OGH 15Os164/97

OGH15Os164/9719.2.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Februar 1998 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Rouschal, Dr.Schmucker und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Leinfellner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gottfried G***** wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 3. September 1997, GZ 7 Vr 10/97-33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Gottfried G***** wurde (iVm dem Urteilsangleichungsbeschluß ON 40) der Verbrechen der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB (I.) und der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II.1.) sowie des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (II.2.) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Danach hat er in Stadtschlaining

I. von Dezember 1994 bis Jänner 1995 Karin G***** wiederholt durch die Äußerung, wenn sie die Scheidung durchziehe, werde er sie mit einer Pistole erschießen, sohin durch gefährliche Drohung mit dem Tod zur Unterlassung der Fortsetzung des Scheidungsverfahrens zu nötigen versucht;

II. von April 1996 bis 15.Dezember 1996 die am 18.Dezember 1987 geborene, sohin unmündige Katrin G*****

1. dadurch, daß er sie wiederholt unter der Kleidung am Geschlechtsteil abgriff und sein entblößtes Glied von ihr betasten ließ, eine unmündige Person auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht;

2. jeweils anläßlich der zu II.1. angeführten Taten seine unmündige Tochter zur Unzucht mißbraucht.

Dagegen erhob der Angeklagte eine auf Z 3, 4, 5, 5 a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde; den Strafausspruch bekämpft er mit Berufung.

Zur Verfahrensrüge (Z 3):

Rechtliche Beurteilung

Als Nichtigkeit bewirkenden Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift des § 252 Abs 1 Z 2 a StPO rügt der Beschwerdeführer "das Vorspielen der Videoaufzeichnung" über die gemäß § 162 a StPO im Vorverfahren durchgeführte kontradiktorische Zeugenvernehmung der Katrin G***** (ON 13) in der Hauptverhandlung (261, 339 oben), ohne daß sich diese (zur Hauptverhandlung gar nicht geladenen) Zeugin vor dem erkennenden Gericht der Aussage berechtigt entschlagen hatte.

Dem Beschwerdevorbringen zuwider hat das Schöffengericht die vom Verteidiger beantragte Ladung und neuerliche Vernehmung des unmündigen Unzuchtsopfers nicht bloß mit dem vom Nichtigkeitswerber isoliert und daher sinnentstellend ausgelegten Hinweis auf die seinerzeitige Schlußerklärung des Mädchens vor der Untersuchungsrichterin (vgl 139: "Ich will nichts mehr sagen, das war alles") abgelehnt. Vielmehr hat es darüber hinaus einerseits diese Äußerung im Zusammenhang mit der vom (bei der kontradiktorischen Vernehmung) anwesenden gerichtlich bestellten psychologischen Gutachter Mag.Holger E*****, erteilten Belehrung, "daß sie nicht mehr aussagen müsse" (355), beurteilt, andererseits, den Ausführungen der allgemein gerichtlich beeideten Sachverständigen für Psychologie Mag.Eva S***** folgend, berücksichtigt, daß eine neuerliche Befragung des Kindes (extrem) belastend sei, und auch nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers eine sekundäre Traumatisierung von Mißbrauchsopfern hintanzuhalten sei (US 20 f).

Zieht man dazu noch weitere markante Verfahrensergebnisse in Betracht (vgl. etwa Katrin G*****: 35 siebenter Absatz; Karin G*****: 23 erster Absatz, letzter Satz, 233 unten f, 239 unten; Anna B*****: 243 unten f, 249 iVm US 10 oben; SV Mag.E*****: 153 dritter Absatz, 155 unten, 263 f; SV Mag.S*****: 283 f, 341 zweiter Absatz, Attest vom 7. Jänner 1997 des Vorstandes der Gynäkologie und Geburtshilfe des Landeskrankenhauses Oberwart, Prim.Dr.P***** 39 iVm S 45 und US 9 Mitte; ferner das Verteidigervorbringen 295 Mitte, wonach selbst für den Angeklagten ein "Breittreten des Intimlebens" belastend ist), so wird mit aller Deutlichkeit vor Augen geführt, welche körperlichen und seelischen Erschütterungen schon die bisherigen (wiederholten) Befragungen des neunjährigen Opfers bewirkt haben, sodaß realistisch befürchtet werden mußte, die mit einer Ladung vor das Schöffengericht schon an sich verbundene seelische Belastung werde den entstandenen Schaden der kindlichen Seele wieder aktivieren und noch potenzieren.

Bei den gegebenen Umständen lagen daher alle Kautelen vor, unter denen die herrschende Rechtsprechung (von der abzugehen der aktuelle Fall keinen Anlaß bietet) es gestattet, dann von der beantragten Ladung und Vernehmung einer Unmündigen, die Opfer eines Sexualdeliktes geworden ist, abzusehen, wenn nämlich das erkennende Gericht auf Grund konkreter (entweder sich schon aus der Aktenlage klar ergebender und/oder von einem jugendpsychiatrischen Sachverständigen aufgezeigter), sorgfältig abgewogener Tatsachen zur Überzeugung gelangt, daß die Einvernahme auch bei einer entsprechend behutsamen, die kindliche Psyche berücksichtigten Einvernahme eine fortdauernde psychische Schädigung der Unmündigen ernstlich befürchten läßt, die durch deren besondere psychische Beschaffenheit bedingt ist. Unter diesen Voraussetzungen hat das Gebot der Unmittelbarkeit und das (sonst tunlichst keiner Beschränkung zu unterwerfende) Fragerecht des Angeklagten (Art 6 Abs 3 lit d EMRK) im Interesse des unmündigen Tatopfers - ausnahms- weise - zurückzutreten (vgl EvBl 1993/48 = NRsp 1993/19; RZ 1990/69 = EvBl 1990/72; JBl 1996, 268; 15 Os 112/94, jüngst 15 Os 21/97 und 15 Os 58/97).

Bereits hier sei einem an anderer Stelle erhobenen Vorwurf des Nichtigkeitswerbers (vgl S 8 und 10 jeweils dritter Absatz der Beschwerdeschrift) erwidert, daß das Gericht durch die abgelehnte (abermalige) Vernehmung der Zeugin Katrin G***** in der Hauptverhandlung auch nicht gegen Grundsätze eines fairen Verfahrens im Sinne des Art 6 EMRK verstoßen hat. Denn dem aus Art 6 Abs 3 lit d EMRK erfließenden Gebot der Waffengleichheit mit dem Staatsanwalt (Golsong ua Internat.Komm.zur EMRK Art 6 Rz 548; Guradze, Die EMRK 109, Frowein/Peukert EMRK-Komm. Art 6 Rz 137; EGMR ÖJZ 1994, 322; EKMR Newsletter 1995, 10; 15 Os 58/97) wird dann entsprochen, wenn der Beschuldigte (obgleich wie hier zumindest im Vorverfahren) die Möglichkeit hatte, bei der kontradiktorischen Vernehmung Fragen an die Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen, was vorliegend vom Verteidiger auch genützt wurde (6 oben, 11 unten, 12 unten). Gerade mit der Bestimmung des § 162 a Abs 2 StPO hat der Gesetzgeber die Interessen des Zeugen und der Wahrheitsfindung mit dem aus Art 6 Abs 3 EMRK abgeleiteten Verteidigungsrecht akkordiert (RV zum StPÄG 1993 924 BlgNR 18.GP 32 f; JA 1157 BlgNR 18.GP 10; 15 Os 138/96, 15 Os 58/97).

Die behauptete Nichtigkeit ist daher dem Erstgericht nicht unterlaufen.

Fehl geht die weitere Beschwerdebehauptung, die unmündige Zeugin Katrin G***** sei vor ihrer kontradiktorischen Vernehmung weder über das ihr als leibliche Tochter des Angeklagten gemäß § 152 Abs 1 Z 2 StPO zustehende Entschlagungsrecht noch im Sinne des § 162 a Abs 4 StPO belehrt worden, weshalb die - gegen die Verwahrung des Angeklagten vorgenommene - Vorführung der Videoaufzeichnung und die Verlesung des Protokolls sowie die Verwertung dieser nach § 152 Abs 5 StPO nichtigen Zeugenaussage auch deshalb Urteilsnichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 3 StPO bewirke.

Indes ist dem schriftlichen Gutachten des (zur kontradiktorischen Vernehmung beigezogenen) psychologischen Gutachters Mag.E***** mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß das knapp neunjährige Mädchen, nachdem ihm in einer seinem Alter entsprechenden Weise die Gesetzeslage vor Augen geführt und von ihm (mit seiner intellektuellen Ebene angepaßten Worten) die Entscheidung abverlangt worden war, ob es im Verfahren gegen seinen Vater als Zeugin aussagen wolle oder nicht, den Verzicht auf die Inanspruchnahme des ihm zustehenden Entschlagungsrechtes unmißverständlich und wirksam zum Ausdruck gebracht hat (149 Mitte), wobei weder eine bestimmte Förmlichkeit der Verzichtserklärung noch auch eine Aufzeichnung dieser Erklärung auf dem Videoband erforderlich ist.

Die vorgenommene Belehrung der Zeugin nach § 162 a Abs 4 StPO hinwieder, deren Verletzung mangels ausdrücklicher Zitierung des § 162 a StPO im Katalog des § 281 Abs 1 Z 3 StPO keine Nichtigkeit gemäß dieser oder einer anderen Gesetzesstelle begründen könnte (vgl 13 Os 163/94, 15 Os 26/96, 15 Os 39/97 uam), ergibt sich unzweifelhaft aus dem auch insoweit Beweis machenden Tagsatzungsprotokoll (117), dessen Berichtigung von der Verteidigung niemals begehrt wurde. Es wäre dem Angeklagten oder seinem Verteidiger jedoch freigestanden, bei der Untersuchungsrichterin zeitgerecht entsprechende Ergänzungen oder Streichungen im Tagsatzungsprotokoll zu beantragen, wenn es ihrer Meinung nach nicht den Tatsachen entsprochen hätte.

Zur (weiteren) Verfahrensrüge (Z 4):

Zunächst remonstriert der Nichtigkeitswerber gegen das schöffengerichtliche Zwischenerkenntnis, mit dem ein Antrag seines (neuen) Wahlverteidigers in der Hauptverhandlung vom 3.September 1997, die Hauptverhandlung gemäß § 276 a (im Protokoll S 293 ersichtlich zufolge eines Schreibfehlers irrig: § 246 a) StPO unter anderem deshalb neu durchzuführen, weil nach seiner Information "ein Gutachten bzw die kontradiktorischen Einvernahme durch den Sachverständigen nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprochen hat", zumal weder der Sachverständige Mag.E***** noch die (in der Hauptverhandlung am 3.September 1997) anwesende Sachverständige Mag.S***** nach dem Psychologengesetz zur Erstattung eines Gutachtens berechtigt seien (293), im Ergebnis mit zutreffender Begründung abgewiesen wurde (295 unten f iVm US 23 unten f, wobei im Urteil ersichtlich "§§ 118 ff" anstatt "§§ 128 ff" gemeint ist).

Dazu ist ergänzend festzuhalten, daß der seinerzeitige Wahlverteidiger Dr.Gerhard O***** in einem am 30.Mai 1997 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz neben der Ladung von dreizehn Zeugen zur Hauptverhandlung den Antrag gestellt hat, "einen anderen als den im Vorverfahren beauftragten SV Mag.Holger E***** zum Sachverständigen zu bestellen, zumal dieser im bereits vorliegenden Gutachten auf offensichtliche Widersprüche in den Angaben der minderjährigen Katrin nicht eingeht, in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Senates vorwegnimmt und dadurch de facto eine Vorverurteilung ausspricht, ohne die vom Angeklagten angebotenen Beweis- mittel zu kennen" (ON 24). Diesen "Beweisantrag hielt" der Verteidiger in der Hauptverhandlung vom 9.Juli 1997 zwar "aufrecht" (261), verwahrte sich aber nicht weiter gegen die daraufhin erfolgte Erörterung des mündlich vorgetragenen Gutachtens, machte vielmehr von seinem Fragerecht an den Experten Gebrauch (261 ff).

Daraufhin wurde die Hauptverhandlung zur Durchführung der beantragten Beweise auf unbestimmte Zeit vertagt und in der Folge die allgemein gerichtlich beeidete Sachverständige für Psychologie, Mag.Eva S*****, damit betraut, ein (zweites) Gutachten über die Aussagefähigkeit und Aussageehrlichkeit der unmündigen Katrin G***** anhand des Akteninhaltes zu erstatten, welches bis zur fortgesetzten Hauptverhandlung am 3.September 1997 dem Gericht vorlag (ON 30).

Die Rüge versagt.

Im Sinne der Strafprozeßordnung ist als Sachverständigengutachten zu beurteilen, wenn es (wie vorliegend) von einem bestellten (1 verso, 3 a verso, 3 b verso) und beeideten (217, 261; 291, 293, 339 iVm US 24) Sachverständigen in einer bestimmten Strafsache unparteiisch, wahrheitsgemäß und unter Kontrolle des Gerichtes kraft seiner besonderen Fachkenntnisse Umstände und Erfahrungstatsachen bekundet, die für das Verfahren von Bedeutung sind (Mayerhofer StPO4 § 118 E 1). Die Beurteilung aber, ob die Schwierigkeit des Falles die Zuziehung eines zweiten (weiteren) Sachverständigen gebietet, ist dem Gericht anheimgestellt. Hält es den Sachverständigen für fähig, ein einwandfreies Gutachten abzugeben, somit für glaubwürdig, und erheben sich keine Bedenken im Sinne des § 125 StPO, so kann die Entscheidung, daß ein zweiter (weiterer) Sachverständiger nicht zuzuziehen sei, nicht angefochten werden; denn dies wäre eine unzulässige Kritik an der schöffengerichtlichen Beweiswürdigung (Mayerhofer aaO E 72). Zwar ist es den Parteien gestattet, gegen die Wahl eines gerichtlich bestellten Sachverständigen "erhebliche Einwendungen" (etwa wegen mangelnden fachlichen Wissens) vorzubringen, doch dürfen diese aus dem Inhalt des erstatteten Gutachtens nicht abgeleitet werden (Mayerhofer aaO § 120 E 1 ff).

Im vorliegenden Fall waren die von den Verteidigern gegen die genannten Sachverständigen vorgebrachten Einwendungen nicht erheblich im Sinne der §§ 125, 126 StPO; denn keiner der dort bezeichneten Gründe wurde behauptet, sondern ausschließlich mangelnde (formale) Berechtigung deshalb, weil die Experten in der Liste der klinischen Psychologen und Gesundheitspsychologen nicht genannt seien. Dabei wird allerdings übersehen, daß eine Eintragung in eine Liste - sei es in eine bei den Gerichten geführte Sachverständigenliste, sei es in die nach § 16 PsychologenG (BGBl 1990/360) geführte Liste der klinischen Psychologen und Gesundheitspsychologen - nicht Voraussetzung für eine Beiziehung als Sachverständiger im gerichtlichen Strafverfahren ist, was insbesonders aus der - auch durch das PsychologenG nicht geänderten (vgl § 24 leg cit) - Bestimmung des § 121 Abs 2 StPO erhellt. Des weiteren wurde im Antrag nicht behauptet, die Begutachtung der unmündigen Zeugin Katrin G***** sei schwierig. Daher bestand für die Neudurchführung (gemeint: Vertagung) der Hauptverhandlung zur Beiziehung eines weiteren (dritten) Sachverständigen kein Grund. Die dazu in der Beschwerdeschrift angestellten beweiswürdigenden Überlegungen müssen demnach als unbeachtlich auf sich beruhen.

Ausgehend von den bei Erledigung der Z 3 ausführlich dargelegten tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen wurde der Beschwerdeführer fallbezogen auch durch die "Vorführung der Videoaufzeichnung über die kontradiktorische Vernehmung der Zeugin Katrin G*****" in seinen Verteidigungsrechten nicht verkürzt.

Insoweit sich der Nichtigkeitswerber des weiteren über die seinem Verteidiger vom Gerichtshof verweigerte Fragestellung an die Sachverständige Mag.S***** "in bezug auf die [möglicherweise] bessere Beurteilung der Richtigkeit der Aussage der Katrin G*****" (347) beschwert, ist der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nicht zum Vorteil des Angeklagten ausgeführt, weil unzweifelhaft erkennbar ist, daß die behauptete Formverletzung auf die Entscheidung keinen für ihn nachteiligen Einfluß üben konnte (§ 281 Abs 3 StPO); fiel doch die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der genannten Zeugin, auf welche die Frage im Kern zielte, nicht in die Kompetenz der Sachverständigen, sondern allein in die des Schöffengerichtes, dem zu dieser Zeit ohnehin zwei übereinstimmende Sachverständigengutachten über die Aussagefähigkeit des Mädchens und über die Authentizität seiner Schilderungen in den entscheidenden Punkten sowie eine Reihe von Zeugenaussagen aus dem Umfeld des Kindes und solche, die über dessen Befragungen berichteten, vorlagen. Daran vermögen auch die in der Beschwerdeschrift hervorgekehrten, über das Vorbringen in der Hauptverhandlung unzulässig hinausgehenden Vermutungen und Hypothesen nichts zu ändern, wonach dann möglicherweise zutage gekommen wäre, daß die Trennung der Kindeseltern ein Motiv für die belastenden Aussagen gewesen sei und der inkriminierte Schuldvorwurf gegen den Vater der Phantasie des Mädchens oder der Einflußnahme durch die Kindesmutter entsprungen sein könnte.

Unberechtigt ist ferner die gegen ein weiteres Zwischenerkenntnis des Gerichtshofs (353 ff iVm US 19 ff) gerichtete Verfahrensrüge. Durch die im wesentlichen sachgerechte Abweisung der von seinem Verteidiger beantragten Ladung und Vernehmung der sechs namentlich genannten Zeugen, die durchwegs über irrelevante Umstände aussagen sollten (347 ff), wurden keine die Verteidigung sichernden Gesetze oder Verfahrensgrundsätze hintangehalten oder unrichtig angewendet (§ 281 Abs 1 Z 4 StPO):

1. Josef V***** (auch F*****) sollte die auf Videoband festgehaltene Aussage der Katrin G***** widerlegen, der Angeklagte habe in Anwesenheit dieses Zeugen "geschimpft bzw mit ihr gestritten", weil sie es verweigert hätte, ihm einen Kaffee zu machen.

Um diesen Beweisantrag überhaupt relevant scheinen zu lassen und ihm den Charakter eines bloß unzulässigen Erkundungsbeweises (vgl hiezu Mayerhofer aaO § 281 Z 4 E 88 ff) zu nehmen, wäre der Beschwerdeführer verpflichtet gewesen, schon bei Antragstellung einen zumindest annähernd bestimmten Zeitpunkt dieses Vorfalles anzugeben, vor allem aber einen konkreten (überprüfbaren) Wortlaut der Beschimpfung und des Streites darzutun. Liegt es doch auf der Hand, daß ein neunjähriges, von seinem Vater gescholtenes Kind in einer solchen Situation empfindsamer ist und eine Maßregelung (welcher Art immer) völlig anders auffaßt, als ein unbeteiligter Lokalstammgast. Im übrigen findet sich im Beweisantrag kein Hinweis darauf, daß der genannte Zeuge das behauptete Schimpfen und Streiten auch wirklich gesehen oder gehört hat.

2. Die "ergänzende" Vernehmung der Zeugin Anita T***** zur Widerlegung der Aussage der Katrin G*****, am 18.Dezember 1996 (an ihrem Geburtstag) habe T***** beim Angeklagten genächtigt, war schon deshalb nicht geboten, weil Anita T***** - mit dieser Behauptung des Mädchens konfrontiert - bereits in der Hauptverhandlung vom 9.Juli 1997 mit Bestimmtheit angegeben hatte, zwar nicht am fraglichen Tag (18.), wohl aber am 14.Dezember bei ihrem Lebensgefährten gewesen zu sein (257 iVm Beil./A zu ON 25). Daß sich inzwischen neue Gesichtspunkte für eine abermalige Vernehmung ergeben hätten, wurde im Beweisantrag nicht dargetan.

3. Die Aufnahme eines unzulässigen Erkundungsbeweises beinhaltet ferner der Antrag auf zeugenschaftliche Vernehmung der ehemaligen Klassenlehrerin (der Katrin G*****) Maria P*****. Da der Aktenlage keine Anhaltspunkte für (wohl aber nach den Aussagen der vernommenen Zeugen - vgl 299 ff, insbesondere ZV L***** 335 - gegen) die Behauptung des Beschwerdeführers zu entnehmen sind, daß die vordem große Zuneigung des Kindes zu ihrem Vater durch die Scheidung der Eltern in Haß und Abneigung gegen den Angeklagten umgeschlagen sei, worin nach Meinung der Beschwerde ein Motiv gelegen sein könnte, ihn zu Unrecht zu beschuldigen, wäre er verpflichtet gewesen, bei Antragstellung konkret darzutun, warum gerade die Aussage dieser Zeugin für ihn eine Entlastung erbracht hätte.

Dazu kommt, daß die Erforschung eines möglichen (vorliegend durch die Verfahrensergebnisse geradezu kontraindizierten) Motivs fallbezogen keinen entscheidenden (also entweder für die Schuld oder für den anzuwendenden Strafsatz maßgebenden) Umstand berührt. Daß die Lehrerin "pädagogisch fundierte Aussagen über die Persönlichkeit der Minderjährigen, insbesondere ihre Glaubwürdigkeit" abgeben solle, war nicht Gegenstand des im Antrag genannten Beweisthemas. Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit obliegt im übrigen dem Gericht.

4. Das Vorgesagte gilt gleichermaßen für den Antrag auf Einvernahme der Zeugin Katrin G*****, soweit er "zum gleichen Beweisthema" (womit im Kontext abermals nur das vorhin erwähnte Motiv gemeint sein kann) gestellt wurde.

Ihre zudem begehrte zeugenschaftliche Vernehmung zu zwei weiteren "speziellen" Beweisthemen, verfiel gleichfalls zu Recht der Ablehnung, weil dieser Beweisantrag insoweit nach Inhalt und Zielrichtung (vgl: "weshalb" und "inwieweit") erneut bloß auf die Aufnahme eines unzulässigen Erkundungsbeweises hinausläuft, wobei die weitwendigen Beschwerdeausführungen prozeßordnungswidrig teils abermals über das Antragsvorbringen hinausgehen, teils sich in urteilsfremden Spekulationen und in lebensfremden Mutmaßungen nach Art einer gegen kollegialgerichtliche Urteile in den Verfahrensgesetzen nicht vorgesehenen Schuldberufung verlieren. Demnach versagt die Verfahrensrüge bereits aus dieser Sicht, weshalb der Beschwerdehinweis auf Art 6 Abs 3 lit d EMRK und auf eine darauf bezugnehmende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, zu denen bereits oben unter Z 3 ausführlich Stellung genommen wurde, nicht zielführend sein kann.

5. Schließlich war auch die begehrte Vernehmung der Zeugen Helga und Diethard M***** (laut US 34 irrig: M*****) nicht geboten. Sie sollten eine (erstmals vom Verteidiger in seinem Antrag behauptete) Äußerung der Karin G***** diesen Personen gegenüber bestätigen, sie werde den Kindesvater (Gottfried G*****) "fertig machen", worin - nach Ansicht des Antragstellers - "ebenfalls ein Motiv oder ein Grund" für Karin G***** und deren Tochter gelegen sei, den Angeklagten "anzuschwärzen". Zum einen ist nämlich der Aktenlage kein (ein solches Beweisthema indizierender) Hinweis zu entnehmen; zum anderen wird abermals getrachtet, mit einem bereits als gegeben erachteten Motiv die vom Schöffengericht bejahte Beweiskraft der beiden Belastungszeugen in ein schiefes Licht zu rücken, was die breiten Beschwerdeausführungen noch deutlicher zum Ausdruck bringen.

Zur Mängelrüge (Z 5):

Weder mit der fragmentarisch, isolierten Zitierung jeweils bloß der Resümees, welche nach Ansicht der Erkenntnisrichter einzelne Beweismittel abschließend als glaubwürdig oder unglaubwürdig qualifizieren, noch mit dem Vorwurf, das Erstgericht habe sich einerseits mit der Verantwortung des Angeklagten überhaupt nicht auseinandergesetzt und auch nicht dargelegt, "warum" es dieser nicht geglaubt habe, andrerseits diese im Verhältnis zu den belastenden Aussagen der Karin und Katrin G***** unzureichend gewürdigt, noch mit der Behauptung, den Entscheidungsgründen könne nicht sicher entnommen werden, ob es sich bei den (in der Beschwerdeschrift nur unsubstantiiert nach Seitenzahlen bezeichneten) Urteilspassagen lediglich um Inhaltswiedergaben oder tatsächlich um Feststellungen handle, noch mit der willkürlichen Gegenüberstellung eines (vom Nichtigkeitswerber nur unvollständig wiedergegebenen) Satzes aus den (an sich unanfechtbaren) schöffengerichtlichen Erwägungen im Zusammenhang mit einer - fallbezogen unwesentlichen - Aussage Katrin G*****s, der Vater habe sie geschlagen und geschimpft (US 16 zweiter Satz), mit der Begründung betreffend die abgelehnte Einvernahme des Zeugen V***** (US 21) wird eine offenbar unzureichende oder in sich widersprüchliche Urteilsbegründung in der Bedeutung des relevierten Nichtigkeitsgrundes prozeßordnungsgemäß dargetan. Dafür wäre eine sachliche Auseinandersetzung auf der Basis der gesamten Entscheidungsgründe und der daraus abgeleitete Nachweis eines dem Erstgericht unterlaufenen formalen Begründungsfehlers erforderlich.

Indem die Beschwerde an dieser fundamentalen Prozeßvorschrift vorbeiargumentiert, gerät sie auf das ihr verwehrte Gebiet einer Bekämpfung der (zum Nachteil des Nichtigkeitswerbers ausgefallenen) Beweiswürdigung der Tatrichter, welche gemäß den Regeln des § 258 Abs 2 StPO die Beweiskraft aller vorhandenen Sach- und Zeugenbeweise nicht nur einzeln, sondern auch in ihrem inneren Zusammenhang sowie unter Verwertung des persönlich gewonnenen Eindrucks sorgfältig, gewissenhaft und kritisch geprüft und auch mit denkmöglicher, nachvollziehbarer und zureichender (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) Begründung dargelegt haben, aus welchen Gründen sie der leugnenden Verantwortung des Angeklagten nicht zu folgen vermochten (US 5 ff).

Zur Tatsachenrüge (Z 5 a):

Auch dieses (in sechs Punkte gegliederte umfängliche) Vorbringen verkennt das Wesen des relevierten unter die formellen Nichtigkeitsgründe eingereihten und daher in seiner prozessualen Reichweite keineswegs einer Schuldberufung (wie der Beschwerdeführer irrig meint) gleichenden Anfechtungstatbestandes (Mayerhofer aaO § 281 Z 5 a E 1, 3 ff mwN).

Die Prüfung der gesamten Aktenlage durch den Obersten Gerichtshof ergibt, daß der Nichtigkeitswerber weder schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustandegekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung noch einen sich aus den Akten ergebenden Plausibilitätsfehler (geschweige denn einen solchen erheblicher Art) aufzuzeigen vermag. In Wahrheit wird damit einmal mehr insgesamt nur ein anderes für ihn günstigeres Beweisergebnis angestrebt.

Dies gilt für die Einwände, mit denen im einzelnen

1. unter isolierter Betrachtung punktuell aus dem Gesamtzusammenhang gelöster Verfahrensergebnisse urteilsfremd (vgl US 4, 17 f) behauptet wird, die gefährliche Drohung der Karin G***** mit dem Tode sei von dieser gar nicht ernstgenommen worden, sie sei auch nicht geeignet gewesen, ihr begründete Besorgnis einzuflößen, weil es sich dabei lediglich um eine nicht außergewöhnliche, milieubedingte Unmutsäußerung gehandelt habe;

2. die Fragestellung an Katrin G***** anläßlich ihrer kontradiktorischen Vernehmung durch den Sachverständigen Mag.E***** (gegen die sich der Angeklagte sogleich hätte verwahren oder nach Vorliegen des Protokolls einen entsprechenden Berichtigungsantrag hätte stellen können), als suggestiv und tendenziös bewertet wird sowie die darauf aufbauenden Gutachten der beiden Sachverständigen als unbrauchbare Feststellungsgrundlage apostrophiert werden;

3. zwei (vermeintliche) Widersprüche aus dem Protokoll über die kontradiktorische Vernehmung der Zeugin Katrin G***** über unwesentliche Umstände, nämlich ob sie am 18.Dezember 1996 beim Vater übernachtet hat (womit sich das Urteil ausführlich auseinandersetzt - vgl US 9 oben, 13 unten f, 15 unten, 21 unten f) und ob sie den Penis des Vaters gesehen hat oder nicht, als "ein weiteres Beispiel für die Ungereimtheiten in der Aussage der minderjährigen Zeugin" herausgegriffen wird;

4. die "Zweifelhaftigkeit der Richtigkeit der Aussage" der genannten Zeugin darüber, daß sie vom Angeklagten geschimpft und geschlagen wurde, beispielsweise an Hand der Depositionen der Zeugin Christine L***** (333 ff) nachzuweisen getrachtet wird und die vom Erstgericht abgelehnte Einholung eines (anderen) psychologischen Gutachtens sowie die pauschale (fallbezogen aber zureichende) Würdigung der "Leumundszeugen" (US 16 f) kritisiert wird;

5. der Beschwerdeführer erneut die (seiner Meinung nach nicht gegebene) Qualifikation der vom Erstgericht beigezogenen psychologischen Sachverständigen Universitätslektor Mag.E***** und Mag.S***** in Zweifel zieht, andererseits sich mit dem Inhalt ihrer Gutachten beweiswürdigend auseinandersetzt, wobei er verkennt, daß die Experten nur zur Aussagefähigkeit und Aussageehrlichkeit der Unmündigen Stellung bezogen haben, während das Schöffengerich deren Glaubwürdigkeit in einer Gesamtschau aller Verfahrensergebnisse beurteilt hat; ferner eine bereits unter Z 4 erfolglos relevierte Verweigerung einer Fragestellung zum Anlaß nimmt, dem Schöffensenat (nunmehr) eine "hintergründige Einstellung gegenüber der Verteidigung" sowie "gewisse Zweifel an der Unparteilichkeit" zu unterstellen, die er indes selbst nicht einmal zum Anlaß einer Antragstellung in der Hauptverhandlung gemacht hatte;

6. aus der Gegenüberstellung einzelner Aussagepassagen der Katrin G*****, vermischt mit spekulativen Überlegungen die verfehlten Schlüsse zieht, er habe "keine sexuellen Handlungen" an seiner minderjährigen Tochter vorgenommen und keinen auf "sexuelle Befriedigung gerichteten" Vorsatz gehabt, der allerdings für die inkriminierten Handlungen ohnehin nicht Tatbestandsvoraussetzung ist (vgl US 18 unten f).

Zur Rechtsrüge (Z 9 lit a):

Der geltend gemachte materielle Nichtigkeitsgrund gelangt nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Dafür wäre ein Festhalten auch an dem im Urteil festgestellten subjektiven Tatsachensubstrat und der Nachweis auf dessen Grundlage erforderlich, daß dem Erstgericht der von der Beschwerde behauptete Feststellungsmangel unterlaufen ist. Dabei darf in der Nichtigkeitsbeschwerde weder eine konstatierte Tatsache übergangen oder ein nicht festgestellter Umstand berücksichtigt werden, noch darf sie sich auf neue Tatsachen stützen (Mayerhofer aaO § 281 E 25 a ff, 26, 30).

Gerade in diesen prozessualen Fehler verfällt der Beschwerdeführer, wenn er den in den Entscheidungsgründen unbedenklich und zureichend konstatierten Mißbrauchsvorsatz zum Verbrechen nach § 207 Abs 1 StGB (US 5, 18 f) bestrei- tet und mit der Argumentation, mangels eines (bloß - wie er vorbringt - für ihn nicht erkennbaren) Tatmotivs sowie "im Falle des Vorliegens einer massiven (allenfalls einer die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden) Alkoholisierung", welche im gesamten Verfahren nie behauptet wurde, überhaupt darauf schließt, daß ein nicht nachweisbarer Mißbrauchsvorsatz gegeben sei.

Soweit (erst) in der Beschwerdeschrift darüber hinaus moniert wird, das Erstgericht habe es unterlassen, "diesbezügliche Erhebungen" und "die Umstände näher aufzuklären", ist dieses Vorbringen im Rahmen einer Rechtsrüge nicht nur unzulässig, sondern zudem unsubstantiiert und prozessual verspätet. Es wäre nämlich Sache des Angeklagten oder seines Verteidigers gewesen, in der Hauptverhandlung zielführende Anträge zu stellen, nach deren Abweisung ihm (ihnen) die Verfahrensrüge nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO offengestanden wäre.

Zur Subsumtionsrüge (Z 10):

Dem allein gegen die (in den rechtlichen Erwägungen enthaltene - US 18 dritter Absatz) zusätzliche Qualifikation des unter I. des Urteilssatzes dargestellten Sachverhalts nach § 106 Abs 1 Z 3 StGB gerichteten Vorbringen ist durch den vom Erstgericht ohnedies im Sinn der Beschwerdeintentionen gefaßten "Urteilsangleichungsbeschluß" vom 18. November 1997 (ON 46) die Grundlage entzogen.

Aus den dargelegten Gründen war daher die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten - in Übereinstim- mung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 und Z 2 iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, woraus folgt, daß zur Entscheidung über die zudem erhobene Berufung das Oberlandesgericht Wien zuständig ist (§ 285 i StPO).

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