OGH 5Ob18/00h (RS0114126)

OGH5Ob18/00h5.9.2000

Rechtssatz

Die für die Haftung des Privatsachverständigen gegenüber Dritten entwickelten Grundsätze für die Folgen eines unrichtigen Gutachtens sind auch im deliktischen Bereich anwendbar. Die Frage, ob Interessen Dritter verfolgt werden, richtet sich nach dem Zweck des Gutachtens. Die Einholung eines Gutachtens im Strafverfahren dient der Erforschung der materiellen Wahrheit, soll also die Grundlagen dafür schaffen, die Schuld oder Unschuld eines Angeklagten festzustellen. Ergibt sich im Zuge eines Strafverfahrens aus dem dem Sachverständigen erteilten Auftrag oder aber im Zuge der Befundaufnahme, dass ein Verdacht besteht, dass ein anderer als der Beschuldigte bzw Angeklagte als Haupt- oder Nebentäter in Betracht kommt, muss wegen der amtswegigen Verpflichtung zur Verfolgung von Straftaten mit dessen Verfolgung gerechnet werden, so dass auch jener vom Schutzzweck der gerichtlichen Bestellung eines Sachverständigen mitumfasst ist, ohne dass es darauf ankommt, ob der Betreffende als Zeuge im Verfahren vernommen wurde. Der Gutachtensauftrag umfasst in einem solchen Fall Tatsachenermittlungen zur Aufklärung einer bestimmten Straftat, mit deren Verfolgung vom Sachverständigen auch gegenüber einem anderen gerechnet werden muss. Sofern diese Tatsachen auch den Gegenstand anderer Beweismittel, etwa von Zeugenaussagen, bilden, stehen sie noch im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Zweck des Gutachtensauftrags, sodass auch derjenige, der durch ein Gutachten in den Verdacht einer falschen Zeugenaussage gerät, vom Schutzzweck mit umfasst ist.

Normen

ABGB §1299 A2

5 Ob 18/00hOGH05.09.2000
7 Ob 180/02zOGH09.09.2002

Vgl auch; nur: Die für die Haftung des Privatsachverständigen gegenüber Dritten entwickelten Grundsätze für die Folgen eines unrichtigen Gutachtens sind auch im deliktischen Bereich anwendbar. (T1); Beisatz: Für strafgerichtlich nicht verurteilte Personen, die durch die Gutachtertätigkeit eines vom Gericht beigezogenen Sachverständigen geschädigt wurden, ist es nämlich völlig unerheblich, ob der Sachverständige, der in Anspruch genommen wird, sein Gutachten in einem Zivil- oder einem Strafprozess erstattet hat. (T2)

9 Ob 67/03yOGH05.05.2004

Auch; nur: Die für die Haftung des Privatsachverständigen gegenüber Dritten entwickelten Grundsätze für die Folgen eines unrichtigen Gutachtens sind auch im deliktischen Bereich anwendbar. Die Frage, ob Interessen Dritter verfolgt werden, richtet sich nach dem Zweck des Gutachtens. Die Einholung eines Gutachtens im Strafverfahren dient der Erforschung der materiellen Wahrheit, soll also die Grundlagen dafür schaffen, die Schuld oder Unschuld eines Angeklagten festzustellen. (T3)

8 Ob 51/08wOGH10.07.2008

Vgl; Beisatz: Bei Einholung eines Privatgutachtens zur Überprüfung einer Reparaturrechnung im Zusammenhang mit einem Zivilverfahren besteht keine Haftung des Sachverständigen dafür, dass sein (unrichtiges) Gutachten allenfalls strafrechtliche Konsequenzen für einen Verfahrensbeteiligten nach sich ziehen könnte, weil in diesem Fall der Zweck des dem Sachverständigen erteilten Gutachtensauftrags gerade nicht darin liegt, in einem der materiellen Wahrheitserforschung dienenden Strafverfahren einen Tatverdacht zu be- oder widerlegen. (T4)

1 Ob 91/12gOGH19.09.2012

Vgl auch

10 Ob 4/18pOGH23.05.2018

Ähnlich; Beisatz: Hier: Zur Haftung eines im staatsanwaltschaftlichem Ermittlungsverfahren bestellten Sachverständigen für infolge Unrichtigkeit ermittelter Schmerzperioden entstandene Prozesskosten. (T5)<br/>Veröff: SZ 2018/41

4 Ob 245/18kOGH25.04.2019

Auch

Dokumentnummer

JJR_20000905_OGH0002_0050OB00018_00H0000_001