OGH 6Ob74/99x (RS0112248)

OGH6Ob74/99x15.7.1999

Rechtssatz

Die Stiftungserklärung kann Abberufungsgründe ausdrücklich vorsehen, nicht jedoch die Abberufung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes untersagen. Ob ein wichtiger Grund vorliegt, ist immer unter dem Gesichtspunkt des Funktionierens der Privatstiftung, letztlich unter dem Gesichtspunkt zu sehen, ob die Verfolgung des Stiftungszwecks mit ausreichender Sicherheit in der Zukunft gewährleistet ist.

Normen

PSG §9 Abs2
PSG §27 Abs2

6 Ob 74/99xOGH15.07.1999
6 Ob 278/00aOGH14.12.2000

nur: Ob ein wichtiger Grund vorliegt, ist immer unter dem Gesichtspunkt des Funktionierens der Privatstiftung, letztlich unter dem Gesichtspunkt zu sehen, ob die Verfolgung des Stiftungszwecks mit ausreichender Sicherheit in der Zukunft gewährleistet ist. (T1)<br/>Beisatz: Mit Rücksicht auf die bei der Privatstiftung fehlenden Kontrollmechanismen ist der Beurteilung kein strenger Maßstab zugrunde zulegen. Die Verselbständigung des Vermögens, die fehlende Kontrolle durch Eigentümer und das Nichtvorhandensein von Gesellschaftern erfordern - sowohl im öffentlichen Interesse als auch im Interesse der Stiftung selbst - eine funktionsfähige Organisation und deren effiziente Kontrolle, um die Gefahr von Missbrauch oder Schädigung durch den Verwalter des Vermögens hintanzuhalten und um die Erfüllung des Stifterwillens zu gewährleisten. (T2)<br/>Veröff: SZ 73/196

6 Ob 178/05bOGH16.02.2006

Vgl auch; Beisatz: Das Firmenbuchgericht muss bei Anträgen auf Löschung von Vorstandsmitgliedern infolge ihrer Abberufung durch das nach der Stiftungsurkunde hiefür zuständige Organ nicht jeweils prüfen, ob ein wichtiger Grund für die Abberufung vorlag. Vielmehr wird dem unzulässigerweise abberufenen Vorstandsmitglied eine Feststellungsklage auf Unwirksamkeit der Abberufung zuzugestehen sein. (T3)<br/>Veröff: SZ 2006/18

6 Ob 155/06xOGH31.08.2006

Vgl auch; nur T1; Beisatz: Die Beurteilung der Interessen und des Wohls der Privatstiftung im Rahmen der Genehmigung eines Rechtsgeschäfts nach § 17 Abs 5 PSG hat sich ebenfalls an diesen Grundsätzen zu orientieren. (Hier: Vereinbarung über die rechtsfreundliche Beratung und Vertretung der Privatstiftung durch ein Vorstandsmitglied.) (T4)<br/>Veröff: SZ 2006/126

6 Ob 255/08fOGH26.03.2009

Vgl; Beis wie T2; Beisatz: Gemäß § 27 Abs 2 iVm § 40 PSG hat der für den Sitz der Privatstiftung zuständige, zur Ausübung der Gerichtsbarkeit in Handelssachen berufene Gerichtshof erster Instanz im Verfahren außer Streitsachen Mitglieder von Stiftungsorganen auf Antrag oder von Amts wegen bei Vorliegen eines wichtigen Grundes abzuberufen. (T5)<br/> Beisatz: Die Frage, ob ein „wichtiger Grund" für die Abberufung eines Mitglieds eines Stiftungsorgans (im Anlassfall: des Stiftungsvorstands) gegeben ist, insbesondere ob eine Pflichtverletzung vorliegt bzw ob diese grob ist, hängt so sehr von den Umständen des Einzelfalls ab, dass sie regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 63 Abs 1 AußStrG bildet. (T6)

6 Ob 145/09fOGH16.10.2009

Vgl; nur T1; Beis wie T2; Beis wie T4; Bem: Hier: Bestellung eines Vertreters des Begünstigten zum Vorstandsmitglied. (T7)

6 Ob 82/11vOGH16.06.2011

Vgl; Beis wie T2; Beisatz: Ein Verstoß gegen die dem Stiftungsvorstand nach § 30 Abs 1 PSG obliegenden Verpflichtungen kann eine grobe Pflichtverletzung iSd § 27 Abs 2 Z 1 PSG bilden, die zur Abberufung des die Mitwirkung zu Unrecht verweigernden Organmitglieds führen kann. (T8)<br/>Veröff: SZ 2011/74

6 Ob 101/11pOGH12.01.2012

nur T1; Beis wie T2; Beis wie T8

6 Ob 187/12mOGH15.10.2012

nur T6

6 Ob 137/14mOGH15.12.2014

Auch; nur T1; Veröff: SZ 2014/126

6 Ob 121/14hOGH15.12.2014

Auch; nur T1; Beis ähnlich wie T2; Beisatz: Dies ist durch eine Prognoseentscheidung zu ermitteln (siehe bereits 6 Ob 145/09f). (T9)<br/>

6 Ob 244/15yOGH14.01.2016

Auch; nur T1; Beis wie T2 nur: Mit Rücksicht auf die bei der Privatstiftung fehlenden Kontrollmechanismen ist der Beurteilung, ob ein Abberufungsgrund vorliegt kein strenger Maßstab zugrunde zulegen. (T10)

6 Ob 160/15wOGH23.02.2016

Vgl; Beis wie T8; Beisatz: Wenngleich die „Business Judgement Rule“ aufgrund des Fehlens eines Ermessens des Stiftungsvorstands bei der Auskunftserteilung an Begünstigte nach § 30 PSG nicht zur Anwendung kommt, so ist zur Bejahung einer groben Pflichtwidrigkeit doch eine entsprechende Gravität dergestalt notwendig, dass der Stiftungsvorstand eine Entscheidung getroffen hat, die ein ordentlicher Geschäftsleiter nach einem objektiven Maßstab niemals getroffen hätte; den Stiftungsvorstand muss ein Verschulden treffen, das bei einer gut vertretbaren und begründeten Entscheidung regelmäßig nicht vorliegt. (T11)<br/>Beisatz: Der letztlich gescheiterte Versuch von Vorstandsmitgliedern der Privatstiftung, gestützt auf umfassende rechtliche Überlegungen eine Abänderung der Stiftungserklärung dahingehend anzustreben, dass den Begünstigten die Kompetenz der Bestellung sowie Abberufung des Stiftungsvorstands entzogen werde, muss nicht zwingend als grobe Pflichtverletzung angesehen werden, zumal die Änderung einer Stiftungserklärung der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. (T12); Veröff: SZ 2016/19

6 Ob 145/16sOGH27.09.2016

Auch; nur T1; Beis wie T9; Beis wie T10; Veröff: SZ 2016/96

6 Ob 87/19sOGH24.09.2019

Vgl; Beis wie T6

6 Ob 93/21aOGH23.06.2021

Vgl; nur T1; Beis wie T6; Beisatz: Auch Frage, ob die gerichtliche Abberufung von Mitgliedern eines in der Stiftungsurkunde eingerichteten Beirats aus wichtigem Grund nach § 27 Abs 2 PSG abzuberufen ist, lässt sich nach diesen – zur Abberufung von Mitgliedern des Vorstands entwickelten – Grundsätzen beantworten. (T13)<br/>Beisatz: Die Rechtsprechung, wonach mit Rücksicht auf die bei der Privatstiftung fehlenden Kontrollmechanismen bei der Beurteilung, ob ein Abberufungsgrund vorliegt, kein strenger Maßstab zugrunde zu legen sei, bezieht sich auf die Abberufung von Stiftungsvorstandsmitgliedern, bei denen sich das Kontrolldefizit in der Privatstiftung auswirkt. Die Abberufung der Beiratsmitglieder (die nach den Bestimmungen der Stiftungsurkunde im Ergebnis zur Abschaffung des Beirats führt) könnte das Kontrolldefizit gerade noch verstärken, würde doch dann die (mangels weitreichender Beiratskompetenzen ohnehin eingeschränkte) Kontrolle des Vorstands durch den Beirat überhaupt wegfallen. (T14)

Dokumentnummer

JJR_19990715_OGH0002_0060OB00074_99X0000_003