22.4.3.2.1 Tatbestand und Umfang der Befreiung
Gemäß § 30 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 sind Einkünfte aus der Veräußerung von im Privatvermögen selbst hergestellten Gebäuden grundsätzlich (zur Nutzung zur Einkünfteerzielung siehe Rz 6647) von der Besteuerung ausgenommen. Ein auf den Grund und Boden bzw. grundstücksgleiche Rechte (zB Baurecht; siehe dazu Rz 6622) entfallender Veräußerungsgewinn ist jedoch steuerpflichtig (VwGH 23.9.2005, 2003/15/0105, betr. Spekulationstatbestand). Der Veräußerungserlös ist in diesem Fall im Verhältnis der gemeinen Werte auf Grund und Boden und Gebäude aufzuteilen (VwGH 16.9.2015, Ro 2014/13/0008). Das sich aus den Anschaffungskosten des Grund und Bodens und den Herstellungskosten des Gebäudes ergebende Wertverhältnis wird im Regelfall nicht auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Veräußerung umlegbar sein. Liegt zwischen der Errichtung und der Veräußerung des Gebäudes ein längerer Zeitraum und werden keine umfangreichen Erhaltungsarbeiten in das Gebäude getätigt, verändert sich aufgrund der Alterswertminderung des Gebäudes das Wertverhältnis zugunsten des Grund und Bodens.Beispiel:
Kauf eines Baugrundes inklusive Nebenkosten um 15.000 Euro und Herstellung eines Hauses um 210.000 Euro. Keine Nutzung als Hauptwohnsitz. Verkauf der Liegenschaft um 450.000 Euro. Das Wertverhältnis von Grund und Boden einerseits und Gebäude andererseits beträgt zum Zeitpunkt der Veräußerung 1:3 (das historische Aufteilungsverhältnis von 1:14 ist nicht anwendbar); der Veräußerungserlös beträgt daher für den Grund und Boden 112.500 Euro und für das Gebäude 337.500 Euro. Die steuerpflichtigen Einkünfte nach § 30 EStG 1988 betragen daher 112.500 Euro abzüglich 15.000 Euro = 97.500 Euro.
Es bestehen grundsätzlich keine Bedenken, bei Veräußerungen vor dem 1.1.2016 den Anteil von Grund und Boden mit 20% anzusetzen (vgl. auch Rz 6447). Erscheint diese Aufteilung im konkreten Einzelfall (zB auf Grund eines hohen Bodenwertes im urbanen Raum) nicht sachgerecht, sind die tatsächlichen Verhältnisse (zB mittels Gutachten oder Vergleichspreisen) festzustellen.
Bei Veräußerungen nach dem 31.12.2015 ist das Aufteilungsverhältnis gemäß § 16 Abs. 1 Z 8 lit. d EStG 1988 idF des StRefG 2015/2016, BGBl. I Nr. 118/2015, iVm mit der dazu ergangenen GrundanteilV 2016, BGBl. II Nr. 99/2016, zu berücksichtigen. Maßgeblich sind dabei stets die Verhältnisse im Zeitpunkt der Veräußerung - somit bei Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts (und nicht der Zeitpunkt des Inkrafttretens der GrundanteilV 2016 mit 1.1.2016). Siehe dazu Rz 6447 ff.
Die Anwendung des pauschalen Aufteilungsverhältnisses nach der GrundanteilV 2016 darf allerdings nicht dazu führen, dass der so ermittelte Anteil des Veräußerungserlöses für Grund und Boden geringer ist als die ursprünglichen tatsächlichen Anschaffungskosten. Wird daher rechnerisch unter Anwendung der VO-Grundsätze ein Veräußerungserlös ermittelt, der unter den ursprünglichen tatsächlichen Anschaffungskosten liegt, sind die tatsächlichen Anschaffungskosten als Untergrenze zu sehen und der Veräußerungserlös entspricht damit mindestens den Anschaffungskosten. Ausgenommen davon sind Fälle, in denen eine Wertminderung des Grund und Bodens im Einzelfall tatsächlich eintritt und der anteilige Veräußerungserlös somit unter die ursprünglichen Anschaffungskosten fällt (beispielsweise wird eine Kontamination des Bodens entdeckt).
Beispiel:
2015 wird ein unbebautes Grundstück um 350.000 Euro erworben (1.400 m²; 250 Euro/m²). Anschließend wird eine Villa mit 200 m² Wohnfläche errichtet). 2020 wird die gesamte bebaute Liegenschaft um 1,5 Mio. Euro verkauft. Für das Gebäude wird die Herstellerbefreiung gemäß § 30 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 beantragt.
Durch die Anwendung der GrundanteilV 2016 würde sich für den Grund und Boden ein pauschaler Anteil von 20% am Veräußerungserlös, dh. 300.000 Euro (214 Euro/m²), ergeben. Da der GuB-Anteil dabei niedriger als die ursprünglichen Anschaffungskosten wäre, sind die ursprünglichen tatsächlichen Anschaffungskosten anzusetzen.
Im Gegensatz zur Herstellerbefreiung beim ehemaligen Spekulationstatbestand
- wirkt die Errichtereigenschaft nicht für den unentgeltlichen Rechtsnachfolger (siehe Rz 6646) und
- besteht für zur Einkünfteerzielung genutzte Gebäude(teile) keine Befreiung (siehe Rz 6647).
Wird ein Gebäude in der Absicht, dieses zu vermieten, errichtet und werden Aufwendungen bereits vor Beginn der Einnahmenerzielung berücksichtigt (sog. vorweggenommene Werbungskosten, siehe dazu Rz 6420), wird eine Einkunftsquelle begründet (dies gilt auch für die Liebhabereibeurteilung). Wird das Gebäude in weiterer Folge noch vor Beginn der Vermietung veräußert, kann die Herstellerbefreiung nicht angewendet werden.
Wird im Zuge von Verkaufsverhandlungen ein Optionsentgelt vereinbart (um beispielsweise die Kaufabsicht zu stärken), steht dieses Entgelt der Inanspruchnahme einer Herstellerbefreiung nicht entgegen. Das Optionsentgelt wird nicht zur Erzielung von Einkünften iVm dem Gebäude vereinbart, sondern stellt eine Art "Stillhalterprämie" und damit Einkünfte aus Kapitalvermögen iSd § 27 Abs. 4 EStG 1988 dar.
Werden gleichzeitig die Voraussetzungen für die "Hauptwohnsitzbefreiung" (Rz 6632) erfüllt, so geht diese vor. Es bleibt dann auch der auf den Grund und Boden im Umfang von 1.000 m2 entfallende Überschuss steuerfrei.22.4.3.2.2 Begriff "selbst hergestellt"
Der Begriff "selbst hergestellt" ist mit dem Herstellungsbegriff außerhalb des § 28 Abs. 2 und 3 EStG 1988 gleichzusetzen (siehe Rz 6492 ff). Der Steuerpflichtige muss sohin Bauherreneigenschaft besitzen. Ein selbst hergestelltes Gebäude kann nur bei einem ins Gewicht fallenden (finanziellen) Baurisiko vorliegen. Nicht selbst hergestellt ist jedenfalls ein Gebäude, das zu einem Fixpreis erstellt worden ist (VwGH 20.9.2001, 98/15/0071); Fixpreise mit einzelnen beauftragten Unternehmer sind jedoch unschädlich. Zu Fertigteilhäusern siehe Rz 6650.Die unterschiedliche Behandlung eines angeschafften gegenüber einem hergestellten Gebäude steht einer weiten Auslegung des Begriffs des "selbst hergestellten Gebäudes" entgegen (VwGH 20.9.2001, 98/15/0071). Ein selbst hergestelltes Gebäude iSd § 30 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 liegt daher nur dann vor, wenn Baumaßnahmen nach der Verkehrsauffassung als Errichtung eines Gebäudes, somit als "Hausbau" und nicht etwa als Haussanierung oder Hausrenovierung anzusehen sind (VwGH 20.9.2001, 98/15/0071, VwGH 25.2.2003, 2000/14/0017 betr. Erneuerung der Decken, des Verputzes, der Fenster und Türen). Die Befreiungsbestimmung erfasst damit nur die erstmalige Errichtung eines Objektes. Eine erstmalige Errichtung liegt aber auch dann vor, wenn ein bestehendes Gebäude zuvor vollständig abgerissen wurde und an dessen Stelle ein neues Gebäude errichtet wird. Keine erstmalige Errichtung liegt aber vor, wenn ein bereits bestehendes Gebäude lediglich einer grundlegenden Sanierung oder einem grundlegenden Umbau unterzogen wird (zB das Gebäude wird bis auf die Außenmauern und die tragenden Mauern entkernt und umgebaut; vgl. dazu auch VwGH 24.9.2014, 2010/13/0154, wonach bei unveränderter Grundsubstanz keine Neuerrichtung vorliegt); dabei ist es unerheblich, ob die vom Steuerpflichtigen in der Folge aufgewendeten Herstellungskosten die Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen. Dies gilt auch für Teile an einem solchen Gebäude, selbst wenn daran Wohnungseigentum begründet wird. Ein Dachbodenausbau (Herstellung von Dachgeschoßwohnungen) ist kein "selbst hergestelltes Gebäude" (VwGH 25.4.2012, 2008/13/0128), ebenso nicht eine Aufstockung des Gebäudes (VwGH 25.2.2003, 99/14/0316), sowie ein Zubau, der keine eigene bautechnische Einheit darstellt (siehe Rz 5699a; vgl. auch VwGH 2.6.2004, 99/13/0133; VwGH 22.2.2022, Ra 2020/15/0001). Die Herstellungskosten sind in diesem Fall bei der Ermittlung der Einkünfte zu berücksichtigen.Wird allerdings ein noch nicht benutzbarer Rohbau angeschafft und in der Folge vom Steuerpflichtigen fertiggestellt, so liegt insgesamt (auch hinsichtlich der Anschaffung des Rohbaus) ein selbst hergestelltes Gebäude vor, wenn die Fertigstellungskosten die Anschaffungskosten des Rohbaus übersteigen. Dies gilt sinngemäß für ein Fertigteilhaus, wenn die Kosten der Herstellung eines Kellers oder der Bodenplatte und die Kosten der Fertigstellung des Gebäudes den Fixpreis des Fertigteilhauses selbst übersteigen.
Wird ein Gebäude gemeinsam von einem Ehepaar im Miteigentum errichtet, gilt dieses Gebäude als durch beide Ehepartner selbst hergestelltes Gebäude. Die Herstellereigenschaft bezieht sich allerdings immer nur auf den Miteigentumsanteil und geht im Falle eines unentgeltlichen Erwerbes auch nicht auf den Rechtsnachfolger über (siehe dazu Rz 6646). Die Herstellerbefreiung kann somit nur für den eigenen Miteigentumsanteil geltend gemacht werden (vgl. BFG 23.4.2018, RV/7103890/2017). Dies gilt auch für eingetragene Partnerschaften und Lebensgemeinschaften.Im Falle eines unentgeltlichen Erwerbes eines Miteigentumsanteils sind bei der späteren Veräußerung des gesamten Gebäudes durch den nunmehrigen Alleineigentümer die Herstellungskosten des Rechtsvorgängers maßgeblich und können im Rahmen seiner Einkünfteermittlung berücksichtigt werden (siehe dazu Rz 6660).