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29.6.2.2 Beteiligungserträge ausländischer Körperschaften

BMF2023-0.871.81913.3.2024

29.6.2.2.1 Voraussetzungen für die Befreiung

Rz 7755
Die Befreiung umfasst jene Kapitalerträge, die an eine ausländische Gesellschaft gezahlt werden, welche die in der Anlage 2 zum EStG 1988 vorgesehenen Voraussetzungen des Art. 2 der Mutter-Tochter-Richtlinie (Richtlinie 2011/96/EU ) erfüllt.

Nach der Anlage 2 zum EStG 1988 ist eine Gesellschaft iSd Art. 2 der Mutter-Tochter-Richtlinie jede Gesellschaft, die folgende Voraussetzungen erfüllt:

Die Beteiligung der ausländischen Muttergesellschaft muss an einer Aktiengesellschaft, GmbH oder Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft bestehen, die unbeschränkt steuerpflichtig ist, dh. diese muss den Ort der Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben. Es fallen demnach auch doppelt ansässige Gesellschaften (zB Gesellschaft mit Sitz im EU-Ausland und Ort der Geschäftsleitung in Österreich) unter den Anwendungsbereich der Befreiung (vgl. EAS 1356).

Die Befreiung steht nur insoweit zu, als der beteiligten Körperschaft die Gewinnanteile steuerlich zuzurechnen sind. Die Beteiligung muss somit grundsätzlich vor der Beschlussfassung der Gewinnverteilung erworben worden sein (siehe Rz 6110a). Handelt es sich bei der Beteiligung hingegen um eine Gesellschaft, deren Anteile in Form von zentralverwahrten Aktien ausgegeben sind, muss an diesen das wirtschaftliche Eigentum am Ende des Record-Tages bestehen, damit die Gewinnanteile steuerlich zuzurechnen sind (§ 32 Abs. 4 Z 1 EStG 1988; siehe Rz 6912 ff).

Die ausländische Muttergesellschaft muss zu mindestens einem Zehntel mittelbar oder unmittelbar am Grund- oder Stammkapital der ausschüttenden inländischen Tochtergesellschaft beteiligt sein. Die Beteiligung muss an deren Nominalkapital bestehen, eine Beteiligung in anderer Form, etwa im Wege sozietärer Genussrechte schließt, unabhängig von der Höhe dieser Beteiligung, die Anwendung der Befreiung aus. Besteht etwa an derselben Gesellschaft neben einer Beteiligung am Nominalkapital auch eine Beteiligung in Form von sozietären Genussrechten und wird das Beteiligungsausmaß von 10 Prozent nur unter Einrechnung der Substanzgenussbeteiligung erreicht, steht die Befreiung insgesamt nicht zu. Zusätzlich ist erforderlich, dass die ausländische Muttergesellschaft hinsichtlich der österreichischen Beteiligung nicht bloß eine Funktion ausübt, die jener eines bloßen Treuhänders entspricht (vgl. EAS 1072).

Es ist nicht erforderlich, dass eine unmittelbare Beteiligung am Nominalkapital gegeben ist, sondern es ist eine mittelbare Beteiligung über eine Personengesellschaft ausreichend, allerdings muss durchgerechnet das geforderte Mindestbeteiligungsausmaß gegeben sein. Sind an der Personengesellschaft Personen beteiligt, auf die § 94 Z 2 EStG 1988 nicht anwendbar ist, steht die Befreiung nur entsprechend dem die notwendigen Voraussetzungen des § 94 Z 2 EStG 1988 erfüllenden Beteiligungsausmaß am Grund- oder Stammkapital zu (siehe oben Beispiel 1 unter Rz 7754).

Rz 7755a
Die Beteiligung muss während eines ununterbrochenen Zeitraumes von mindestens einem Jahr bestehen. Für die Berechnung der Einjahresfrist ist der Zeitpunkt der Anschaffung der Anteile bzw. das erstmalige Erreichen des Mindestbeteiligungsausmaßes dem Veräußerungszeitpunkt gegenüberzustellen, wobei eine allfällige Rückwirkung nach UmgrStG zu berücksichtigen ist. Die einjährige Mindestbeteiligungsdauer ist materiell rechtliche Voraussetzung für die Befreiung. Wird sie nicht erreicht (etwa bei Veräußerung der Beteiligung innerhalb der Jahresfrist), kommt die Befreiung nicht zur Anwendung und unterliegt eine allfällige Ausschüttung der KESt. Eine (teilweise) KESt-Entlastung kann diesfalls auf DBA-rechtlicher Grundlage erfolgen.

Erfolgt eine Ausschüttung vor Erreichen der einjährigen Mindestbehaltefrist, ist grundsätzlich KESt einzubehalten. Von einem KESt-Einbehalt kann jedoch abgesehen werden, wenn beim zuständigen Finanzamt keine Zweifel bestehen, dass die Mindestbeteiligungsdauer eingehalten wird und allenfalls die KESt bei der österreichischen Tochtergesellschaft im Haftungsweg eingebracht werden könnte.

Rz 7755b
Von der Befreiung sind in sachlicher Hinsicht Dividenden und sonstige Bezüge aus Aktiengesellschaften, GesmbHs und Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften umfasst.

Rz 7755c
Bei Körperschaften, die in einem EU-/EWR-Staat ansässig sind, steht die Befreiung des § 94 Z 2 erster und zweiter Teilstrich EStG 1988 dann zu, wenn die Beteiligungen funktional dem Betriebsvermögen einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind. Bei allen anderen ausländischen Körperschaften kann eine Befreiung nach Maßgabe eines abkommensrechtlichen Betriebsstättendiskriminierungsverbotes in Anspruch genommen werden (siehe dazu näher Rz 7910), sofern dieser Interpretation des DBA-rechtlichen Diskriminierungsverbots auch vom jeweiligen DBA-Partnerstaat gefolgt wird (vgl. EAS 3028, EAS 3409). Denn gemäß dem Betriebsstättendiskriminierungsverbot darf die Besteuerung von Inlandsbetriebsstätten ausländischer Unternehmen nicht ungünstiger sein als die Besteuerung einer Inlandsbetriebsstätte einer inländischen Gesellschaft. Das Steuerabzugsverfahren ist als ein Erhebungsschritt bei der Besteuerung der Betriebsstätte ebenfalls vom DBA-Diskriminierungsverbot mit betroffen (vgl. EAS 2542).

Die ausschüttende Kapitalgesellschaft hat anhand geeigneter Unterlagen die Berechtigung zur Steuerfreistellung zu dokumentieren. Als Beleg hierfür kann neben einer Ansässigkeitsbescheinigung eine schriftliche Erklärung des beschränkt Steuerpflichtigen dienen, in der die Zurechnung der Beteiligung zur inländischen Betriebsstätte sowie die steuerliche Erfassung der Ausschüttung in Österreich unter Angabe der österreichischen Steuernummer mitgeteilt wird (analog zur Rz 8029).

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