AVG: § 69 Abs 1 Z 2 (Wiederaufnahme des Verfahrens, neue Tatsachen oder Beweismittel; nova causa superveniens, Verschulden der Partei)
AsylGH 18. 5. 2011, E5 213.872-3/2011
1. Tatsachen und Beweismittel können nur dann einen Grund für die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens gem § 69 Abs 1 Z 2 AVG darstellen, wenn sie bei Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens schon vorhanden gewesen sind, ihre Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich geworden ist (sog "nova reperta"), nicht aber, wenn es sich um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel (sog "nova causa superveniens") handelt (VwGH 8. 11. 1991, 91/18/0101; 7. 4. 2000, 96/19/2240; 20. 6. 2001, 95/08/0036; 19. 3. 2003, 2000/08/0105; Walter/Thienel, Die österr Verwaltungsverfahrensgesetze I2, 1998, E 124 zu § 69 AVG; Hengstschläger/Leeb, AVG, Band 4, 2009, Rz 28 zu § 69). "Tatsachen" sind Geschehnisse im Seinsbereich, mit "Beweismittel" sind Mittel zur Herbeiführung eines Urteils über Tatsachen gemeint (VwGH 11. 3. 2008, 2006/05/0232 = ZfVB 2008/1308). Die Wiederaufnahme eines Verfahrens dient jedenfalls nicht dazu, Versäumnisse während eines Verwaltungsverfahrens zu sanieren (VwGH 27. 7. 2001, 2001/07/0017 = ZfVB 2002/1607; 22. 12. 2005, 2004/07/0209 = ZfVB 2007/604).