Die COVID-19-Pandemie rief sehr rasch Folgewirkungen auch im Zivilrecht hervor. Einerseits wurden nur wenige Wochen nach dem Ausbruch der Pandemie gesetzliche Sofortmaßnahmen im Zivil- und Zivilprozessrecht verabschiedet, um die Folgen des ersten Lockdowns abzumildern. Andererseits sahen sich die Rechtspraxis und im Weiteren auch die Gerichte vor Rechtsfragen gestellt, wie sie seit vielen Jahrzehnten nicht mehr – und zum Teil noch nie – virulent geworden waren. Dieses Geschehen gibt Anlass zu einer grundlegenderen Reflexion darüber, ob das Zivilrecht für den Krisenfall gerüstet ist. Der Beitrag widmet sich dieser Frage vor allem am Beispiel des Vertragsrechts, in dem die Einwirkungen einer allgemeinen Krisensituation auf ein individuelles Vertragsverhältnis besonders deutlich spürbar werden. Und er kommt zum Schluss, dass ein längerfristiges, breit angelegtes Regelungsprojekt in Gang gesetzt werden sollte, um in den verschiedenen Teilbereichen des Zivilrechts zu untersuchen, welcher Nachschärfungen und klarstellender Neuerungen es bedarf, damit das Recht seine Funktion als Konfliktlösungsmechanismus auch im Krisenfall zufriedenstellend erfüllen kann. Freilich werden am Ende eines solchen Projekts rechtspolitische Entscheidungen zu treffen sein, um beispielsweise festzulegen, wer in einem Vertragsverhältnis unter welchen Voraussetzungen und in welchem Ausmaß die Rechtsfolgen einer durch die Krise verursachten Leistungsstörung zu tragen hat. Wenn wir das Zivilrecht in diesem Sinn krisenfest machen wollen, führt an solchen Entscheidungen aber kein Weg vorbei. Denn – die nächste Krise ist mit dem Ukraine-Krieg und seinen gesellschaftlichen und ökonomischen Auswirkungen schon da. Und auch die Folgen der Klimakrise dräuen immer mehr an uns heran.