Bei der Ermittlung des Zeitraumes, in dem eine Eigentumswohnung als Hauptwohnsitz des Veräußerers genutzt wurde, ist es unerheblich, ob die Wohnung für den gesamten Zeitraum eine Eigentumswohnung iSd WEG 2002 darstellte; maßgebend ist lediglich, dass es sich beim Verkauf und bei der Aufgabe des Hauptwohnsitzes um eine Eigentumswohnung iSd WEG 2002 handelt (vgl. VwGH 24.1.2018, Ra 2017/13/0005).
Beispiel 1:
Ein Stpfl nutzt eine Mietwohnung in einem Zinshaus seit 01 als Hauptwohnsitz. Als die Wohnungen des Zinshauses im Jahr 06 in Eigentumswohnungen umgewandelt und verkauft werden, erwirbt er die bisher gemietete Wohnung. Im Jahr 07 verkauft er die Wohnung und gibt den Hauptwohnsitz auf. Unter Berücksichtigung der Hauptwohnsitzzeiten vor dem Eigentumserwerb steht die Hauptwohnsitzbefreiung zu.
Beispiel 2:
Das Wohnungseigentum der Eheleute wurde in 01 begründet, die Ehescheidung sowie die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens erfolgen in 06. Dabei geht der Hälfteanteil des Ehemannes an der Eigentumswohnung auf die Ehefrau über, welche die Wohnung weiterhin als Hauptwohnsitz nutzt. Bei späterer Veräußerung der Wohnung kann sie (für die gesamte Wohnung) die Hauptwohnsitzbefreiung in Anspruch nehmen.
Beispiel 3:
Ein Wohnhaus mit 2 Wohnungen (Eigenheim) wird im Obergeschoß von den Eltern bewohnt (eigener Haushalt), im Erdgeschoß wohnt der Sohn seit mehr als 5 Jahren in einer eigenen Wohnung (eigener Haushalt). Nach dem Tod der Eltern verkauft der Sohn das Haus und möchte die Hauptwohnsitzbefreiung geltend machen. In diesem Fall steht ihm die Hauptwohnsitzbefreiung zu.
22.4.3.1.6 Aufgabe des Hauptwohnsitzes (beide Tatbestände)
Der Hauptwohnsitz muss mit der Veräußerung oder grundsätzlich spätestens ein Jahr nach der Veräußerung (Toleranzfrist) aufgegeben werden.Beim 1. Tatbestand darf der Hauptwohnsitz im Hinblick des Erfordernisses der durchgehenden Nutzung bereits innerhalb der Toleranzfrist von einem Jahr vor der Veräußerung aufgeben werden. Dabei muss bei Aufgabe des Hauptwohnsitzes die Absicht, das Eigenheim bzw. die Eigentumswohnung zu veräußern, vorliegen und in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufgabe des Hauptwohnsitzes in die Tat umgesetzt werden, wofür dem Veräußerer eine den Umständen des Einzelfalls nach angemessene Frist zukommt (VwGH 24.10.2019, Ra 2018/15/0115).
Diese Frist kann im Einzelfall über ein Jahr hinausgehen, sofern vom Beschwerdeführer nicht beeinflussbare Umstände dazu führten, dass sich die Verkaufsbemühungen über einen längeren Zeitraum hingezogen haben (BFG 29.8.2019, RV/5100949/2019). Entscheidend ist, dass zwischen Veräußerung der Liegenschaft und Aufgabe des Hauptwohnsitzes ein erkennbarer Zusammenhang besteht, wobei in erster Linie ein sachlicher und nicht ein zeitlicher Zusammenhang der beiden Vorgänge im Vordergrund steht (BFG 2.8.2017, RV/7103961/2015; BFG 29.8.2019, RV/5100949/2019).
Beim 2. Tatbestand kann der Hauptwohnsitz bereits früher aufgegeben worden sein, längstens aber fünf Jahre vor der Veräußerung.
Beispiele:
1. Variante des Beispiels in Rz 6641 zum 1. Tatbestand:
Die Wohnung wird am 11.8.04 verkauft, der Steuerpflichtige behält aber im Einvernehmen mit dem Verkäufer den Hauptwohnsitz noch bis 10.6.05 bei, weil sein neuer Hauptwohnsitz erst errichtet wird. Die Steuerbefreiung ist gegeben, weil die Aufgabe des Hauptwohnsitzes nicht länger als ein Jahr nach der Veräußerung stattfindet.
2. A hat ein Eigenheim mit zwei gleich großen Wohnungen. Er veräußert einen Hälfteanteil (entspricht einer Wohnung) und behält seinen Hauptwohnsitz in der bereits bisher von ihm bewohnten Wohnung bei. Die Hauptwohnsitzbefreiung ist nicht anwendbar, weil der Hauptwohnsitz nicht aufgegeben wird.
3. B hat seit mehr als 5 Jahren den Hauptwohnsitz in seiner Eigentumswohnung. Er besitzt noch eine zweite Eigentumswohnung, die er vermietet. Nach Beendigung des Mietverhältnisses zieht er als Hauptwohnsitzer in die bisher vermietete Wohnung und veräußert den früheren Hauptwohnsitz: Die Befreiung steht zu.
Die Beibehaltung des veräußerten Grundstücks (zB als Mieter) als Nebenwohnsitz ist nicht befreiungsschädlich, in solchen Fällen muss aber die Hauptwohnsitzeigenschaft des neuen Wohnsitzes eindeutig dokumentiert sein.
Wird ein bebautes Grundstück beispielsweise an einen Bauträger veräußert, der das Gebäude abreißt und dem Grundstückseigentümer in weiterer Folge eine Eigentumswohnung im neu errichteten Wohnhaus auf demselben Grund und Boden überträgt, kann in diesem Fall die Hauptwohnsitzbefreiung (bei Vorliegen aller sonstigen Voraussetzungen) in Anspruch genommen werden, weil der bisherige Hauptwohnsitz aufgrund eines Abrisses des bestehenden Gebäudes aufgegeben wird und somit eine Grundvoraussetzung (Aufgabe des Hauptwohnsitzes) erfüllt wird. Dies gilt auch dann, wenn nicht das ganze Grundstück (der Fläche nach) veräußert wird, sondern nur Teile davon. Unschädlich ist dabei, dass der neue Hauptwohnsitz an derselben Adresse begründet wird.
Dies gilt auch für jene Fälle, in denen auf einem Grundstück ein zusätzliches Gebäude errichtet, das bisher als Hauptwohnsitz genutzte Gebäude veräußert, der Hauptwohnsitz im Zuge der Veräußerung aufgegeben und im neuen Gebäude begründet wird (vgl. auch Rz 6634b).
22.4.3.1.7 Eigener Hauptwohnsitz des Veräußerers
Das Hauptwohnsitzerfordernis muss für Veräußerungen ab 1.4.2012 vom Veräußerer selbst erfüllt worden sein. Die Hauptwohnsitzbefreiung ist damit nicht im Erb- oder Schenkungsweg übertragbar. Der 2. Tatbestand kann jedoch beim Rechtsnachfolger anwendbar sein, wenn er die Fünfjahresfrist unter Einrechnung der Zeiträume vor einem unentgeltlichen Erwerb (siehe Rz 6642) erfüllt.Beispiel:
K erbt die Eigentumswohnung der Eltern, aus der K bereits seit über fünf Jahren ausgezogen ist, und veräußert diese. Die Veräußerung ist nicht befreit. Wäre K innerhalb der letzten 10 Jahre mindestens fünf Jahre selbst Hauptwohnsitzer in dieser Wohnung (zB weil noch minderjährig), wäre die Befreiung anwendbar.
Die Befreiung ist auch dann nicht anwendbar, wenn der Hauptwohnsitz des Verstorbenen (mit gerichtlicher Zustimmung) bereits aus der Verlassenschaft heraus veräußert wird, weil die Einkünfte ab dem Todestag grundsätzlich dem/den Erben (und nicht dem Verstorbenen) zuzurechnen sind, es sei denn, er/sie erfüll(t)/en selbst das Hauptwohnsitzerfordernis nach dem 2. Tatbestand.
Wird allerdings das Verpflichtungsgeschäft abgeschlossen und verstirbt danach der Veräußerer, bevor der Kaufpreis zufließt, kann die Hauptwohnsitzbefreiung von den Erben, denen die Einkünfte zuzurechnen sind, in Anspruch genommen werden, wenn der Erblasser die Voraussetzungen erfüllt hat.
Befindet sich ein Grundstück im Miteigentum einer Verlassenschaft und weiterer natürlicher Personen, die auch erbberechtigt sind, und wird dieses Grundstück sowohl durch die Verlassenschaft als auch durch die anderen Miteigentümer veräußert, können die anderen Miteigentümer für das gesamte Objekt die Hauptwohnsitzbefreiung in Anspruch nehmen, wenn sie selbst auch ihren Hauptwohnsitz in dem Eigenheim hatten und die übrigen Voraussetzungen für die Befreiung erfüllt sind (siehe dazu Rz 6642).