OGH 15Os164/97 (RS0109470)

OGH15Os164/9719.2.1998

Rechtssatz

Von der beantragten Ladung und Vernehmung einer Unmündigen, die Opfer eines Sexualdeliktes geworden ist, kann abgesehen werden, wenn das erkennende Gericht auf Grund konkreter (entweder sich schon aus der Aktenlage klar ergebender und/oder von einem jugendpsychiatrischen Sachverständigen aufgezeigter), sorgfältig abgewogener Tatsachen zur Überzeugung gelangt, dass die Einvernahme auch bei einer entsprechend behutsamen, die kindliche Psyche berücksichtigten Einvernahme eine fortdauernde psychische Schädigung der Unmündigen ernstlich befürchten lässt, die durch deren besondere psychische Beschaffenheit bedingt ist. Unter diesen Voraussetzungen hat das Gebot der Unmittelbarkeit und das (sonst tunlichst keiner Beschränkung zu unterwerfende) Fragerecht des Angeklagten (Art 6 Abs 3 lit d MRK) im Interesse des unmündigen Tatopfers - ausnahmsweise - zurückzutreten.

Normen

StPO §252 Abs1 Z2a
StPO §281 Abs1 Z3
StPO §281 Abs1 Z4 B

15 Os 164/97OGH19.02.1998
14 Os 17/99OGH06.04.1999

Vgl auch; Beisatz: Vernehmungsunfähigkeit - Verlesungszulässigkeit. Musste eine vom Untersuchungsrichter als kontradiktorisch geplante Vernehmung des unmündigen Tatopfers wegen eines anhaltenden Weinkampfes des Kindes abgebrochen werden, noch bevor die Parteien Gelegenheit zur Befragung hatten, und steht nach dem Gutachten eines Sachverständigen fest, dass eine weitere Vernehmung des Kindes ohne dessen psychische Schädigung in absehbarer Zeit nicht möglich ist, dann kann sein Erscheinen zur Hauptverhandlung zwecks Ablegung einer Aussage aus einem erheblichen Grund füglich nicht bewerkstelligt werden. Die Verlesung des rudimentären Vernehmungsprotokolls aus dem Vorverfahren ist daher gemäß § 252 Abs 1 Z 1 StPO zulässig. (T1)

14 Os 143/99OGH30.11.1999

Auch; Beisatz: Die Angaben des sexuell missbrauchten Mädchens gegenüber der Kriminalbeamtin dürfen nach § 252 Abs 1 Z 1 StPO verlesen werden, weil es - nach dem Gutachten des Sachverständigen einem Angst-Schutzmechanismus folgend - schon bei der gerichtlichen Zeugenvernehmung nicht mehr bereit war, "in neuer Situation in verbalen Austausch zu treten", sich bei einem ähnlichen Anlass durch Schlaf der Befragung entzog, sodass ein Erscheinen des (zur Zeit der Tat dreieinhalbjährigen) Kindes bei der Hauptverhandlung zwecks weiterer Vernehmung füglich nicht zu bewerkstelligen war. (T2)

12 Os 22/17bOGH06.04.2017

Auch

Dokumentnummer

JJR_19980219_OGH0002_0150OS00164_9700000_001

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