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Wider das "Trojanische Pferd" Home-Office im Dauerrecht

Aktuelle SozialpolitikWolfgang GoricnikDRdA-infas 2021, 149 Heft 2 v. 1.3.2021

1. Einführung

Die sattsam bekannte COVID-19-Pandemie hat im Frühjahr 2020 von ihrer rasanten Ausbreitung her wohl die ganze Welt überrascht. In Österreich konnte unter Einbindung der Sozialpartner mit einem erweiterten Kurzarbeitsmodell eine Explosion der Arbeitslosenzahlen verhindert werden. Zusätzlich wurden vornehmlich Büro-Arbeitsplätze "nach Hause" verlegt, wofür der Begriff "Home-Office" kreiert wurde. Bei dieser neuen Begrifflichkeit handelt es sich genau genommen um ein Oxymoron, dh einen Widerspruch in sich (nämlich das "Büro zu Hause"): So soll ein AN (mehr oder weniger "freiwillig") von zu Hause aus arbeiten (aber idR nicht in einem – in den meisten Fällen eben nicht zur Verfügung stehenden – eigenen Arbeitszimmer), was aber grundsätzlich als Arbeit wie im Büro gewertet werden soll (mitsamt Video-Calls und Video-Konferenzen über dienstliche oder auch private Endgeräte als virtuelles Bindeglied zu Kollegen und Vorgesetzten). Die Privatwohnung wird dabei – mangels entsprechender ausdrücklicher Vereinbarung1)1)Felten, Home-Office und Arbeitsrecht, DRdA 2020, 511 (516 ff) verlangt dafür angesichts der Beeinträchtigung des Privat- und des Familienlebens sowie des Hausrechts zu Recht ein Eigeninteresse des AN an einer "echten" Home-Office-Vereinbarung. – zwar nicht als vertragsrechtlicher Arbeitsort ieS2)2)So zutreffend Brokes, Covid-19 und Arbeitsrecht: Die fünf häufigsten Fragen aus der aktuellen Beratungspraxis, DRdA-infas 2020, 196. bzw Arbeitsstätte im arbeitnehmerschutzrechtlichen Sinne anzusehen sein3)3)Siehe dazu näher Streithofer, Homeoffice: Vom Anlassfall Corona-Krise zu geregelten Verhältnissen, DRdA-infas 2020, 204. (was ja auch fernab des Arbeitsrechts uU wohnrechtliche Probleme einer allenfalls zustimmungs- bzw bewilligungspflichtigen widmungswidrigen Nutzung einer Wohnung mit sich bringen könnte), aber wird mehrheitlich doch uU (insb anstelle einer Freistellung) zumindest eine Obliegenheit des AN angenommen, sich aus dem Grund der aktuellen Pandemie zu Hause aufzuhalten und – wenn nicht krankgeschrieben – von dort aus seine (allenfalls modifizierte) Arbeitsleistung (idR digital) zu erbringen.4)4)Vgl Bremm/Mayr in Resch, Corona-HB1.01 Kap 7 Rz 3 (Stand 15.5.2020, rdb.at); Felten, DRdA 2020, 518; Hitz/Schrenk, Homeoffice während und nach der Corona-Krise. Was ist zu beachten? ASoK 2020, 322 (324) mwN. In vielen Fällen handelt es sich dabei mE sohin um eine "schlampige" Form von Tele-Heimarbeit, zumal dafür keine eigenen AN-Schutz-Standards5)5)Es gilt wohl (soferne übertragbar) zwar der 1. allgemeine Abschnitt des ASchG (so auch mit ausführlicher Begründung Felten, DRdA 2020, 520 f), die Verpflichtung des AG zur ergonomischen Ausgestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen gilt aber gerade nicht, außer die IT-Geräte werden vom AG zur Verfügung gestellt (§ 67 Abs 6 ASchG). bestehen, die natürlich in privaten Wohnräumlichkeiten des AN oftmals auch schwer umzusetzen – und noch schwerer kontrollierbar – sein würden,6)6)So auch Schrank, Arbeitsrechtliches Update zur Corona-Krise, RdW 2020/537, 774 und Felten, DRdA 2020, 520 f. sofern keine großzügigen Wohnlandschaften zur Verfügung stehen, die die Adaptierung eines eigenen Raumes als Arbeitszimmer gestatten.7)7)Mittlerweile gibt es deshalb schon – leider ernsthaft gemeinte – Tipps, wie ein Arbeitsplatz im Schlafzimmer eingerichtet werden kann: "Mit kleinen, eleganten Schreibtischen oder Sekretären, in deren Fächern abends die gesamten Arbeitsutensilien verschwinden, wird daraus mehr als eine Notlösung. Eigentlich ist es auch clever, einen Raum tagsüber sinnvoll zu nutzen, in dem man sonst nur nachts wäre." (Quelle "Schöner Wohnen", https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20201016_OTS0033/homeoffice-ist-ueberall-sechs-kreative-tipps-sich-den-arbeitsplatz-zuhause-platzsparend-einzurichten-foto [abgerufen am 16.1.2021]). Im Folgenden soll aber nicht dieser "Hardware"-Aspekt von fehlendem AN-Schutz im Fokus stehen, sondern vielmehr der nicht gleich sichtbare – dennoch sozialpolitisch mindestens ebenso bedenkliche – "Software"-Aspekt, nämlich die Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten von vom "Home-Office" aus mit den Mitteln moderner Kommunikation (als notwendiger technischer Grundlage dieser Arbeitsform) arbeitenden AN.

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