Es ist ein weit verbreitetes Missverständnis unter der deutschen Bürgerschaft, dass das Bundesverfassungsgericht ein Verfassungsgericht sei, dh vorrangig ein Instrument, um die Grundrechte der Bürger gegen den Leviathan zu schützen und zu verteidigen: der letzte Fels in dessen Brandung – „und wenn ich bis Karlsruhe gehen muss ...“. Tatsächlich ist das Gericht zum beträchtlichen Teil ein Staatsgerichtshof; dies bedeutet, es schützt die Belange des Staates und dessen Organe, notfalls auch gegen die Interessen des Einzelnen. Es weist diese in seine Schranken, wie bereits eine frühe Entscheidung von 1954 zum „Menschenbild des Grundgesetzes“ (BVerfGE 4, 7, „Investitionshilfe“) mit der Gemeinschaftsgebundenheit des an sich freien Menschen allzu deutlich machte.1 Wurde doch die Verfassungsbeschwerde (Art 93 Abs 1 Nr 4a GG), mit deren Hilfe ein Grundrechtsschutz erst prozessual möglich war, zwar 1951 ins Bundesverfassungsgerichtsgesetz, aber erst 1969 ins Grundgesetz eingefügt, und somit verfassungsrechtlich abgesichert.