VwGH 85/12/0247

VwGH85/12/024716.6.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zach und die Hofräte Dr. Seiler, Dr. Drexler, Dr. Herberth und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Pinter, über die Beschwerde des JR in B, vertreten durch Dr. Bruno Binder, Rechtsanwalt in Linz, Wischerstraße 30, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 23. Oktober 1985, Zl. 56.047/57- 17/85, betreffend Studienbeihilfe, zu Recht erkannt:

Normen

StudFG 1983 §13 Abs2 litc;
StudFG 1983 §13 Abs4;
VwGG §41 Abs1;
StudFG 1983 §13 Abs2 litc;
StudFG 1983 §13 Abs4;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, welcher an der Universität Linz Rechtswissenschaften studiert, brachte am 2. Oktober 1984 bei der Studienbeihilfenbehörde einen Antrag auf Gewährung einer Studienbeihilfe ein. Diesem wurde stattgegeben und dem Beschwerdeführer eine Studienbeihilfe in der Höhe von S 16.300,-- für das Wintersemester 1984/85 und das Sommersemester 1985 zuerkannt.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung rügte der Beschwerdeführer, daß der Erhöhungsbetrag gemäß § 13 Abs. 2 lit. c des Studienförderungsgesetzes nicht gewährt worden sei. Begründend führte er im wesentlichen aus, er müsse an "mindestens fünf Tagen" in der Woche um 08.00 Uhr, spätestens um 08.30 Uhr, an der Universität sein, um Vorlesungen und Übungen besuchen zu können. Jeden Tag mit Ausnahme des Freitags habe er auch am Abend Lehrveranstaltungen zu besuchen, die frühestens um 19.00 Uhr enden. Um vom Wohnhaus seiner Eltern in Bad Hall das nächste öffentliche Verkehrsmittel zu erreichen, habe er eine Strecke von 5 km zum Bahnhof zurückzulegen. Sein Vater habe als Landwirt nicht immer Zeit, ihn mit dem Auto dorthin zu bringen. Er müsse daher um 05.00 Uhr aufstehen, damit er um 07.21 Uhr auf dem Linzer-Hauptbahnhof eintreffe, von wo er dann mit der Straßenbahn noch mindestens 25 Minuten bis zur Universität zu fahren habe. Insgesamt wäre der Beschwerdeführer 129 Minuten, davon allein 74 Minuten von Bad Hall in den Großraum Linz unterwegs. Ein ähnliches Problem stelle sich auch bei der Rückfahrt am Abend. Für diese würde er 100 Minuten, davon allein 45 Minuten vom Hauptbahnhof Linz bis Bad Hall, brauchen.

Es sei ihm daher eine tägliche Fahrt vom Heimatort zur Universität und zurück nicht zumutbar. Er habe deshalb einen zweiten Wohnsitz am Studienort begründen müssen.

Da der Senat der Studienbeihilfenbehörde an der Universität Linz über diese Vorstellung nicht entschied, stellte der Beschwerdeführer den Antrag, daß die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die belangte Behörde übergehen möge. Diese führte hierauf ein Ermittlungsverfahren durch, dessen Ergebnis sie dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 9. September 1985 wie folgt bekanntgab:

"In Angelegenheit Ihres Antrages auf Gewährung von Studienbeihilfe vom 2. Oktober 1984 wird Ihnen Kenntnis gegeben, daß auf Grund des bestehenden Fahrplanes und einer Auskunft der Österreichischen Bundesbahnen feststeht, daß zwischen Bad Hall und Linz sowie zwischen Linz und Bad Hall etwa stündlich sowie morgens, mittags und abends etwa alle halbe Stunden öffentliche Verkehrsmittel verkehren. Insbesondere ist Linz bei einer Abfahrt in Bad Hall um 06.52 Uhr bis 07.29 Uhr erreichbar. Die Fahrzeit zwischen Bad Hall und Linz mit öffentlichen Verkehrsmitteln beträgt sohin einschließlich der Wartezeit für das Umsteigen 37 Minuten.

Eine Fahrmöglichkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Linz nach Bad Hall besteht insbesondere um 19.20 Uhr, bei einer Ankunft in Bad Hall um 20.03 Uhr und um 21.10 Uhr bei einer Ankunft in Bad Hall um 21.54 Uhr. Die Fahrzeit für die Rückfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln beträgt daher einschließlich der für das Umsteigen benötigten Wartezeit etwa 44 Minuten.

Die von Ihnen im Wintersemester 1984/85 inskribierten Pflichtlehrveranstaltungen hätten bei Benützung der gegebenen Verkehrsmittel ordnungsgemäß besucht werden können.

Sie haben Gelegenheit, zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieser Verständigung Stellung zu nehmen."

Der Beschwerdeführer nahm zu diesen Ausführungen mit der belangten Behörde nicht Stellung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid bewilligte diese für das Studienjahr 1984/85 dem Beschwerdeführer eine Studienbeihilfe in der Höhe von S 16.300,--. In der Begründung wurde nach Wiedergabe des § 13 Abs. 1 Abs. 2 lit. c und Abs. 4 des Studienförderungsgesetzes im wesentlichen ausgeführt:

Nach der gegebenen Rechtslage sei es "zweifelsfrei", daß das Studienförderungsgesetz ausschließlich "auf die Entfernung des bisherigen Aufenthaltsortes vom Studienort sowie auf die Dauer der Hinfahrt zum und der Rückfahrt vom Studienort abstellt und solcherart keinen Raum für die Berücksichtigung örtlicher und verkehrsmäßiger Gegebenheiten innerhalb des bisherigen Aufenthaltsortes oder des Studienorts läßt". Es sei daher nur zu prüfen gewesen, ob dem Beschwerdeführer unter Berücksichtigung der von ihm zu besuchenden Lehrveranstaltungen "die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort zeitlich zumutbar ist". Da auf Grund der Sachverhaltsermittlung feststehe, daß der Beschwerdeführer alle von ihm inskribierten Pflichtlehrveranstaltungen bei Benützung der gegebenen öffentlichen Verkehrsmittel ordnungsgemäß hätte besuchen können "und die Fahrzeit zwischen Bad Hall und Linz lediglich 37 bzw. 44 Minuten beträgt", erscheine die tägliche Fahrt zwischen den genannten Orten hin und zurück zumutbar. Da die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Studienbeihilfe vorgelegen seien, sei dem Beschwerdeführer eine solche ohne Zuerkennung des gemäß § 13 Abs. 2 lit. c des Studienförderungsgesetzes erhöhten Grundbetrages zu bewilligen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 13 Abs. 2 lit. c des Studienförderungsgesetzes erhöht sich der Grundbetrag der Studienbeihilfe um insgesamt S 13.000,--, wenn der Studierende im Gemeindegebiet des Studienortes seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat, weil der bisherige Aufenthaltsort vom Studienort so weit entfernt ist, daß die tägliche Hin- und Rückfahrt zeitlich nicht zumutbar ist. § 13 Abs. 4 des Studienförderungsgesetzes bestimmt, daß der zuständige Bundesminister durch Verordnung feststellen kann, von welchen Gemeinden die tägliche Hin- und Rückfahrt gemäß Abs. 2 lit. c zeitlich noch zumutbar ist. Eine Fahrzeit von mehr als je einer Stunde zum und vom Studienort unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel ist jedenfalls nicht mehr als zumutbar anzusehen.

Im Beschwerdefall ist ausschließlich die Frage strittig, ob für den Beschwerdeführer sein Studienort Linz deshalb zum gewöhnlichen Aufenthaltsort im Sinne des § 13 Abs. 2 lit. c des Studienförderungsgesetzes geworden ist, weil sein bisheriger Aufenthaltsort vom Studienort so weit entfernt ist, daß die tägliche Hin- und Rückfahrt zeitlich nicht zugemutet werden kann.

Die belangte Behörde befindet sich in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. März 1985, Zl. 84/10/0127, von welcher abzugehen auch im Streitfall keine Veranlassung erkennbar ist, daß die bestehende Gesetzeslage ausschließlich auf die Entfernung des bisherigen Aufenthaltsortes vom Studienort sowie die Hinfahrt zum und die Rückfahrt vom Studienort abstellt und solcherart keinen Raum für eine Bedachtnahme auf die (örtlichen und verkehrsbedingten) Gegebenheiten innerhalb des bisherigen Aufenthaltsortes und des Studienortes läßt. Die umfangreichen Ausführungen des Beschwerdeführers hinsichtlich der Entfernung zwischen seiner Wohnung und dem Bahnhof Bad Hall sowie der zwischen dem Hauptbahnhof Linz und der Universität Linz gehen daher ins Leere.

Im Sinne der oben angeführten gesetzlichen Bestimmung hatte die belangte Behörde zu prüfen, ob

1. die tägliche Fahrzeit des Beschwerdeführers mehr als je eine Stunde zum und vom Studienort beträgt und, wenn dies nicht der Fall war,

2. die tägliche Hin- und Rückfahrt dem Beschwerdeführer zeitlich (noch) zumutbar war. In diesem Fall hatte die belangte Behörde nicht allein auf das Moment der reinen Fahrzeit, sondern auf dieses Kriterium in Verbindung mit jenem der zeitlichen Anordnung der vom Beschwerdeführer zu besuchenden Studienveranstaltungen Bedacht zu nehmen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. März 1985, Zl. 84/10/0127).

Im Zuge des Ermittlungsverfahrens hatte die belangte Behörde festgestellt, daß die Fahrzeit zwischen Bad Hall (bisheriger Aufenthaltsort des Beschwerdeführers) und Linz (Studienort des Beschwerdeführers) am Morgen mit dem öffentlichen Verkehrsmittel 37 Minuten und am Abend von Linz nach Bad Hall 44 Minuten beträgt. Sie hat ferner unter Hinweis auf die von ihr erhobenen Abfahrts- und Ankunftszeiten dieser Verkehrsmittel die Feststellung getroffen, der Beschwerdeführer hätte die von ihm inskribierten Pflichtlehrveranstaltungen "bei Benützung der gegebenen Verkehrsmittel ordnungsgemäß" besuchen können.

Zu diesen Verfahrensergebnissen, welche dem Beschwerdeführer nachweislich zur Stellungnahme übermittelt wurden, hat sich dieser nicht geäußert, worauf die belangte Behörde auf der Grundlage ihrer Feststellungen den angefochtenen Bescheid erließ. Wenn im verwaltungsgerichtlichen Verfahren diese Feststellungen zum Teil als unrichtig bekämpft und in Frage gestellt werden, übersieht der Beschwerdeführer, daß die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nach der ständigen Rechtsprechung dieses Gerichtshofes nicht als Mittel zur Nachholung von im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde versäumten Parteihandlungen zu betrachten ist (vgl. das Erkenntnis vom 11. November 1985, Zl. 85/12/0040, und die dort angeführte Rechtsprechung).

Da sich demnach der angefochtene Bescheid nicht mit der behaupteten Rechtswidrigkeit belastet erweist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Da die belangte Behörde lediglich einen "Schriftsatz- und Vorlageaufwand" von S 2.400,-- begehrt hat, war ihr nur dieser Betrag zuzusprechen.

Wien, am 16. Juni 1986

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