OGH 15Os39/97

OGH15Os39/9724.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.April 1997 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Rouschal, Dr.Schmucker und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Brandstätter als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Robert K***** wegen des Verbrechens des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB, teilweise als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 19.Dezember 1996, GZ 13 Vr 2083/95-33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Robert K***** der Verbrechen des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB, teilweise als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB (I) und der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II) sowie der Vergehen der Kuppelei nach § 213 Abs 1 StGB (III) und des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 erster Fall StGB (IV) schuldig erkannt.

Darnach hat er in der Zeit von Mitte Oktober 1985 bis Mitte Jänner 1986 in St.Georgen am Längsee

I.1. mit der am 8.März 1979 geborenen Sandra Kn***** wiederholt den außerehelichen Beischlaf unternommen,

2. dadurch, daß er die Genannte in seiner Wohnung entkleidete und sie einem Unbekannten zur Durchführung eines Geschlechtsverkehrs überließ, vorsätzlich dazu beigetragen, daß eine bisher nicht bekannte männliche Person mit der unmündigen Sandra Kn***** den außerehelichen Beischlaf unternahm;

II. die am 8.März 1979 geborene Sandra Kn***** auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, indem er

1. sie zweimal dazu veranlaßte, an ihm einen Oralverkehr durchzuführen,

2. mit ihr einen Analverkehr durchführte,

3. sie einmal mit einem Finger im Bereich der Scheide betastete und ihren Geschlechtsteil mit der Zunge leckte;

III. durch die zu I/2 geschilderten Tathandlungen die unmündige Sandra Kn*****, welche seiner Aufsicht unterstand, der Unzucht mit einer anderen Person zugeführt;

IV. die minderjährige Sandra Kn*****, die seiner Aufsicht - als Lebensgefährte ihrer Mutter - unterstand, durch die zu I/1 und II geschilderten Handlungen zur Unzucht mißbraucht.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5 und 5 a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Unter dem erstangeführten Nichtigkeitsgrund (Z 3) macht der Beschwerdeführer geltend, die Zeugin Sandra Kn***** sei bei ihrer kontradiktorischen Vernehmung im Vorverfahren (§ 162 a StPO) nicht darüber belehrt worden, daß das darüber aufgenommene Protokoll in der Hauptverhandlung verlesen werden könnte. Dessen Verwertung in der Hauptverhandlung sei daher nichtig.

In der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO sind indes die gesetzlichen Vorschriften, deren in der Hauptverhandlung unterlaufene Verletzung mit Nichtigkeit bedroht ist, erschöpfend aufgezählt (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 3 E 1 bis 3). Daß die Zeugin im Sinne des § 162 a Abs 4 StPO nicht belehrt wurde (ON 3), erfolgte aber bereits im Vorverfahren; zudem ist eine Mißachtung dieser Bestimmung nicht ausdrücklich mit Nichtigkeit bedroht.

In seiner Mängelrüge (Z 5) behauptet der Beschwerdeführer zunächst, der Ausspruch des Schöffengerichtes sei in entscheidungswesentlichen Punkten unrichtig, unvollständig und widersprüchlich. Das Erstgericht habe nämlich nicht einmal den Versuch unternommen, den unbekannten Mann, der mit Sandra Kn***** in der Wohnung des Angkelagten einen Geschlechtsverkehr unternommen habe, auszuforschen.

Abgesehen davon, daß sich aus dem Akteninhalt keinerlei konkrete Anhaltspunkte ergeben, die eine erfolgreiche Ausforschung des Unbekannten hätten erwarten lassen, können behauptete Verfahrensmängel nicht mit dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO geltend gemacht werden, sondern könnten solche bei Vorliegen der geforderten Voraussetzungen nur unter der Z 4 leg cit angefochten werden (Mayerhofer aaO § 281 Z 5 E 37 bis 39). Ein Antrag auf Ausforschung wurde in der Hauptverhandlung nicht gestellt.

Warum die Anzahl der festgestellten Sexualhandlungen im Beweisverfahren keine Deckung finden sollte, ist nicht nachvollziehbar. Gesteht doch der Beschwerdeführer selbst zu, daß die Zeugin Sandra Kn*****, auf deren Aussage die Tatrichter den Schuldspruch im wesentlichen stützten, davon gesprochen hat, daß die sexuellen Angriffe mehrmals wöchentlich erfolgten. Berücksichtigt man dazu den Tatzeitraum von Mitte Oktober 1985 bis Mitte Jänner 1986, also mindestens zwölf Wochen, so findet darin die festgestellte Zahl der Angriffshandlungen ohneweiteres Deckung. Zu deren näheren zahlenmäßigen Konkretisierung (im Faktum I 1) war das Schöffengericht auf Grund der Ergebnisse des Beweisverfahrens weder in der Lage noch - als für die Schuldfrage nicht wesentlich - verpflichtet.

Zur Tiefe des Eindringens des Angeklagten in die Scheide des Mädchens konnte sich das Erstgericht auf das nachvollziehbare und schlüssige Gutachten des Sachverständigen Dr.Gerhard B***** (US 8 im Zusammenhang mit S 301 f) stützen; außerdem übersieht der Beschwerdeführer dabei, daß zum "Unternehmen" des Beischlafes bereits die Berührung der Geschlechtsteile genügt (Leukauf/Steininger Komm3 § 206 RN 3).

Soweit die Mängelrüge schließlich moniert, aus der zum Teil widersprüchlichen Aussage der Zeugin Sandra Kn***** seien nicht die richtigen Schlüsse gezogen worden, unternimmt sie damit nur den im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Versuch, die Beweiswürdigung der Tatrichter in Art einer Schuldberufung anzufechten. Sie übergeht dabei aber auch die ausführliche Begründung (US 8 ff), warum das Schöffengericht trotz der bei den verschiedenen Vernehmungen aufgetretenen Widersprüchen dennoch der Aussage der Zeugin Sandra Kn***** gefolgt ist. Daß aus den Beweisergebnissen auch andere Schlüsse möglich wären, vermag den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht zu begründen (Mayerhofer aaO § 281 Z 5 E 145).

Die Tatsachenrüge (Z 5 a) versucht nur neuerlich durch aus dem Zusammenhang gelöste Darstellung einzelner Details (langes Schweigen der Sandra Kn*****, ihre Erklärungen gegenüber der Mutter und deren nicht zielführende Nachfrage) und somit in isolierter Betrachtungsweise, jeweils für den Angeklagten günstigere Schlüsse abzuleiten, als sie vom Schöffengericht in freier Würdigung der Beweisergebnisse gezogen worden sind. Damit vermag der Beschwerdeführer aber weder schwerwiegende unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustandegekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen, noch auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung erhebliche Zweifel gegen die Tatsachenfeststellungen in entscheidungswesentlichen Fragen aufkommen lassen (Mayerhofer aaO § 281 Z 5 a E 2, 3 und 16).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als offenbar unbegründet schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO).

Daraus folgt, daß die Kompetenz zur Entscheidung über die Berufung dem Oberlandesgericht Graz zukommt (§ 285 i StPO).

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