Auswärtige Berufsausbildung: Entfernung Heimatort - Studienort
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2020:RV.2100439.2018
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf., Adr., vertreten durch haydn.steuerberatung OG, Jahnweg 1, 8530 Deutschlandsberg, über die Beschwerde vom 08.03.2018 gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Deutschlandsberg Leibnitz Voitsberg vom 23.02.2018, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerdeführerin (folgend Bf.) beantragte in ihrer am 04.12.2017 elektronisch eingebrachten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2016 unter anderem die Berücksichtigung des Pauschbetrages nach § 34 Abs. 8 EStG 1988 für die auswärtige Berufsausbildung der Tochter Kind, geb. Datum, in B.
Im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 vom 23.02.2018 wurde das Pauschale für die auswärtige Berufsausbildung der Tochter nicht gewährt. Hierzu führte das Finanzamt aus, dass eine Ausbildungsstätte als im Einzugsbereich des Wohnortes gelegen anzusehen sei, wenn die Entfernung zwischen Ausbildungsstätte und Wohnort innerhalb von 80 Kilometern liege und die tägliche Fahrt zwischen der Gemeinde und dem Studienort zumutbar sei. Da die Hin- und Rückfahrt zumutbar sei, habe die geltend gemachte auswärtige Berufsausbildung nicht als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden können.
Die steuerliche Vertretung der Bf. brachte am 08.03.2018 das Rechtsmittel der Beschwerde ein. Hier wurde auf die Begründung der Rechtsmittel gegen die Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 verwiesen und um gemeinsame Erledigung mit diesen ersucht.
Da die Vorjahre bereits beim Bundesfinanzgericht anhängig waren, wertete das Finanzamt dies als Antrag auf Unterbleiben der Beschwerdevorentscheidung nach § 262 Abs. 2 Bundesabgabenordnung und legte die Beschwerde, innerhalb von drei Monaten nach Eingang, dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Gemäß § 34 Abs. 8 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) idF BGBl. I 112/2012 gelten Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Diese außergewöhnliche Belastung wird durch Abzug eines Pauschbetrages von 110 Euro pro Monat der Berufsausbildung berücksichtigt.
Nach § 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes, BGBl. 624/1995, liegen Ausbildungsstätten, die vom Wohnort mehr als 80 km entfernt sind, nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes.
Gemäß § 2 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes gelten
nach Abs. 1 Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort dann als nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn die Fahrzeit vom Wohnort zum Ausbildungsort und vom Ausbildungsort zum Wohnort mehr als je eine Stunde unter Benützung des günstigsten öffentlichen Verkehrsmittels beträgt. Dabei sind die Grundsätze des § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, anzuwenden.
Nach Abs. 2 gelten Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort als innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn von diesen Gemeinden die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort nach den Verordnungen gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, zeitlich noch zumutbar sind. Abweichend davon kann nachgewiesen werden, dass von einer Gemeinde die tägliche Fahrzeit zum und vom Studienort unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel mehr als je eine Stunde beträgt. Dabei sind die Grundsätze des § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, anzuwenden. In diesem Fall gilt die tägliche Fahrt von dieser Gemeinde an den Studienort trotz Nennung in einer Verordnung gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, in der jeweils geltenden Fassung als nicht mehr zumutbar.
Gemäß § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. 305/1992 idF BGBl I 40/2014 hat die Bundesministerin oder der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft durch Verordnung festzulegen, von welchen Gemeinden diese tägliche Hin- und Rückfahrt zeitlich noch zumutbar ist. Eine Fahrzeit von mehr als je einer Stunde zum und vom Studienort unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel ist keinesfalls mehr zumutbar.
Gemäß § 2 der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft über die Erreichbarkeit von Studienorten nach dem Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. 605/1993, ist von den angeführten Gemeinden die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort Graz zeitlich noch zumutbar: Allerheiligen bei Wildon, Brodingberg, Bruck an der Mur, Deutschfeistritz, Deutschlandsberg, Dobl, Edelsgrub, Edelstauden, Eggersdorf bei Graz, Ehrenhausen, Feldbach, Feldkirchen bei Graz, Fernitz, Frauental an der Laßnitz, Frohnleiten, Georgsberg, Gleisdorf, Gössendorf, Grambach, Gratkorn, Gratwein, Groß St. Florian, Hart bei Graz, Haselsdorf, Hausmannstätten, Heiligenkreuz am Waasen, Hitzendorf, Höf-Präbach, Hofstätten an der Raab, Ilztal, Judendorf-Straßengel, Kainbach, Kaindorf an der Sulm, Kalsdorf bei Graz, Kapfenberg, Köflach, Krottendorf-Gaisfeld, Krumegg, Kumberg, Lannach, Laßnitzhöhe, Laßnitzthal, Lebring-St. Margarethen, Leibnitz, Lieboch, Ludersdorf-Wilfersdorf, Mitterdorf an der Raab, Nestelbach bei Graz, Niklasdorf, Parschlug, Peggau, Pernegg an der Mur, Pirka, Preding, Raaba, Rohrbach-Steinberg, St. Bartholomä, St. Georgen an der Stiefing, St. Johann-Köppling, St. Lorenzen im Mürztal, St. Marein bei Graz, St. Marein im Mürztal, St. Oswald bei Plankenwarth, St. Radegund bei Graz, St. Ruprecht an der Raab, Seiersberg, Sinabelkirchen, Söding, Stainz, Stallhofen, Stocking, Übelbach, Unterfladnitz, Unterpremstätten, Vasoldsberg, Voitsberg, Weinitzen, Weiz, Werndorf, Wettmannstätten, Wildon, Wundschuh, Zettling, Zwaring-Pöls.
Unter Wohnort im Sinne des § 34 Abs. 8 EStG 1988 ist die jeweilige Ortsgemeinde (Art. 115 B-VG) zu verstehen (vgl. Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 34 Rz 68 [Stand 1.4.2019, rdb.at] ).
Ist die jeweilige Gemeinde in der Verordnung über die Erreichbarkeit von Studienorten nach dem StudienförderungsG 1992, BGBl. 605/1993, nicht angeführt, gelten Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort gemäß § 2 Abs. 1 VO leg.cit. dann als nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn die Fahrzeit vom Wohnort zum Ausbildungsort bzw. vom Ausbildungsort zum Wohnort mehr als je eine Stunde bei Benützung des „günstigsten“ öffentlichen Verkehrsmittels beträgt ( Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 34 Rz 71 [Stand 1.4.2019, rdb.at] ).
Da die Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes , BGBl. 624/1995, – ebenso wie das StudienförderungsG 1992 – auf den Wohnort bzw. den Ausbildungsort und nicht die Wohnung bzw. die Ausbildungsstätte abstellt, ist nicht die tatsächliche Gesamtfahrzeit maßgebend, sondern die tatsächliche Fahrzeit zwischen diesen beiden Gemeinden. Hierbei ist die Fahrzeit zwischen jenen Punkten der jeweiligen Gemeinden heranzuziehen, an denen üblicherweise die Fahrt zwischen diesen Gemeinden mit dem jeweiligen („günstigsten“) öffentlichen Verkehrsmittel angetreten bzw. beendet wird. Die Wegzeiten von und zu der zentralen Haltestelle in der Ausbildungsgemeinde zur und von der Ausbildungsstätte sind ebenso wie jene in der Wohnortgemeinde von und zu der Wohnung außer Ansatz zu lassen (vgl zu § 26 StudFG VwGH 16.6.1986, 85/12/0247; VwGH 14.12.2007, 2004/10/0161; VwGH 26.1.2012, 2011/15/0168; Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 34 Rz 72 [Stand 1.4.2019, rdb.at] ).
Das günstigste öffentliche Verkehrsmittel zwischen dem Wohnort und dem Studienort ist somit die schnellstmögliche Verbindung zwischen diesen Orten (VwGH 27.8.2008, 2006/15/0114; Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 34 Rz 71 [Stand 1.4.2019, rdb.at] ).
Verkehrt daher während des Tages (also nicht bloß etwa um 23:00 Uhr in der Nacht) in eine Richtung ein öffentliches Verkehrsmittel mit einer – standardisierten – Fahrzeit von nicht über einer Stunde, steht der Pauschbetrag der Judikatur zufolge nicht zu ( Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 34 Rz 71 [Stand 1.4.2019, rdb.at]).
[...]
Die Entfernung zwischen der Wohnortgemeinde a und der Gemeinde des Ausbildungsortes B beträgt laut Routenplaner (Google Maps) gerundet 50 Kilometer und somit weniger als 80 Kilometer. Der Ausbildungsort liegt nicht jedenfalls außerhalb des Einzugsbereichs des Wohnortes gemäß § 1 Verordnung betreffend auswärtige Berufsausbildung, BGBl. 624/1995.
Wenn die Bf. bei der Berechnung der Wegstrecke auf den Pendlerrechner des BMF verweist, so ist dem entgegenzuhalten, dass der ab 2014 zwingend zu verwendende Pendlerrechner ausschließlich für die Berücksichtigung des Pendlerpauschales (§ 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988) und des Pendlereuros (§ 33 Abs. 5 Z 4 EStG 1988) für Fahrten zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte von Bedeutung ist. Es fehlt somit an der Rechtsgrundlage, um die Ergebnisse des Pendlerrechners bei der Beurteilung der Frage, ob der Ausbildungsort noch im Einzugsbereich des Wohnortes liegt, heranzuziehen.
Weiters wird die Gemeinde a in § 2 der Verordnung über die Erreichbarkeit von Studienorten nach dem StudienförderungsG 1992, BGBl. 605/1993, nicht als Ort angeführt, von dem die tägliche Hin- und Rückfahrt jedenfalls zumutbar ist iSd § 2 Abs. 2 Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes , BGBl. 624/1995.
Aus diesem Grund ist bei der Beurteilung, ob der Ausbildungsort außerhalb des Einzugsgebiets des Wohnortes liegt, auf § 2 Abs. 1 Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes , BGBl. 624/1995, abzustellen. Beträgt die Entfernung zwischen dem Wohnort und dem Ausbildungsort weniger als 80 Kilometer und beträgt die Fahrzeit unter Ausnützung des günstigsten öffentlichen Verkehrsmittels mehr als eine Stunde, dann gilt der Ausbildungsort als außerhalb des Einzugsbereichs des Wohnortes gelegen.
Bei der Beurteilung der Fahrzeit wird nicht auf die gesamte Fahrzeit zwischen Wohnung und Ausbildungsstätte, sondern auf die Fahrzeit zwischen der Wohnortgemeinde und der Gemeinde der Ausbildungsstätte abgestellt.
Zwischen der Wohnortgemeinde a und der Gemeinde der Ausbildungsstätte B steht ein öffentliches Verkehrsmittel, die Bahn, zur Verfügung. Die Einstiegshaltestelle ist die Haltestelle A in der Gemeinde a, die Ausstiegstelle in der Gemeinde der Ausbildungsstätte ist B Hauptbahnhof. Laut Fahrplan der Bahn verkehren zwei S-Bahnlinien zwischen den beiden Haltestellen. Die Fahrzeit zwischen den beiden Haltestellen dauert unter Benützung der S-Bahnlinie Sa 60 Minuten und unter Benützung der S-Bahnlinie Sb 75 Minuten. Die Fahrzeit für die Rückfahrt von B Hauptbahnhof nach A beträgt mit der S-Bahnlinie Sa 58 Minuten und mit der Sb 72 Minuten. Bei der S-Bahnlinie Sa handelt es sich daher um die schnellstmögliche und somit günstigste Verbindung, die der Tochter der Bf. mehrmals täglich zur Verfügung steht. Die Fahrzeit beträgt exakt 60 Minuten für die Hinfahrt und 58 Minuten für die Rückfahrt und somit in keine Richtung mehr als eine Stunde.
Da die Entfernung zwischen der Wohnortgemeinde a und der Gemeinde des Ausbildungsortes B unter 80 Kilometer und die Fahrzeit zwischen den beiden Gemeinden unter Benützung des günstigsten Verkehrsmittels nicht mehr als eine Stunde betragen, gilt der Ausbildungsort als im Einzugsgebiet des Wohnortes gelegen. Die Voraussetzung für die Gewährung des Pauschbetrages nach § 34 Abs. 8 EStG 1988 für die auswärtige Berufsausbildung liegt nicht vor.
Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im vorliegenden Fall eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht, ist eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.
Graz, am 5. März 2020
Zusatzinformationen | |
|---|---|
Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 34 Abs. 8 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise: | VwGH 16.06.1986, 85/12/0247 |
