European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E132307
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Im Firmenbuch des Landesgerichts Feldkirch ist zu FN * die G* Privatstiftung (Antragstellerin) eingetragen. Nach der Stiftungsurkunde besteht ein Beirat, dessen (einzigen) Mitglieder die beiden Antragsgegner sind. Über den Beirat normiert die Stiftungsurkunde unter anderem:
„(5) Dem Beirat obliegt die Beratung des Stiftungsvorstands in allen Angelegenheiten der Privatstiftung. Der Stiftungsvorstand ist verpflichtet, in Angelegenheiten der Privatstiftung, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen, vor einer Entscheidung den Beirat anzuhören.
(6) Der Beirat in seiner Gesamtheit ist berechtigt,
a) die Einberufung einer Sitzung des Stiftungsvorstands unter Angabe der Gründe zu verlangen,
b) Anträge an den Stiftungsvorstand zur Behandlung im Rahmen einer Sitzung zu stellen,
c) eine Sonderprüfung zu beantragen,
d) vom Stiftungsvorstand Berichte über wichtige Angelegenheiten der Privatstiftung zu verlangen.“
[2] Die Antragstellerin hält (unmittelbar und mittelbar) Anteile an vier Kapitalgesellschaften. Derzeit bekleiden die Antragsgegner keine Funktionen in diesen Gesellschaften.
[3] Die Antragstellerin beantragt die Abberufung der Antragsgegner als Beiratsmitglieder gemäß § 27 Abs 2 PSG mit dem wesentlichen Vorbringen, diese hätten durch (im Einzelnen dargestellte) Handlungen die (unmittelbaren oder mittelbaren) Tochtergesellschaften der Antragstellerin und somit auch diese selbst mittelbar geschädigt; es falle ihnen daher eine grobe Pflichtverletzung zur Last.
[4] Die Antragsgegner bestreiten diese Vorwürfe, werfen ihrerseits den Stiftungsvorstandsmitgliedern grobe Pflichtverletzungen vor und stellten einen Antrag auf deren Abberufung gemäß § 27 Abs 2 PSG, über den in einem Parallelverfahren noch abzusprechen ist.
[5] Die Vorinstanzen wiesen den Antrag ab. Das Rekursgericht führte aus, den Antragsgegnern komme weder „innerhalb der Privatstiftung“ noch „innerhalb“ der der Stiftung unmittelbar und mittelbar gehörenden Unternehmen eine Entscheidungskompetenz zu. Dem Beirat stünden nur eingeschränkte Befugnisse zu, die keine Auswirkungen auf die Entscheidungskompetenz des Stiftungsvorstands hätten. Die Antragsgegner bekleideten weiters in keiner der von der Privatstiftung „beherrschten“ Gesellschaften eine Funktion. Es bestehe kein Grund für die Annahme, dass dies in Zukunft anders sein werde. Es sei somit nicht erkennbar, wie die Antragsgegner nachteilig auf das Funktionieren der Privatstiftung einwirken können sollten. Anderes könnte nur dann angenommen werden, wenn die Antragsgegner ihre Überwachungsfunktion rechtsmissbräuchlich zum Schaden der Privatstiftung ausübten; darauf werde das Abberufungsbegehren aber nicht gestützt. Ein wichtiger Grund für die Abberufung der Antragsgegner als Mitglieder des Beirats liege daher nicht vor.
[6] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[7] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[8] 1. Rüge der Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens:
[9] Eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes nach § 16 AußStrG fällt dem Rekursgericht nicht zur Last: Gemäß § 16 Abs 1 AußStrG hat zwar das Gericht von Amts wegen dafür zu sorgen, dass alle für seine Entscheidung maßgebenden Tatsachen aufgeklärt und sämtliche Hinweise auf solche Tatsachen entsprechend berücksichtigt werden. Die Parteien haben aber nach Abs 2 der Bestimmung vollständig und wahrheitsgemäß alle ihnen bekannten, für die Entscheidung des Gerichts maßgeblichen Tatsachen und Beweise vorzubringen bzw anzubieten und alle darauf gerichteten Fragen des Gerichts zu beantworten. Letztere Bestimmung sichert den Untersuchungsgrundsatz durch eine Parteienpflicht ab, weil eine Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht und eine gewisse Mitwirkungspflicht der Parteien statuiert wird (2 Ob 205/11b; vgl Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG2 § 16 Rz 8).
[10] Das Rekursgericht hat – wie dargestellt – ausgeführt, Nachteile für die Stiftung könnten nur dann angenommen werden, wenn die Antragsgegner ihre Überwachungsfunktion rechtsmissbräuchlich zum Schaden der Privatstiftung ausgeübt hätten. Darauf werde das Abberufungsbegehren aber nicht gestützt.
[11] Sollte solch ein Rechtsmissbrauch vorgelegen sein, wäre es an der Antragstellerin gelegen, im Rahmen der dargestellten Parteienpflicht nach § 16 Abs 2 AußStrG (vgl auch § 13 Abs 1 Satz 2 AußStrG) entsprechende Behauptungen aufzustellen. Es würde den Untersuchungsgrundsatz überspannen, dem Gericht im Verfahren nach § 27 Abs 2 PSG, in dem regelmäßig keine Schutzbefohlenen auftreten, Nachforschungen zu Umständen abzuverlangen, zu deren Vorliegen es keinerlei Indizien und Parteienbehauptungen gibt.
[12] Soweit der Revisionsrekurs in diesem Zusammenhang neue Tatsachen (Verhalten des Zweitantragsgegners im April 2021) aus der Zeit nach dem angefochtenen Beschluss (nova producta) anführt, fällt dieses Vorbringen unter das Neuerungsverbot gemäß § 66 Abs 2 AußStrG: Gegenstand der rechtlichen Überprüfung im Rahmen des Revisionsrekursverfahrens kann immer nur der festgestellte oder trotz entsprechender Behauptung ungeprüft gebliebene Sachverhalt sein; mit neuen Tatsachen oder Beweisen kann die Unrichtigkeit der rechtlichen Beurteilung durch das Rekursgericht nicht dargetan werden (Schramm in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG2 § 66 Rz 39).
[13] 2. Ob ein wichtiger Grund iSd § 27 Abs 2 PSG für die Abberufung eines Mitglieds eines Stiftungsorgans vorliegt, ist nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung immer unter dem Gesichtspunkt des Funktionierens der Privatstiftung, letztlich unter dem Gesichtspunkt zu sehen, ob die Verfolgung des Stiftungszwecks mit ausreichender Sicherheit in der Zukunft gewährleistet ist (RS0112248).
[14] 3. Die Vorinstanzen haben sich an diesen Grundsätzen orientiert und im vorliegenden (Einzel‑)Fall das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Abberufung der Antragsgegner als Beiratsmitglieder verneint. Diese Beurteilung ist – wie auch im Folgenden gezeigt wird – nicht korrekturbedürftig, weshalb insoweit eine erhebliche Rechtsfrage nicht vorliegt (vgl RS0112248 [T6]).
[15] 4. Entgegen den Behauptungen des Revisionsrekurses fehlt daher keine einschlägige Rechtsprechung zur Anwendung des § 27 Abs 2 PSG.
[16] 4.1. Dem Revisionsrekurs ist zuzugestehen, dass die Entscheidungen, die sich mit der gerichtlichen Abberufung von Organmitgliedern einer Privatstiftung aus wichtigem Grund gemäß § 27 Abs 2 PSG befassten, ausschließlich Mitglieder des Vorstands betrafen (so sämtliche in RS0112248 indizierten Entscheidungen). Die gerichtliche Abberufung von Mitgliedern eines in der Stiftungsurkunde eingerichteten Beirats aus wichtigem Grund nach § 27 Abs 2 PSG war hingegen noch nicht Gegenstand einer oberstgerichtlichen Entscheidung. Dies ändert aber nichts daran, dass sich auch die Frage, ob das Mitglied eines Beirats aus wichtigem Grund nach § 27 Abs 2 PSG abzuberufen ist, nach den zitierten Grundsätzen der Rechtsprechung beantworten lässt.
[17] 4.2. Naturgemäß spielen nach diesen Grundsätzen die Kompetenzen des Organs, um dessen Mitglieder es geht, eine maßgebliche Rolle für die Prüfung eines wichtigen Grundes für die Abberufung. Es liegt auf der Hand, dass die Möglichkeiten des Vorstands, dem die (gesamte) Verwaltung und Vertretung (§ 17 Abs 1 PSG), die Buchführung und die Rechnungslegung (§ 18 PSG) obliegen, zur Schädigung der Privatstiftung im Hinblick auf deren Funktionieren und die Verfolgung des Stiftungszwecks signifikant größer sind als diejenigen eines Beirats, der – wie hier – nur Informations-, Beratungs- und Anhörungsrechte und das sich schon aus dem Gesetz ergebende Recht, eine Sonderprüfung zu beantragen (§ 31 Abs 1 PSG), hat und somit dem Vorstand wederfür Geschäftsführungsmaßnahmen noch für Vertretungshandlungen ein bestimmtes Verhalten vorschreiben oder verbieten kann. Ungeachtet dieser Kompetenzen des Beirats ist daher der Vorstand in der Gestion der Stiftung vom Beirat gänzlich unabhängig.
[18] 4.3. Da die Antragsgegner in den Tochtergesellschaften der Antragstellerin keine Funktionen ausüben (insbesondere auch nicht als geschäftsführungs- und vertretungsbefugte Organe), geht von ihrer Eigenschaft als Beiratsmitglieder auch nicht die Gefahr aus, sie könnten das Wissen, das sie als Beiratsmitglieder erworben haben, zur Schädigung der Tochtergesellschaften missbrauchen.
[19] 4.4. Die Antragstellerin meint im Revisionsrekurs mit Rücksicht auf die bei der Privatstiftung fehlenden Kontrollmechanismen sei der Beurteilung, ob ein Abberufungsgrund vorliegt, kein strenger Maßstab zugrunde zu legen (https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0112248&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False [T2]).
[20] Damit ist für ihren Rechtsstandpunkt jedoch nichts zu gewinnen: Die angeführte Rechtsprechung bezieht sich auf die Abberufung von Stiftungsvorstandsmitgliedern, bei denen sich das Kontrolldefizit in der Privatstiftung auswirkt. Im vorliegenden Fall könnte die Abberufung der Beiratsmitglieder (und somit nach den Bestimmungen der Stiftungsurkunde im Ergebnis die Abschaffung des Beirats) das Kontrolldefizit gerade noch verstärken, würde doch dann die (mangels weitreichender Beiratskompetenzen ohnehin eingeschränkte) Kontrolle des Vorstands durch den Beirat überhaupt wegfallen.
[21] 4.5. Damit begegnet die Einschätzung der Vorinstanzen, die Antragsgegner könnten als Beiratsmitglieder nicht nachteilig auf das Funktionieren der Privatstiftung einwirken, weshalb es keinen wichtigen Grund für deren Abberufung gebe, insgesamt keinen Bedenken. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob – was durch die bloße Wiedergabe von in diesem Verfahren nicht bindenden Sachverhaltsfeststellungen aus einem anderen Gerichtsverfahren gar nicht feststeht – die Antragsgegner die ihnen von der Antragstellerin vorgeworfenen Schädigungshandlungen in zu deren Einflussbereich gehörenden Gesellschaften begangen haben. Der diesbezüglich gerügte sekundäre Feststellungsmangel liegt daher nicht vor.
[22] 5. Da der Revisionsrekurs somit keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigt, ist er zurückzuweisen.
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