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BGBl II 402/2016

BUNDESGESETZBLATT

FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH

402. Verordnung: Automatisiertes Fahren Verordnung - AutomatFahrV

402. Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie über Rahmenbedingungen für automatisiertes Fahren (Automatisiertes Fahren Verordnung - AutomatFahrV)

Aufgrund der §§ 34 Abs. 6, 102 Abs. 3a und 3b des Kraftfahrgesetzes 1967, BGBl. Nr. 267/1967 zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 67/2016, wird verordnet:

1. Abschnitt

Allgemeines

Anwendungsbereich

§ 1. (1) Die Bestimmungen dieser Verordnung sind auf Fahrzeuge anzuwenden, die den im 2. Abschnitt angeführten Anwendungsfällen entsprechen, in denen Assistenzsysteme oder automatisierte oder vernetzte Fahrsysteme vorhanden sind. Das Verwenden solcher Systeme ist nur zulässig, sofern

  1. 1. diese Systeme genehmigt und in Serie sind oder
  2. 2. diese Systeme für Testzwecke eingesetzt werden und den Anwendungsfällen des 2. Abschnittes zuordenbar sind.

(2) Diese Systeme müssen so ausgeführt sein, dass die Einhaltung der Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960, BGBl. Nr. 159/1960), der Eisenbahnkreuzungsverordnung 2012 (EisbKrV, BGBl. II Nr. 2016/2012) und des Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L, BGBl. I Nr. 115/1997), bei der Verwendung dieser Systeme, jedenfalls gewährleistet ist.

(3) Fahrzeuge, in denen Assistenzsysteme oder automatisierte Fahrsysteme vorhanden sind, dürfen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur getestet werden, sofern

  1. 1. während der Testfahrten Versicherungsschutz durch einen Haftpflichtversicherer gewährleistet ist und eine schriftliche Bestätigung des Kfz-Haftpflichtversicherers, dass für die Testfahrten im beantragten Umfang Versicherungsschutz nach den Bestimmungen des Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994 (KHVG 1994, BGBl. Nr. 651/1994) besteht, mitgeführt wird und
  2. 2. dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie vor Durchführung der Testfahrten folgende Daten übermittelt werden:
    1. a) Angaben zum geplanten Anwendungsfall
    2. b) Name der testenden Einrichtung
    3. c) Kontaktperson und Kontaktdaten
    4. d) Angaben zum Lenker des für Testfahrten zu verwendenden Fahrzeuges
    5. e) Kennzeichen des für Testfahrten zu verwendenden Fahrzeuges
    6. f) schriftliche Bestätigung des Kfz-Haftpflichtversicherers, dass für die Testfahrten im beantragten Umfang Versicherungsschutz nach den Bestimmungen des Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994 (KHVG 1994, BGBl. Nr. 651/1994) besteht
    7. g) Summe der bisher insgesamt real, virtuell und experimentell gefahrenen Testkilometer mit dem zu testenden System
    8. h) Beginn und Ende des geplanten Testzeitraumes
    9. i) geplante Teststrecke
    10. j) Bedarf an infrastrukturellen Anforderungen.

(4) Systeme für Testzwecke dürfen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn sie im Vorfeld ausreichend getestet worden sind. Wenn entsprechende Nachweise vorgelegt werden, stellt der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie für Testfahrten auf Straßen mit öffentlichem Verkehr eine Bescheinigung aus. Diese Bescheinigung ist bei jeder Testfahrt mitzuführen und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht auf Verlangen zur Überprüfung auszuhändigen.

(5) Testfahrten dürfen in dem vom Antragsteller beantragten Zeitraum durchgeführt werden. Der jeweilige Testzeitraum ist in der Bescheinigung gemäß Abs. 4 anzuführen.

(6) Nach Ende des Testzeitraumes ist dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie ein Bericht über die gewonnenen Erkenntnisse zu übermitteln. Insbesondere ist der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie unverzüglich über kritische Situationen bzw. Unfälle und deren Ursachen zu informieren, die während der Testfahrten vorgefallen sind.

(7) Werden Testfahrten auf Autobahnen oder Schnellstraßen durchgeführt, muss der Antragsteller vor den Testfahrten den für das hochrangige Straßennetz zuständigen Straßenerhalter informieren und in die Planung miteinbeziehen. Der örtlich zuständige Landeshauptmann ist lediglich zu informieren.

(8) Werden Testfahrten auf dem niederrangigen Straßennetz durchgeführt, muss der Antragsteller vor den Testfahrten den örtlich zuständigen Landeshauptmann informieren. Der jeweils zuständige Landeshauptmann hat die Möglichkeit innerhalb angemessener Frist, längstens jedoch drei Monate ab Einlangen der Information, allfällige Bedenken zu äußern. Diesen Bedenken ist entsprechend Rechnung zu tragen.

§ 2. Soweit sich in dieser Verordnung verwendete Bezeichnungen auf natürliche Personen beziehen, gilt die gewählte Form für beide Geschlechter. Bei der Anwendung dieser Bezeichnungen auf bestimmte natürliche Personen ist die jeweils geschlechtsspezifische Form zu verwenden.

Lenker

§ 3. (1) Fahrzeuge, die mit solchen Systemen ausgerüstet sind, dürfen nur verwendet werden, wenn der Lenker den für ihn vorgesehenen Platz in bestimmungsgemäßer Weise einnimmt.

(2) Der Lenker darf diesen Systemen bestimmte Fahraufgaben übertragen, bleibt aber stets verantwortlich, seine Fahraufgaben wieder zu übernehmen.

(3) Für Testfahrten dürfen nur solche Lenker eingesetzt werden, die sich nicht mehr in der Probezeit befinden und die entsprechend geschult und mit dem jeweiligen System vertraut sind.

(4) Der Lenker muss seine Zustimmung erteilen, dass während der Testfahrten Daten aus den elektronischen Steuergeräten des Testfahrzeuges aufgezeichnet und gespeichert werden.

Fahrten mit Fahrzeugen, die nicht zum Verkehr zugelassen sind

§ 4. Fahrzeuge, in denen Assistenzsysteme oder automatisierte oder vernetzte Fahrsysteme vorhanden sind, die nicht zum Verkehr zugelassen sind, können mit Probefahrtkennzeichen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr verwendet werden.

Unfalldatenspeicher

§ 5. (1) In den Fällen des § 1 Abs. 1 Z 2 ist jedes Fahrzeug mit einem Unfalldatenspeicher auszurüsten, der während der Testfahrt auch zu verwenden ist.

(2) Mit dem Unfalldatenspeicher dürfen lediglich Daten aus den elektronischen Steuergeräten des Testfahrzeuges aufgezeichnet werden. Diese Daten dürfen nicht veränderbar sein.

(3) Diese Daten dürfen ausschließlich für Testzwecke und der Rekonstruktion von kritischen Situationen oder Unfällen verwendet werden. In Zusammenhang mit Unfällen sind die unfallbezogenen Daten für den Zeitraum von 30 Sekunden vor und nach dem Unfall auf Verlangen den Ermittlungsbehörden und dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie zur Verfügung zu stellen.

Testdaten

§ 6. Werden neben den in § 5 erfassten Daten auch Videodaten aufgezeichnet, so ist dafür eine Bewilligung der Datenschutzbehörde erforderlich. In diesen Fällen sind die Kennzeichen der erfassten Fahrzeuge und Personen unkenntlich zu machen, außer die Unkenntlichmachung würde dem Testzweck zuwiderlaufen. Aufzeichnungen dürfen nur intern von der Testorganisation verwendet werden. Eine Weitergabe der Daten ist nur im Rahmen des § 1 Abs. 6 und § 5 Abs. 3 zulässig.

2. Abschnitt

Anwendungsfälle

Autonomer Kleinbus

§ 7. (1) Im Sinne dieser Verordnung gilt als autonomer Kleinbus, ein Fahrzeug der Klassen M1, M2 und M3, das mit einem System ausgerüstet ist, das in der Lage ist, bei einer Geschwindigkeit bis zu 20 km/h alle Fahraufgaben zu übernehmen.

(2) Dieses System darf von Fahrzeugherstellern, Entwicklern von Systemen und Forschungseinrichtungen getestet werden.

(3) Das System darf auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn vorab mit dem System mindestens 1 000 Testkilometer zurückgelegt worden sind.

(4) Der autonome Kleinbus darf auf einer vordefinierten Teststrecke getestet werden.

(5) Sobald der Lenker das System aktiviert, werden sämtliche Fahraufgaben auf das System übertragen. Das System muss daher in der Lage sein, alle Fahrsituationen automatisch zu bewältigen.

(6) Es muss eine Notfallvorrichtung vorhanden sein, mit der das System deaktiviert werden kann. Wenn es zu einer kritischen Situation kommt, muss der Lenker die Notfallvorrichtung unverzüglich betätigen.

(7) Das System darf bis zu einer maximalen Geschwindigkeit von 20 km/h getestet werden.

(8) Während des Testzeitraumes dürfen Personen ausschließlich auf den vorgesehenen Sitzplätzen und nicht gewerblich befördert werden.

Autobahnpilot mit automatischem Spurwechsel

§ 8. (1) Im Sinne dieser Verordnung gilt als Autobahnpilot mit automatischem Spurwechsel, ein System, das die Längsführung und Querführung des Fahrzeuges auf Autobahnen und Schnellstraßen übernehmen kann.

(2) Dieses System darf von Fahrzeugherstellern, Entwicklern des Systems und Forschungseinrichtungen getestet werden.

(3) Das System darf auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn vorab mit dem System mindestens 10 000 Testkilometer zurückgelegt worden sind.

(4) Sobald der Lenker auf die Autobahn oder Schnellstraße aufgefahren ist und sich in den fließenden Verkehr eingereiht hat, darf er das System aktivieren. Mit der Aktivierung des Systems können folgende Fahraufgaben auf das System übertragen werden:

  1. 1. Längsführung des Fahrzeuges, wie beschleunigen, bremsen, anhalten, Abstandskontrolle
  2. 2. Querführung des Fahrzeuges, wie Spur halten, Spur wechseln, überholen

(5) Rechtzeitig vor Erreichen der Ausfahrt sind die Fahraufgaben wieder vom Lenker zu übernehmen.

(6) Wenn es zu einer kritischen Situation kommt, muss der Lenker die übertragenen Fahraufgaben unverzüglich wieder übernehmen.

(7) Es muss eine Notfallvorrichtung vorhanden sein, mit der das System deaktiviert werden kann. Wenn es zu einer kritischen Situation kommt, muss der Lenker die Notfallvorrichtung unverzüglich betätigen.

(8) Das System darf ausschließlich auf Autobahnen und Schnellstraßen getestet werden.

(9) Das System darf in Fahrzeugen der Klassen M1, M2, M3, N1, N2 und N3 getestet werden.

Selbstfahrendes Heeresfahrzeug

§ 9. (1) Im Sinne dieser Verordnung gilt als selbstfahrendes Heeresfahrzeug, ein Fahrzeug der Klassen N1, N2, N3, T1, T2, T3, T4 und T5, das mit einem System ausgerüstet ist, das in der Lage ist, alle Fahraufgaben selbst oder teleoperiert zu übernehmen.

(2) Dieses System darf vom Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport getestet werden.

(3) Das System darf auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur getestet werden, wenn vorab mit dem System mindestens 300 Testkilometer zurückgelegt worden sind.

(4) Mit dem System sollen folgende Funktionalitäten getestet werden:

  1. 1. autonomes Fahren
  2. 2. teleoperiertes Fahren
  3. 3. Fahren im Folgemodus (autonomer Konvoi)

    In allen Fällen der Z 1 bis 3 muss ein Lenker in jedem Testfahrzeug anwesend sein und seine Lenkerpflichten gemäß § 3 wahrnehmen.

(5) Sobald der Lenker das System aktiviert, werden sämtliche Fahraufgaben auf das System übertragen. Das System muss daher in der Lage sein, alle Fahrsituationen automatisch zu bewältigen.

(6) Wenn es zu einer kritischen Situation kommt, muss der Lenker die übertragenen Fahraufgaben unverzüglich wieder übernehmen.

(7) Es muss eine Notfallvorrichtung vorhanden sein, mit der das System deaktiviert werden kann. Wenn es zu einer kritischen Situation kommt, muss der Lenker die Notfallvorrichtung unverzüglich betätigen.

(8) Das System darf auf allen Straßenarten getestet werden.

Leichtfried

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