In der Rs 53.661/15, Severe v Österreich, hat der EGMR erneut eine Verletzung des Grundrechts auf Familienleben (Art 8 EMRK) in einem österreichischen Rückführungsverfahren nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen (HKÜ) festgestellt (siehe auch 4.097/13, M. A. v Österreich = Zak 2015/38, 23). Im Ausgangsfall lag seit Oktober 2009 eine rechtskräftige Entscheidung vor, die auf Antrag des Vaters die Rückkehr des von der Mutter nach Österreich mitgenommenen Kindes nach Frankreich anordnete. Ein noch 2009 unternommener Versuch, diese Entscheidung durchzusetzen, blieb erfolglos. Danach kam es im Durchsetzungsverfahren zu zahlreichen Rechtsgängen, die zunächst einen unbewiesenen sexuellen Missbrauch des Kindes durch den Vater und danach die mögliche Gefährdung des Kindes durch die Trennung von der Mutter zum Thema hatten. Letztlich wurde die Durchsetzung der Rückführungsentscheidung im Jahr 2015 mit der Begründung abgelehnt, das Rückführungshindernis der Kindeswohlgefährdung (Art 13 lit b HKÜ) liege vor, weil die Mutter, die das Kind mittlerweile seit langer Zeit allein betreut, in Frankreich aufgrund der Entführung rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, die Vollziehung dieser Strafe im Fall ihrer Rückkehr nicht ausgeschlossen werden kann und die damit verbundene Trennung zu einer schweren Traumatisierung des Kindes führen würde (6 Ob 67/15v = Zak 2015/346, 193). Der EGMR kritisierte vor allem, dass nach dem ersten erfolglosen Versuch keine ausreichenden weiteren Schritte gesetzt wurden, um die Rückführungsentscheidung zeitnah zu vollziehen. Eine in der Zwischenzeit eingetretene Umstandsänderung könne die Nichtdurchsetzung der Rückführungsentscheidung zwar rechtfertigen. Hier sei die Änderung jedoch hauptsächlich auf den Zeitverlauf zurückzuführen, für den die Säumnisse bei der zeitnahen Durchsetzung verantwortlich seien. Daher liege ein Verstoß gegen Art 8 EMRK vor. Von der Novellierung der Durchführungsbestimmungen zum HKÜ, die am 1. 9. 2017 in Kraft getreten ist (KindRückG 2017; siehe Zak 2017/594, 349), erwartet sich der Gesetzgeber eine Beschleunigung von Rückführungsverfahren.