29.6.15.1 Allgemeines
§ 94 Z 5 und Z 12 EStG 1988 sehen für Einkünfte, bei denen der Kapitalertragsteuerabzug durch ein Kreditinstitut vorzunehmen ist, als Voraussetzung für die Inanspruchnahme der KESt-Befreiung vor, dass eine "digitale Befreiungserklärung" abgegeben wird. Dadurch soll ab 1.1.2025 die analoge Übermittlung der Befreiungserklärung in Papierform durch eine Digitalisierung dieser Arbeitsprozesse ersetzt werden, bei der die Daten der Befreiungserklärung vollelektronisch zwischen den abzugsverpflichteten Kreditinstituten und der Finanzverwaltung zu übermitteln sind. Zudem wird durch die elektronische Befreiungserklärung das Haftungsrisiko der Kreditinstitute reduziert, indem durch die ordnungsgemäße, automatisierte Übermittlung jedenfalls die Voraussetzungen für die KESt-Befreiung erfüllt werden. Erfolgt vom Kreditinstitut jedoch aus von diesem zu vertretenden Gründen keine ordnungsgemäße elektronische Datenübermittlung, ist es im Wege der Haftung in Anspruch zu nehmen.29.6.15.2 Voraussetzungen der digitalen Befreiungserklärung
Der Empfänger muss dem Abzugsverpflichteten unter Nachweis seiner Identität schriftlich oder in digitaler Form erklären, dass- die Voraussetzungen der jeweiligen Befreiungsbestimmung (Z 5 oder Z 12) erfüllt sind (siehe dazu Rz 7762 ff) oder diese nicht mehr vorliegen (Widerruf) und
- für die digitale Weiterleitung der erforderlichen Daten an das Finanzamt die Entbindung vom Bankgeheimnis erfolgt.
Die Übermittlung der notwendigen und vollständigen Informationen erfolgt somit direkt von den Steuerpflichtigen an die betroffenen Kreditinstitute, wobei kein Schriftlichkeitserfordernis mehr besteht. Vielmehr können alle im Sinne des § 6 FM-GwG zulässigen Verfahren zur Feststellung der Identität der Kunden zur Dokumentation der digitalen Befreiungserklärung verwendet werden, wie zB eine Zwei-Faktor-Authentifizierung, sofern eine Dokumentation der digitalen Befreiungserklärung sichergestellt ist. Dabei hat der Kunde den Kreditinstituten mitzuteilen, für welche Konten und auf welcher Rechtsgrundlage eine KESt-Befreiung erfolgen soll.
Weitere Voraussetzung für die Befreiung ist, dass der Abzugsverpflichtete die für die Befreiung oder deren Widerruf erforderlichen Daten laufend dem zuständigen Finanzamt elektronisch übermittelt. Der Abzugsverpflichtete hat für die digitale Weiterleitung der erforderlichen Daten an das Finanzamt eine Entbindung vom Bankgeheimnis einzuholen.Die Übermittlung der Informationen erfolgt in strukturierter Form über FinanzOnline. Die elektronische Übermittlung der Daten ist gemäß § 1 Abs. 2 Befreiungserklärungs-Durchführungsverordnung (BefE-DV) nur im Weg der Datenstromübermittlung und im Weg eines Webservices zulässig. Die Teilnehmer können sich gemäß § 2 Abs. 1 BefE-DV zur Datenübermittlung eines Dienstleisters (insbesondere eines Rechenzentrums) bedienen, den sie dem Finanzamt namhaft zu machen haben. Die Beendigung des Dienstleistungsverhältnisses ist dem Finanzamt unverzüglich mitzuteilen. Der Bundesminister für Finanzen kann im Einzelfall einen Dienstleister ablehnen oder ihn bei sinngemäßer Anwendung des § 6 FOnV 2006 ausschließen (§ 2 Abs. 2 BefE-DV).
§ 3 BefE-DV regelt, welche Daten elektronisch von den Abzugsverpflichteten zu übermitteln sind. Die Daten umfassen insbesondere- die von der Befreiung umfassten Konten und Depots (IBAN/Kontonummer bzw. Depotnummern),
- sämtliche Inhaber der befreiten Konten bzw. Depots (inkl. Stammzahl gemäß § 6 Abs. 3 E-GovG oder einem Ordnungsbegriff, mit dem diese Stammzahl ermittelt werden kann, sowie Name und Adresse),
- den Tag des Beginns und allenfalls den Tag des Endes der Befreiung für das Konto bzw. das Depot und des jeweiligen Inhabers,
- den anwendbaren Befreiungstatbestand und
- Angaben zur Identifikation des Abzugsverpflichteten (dessen Bezeichnung und BIC).
Bei Treuhandkonten gilt der Treugeber als Inhaber der befreiten Konten. Als Ordnungsbegriff kommen die Steuernummer, die Kennziffer des Unternehmensregisters, die Firmenbuchnummer, die Vereinsregisternummer, die Ordnungsnummer des Ergänzungsregisters oder die Globale Lokationsnummer in Frage. Bei Gemeinschaftskonten/-depots sind sämtliche Inhaber zu übermitteln.
Kommt es zu Fehlern in den Datensätzen, hat eine Stornoübermittlung zu erfolgen. Dadurch wird ein bereits übermittelter Datensatz komplett gelöscht und ist danach in richtiger Form neu zu übermitteln (§ 3 Abs. 4 Z 4 BefE-DV).
Die Datenstromübermittlung erfordert die Festlegung bestimmter Übermittlungsstrukturen durch das Bundesministerium für Finanzen. Diese werden im Internet unter https://www.bmf.gv.at veröffentlicht.
Ab dem 2. Jänner 2025 (Zeitpunkt der Erstübermittlung) sind vierteljährlich (somit einmal pro Quartal) Folgeübermittlungen jeweils bis zum 25. April, 25. Juli, 25. Oktober und 25. Jänner vorzunehmen. Diese Meldungen müssen alle angefallenen Änderungen (sämtliche Befreiungen als auch sämtliche Widerrufe) umfassen; ein reiner Stichtagsvergleich ist unzulässig. Bei Samstagen, Sonntagen und Feiertagen besteht eine Fristverlängerung im Sinne des § 108 Abs. 3 zweiter Satz BAO.29.6.15.3 Rechtsfolgen der digitalen Befreiungserklärung
29.6.15.3.1 Beginn der Befreiung
Der Abzugsverpflichtete hat bei Erfüllung der Voraussetzungen einer digitalen Befreiungserklärung - insbesondere der Erfüllung der rechtzeitigen Datenübermittlungsverpflichtung - vom KESt-Abzug abzusehen. Die KESt-Befreiung beginnt mit Abgabe der (schriftlichen oder digitalen) Erklärung gegenüber dem Abzugsverpflichteten gemäß § 94 Z 15 lit. a EStG 1988, soweit eine elektronische Übermittlung der Daten gemäß § 94 Z 15 EStG 1988 durch das Kreditinstitut ordnungsgemäß erfolgt (siehe Rz 7777b ff).29.6.15.3.2 Ende der Befreiung
Der Empfänger der Kapitaleinkünfte ist zu einer Widerrufserklärung verpflichtet, wenn die Voraussetzungen für die Befreiung nicht mehr vorliegen (zB Kapitaleinkünfte nicht mehr zu seinen Betriebseinnahmen gehören). Die Freistellung der Kapitaleinkünfte vom Steuerabzug endet mit der Abgabe einer derartigen (schriftlichen oder digitalen) Widerrufserklärung. Weiters endet die KESt-Abzugsbefreiung mit der Zustellung eines Feststellungsbescheides an das Kreditinstitut, in dem die Unrichtigkeit der Befreiungserklärung ausgesprochen wird, oder wenn aufgrund einer Änderung der Kontoinhaberschaft die für die Befreiung notwendigen Voraussetzungen wegfallen (zB Untergang der juristischen Person bei Umwandlungen auf natürliche Personen).29.6.15.4 Inkrafttreten
Die Regelung über die digitale Befreiungserklärung tritt am 1. Jänner 2025 in Kraft und ist erstmalig für digitale Datenübermittlungen anzuwenden, die nach dem 1. Jänner 2025 erfolgen. Die erstmalige Datenübermittlung für digitale Befreiungserklärungen an das Finanzamt kann ab dem 2. Jänner 2025 vorgenommen werden. Dabei ist bis zum 27. Jänner 2025 als Initiallieferung der Datenbestand aller befreiten Konten bzw. Depots zum 1. Jänner 2025 - einschließlich aller nicht bereits per Gleichschrift übermittelten Änderungen im Datenbestand zwischen 1. Jänner 2024 und 1. Jänner 2025 - zu übermitteln. Dabei kann als Tag des Beginns der Befreiung entweder der 1. Jänner 2025 oder das Datum, zu dem die Befreiung in der Vergangenheit erstmals angewendet wurde, gemeldet werden. Wird der 1. Jänner 2025 als Beginndatum gemeldet, sind die schriftlichen Befreiungserklärungen noch sieben Jahre aufzubewahren.(Alte) schriftliche Befreiungserklärungen in der Fassung vor dem AbgÄG 2023 bleiben bis 31. Dezember 2024 gültig. Allerdings gelten bestehende (alte) Befreiungserklärungen, die auch die Voraussetzungen einer digitalen Befreiungserklärung - insbesondere im Hinblick auf die erforderliche Entbindung vom Bankgeheimnis - erfüllen, bereits als digitale Befreiungserklärungen iSd AbgÄG 2023. Diese müssen daher nicht erneuert werden.
Für Befreiungserklärungen, die ab dem 1. Jänner 2024 abgegeben werden und die bereits die Voraussetzungen einer digitalen Befreiungserklärung erfüllen, kann die Übermittlung der Gleichschrift (Kopie) gemäß § 94 Z 5 EStG 1988 idF vor dem AbgÄG 2023 unterbleiben, sofern sämtliche Daten über Befreiungen bzw. deren Widerruf zwischen 1. Jänner 2024 und 31. Dezember 2024 im Rahmen der erstmaligen elektronischen Datenübermittlung erfasst werden. Diese Daten sind bereits im Rahmen der erstmaligen elektronischen Mitteilung gemäß § 94 Z 15 lit. b EStG 1988 an die Finanzverwaltung zu übermitteln. In diesen Fällen ist jedenfalls das tatsächliche Datum, ab dem die KESt-Befreiung angewendet wurde, als Tag des Beginns der Befreiung zu melden.