In der Entscheidung 9 ObA 20/19k hat sich das Höchstgericht erstmals klar zu der Frage geäußert, ob eine zwar begründete, aber verspätet ausgesprochene Entlassung im Rahmen des allgemeinen Entlassungsschutzes des ArbVG angefochten werden kann. In ihrer Entscheidungsbesprechung teilt die Autorin die Ansicht des OGH, dass in diesem Fall eine Anfechtung der Entlassung grundsätzlich möglich ist, sofern die restlichen Anfechtungsvoraussetzungen erfüllt sind. Zwar setzt § 106 Abs 2 ArbVG voraus, dass der Arbeitnehmer "keinen Entlassungsgrund gesetzt hat", allerdings würde ein Verständnis des § 106 Abs 2 ArbVG rein nach dem Wortlaut der Bestimmung zu kurz greifen: Wird ein Arbeitnehmer nach einem zu langen Zuwarten des Arbeitgebers und damit unberechtigt entlassen, so erscheint er genauso schutzwürdig, wie ein Arbeitnehmer, dessen Dienstverhältnis ohne Vorliegen eines Entlassungsgrundes vorzeitig beendet wurde. Die Voraussetzung des § 106 Abs 2 ArbVG "keinen Entlassungsgrund gesetzt hat", sei daher so zu verstehen, dass eben keine berechtigte Entlassung vorliegen darf.