OGH 6Ob244/15y

OGH6Ob244/15y14.1.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr.

Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der L***** ‑ Privatstiftung mit dem Sitz in Wien, FN *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Mitglieds des Stiftungsvorstands KR M***** Z*****, vertreten durch die Eiselsberg Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 5. November 2015, GZ 28 R 204/15y‑16, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung

Der Revisionsrekurswerber, Dr. P***** L***** und Dr. H***** C***** W***** sind als Vorstandsmitglieder der L***** ‑ Privatstiftung (im Folgenden „Privatstiftung“ oder „Stiftung“) im Firmenbuch eingetragen. Jedes Vorstandsmitglied vertritt die Stiftung gemeinsam mit einem zweiten Stiftungsvorstandsmitglied. Die Beschlüsse des Stiftungsvorstands werden nach der Stiftungsurkunde grundsätzlich mit Dreiviertelmehrheit, bei dem hier bestehenden Vorstand mit drei Mitgliedern somit einstimmig, gefasst.

Der Revisionsrekurswerber stellte als Vorsitzender des Stiftungsvorstands gegenüber den Ö***** ein Anbot der Stiftung über den Ankauf mehrerer Busse um 110.000 EUR zuzüglich USt. Weder vorher noch nachher kam ein einstimmiger Beschluss des Stiftungsvorstands zustande, der dieses Anbot billigte.

Über Antrag des Vorstandsmitglieds Dr. P***** L***** beriefen die Vorinstanzen den Revisionsrekurswerber als Vorstandsmitglied der Stiftung gemäß § 27 Abs 2 Z 1 PSG ab. Der Abschluss eines zustimmungspflichtigen Geschäfts ohne Einholung der Zustimmung des Zustimmungs-berechtigten sei eine grobe Pflichtverletzung.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Revisionsrekurswerbers ist nicht zulässig.

Nach § 27 Abs 2 PSG hat das Firmenbuchgericht ein Mitglied eines Stiftungsorgans auf Antrag oder von Amts wegen aus wichtigem Grund abzuberufen, wobei nach Z 1 der Bestimmung eine grobe Pflichtverletzung als wichtiger Grund gilt.

Ob eine Pflichtverletzung eines Organmitglieds einer Privatstiftung vorliegt und ob diese grob ist, ist regelmäßig anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen (RIS‑Justiz RS0059403 [T11]). Die Entscheidung des Rekursgerichts über die Abberufung eines Organmitglieds einer Privatstiftung aus wichtigem Grund wegen grober Pflichtverletzung bildet daher nur dann eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG, wenn dem Rekursgericht eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen ist (vgl 6 Ob 82/11v; 6 Ob 58/11i; 6 Ob 187/12m).

Ob ein wichtiger Grund vorliegt, ist immer unter dem Gesichtspunkt des Funktionierens der Privatstiftung danach zu entscheiden, ob die Verfolgung des Stiftungszwecks mit ausreichender Sicherheit in der Zukunft gewährleistet ist (RIS‑Justiz RS0112248 [T1]). Mit Rücksicht auf die bei der Privatstiftung fehlenden Kontrollmechanismen ist der Beurteilung

, ob ein Abberufungsgrund vorliegt, kein strenger Maßstab zugrunde zulegen (RIS‑Justiz RS0112248 [T2]).

Die übereinstimmende Beurteilung der Vorinstanzen, die hier das Vorliegen eines Abberufungsgrundes bejahten, hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung.

Der Rechtsmittelwerber führt folgende Umstände an, die eine erhebliche Rechtsfrage bildeten:

1. Das Rekursgericht habe unter Berufung auf Arnold , PSG 3 § 27 Rz 25, ausgeführt, dass je nach den Umständen des Einzelfalls auch eine einzelne Pflichtverletzung, die noch nicht als grob zu bezeichnen sei, einen Abberufungsgrund bilde.

Dieser Rechtssatz stehe mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht im Einklang, da der Abberufungsgrund der Pflichtverletzung im Sinn des § 27 Abs 2 Z 1 PSG stets eine grobe Pflichtverletzung voraussetze.

Mit diesen Ausführungen kann der Rechtsmittelwerber schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen, weil die zitierte Aussage des Rekursgerichts nicht entscheidungserheblich ist: Am Ende seiner Begründung beurteilt das Rekursgericht das dargestellte Verhalten des Rechtsmittelwerbers als grobe Pflichtverletzung.

Davon abgesehen ist Folgendes festzuhalten: Die vom Rekursgericht zitierte Meinung Arnolds aaO, je nach den Umständen des Einzelfalls könne auch eine einzelne Pflichtverletzung, die noch nicht als grob zu bezeichnen sei, einen Abberufungsgrund bilden, ist unrichtig, weil sie dem klaren und eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 27 Abs 2 Z 1 PSG widerspricht, der eben eine grobe Pflichtverletzung verlangt (vgl RIS‑Justiz RS0042656: keine erhebliche Rechtsfrage, wenn das Gesetz eine klare, eindeutige Regelung trifft). Damit steht jene Rechtsprechung nicht im Widerspruch, wonach mehrere einzelne Pflichtverletzungen, die jede für sich allein betrachtet noch keine grobe Pflichtverletzung darstellen, bei einer Gesamtschau eine Abberufung rechtfertigen können (vgl auch RIS‑Justiz RS0111894; Arnold aaO) und somit in ihrer Gesamtheit als grobe Pflichtverletzung angesehen werden können.

2. Der Revisionsrekurswerber meint, ihm falle nicht nur keine grobe, sondern überhaupt keine Pflichtverletzung zur Last, da er (offenbar wegen der kollektiven Vertretungsbefugnis der Vorstandsmitglieder) keine wirksame Vertretungshandlung gesetzt habe. Zur Frage, ob bzw unter welchen Umständen eine rechtlich nicht bindende Äußerung eines einzelnen Stiftungsvor-standsmitglieds im Außenverhältnis ohne Zustimmung der anderen Vorstandsmitglieder einen Pflichtverstoß begründen könne, liege keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor.

Der Rechtsmittelwerber ist dazu auf jene Rechtsprechung zu verweisen, wonach die Nichteinholung der gerichtlichen Genehmigung eines Rechtsgeschäfts zwischen einer Privatstiftung und einem ihrer Vorstandsmitglieder gemäß § 17 Abs 5 PSG regelmäßig (auch für sich allein) eine grobe Pflichtverletzung darstellt (6 Ob 233/09x; 6 Ob 58/11i; 6 Ob 187/12m; Arnold , PSG 3 § 27 Rz 16). Auch ein derartiges Rechtsgeschäft ist ohne gerichtliche Genehmigung nach § 17 Abs 5 PSG unwirksam, weil diese Wirksamkeitserfordernis ist ( Arnold , PSG 3 § 17 Rz 95).

3. Nach § 16 PSG haben die Mitglieder des Stiftungsvorstands in der Weise zu zeichnen, dass sie dem Namen der Privatstiftung ihre Unterschrift beifügen. Dass das Handeln des Revisionsrekurswerbers für die Privatstiftung nicht firmenmäßig im Sinn des § 16 PSG gezeichnet war, macht sein Handeln für die Stiftung nicht unwirksam: Die gesetzliche Anordnung des § 16 PSG stellt eine bloße Ordnungsvorschrift dar, von deren Einhaltung die Wirksamkeit der Vertretungshandlung nicht abhängt ( Arnold , PSG 3 § 16 Rz 8; vgl zu § 18 Abs 2 Satz 2 GmbHG, RIS‑Justiz RS0014561; zu § 72 AktG Strasser in Jabornegg/Strasser , AktG 5 §§ 71 ‑ 74 Rz 77; C. Nowotny in Doralt/ Nowotny/Kalss , AktG 2 § 72 Rz 2). Dass hier der Revisionsrekurswerber für die Stiftung handelte, ist angesichts der Beifügung „Vorstand der L***** Privatstiftung“ zu seinem Namen nicht zweifelhaft.

Da das Rechtsmittel somit keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft, war es zurückzuweisen.

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