Im Jahr 1958 hat das BVerfG wohl eine der folgenreichsten Entscheidungen seiner gesamten Geschichte getroffen. Es ging um den Aufruf des ehemaligen Leiters der Staatlichen Pressestelle der Freien und Hansestadt Hamburg, Herrn Lüth, anlässlich der Eröffnung der Woche des deutschen Films im Jahr 1950, den Film „Unsterbliche Geliebte“ des – unter anderem als Regisseur und Drehbuchautor des antisemitischen Hetzfilms „Jud Süß“ in der Zeit des Nationalsozialismus auffälligen – Regisseurs Veit Haarlan zu boykottieren. Von den Zivilgerichten in allen Instanzen zu Unterlassung und Schadensersatz verurteilt, wandte sich Herr Lüth an das BVerfG, das ihm im Hinblick auf seine Meinungsfreiheit schließlich das Recht gewährte, derartige Aufrufe zu tätigen. Dieses als Lüth-Entscheidung2 in die Geschichte des Bundesverfassungsgerichts eingegangene Urteil gehört unter den Klassikern3 der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wohl zu den einflussreichsten Judikaten überhaupt. Die Kernaussage des Urteils besteht darin, dass das Grundgesetz in seinem Grundrechtsabschnitt auch eine objektive Wertordnung aufgestellt habe, die in der Verstärkung der Geltungskraft der Grundrechte zum Ausdruck komme. „Dieses Wertsystem, das seinen Mittelpunkt in der innerhalb der sozialen Gemeinschaft sich frei entfaltenden menschlichen Persönlichkeit und ihrer Würde findet, muß als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gelten; Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung empfangen von ihm Richtlinien und Impulse.“4 Die Vorstellung, dass Grundrechte eine objektive Wertordnung darstellen, hatte das Gericht bereits zuvor in einem Beschluss zur Ehegattenbesteuerung5 im Hinblick auf Art 6 Abs 1 GG formuliert.6 Allerdings lag dies im Hinblick auf den Wortlaut des Art 6 Abs 1 GG nahe,