OGH 14Os17/99

OGH14Os17/996.4.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. April 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Gutschi als Schriftführer, in der Strafsache gegen Siegfried Z***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Siegfried Z***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Schöffengericht vom 16. Juli 1998, GZ 12 Vr 682/97-354, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Siegfried Z***** der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (A I.1.-17.) und der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter 18 Jahren nach § 209 StGB (A II.1.-15.) sowie des teils vollendeten, teils versuchten Vergehens der pornographischen Darstellungen mit Unmündigen nach §§ 207a Abs 3 und 15 StGB (A III.1. und 2.) sowie des Vergehens nach § 2 Abs 1 lit c PornG (A IV.) schuldig erkannt.

Darnach hat er (zusammengefaßt) in Steeg

teilweise alleine, teilweise im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit Thomas M***** und anderen abgesondert verfolgten Personen jeweils überwiegend in wiederholten Angriffen

(zu A/I/1-17) von Sommer 1985 bis Sommer 1997 siebzehn (männliche) Unmündige dadurch, daß er deren Geschlechtsteil betastete und masturbierte, Oralverkehr durchführte und teilweise Analverkehr versuchte, auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht;

(zu A/II/1-15) von Sommer 1987 bis Sommer 1997 mit fünfzehn Personen, die das 14., aber noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hatten, gleichgeschlechtliche Unzucht getrieben, indem er deren Glied betastete, meist auch masturbierte und Oralverkehr durchführte, einmal auch einen Analverkehr versuchte; sowie

(zu A/III/1) bis Juli 1997 in seinem Computer eine Datei mit kinderpornographischen Darstellungen, eine Filmaufnahme mit geschlechtlichen Handlungen zweier unmündiger Personen sowie eine Fotographie zweier unmündiger Burschen mit erigiertem Glied besessen, und

(zu A/III/2) im Jänner oder Feber 1997 im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit zwei abgesondert Verfolgten versucht, kinderpornographisches Material (Videos) aus den USA zu beschaffen; und letztlich

(zu A/IV) in der Zeit von 1991 bis Juli 1997 wissentlich Laufbilder, die geeignet sind, die sittliche oder gesundheitliche Entwicklung jugendlicher Personen durch Reizung der Lüsternheit oder Irreleitung des Geschlechtstriebes zu gefährden, Personen unter 16 Jahren zugänglich gemacht, indem er wiederholt zahlreichen Kindern und Jugendlichen diverse Pornofilme vorspielte.

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 2 (der Sache nach Z 3), 4, 5, 5a und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Rechtliche Beurteilung

Als Nichtigkeit bewirkende Verletzung der Verfahrensvorschrift des § 252 Abs 4 (gemeint: Abs 1) StPO rügt der Beschwerdeführer die in der Hauptverhandlung trotz Verwahrung vorgenommene Verlesung der kontradiktorischen Vernehmung des Zeugen Daniel M***** im Vorverfahren, weil weder der Angeklagte noch sein Verteidiger die Möglichkeit zur Befragung dieses Zeugen hatten (S 284/VIII). Nach dem Inhalt des Protokolls über die kontradiktorische Vernehmung (ON 128) mußte die Einvernahme des genannten Zeugen, bei der sowohl der Angeklagte als auch sein Verteidiger anwesend waren, wegen eines Weinkrampfes des Kindes abgebrochen werden (S 235/IV). Da eine taugliche Befragung des unmündigen Tatopfers auch in der Hauptverhandlung gegen den Mittäter Dkfm. DDr. Gerhard Gr***** (AZ 14 Vr 43/98 des Landesgerichtes Wels) gescheitert war, eine nochmalige Vernehmung des Kindes dessen psychische Schädigung ernsthaft befürchten ließ und zudem zufolge seelischer Traumatisierung (Sachverständige Dr. R*****; S 260/VIII) nicht als zielführend erachtet wurde, weil das Kind dem nicht gewachsen war, ist die gerügte Verlesung des (ob nun kontradiktorisch oder nicht zustande gekommenen) Protokolls gemäß § 252 Abs 1 Z 1 StPO zulässig gewesen, war doch aus den genannten erheblichen Gründen ein Erscheinen des kindlichen Zeugen zwecks weiterer Vernehmung füglich nicht zu bewerkstelligen (vgl auch Mayerhofer StPO4 § 252 E 39; 15 Os 164/97). Ein mit einer Verbesserung der psychischen Disposition des Knaben begründeter Antrag auf dessen neuerliche Vernehmung wurde nicht gestellt und es lagen im übrigen zureichende weitere Beweismittel vor, auf die sich die Tatrichter bei ihren Urteilsannahmen stützen konnten.

Das Schöffengericht hat auch mit Recht den Antrag auf "Neueinholung eines psychiatrischen und psychoanalytischen Gutachtens, insbesondere der Zeugen Stefan und Daniel M*****" abgelehnt, weil Mängel von Befund und Gutachten (§§ 125, 126 StPO) nicht dargetan wurden, die die Beiziehung eines weiteren Sachverständigen erforderlich gemacht hätten. Die Beurteilung aber, ob die Schwierigkeit des Falles (§ 118 Abs 2 StPO) die Zuziehung eines zweiten Sachverständigen gebietet, ist dem Gericht anheimgestellt. Hält es den Sachverständigen für fähig, ein einwandfreies Gutachten abzugeben, somit für glaubwürdig, so kann die Entscheidung, daß ein zweiter Sachverständiger nicht zuzuziehen sei, nicht angefochten werden; denn dies wäre eine Anfechtung der Beweiswürdigung, die im Nichtigkeitsverfahren nicht zulässig ist (Mayerhofer StPO4 E 72 zu § 118).

Eine Belastung des Angeklagten anstelle einer anderen (kryptisch als "prominenter Goiserer" bezeichneten) Person hat die Sachverständige bei der Befragung der M*****-Kinder eben nicht feststellen können (S 270/VIII).

Die Einvernahme zahlreicher Personen zum Beweis dafür, daß es nie zu sexuellen Übergriffen des Beschwerdeführers an ihnen gekommen sei, hat als nicht verfahrensgegenständlich ebensowenig Relevanz wie der Wissensstand seiner Freundin Melitta P***** und des Christian Po***** über das (Sexual-)Leben des Angeklagten und dessen Tätigkeit im "Alfa-Club".

Bei der begehrten Einvernahme des Zeugen Johann R***** handelt es sich um einen unzulässigen Erkundungsbeweis, wird doch nicht dargetan, warum dieser bestätigen könnte, "daß es entgegen der Darstellung des vernommenen Zeugen S***** nach dem Hubschrauberflug zu keinen irgendwelchen sexuellen Übergriffen seitens des Angeklagten gegenüber S***** gekommen ist". Gleiches gilt für den Antrag auf Vernehmung der Zeugin Manuela K***** zur Frage, ob Christian Z***** immer nur mit seinem Vater beim Beschwerdeführer erschienen sei, wurde doch nicht behauptet, daß diese ständig diesbezügliche Beobachtungen machen konnte.

Ob die Unmündigen Daniel und Stefan M***** auch von einer anderen Person namens "Thomas" mißbraucht wurden, erfordert als hier nicht entscheidungsrelevant ebensowenig deren begehrte (neuerliche) Einvernahme, wie die Dris. Helmut Gr*****, ob auch seitens eines privaten Vereines Ermittlungen gegen eine andere Person (ersichtlich wegen ähnlicher pädophiler Handlungen) geführt wurden.

Nicht stichhältig ist der Vorwurf einer unzureichenden Begründung (Z 5) jener zur subjektiven Tatseite getroffenen Urteilsfeststellungen, wonach der bedingte Vorsatz des Angeklagten auf das unmündige bzw minderjährige Alter der Unzuchtsopfer gerichtet war (US 37, 40 f). Das Schöffengericht hat die bekämpften Annahmen aus dem überaus häufigen Umgang des Angeklagten mit Kindern und Jugendlichen, welche ihm überdies durch zahlreiche Begegnungen bei Ausflügen und Badbesuchen näher bekannt waren (US 36), logisch und empirisch einwandfrei abgeleitet.

Für die kritisierte Feststellung, daß sich der Beschwerdeführer bei Vornahme der homosexuellen Handlungen des Mißbrauchs zur Unzucht bewußt gewesen sei (US 36), genügt der Hinweis des Erstgerichtes auf den äußeren Geschehensablauf, aus dem sich unmißverständlich der Tätervorsatz ableiten ließ, sodaß es insoweit keiner näheren Begründung bedurfte. Die als mangelhaft gerügten, einen Vorsatz in bezug auf den Besitz kinderpornographischer Darstellungen bejahenden Urteilsannahmen konnte das Erstgericht vornehmlich mit seinem Interesse an derart unzüchtigen Darstellungen und seinem Bemühen, solche auf verschiedenen Wegen zu erlangen, zureichend begründen (US 39).

Der zum Schuldspruchfaktum A III.1. (Besitz von kinderpornographischen Darstellungen) behauptete Widerspruch in den Entscheidungsgründen liegt nicht vor. Der Beschwerdeführer unterstellt nämlich unter Mißachtung des bezüglichen Urteilsinhaltes (US 39), daß er die Computerdatei mit dem Ziel durchgesehen hätte, unerlaubtes Material zu löschen; diese Verantwortung hat aber das Schöffengericht ersichtlich abgelehnt. Im übrigen zielen die Beschwerdeausführungen auf eine unzulässige Anfechtung der Beweiswürdigung des Erstgerichtes ab.

Unbegründet ist auch der zum Faktum A/IV. erhobene Einwand der Aktenwidrigkeit in bezug auf den eingestandenen Besitz von Pornofilmen (US 40), weil der Angeklagte diesen in der Hauptverhandlung ausdrücklich eingeräumt hat (S 74/VIII).

Nach Prüfung des Beschwerdevorbringens anhand der Akten ergeben sich auch keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen (Z 5a).

Die gegen die Schuldspruchfakten A/III/1 und /2 gerichtete Rechtsrüge entbehrt einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung, weil sie nicht am gesamten festgestellten Tatsachensubstrat festhält. Zum einen bestreitet sie, daß das beim Angeklagten vorgefundene Bild (S 189/IV) eine gleichgeschlechtliche Onanie zweier Buben zeigt (US 27) und behauptet zum anderen urteilsfremd, daß der Angeklagte einem Tatbildirrtum unterlegen sei; einer solchen Annahme stehen jedoch die vom Erstgericht zur subjektiven Tatseite getroffenen Feststellungen (US 39) entgegen.

Das Vorbringen zum Faktum A/III/2 erschöpft sich nur in beweiswürdigenden Überlegungen, ohne einen dem Erstgericht unterlaufenen Rechtsfehler zu behaupten.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Linz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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