. November 2016 wies das Finanzamt Braunau Ried Schärding den Antrag für die drei Kinder für den Zeitraum April 2015 bis November 2016 unter Verweis auf § 2 Abs. 2 FLAG ab, wogegen die Mitbeteiligte Beschwerde erhob.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 22. Mai 2017 wies das Finanzamt die Beschwerde ab, weil für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum keine überwiegenden Unterhaltsleistungen der Mitbeteiligten nachgewiesen worden wären. Diese beantragte hierauf die Vorlage ihrer Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. 3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Gericht der Beschwerde statt und hob den angefochtenen Bescheid - ersatzlos - auf. Weiters sprach das Gericht aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Begründend führte das Gericht nach Darstellung des Verfahrensganges aus,

"in freier Würdigung der vom Finanzamt aufgenommenen Beweise und durchgeführten Erhebungen geht das Bundesfinanzgericht von folgendem Sachverhalt als erwiesen aus:

Die (Mitbeteiligte) und ihr nunmehriger Ehemann waren im beschwerdegegenständlichen Zeitraum mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet und auch hier aufhältig. Der Ehemann der (Mitbeteiligten) war in diesem Zeitraum durchgehend bei der Fa. H nichtselbständig erwerbstätig. Die (Mitbeteiligte) war im Zeitraum April 2015 bis 9.9.2015 ebenfalls als Arbeiterin bei der Fa. H GmbH beschäftigt. Für den Zeitraum 10.9.2015 bis 9.10.2016 bezog sie pauschales Kinderbetreuungsgeld. Im Zeitraum 10.10.2016 bis November 2016 (und darüber hinaus bis 29.12.2017) war die (Mitbeteiligte) bei der Fa. A GmbH & Co KG beschäftigt.

Die drei verfahrensgegenständlichen Kinder der (Mitbeteiligten) wohnten im Beschwerdezeitraum bei deren Großmutter in Rumänien.

Der finanzielle Unterhalt für die Kinder wurde von der in Österreich erwerbstätigen (Mitbeteiligten) und ihrem ebenfalls hier arbeitenden Ehemann geleistet. Welchen Anteil dabei die (Mitbeteiligte) trug und welchen ihr Ehemann, ist dabei im vorliegenden Fall nicht entscheidungsrelevant (siehe dazu die unten die rechtlichen Erwägungen). Die Angaben der

(Mitbeteiligten) sind schlüssig und es entspricht auch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass in Österreich erwerbstätige Kindeseltern rumänischer Staatsangehörigkeit für den Unterhalt ihrer in Rumänien bei der mütterlichen Großmutter lebenden Kinder aufkommen. Ebenso entspricht es der allgemeinen Erfahrung, dass im Familienkreis Geld für den täglichen Bedarf der Kinder in bar an die betreuende Person übergeben werden. Schließlich ist es auch nicht ungewöhnlich, dass dabei gute Bekannte, Arbeitskollegen und Freunde als 'Geldboten' dienen, wenn diese in das Heimatland reisen und am oder in der Nähe des Aufenthaltsortes der Kinder wohnhaft sind. Die Ansicht, dass Unterhaltszahlungen für Kinder nur dann anerkannt werden könnten, wenn diese durch Banküberweisungsbelege nachgewiesen werden können, wäre völlig lebensfremd. Die Angaben der (Mitbeteiligten), dass ihre Mutter keinen finanziellen Unterhalt für die Kinder leistete, sind aufgrund deren geringer Pension glaubwürdig. Der leibliche Kindesvater des ältesten Kindes leistet nach den Angaben der (Mitbeteiligten) für dieses Kind keinen Unterhalt und hat zu diesem auch keinen Kontakt; gegenteilige Feststellungen wurden vom Finanzamt nicht getroffen.

Der Ehegatte der (Mitbeteiligten) hat keinen Antrag auf Gewährung von Differenzzahlungen gestellt und am Formblatt Beih38 die oben erwähnte Verzichtserklärung abgegeben."

4 In rechtlicher Hinsicht folgerte das Gericht nach Zitierung aus dem FLAG sowie aus den Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. EU Nr. 166 vom 30. April 2004, in der Fassung der Berichtigung ABl. EU Nr. L 200 vom 7. Juni 2004, sowie von Art. 60 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme zur sozialen Sicherheit, ABl. EU Nr. L 284 vom 30. Oktober 2009:

"Die in Österreich erwerbstätige (Mitbeteiligte) und ihr gleichfalls hier beschäftigter Ehemann unterliegen gemäß Art. 11 Abs. 3 lit. a der Verordnung Nr. 883/2004 den österreichischen Rechtsvorschriften.

Die in Rumänien lebende und dort eine Pension beziehende Mutter der (Mitbeteiligten) unterliegt den rumänischen Rechtsvorschriften, sodass dieser nach § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG die Familienbeihilfe oder eine Differenzzahlung nicht zusteht (vgl. VwGH 22.11.2016, Ro 2014/16/0067 Rz 19 erster Satz).

Da die (Mitbeteiligte) und ihr Ehemann zufolge ihrer Beschäftigung den österreichischen Rechtsvorschriften unterliegen, kann ein Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs. 2 zweiter Satz FLAG bestehen. Nach dieser Bestimmung hat eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG anspruchsberechtigt ist (vgl. VwGH 22.11.2016, Ro 2014/16/0067 Rz 19 zweiter und dritter Satz mit Hinweis auf VwGH 23.2.2010, 2009/15/0205).

Ob im vorliegenden Fall die (Mitbeteiligte) oder ihr Ehemann den Unterhalt für die Kinder überwiegend trägt, kann dahingestellt bleiben. Hat die (Mitbeteiligte) die Unterhaltskosten überwiegend getragen, besteht ein eigenständiger Anspruch der

(Mitbeteiligten). Hat dagegen ihr Ehemann diese Kosten überwiegend getragen, besteht aufgrund der von diesem (am Formblatt Beih 38) abgegebenen Verzichtserklärung ein vom Anspruch des Ehegatten abgeleiteter Anspruch der (Mitbeteiligten), den diese gemäß Art. 60 Abs. 1 Durchführungsverordnung Nr. 987/2009 geltend machen kann, da er vom Ehegatten (aufgrund seiner Verzichtserklärung) nicht begehrt wird (vgl. neuerlich VwGH 22.11.2016, Ro 2014/16/0067 Rz 21).

Ein allenfalls abgeleiteter Anspruch der Mutter der (Mitbeteiligten) scheidet schon deswegen aus, weil der Anspruch von der (Mitbeteiligten) begehrt wird und daher für die Großmutter der Kinder die Voraussetzungen des Art. 60 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 987/2009 nicht vorliegen.

Da somit der (Mitbeteiligten) im verfahrensgegenständlichen Zeitraum ein Anspruch auf Familienbeihilfe bzw. Differenzzahlungen zusteht, erweist sich der angefochtene Abweisungsbescheid als rechtswidrig und war daher aufzuheben und somit spruchgemäß zu entscheiden.

Die Gewährung der Familienbeihilfe erfolgt ebenso wie die Gewährung einer Differenzzahlung mit Mitteilung im Sinne des § 12 FLAG, zu deren Erlassung aber allein das Finanzamt zuständig ist.

Wenn das Bundesfinanzgericht einer Beschwerde stattgegeben hat, sind die Verwaltungsbehörden gemäß § 25 Abs. 1 BFGG verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Bundesfinanzgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen."

5 Seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit einer Revision begründete das Gericht damit, da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt seien, und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweiche, sei eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

6 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Amtsrevision des Finanzamtes legt ihre Zulässigkeit im Wesentlichen damit dar, die in Rede stehende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zuletzt VwGH 22.11.2016, Ro 2014/16/0067) sei durch das Urteil des EuGH vom 22.10.2015, C- 378/14 - Tomislaw Trapkowski, "überholt". Die Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes, dass eine überwiegende Kostentragung eines in Österreich tätigen Unionsbürgers, die bei bestehender Haushaltszugehörigkeit der Kinder zum anderen Elternteil nach dem anzuwendenden innerstaatlichen Recht keine Entscheidungsrelevanz habe, hier doch Voraussetzung für einen Differenzzahlungsanspruch sein solle, finde weder im Unionsrecht noch im innerstaatlichen Recht Deckung. Diese Rechtsansicht führe im Ergebnis regelmäßig zu einer Diskriminierung von Unionsbürgern (der haushaltsführenden Kindesmutter) gegenüber inländischen Staatsbürgern. Der EuGH habe darin festgestellt, dass der Anspruch auf Familienleistung auch einer Person zustehen könne, die nicht in dem Mitgliedstaat wohne, der für die Gewährung der Leistungen zuständig sei, sofern alle anderen durch das nationale Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Gewährung erfüllt seien (Rn 41). Aufgrund des sich ergebenden Widerspruches zwischen dem Verwaltungsgerichtshofes und jenem des EuGH liege eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Revision gemäß § 36 VwGG das Vorverfahren eingeleitet, in dessen Rahmen die Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattete, in der sie sich Ausführungen des Bundesfinanzgerichtes in seinem Vorlagebericht anschloss und die Zurückweisung der Amtsrevision als unzulässig mangels Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, in eventu die Abweisung als unbegründet beantragte; ausdrücklich verzichtete sie auf die Verzeichnung eines Schriftsatzaufwandes.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

8 Die Amtsrevision erblickt die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses in der - ihrer Ansicht nach unrichtig

beantworteten - grundsätzlichen Rechtsfrage eines Anspruches der

Großmutter der Kinder gemäß § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG, deren Haushalt die Kinder zugehörten. Der EuGH habe im zitierten Urteil zu einer vergleichbaren Konstellation (der Vater habe in Deutschland gewohnt und zeitweise Arbeitslosengeld bezogen, die Mutter mit dem Kind jedoch in Polen) entschieden, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe auch einer Person, die nicht im Mitgliedstaat der Antragstellung wohne, zustehen könne. Im Revisionsfall sei nach der widerlegbaren Vermutung des § 2a Abs. 1 zweiter Satz FLAG die Großmutter als überwiegend haushaltsführender Großelternteil anzusehen. Die Großmutter habe im Zeitraum April 2015 bis November 2016 die persönlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Familienbeihilfe für die drei Kinder gemäß § 2 Abs. 3 lit. a FLAG erfüllt. Sie habe ihren Wohnsitz sowie den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen nicht in Österreich, sondern in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union. Ein (Groß‑)Elternteil, der in einem anderen als dem zur Gewährung dieser Leistungen verpflichteten Mitgliedstaat wohne, könne diejenige Person sein, die, sofern im Übrigen alle anderen durch das nationale Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt seien, zum Bezug der Familienleistungen berechtigt sei. Nach Art. 67 der Verordnung 883/2004 iVm Art. 60 Abs. 1 der Verordnung 987/2009 bestehe ein von der Erwerbstätigkeit der Mitbeteiligten in Österreich abgeleiteter grundsätzlicher und zufolge Haushaltsführung primärer Anspruch der Großmutter auf Differenzzahlung in Österreich. Der Anspruch der haushaltszugehörigen Großmutter gehe gemäß § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG jenem der nicht haushaltszugehörigen Mutter vor. Da die Großmutter bisher am Verfahren nicht beteiligt gewesen sei, sei schon deswegen eine sofortige Entscheidung in der Sache zugunsten der Großmutter nicht möglich gewesen.

9 Zur Darstellung der im Revisionsfall maßgebenden Rechtslage wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Erkenntnisse vom 27. September 2012, 2012/16/0066 = Slg. 8755/F, und vom 22. November 2016, Ro 2014/16/0067, verwiesen.

10 Im jüngeren Erkenntnis sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass die auf Wohnortklauseln beruhenden Bestimmungen des § 2 Abs. 1 FLAG, welche den Familienbeihilfenbezug auf den Wohnort im Bundesgebiet abstellen, des § 2 Abs. 8 FLAG, welcher auf den wesentlich durch den Wohnort bestimmten Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet abstelle, und des § 5 Abs. 3 FLAG, das einen vom Wohnort abhängigen Ausschluss der Familienbeihilfe bei ständigem Aufenthalt des Kindes im Ausland vorsehe, zufolge des Art. 7 der Verordnung Nr. 883/2004 und dessen Anwendungsvorrangs insoweit keine Anwendung finde. Zufolge des in Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 normierten Gleichbehandlungsgrundsatzes für Personen, für die diese Verordnung gelte, fänden die durch den Anwendungsvorrang dieser Bestimmung verdrängten Bestimmungen des § 3 Abs. 1 und 2 FLAG mit besonderen Voraussetzungen für Personen, die nicht österreichische Staatsbürger seien, keine Anwendung.

11 Weiters führte der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis aus, nach dem Familienlastenausgleichsgesetz könne ein Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs. 2 zweiter Satz leg.cit. bestehen; nach dieser Bestimmung habe eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehöre, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trage dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG anspruchsberechtigt sei.

12 In dem von der Amtsrevision ins Treffen geführten Urteil vom 22. Oktober 2015, C-378/14 , führte der EuGH u.a. aus:

"Vorbemerkungen

...

32 Zur Anwendbarkeit der Prioritätsregeln, die in Art. 68 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 für den Fall des Zusammentreffens von Ansprüchen vorgesehen sind, ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Annahme, dass in einem bestimmten Fall eine solche Kumulierung vorliegt, nicht genügt, dass Leistungen in dem Mitgliedstaat, in dem das betreffende Kind wohnt, geschuldet werden und zugleich in einem anderen Mitgliedstaat, in dem ein Elternteil dieses Kindes arbeitet, lediglich potenziell gezahlt werden können (Urteil Schwemmer, C-16/09 , EU:C:2010:605, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

...

34 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 987/2009 dahin auszulegen ist, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Fiktion dazu führen könnte, dass der Anspruch auf Familienleistungen einer Person zusteht, die nicht in dem Mitgliedstaat wohnt, der für die Gewährung dieser Leistungen zuständig ist.

35 Zur Beantwortung dieser Frage ist erstens darauf hinzuweisen, dass die in Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 vorgesehene Fiktion zur Folge hat, dass eine Person Anspruch auf Familienleistungen für Familienangehörige, die in einem anderen als dem für die Gewährung dieser Leistungen zuständigen Mitgliedstaat wohnen, so erheben kann, als würden sie in dem zuständigen Mitgliedstaat wohnen.

36 Zweitens sieht Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 987/2009 vor, dass bei der Anwendung u. a. der Verordnung Nr. 883/2004 , insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Anspruchs auf Familienleistungen anbelangt, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen ist, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats fallen und dort wohnen.

37 Drittens geht aus Art. 60 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 987/2009 hervor, dass dann, wenn eine Person, die berechtigt ist, Anspruch auf Familienleistungen zu erheben, dieses Recht nicht wahrnimmt, der 'andere Elternteil' zu den Personen und Institutionen gehört, die einen Antrag auf Gewährung dieser Leistungen stellen können.

38 Aus Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 in Verbindung mit Art. 60 Abs. 1 der Verordnung Nr. 987/2009 ergibt sich zum einen, dass eine Person Anspruch auf Familienleistungen auch für Familienangehörige erheben kann, die in einem anderen als dem für ihre Gewährung zuständigen Mitgliedstaat wohnen, und zum anderen, dass die Möglichkeit, Familienleistungen zu beantragen, nicht nur den Personen zuerkannt ist, die in dem zu ihrer Gewährung verpflichteten Mitgliedstaat wohnen, sondern auch allen 'beteiligten Personen', die berechtigt sind, Anspruch auf diese Leistungen zu erheben, zu denen die Eltern des Kindes gehören, für das die Leistungen beantragt werden.

39 Folglich lässt sich, da die Eltern des Kindes, für das die Familienleistungen beantragt werden, unter den Begriff der zur Beantragung dieser Leistung berechtigten 'beteiligten Personen' im Sinne von Art. 60 Abs. 1 der Verordnung Nr. 987/2009 fallen, nicht ausschließen, dass ein Elternteil, der in einem anderen als dem zur Gewährung dieser Leistungen verpflichteten Mitgliedstaat wohnt, diejenige Person ist, die, sofern im Übrigen alle anderen durch das nationale Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind, zum Bezug dieser Leistungen berechtigt ist.

40 Es obliegt jedoch der zuständigen nationalen Behörde, zu bestimmen, welche Personen nach nationalem Recht Anspruch auf Familienleistungen haben.

41 Nach alledem ist Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 987/2009 dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Fiktion dazu führen kann, dass der Anspruch auf Familienleistungen einer Person zusteht, die nicht in dem Mitgliedstaat wohnt, der für die Gewährung dieser Leistungen zuständig ist, sofern alle anderen durch das nationale Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Gewährung erfüllt sind, was von dem vorlegenden Gericht zu prüfen ist.

..."

13 Damit verdeutlichte der EuGH fallbezogen, dass

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