2.3.6.1. Umwandlungsgewinn und Umwandlungsverlust
Bei einem Rechtsnachfolger, der keine Bücher führt, sind die den steuerneutralen Buchgewinnen oder Buchverlusten (Rz 529 ff) entsprechenden Umwandlungsgewinne und Umwandlungsverluste in analoger Anwendung der Regelung des § 9 Abs. 2 UmgrStG steuerneutral. Dies gilt auch für im Rahmen einer errichtenden Umwandlung allenfalls beitretende Minderheitsgesellschafter (siehe OGH 26.2.1998, 6 Ob 335/97a, und OGH 20.5.1999, 6 Ob 27/99k).Ohne Bestandsvergleich beim Rechtsnachfolger kann kein Fall eines steuerwirksamen Buchgewinnes oder Buchverlustes in Form einer Confusio (Rz 503 ff) vorliegen. Um sicherzustellen, dass Forderungen und Verbindlichkeiten auf Seiten des nicht buchführenden Anteilsinhabers der umzuwandelnden Kapitalgesellschaft nicht untergehen, sieht § 9 Abs. 5 UmgrStG einen allgemeinen Realisierungstatbestand in Form der Vereinnahmungs- und Verausgabungsfiktion vor (Rz 531).2.3.6.2. Forderungen und Verbindlichkeiten aus Leistungsbeziehungen zum Umwandlungsstichtag
2.3.6.2.1. Allgemeines
Am Umwandlungsstichtag bestehende Forderungen und Verbindlichkeiten eines Anteilsinhabers der übertragenden Körperschaft aus Leistungsbeziehungen, die nicht unter § 9 Abs. 2 UmgrStG fallen, gelten spätestens mit dem Tag der Anmeldung des Umwandlungsbeschlusses zur Eintragung in das Firmenbuch im Rahmen der betreffenden Einkunftsart nach § 19 EStG 1988 als vereinnahmt oder verausgabt (§ 9 Abs. 5 UmgrStG). Diese Regelung betrifft alle Anteilsinhaber, die nicht Bücher führen und daher keine Buchgewinne oder Buchverluste haben, somit jene, die ihren Erfolg durch Überschussrechnung (Einnahmen-Ausgaben-Rechnung bzw. Gegenüberstellung von Einnahmen und Werbungskosten) ermitteln. Damit soll sichergestellt werden, dass beim Anteilsinhaber die mit den bei der Kapitalgesellschaft bereits erfolgswirksam erfassten Positionen korrespondierenden Forderungen und Verbindlichkeiten gleichfalls erfolgswirksam werden. Aus dem Wort "spätestens" ergibt sich, dass eine vor dem Anmeldetag erfolgte volle oder anteilige Tilgung der Forderung bzw. Verbindlichkeit unter die Steuerpflicht nach dem allgemeinen Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerrecht fallen.Die Vereinnahmungs- und Verausgabungsfiktion des § 9 Abs. 5 UmgrStG betrifft nur einkunftswirksame Forderungen und Verbindlichkeiten des Anteilsinhabers gegenüber der umzuwandelnden Kapitalgesellschaft, nicht hingegen jene, deren Tilgung zu einer nicht steuerbaren Vermögensumschichtung führt (zB eine Darlehensrückzahlung).Sind sämtliche rechtsgeschäftlichen Vorgänge zwischen dem Anteilsinhaber und der übertragenden Kapitalgesellschaft buchhalterisch über ein Verrechnungskonto abgewickelt worden, ist es in erster Linie Sache der Gesellschaft, eine Trennung in offene Forderungs- bzw. Verbindlichkeitspositionen gegenüber offenen vermögensumschichtenden Positionen vorzunehmen und eine Zuordnung zu den betreffenden Rechtsgeschäften (Arbeitsbeziehung, Leistungsbeziehung, Geld- oder Wirtschaftsgutüberlassung) vorzunehmen.Die Vereinnahmungs- und Verausgabungsfiktion bezieht sich auf den Tag der Anmeldung des Umwandlungsbeschlusses zur Eintragung im Firmenbuch. Nur jene zum Umwandlungsstichtag in der Umwandlungsbilanz ausgewiesenen Forderungen und Verbindlichkeiten des Anteilsinhabers gegenüber der umzuwandelnden Kapitalgesellschaft, die zu diesem Tag noch nicht beglichen sind, gelten als vereinnahmt oder verausgabt.Unter die Vereinnahmungs- und Verausgabungsfiktion können ausnahmsweise auch nach dem Umwandlungsstichtag begründete Forderungen und Verbindlichkeiten fallen. Das ist bei jenen am Tag der Anmeldung des Umwandlungsbeschlusses zur Eintragung im Firmenbuch noch nicht ausgeglichenen Forderungen und Verbindlichkeiten der Fall, die nicht von der Rückwirkung des § 9 Abs. 1 UmgrStG erfasst sind und daher nach dem Umwandlungsstichtag mit steuerlicher Wirkung gegenüber der umzuwandelnden Kapitalgesellschaft ausgewiesen werden können.Beispiel 1:
Die X-GmbH wird zum Stichtag 31.12.01 errichtend auf die A&B-OG umgewandelt, an der gleich wie an der Kapitalgesellschaft der Gesellschafter A zu 25% und der Gesellschafter B zu 75% beteiligt sind. A und B sind bei der X-GmbH als Geschäftsführer tätig. Der Umwandlungsbeschluss wird am 15.9.02 zur Eintragung in das Firmenbuch angemeldet.
Die am 15.9.02 noch offenen Forderungen von A und B aus ihrem Beschäftigungsverhältnis gegenüber der X-GmbH gelten spätestens an diesem Tag bei A im Rahmen seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und bei B im Rahmen seiner Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit nach § 19 EStG 1988 als vereinnahmt. Dies gilt auch für Forderungen, die nach dem Umwandlungsstichtag begründet wurden, da gemäß § 11 Abs. 1 UmgrStG die Beschäftigungsverhältnisse von A und B mit steuerlicher Wirkung weiterhin gegenüber der Kapitalgesellschaft bestehen. Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer (Gesellschafter A) richten sich nach §§ 78 und 79 EStG 1988, sodass sich praktische Auswirkungen vor allem dann ergeben, wenn die umgewandelte Kapitalgesellschaft bzw. ihr Rechtsnachfolger keine Lohnsteuer einbehalten und abgeführt haben.
Beispiel 2:
Die X-GmbH wird zum 31.12.01 verschmelzend auf ihren zu 90% beteiligten Hauptgesellschafter umgewandelt. Am 1.9.02 wird eine Gewinnausschüttung beschlossen und zum 1.11.02 fällig gestellt. Am Tag der Anmeldung des Umwandlungsbeschlusses zur Eintragung im Firmenbuch (27.9.02) haftet diese Verbindlichkeit noch aus.
Auf Grund § 8 Abs. 4 UmgrStG besteht die korrespondierende, erst nach dem Umgründungsstichtag entstandene Forderung der Anteilsinhaber mit steuerlicher Wirkung gegenüber der umzuwandelnden Kapitalgesellschaft. Mit dem Tag der Anmeldung des Umwandlungsbeschlusses zur Eintragung im Firmenbuch gilt die Forderung von den Anteilsinhabern (Hauptgesellschafter und Minderheitsgesellschafter) nach § 19 EStG 1988 im Rahmen ihrer Einkünfte aus Kapitalvermögen als vereinnahmt. Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer richten sich nach §§ 95 und 96 EStG 1988, sodass sich praktische Auswirkungen vor allem dann ergeben, wenn die umgewandelte Kapitalgesellschaft bzw. ihr Rechtsnachfolger keine KESt einbehalten und abgeführt haben.
2.3.6.2.2. Vereinnahmungsfiktion für Forderungen gegen die umgewandelte Gesellschaft
Am Tag der Anmeldung des Umwandlungsbeschlusses noch aushaftende Forderungen des Anteilsinhabers an die übertragende Körperschaft gelten mit diesem Tag beim Anteilsinhaber als vereinnahmt. § 9 Abs. 5 UmgrStG bezieht sich nur auf den Zuflusszeitpunkt beim Anteilsinhaber. Der sich beim umwandlungsbedingten Untergang der Kapitalgesellschaft im Zeitpunkt der Eintragung der Umwandlung im Firmenbuch ergebende Ertrag aus dem Wegfall der zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgeglichenen Verbindlichkeit der Kapitalgesellschaft ist beim Rechtsnachfolger Teil des steuerneutralen Umwandlungsgewinnes (Rz 529 f).Eine (Teil)Tilgung der Verbindlichkeit der Kapitalgesellschaft im Zeitraum zwischen dem Tag der Anmeldung des Umwandlungsbeschlusses zur Eintragung im Firmenbuch und dem Tag der Eintragung des Umwandlungsbeschlusses im Firmenbuch (Untergang der Kapitalgesellschaft) ist auf Ebene der Kapitalgesellschaft bzw. ihres Rechtsnachfolgers eine steuerneutrale Vermögensumschichtung und bewirkt beim Anteilsinhaber in der zutreffenden Einkunftsart (Einkünfte aus betrieblicher Tätigkeit, aus nichtselbständiger Arbeit, aus Kapitalvermögen oder aus Vermietung und Verpachtung) Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuerpflicht.Unter die Vereinnahmungsfiktion des § 9 Abs. 5 UmgrStG fallen ua.:- Forderungen des Anteilsinhabers, der ein Einzelunternehmen betreibt, aus Warenlieferungen an die übertragende Kapitalgesellschaft, wenn er seinen Gewinn durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ermittelt
- Honorarforderungen des Anteilsinhabers auf Grund einer beratenden Tätigkeit für die übertragende Kapitalgesellschaft, wenn er seinen Gewinn durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ermittelt
- Lohn- bzw. Gehaltsforderungen des Anteilsinhabers aus einem Beschäftigungsverhältnis mit der übertragenden Kapitalgesellschaft
- Zinsforderungen des Anteilsinhabers aus einem der übertragende Kapitalgesellschaft gewährten Darlehen bzw. Kredit
- Mietforderungen des Anteilsinhabers aus einer Vermietung und Verpachtung im Sinne des § 28 EStG 1988 gegenüber der übertragende Kapitalgesellschaft
- Forderungen des Anteilsinhabers aus Rechtsbeziehungen zur übertragenden Kapitalgesellschaft, die bei ihm zu sonstigen Einkünften im Sinne des § 29 EStG 1988 führen.
2.3.6.2.3. Verausgabungsfiktion für Verbindlichkeiten gegenüber der umgewandelten Gesellschaft
Am Tag der Anmeldung des Umwandlungsbeschlusses noch nicht ausgeglichene Verbindlichkeiten des Anteilsinhabers gegenüber der umzuwandelnden Gesellschaft gelten mit diesem Tag beim Anteilsinhaber als verausgabt. § 9 Abs. 5 UmgrStG bezieht sich nur auf den Abflusszeitpunkt beim Anteilsinhaber. Der sich beim umwandlungsbedingten Untergang der Kapitalgesellschaft im Zeitpunkt der Eintragung der Umwandlung im Firmenbuch ergebende Aufwand aus dem Wegfall der zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgeglichenen Forderung der Kapitalgesellschaft ist beim Rechtsnachfolger Teil des steuerneutralen Umwandlungsverlustes (Rz 529 f).Ein Forderungseingang bei der Kapitalgesellschaft im Zeitraum zwischen dem Tag der Anmeldung des Umwandlungsbeschlusses zur Eintragung im Firmenbuch und dem Tag der Eintragung der Umwandlung im Firmenbuch (Untergang der Kapitalgesellschaft) ist auf Ebene der Kapitalgesellschaft bzw. ihres Rechtsnachfolgers als Vermögensumschichtung steuerneutral und kann beim Anteilsinhaber im Falle der Zuordenbarkeit zu einer Einkunftsart unter den Betriebsausgaben- oder Werbungskostentatbestand fallen.Unter die Verausgabungsfiktion des § 9 Abs. 5 UmgrStG fallen ua.:- Verbindlichkeiten des Anteilsinhabers, der ein Einzelunternehmen betreibt, aus Warenlieferungen der übertragenden Kapitalgesellschaft, wenn er seinen Gewinn durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ermittelt
- Verbindlichkeiten für Zinsen im Zusammenhang mit einem von der übertragenden Kapitalgesellschaft dem Anteilsinhaber für sein Einzelunternehmen (Einnahmen-Ausgaben-Rechnung) oder für außerbetriebliche Zwecke gewährten Darlehen bzw. Kredit
- Verbindlichkeiten auf Grund eines Mietverhältnisses des Anteilsinhabers im Rahmen seines Einzelunternehmens (Einnahmen-Ausgaben-Rechnung) bzw. seiner Einkünfte aus einer Vermietung und Verpachtung im Sinne des § 28 EStG 1988 (zB Untervermietung) mit der übertragenden Kapitalgesellschaft.
2.3.7. Ausschüttungsfiktion (Gewinnkapitalbesteuerung)
§ 9 Abs. 6 UmgrStG knüpft nicht mehr wie dessen Vorgängerbestimmung dem KöSt-Satz (ab § 10 KStG 1988 eine Mehrfachbesteuerung.Mit dem Tag der Anmeldung des Umwandlungsbeschlusses zur Eintragung in das Firmenbuch gilt das Gewinnkapital der übertragenden Körperschaft als offen an die Rechtsnachfolger ausgeschüttet. Gewinnkapital ist die Differenz zwischen dem Umwandlungskapital (Rz 546) im Sinne des § 8 Abs. 5 UmgrStG und den Einlagen im Sinne des § 4 Abs. 12 EStG 1988 (Rz 547). Der fiktive Ausschüttungsbetrag erhöht sich um den negativen steuerlichen Buchwert eines Vermögens, das im Zuge einer der Umwandlung vorgelagerten Umgründung übernommen wurde (Rz 548). Somit ergibt sich folgendes Berechnungsschema für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage des fiktiven Ausschüttungsbetrages:Umwandlungskapital (Rz 546) | |
- | Einlagen iSd § 4 Abs. 12 EStG 1988 (Rz 547) |
= | Gewinnkapital |
+ | Negativer steuerlicher Buchwert aus Vorumgründungen (Rz 548) |
= | Fiktiver Ausschüttungsbetrag |
Permanente Differenzen zwischen dem unternehmensrechtlichen und dem steuerlichen Ergebnis führen zu keiner Veränderung des Umwandlungskapitals. Daher sind weder Forderungen in Zusammenhang mit steuerbefreiten Erträgen vom Umwandlungskapital abzuziehen noch Passivposten in Zusammenhang mit nicht abzugsfähigen Aufwendungen dem Umwandlungskapital zuzuschlagen. So wird das Umwandlungskapital beispielsweise durch Körperschaftsteuerrückstellungen und Repräsentationsaufwendungen nicht erhöht und durch steuerfreie Beteiligungserträge und Körperschaftsteuervorauszahlungen nicht vermindert.
Das Umwandlungskapital wird ebenfalls nicht um Sanierungsgewinne gemäß § 23a KStG 1988 vermindert; für Zwecke der Ausschüttungsfiktion sind sie somit zu berücksichtigen.
Vom Umwandlungskapital abzuziehen sind Einlagen im Sinne des § 4 Abs. 12 EStG 1988, deren Stand auf dem Evidenzkonto zum Umwandlungsstichtag erfasst ist. Gemäß § 4 Abs. 12 Z 3 EStG 1988 sind auch Einlagen und Einlagenrückzahlungen des Rückwirkungszeitraumes (zwischen Umwandlungsstichtag und Umwandlungsbeschluss) zu berücksichtigen.Beispiel 1:
Die X-GmbH wird zum Stichtag 31.12.01 umgewandelt. Vor Berücksichtigung der Maßnahmen iSd § 8 Abs. 4 UmgrStG beträgt das Umwandlungskapital 110.000, das Evidenzkonto weist einen Einlagenstand von 50.000 aus. Am 15.3.02 werden 15.000 des unternehmensrechtlichen Gewinnes ausgeschüttet. Die Ausschüttung wird steuerrechtlich als Einlagenrückzahlung iSd § 4 Abs. 12 EStG 1988 behandelt (ohne KESt-Abzug).
Die Ausschüttung mindert einerseits durch Ansatz einer Passivpost iHv 15.000 in der Umwandlungsbilanz zum 31.12.01 das Umwandlungskapital, andererseits reduziert sie den Stand der Einlagen iSd § 4 Abs. 12 EStG 1988 im gleichen Ausmaß. Das fiktiv ausgeschüttete Gewinnkapital von 60.000 (95.000 - 35.000) wird nicht verändert, die Ausschüttung ist als Einlagenrückzahlung nicht mit Kapitalertragsteuer belastet. Ob sie als solche einkommensteuerpflichtig ist, hängt von der Höhe der Anschaffungskosten des Anteilsinhabers ab.
Beispiel 2:
Die X-GmbH wird zum Stichtag 31.12.01 umgewandelt. Vor Berücksichtigung der Maßnahmen iSd § 8 Abs. 4 UmgrStG beträgt das Umwandlungskapital 110.000, das Evidenzkonto weist einen Einlagenstand von 50.000 aus. Am 15.3.02 werden 15.000 des unternehmensrechtlichen Gewinnes ausgeschüttet. Die Ausschüttung wird steuerrechtlich als offene Ausschüttung iSd § 8 Abs. 2 KStG 1988 behandelt (mit KESt-Abzug).
Die Ausschüttung mindert durch Ansatz einer Passivpost iHv 15.000 in der Umwandlungsbilanz zum 31.12.01 das Umwandlungskapital und damit das fiktiv ausgeschüttete Gewinnkapital auf 45.000 (95.000 - 50.000). Eine Doppelerfassung wird damit vermieden.
Zum Stand der auf dem Evidenzkonto erfassten Einlagen sowie der Veränderung des Evidenzkontenstandes aufgrund von vorgelagerten Umgründungen siehe
- den Einlagenrückzahlungs- und Innenfinanzierungserlass des BMF vom 27. September 2017, BMF-010203/0309-IV/6/2017, BMF-AV Nr. 155/2017
- Rz 363 ff (Verschmelzung)
- Rz 626 (Umwandlung)
- Rz 1255 ff (Einbringung)
- Rz 1794 ff (Spaltung
- Rz 1867 (Steuerspaltung; letztmalig zu einem Stichtag vor dem 1.1.2023)
Ein Betrag, der aufgrund von § 9 Abs. 6 UmgrStG als ausgeschüttet gilt, wirkt sich nicht auf die Innenfinanzierung des Rechtsnachfolgers aus (§ 2 Abs. 2 vorletzter Satz IF-VO). Damit soll eine Doppelberücksichtigung verhindert werden. Zu den weiteren Auswirkungen von Umwandlungen auf die Innenfinanzierung aufgrund der IF-VO siehe Rz 628 f. Zu den allgemeinen Auswirkungen der IF-VO siehe Rz 379.
Wurde im Zuge von Umgründungen innerhalb von zehn Jahren vor der Umwandlung Vermögen mit negativen Buchwerten übernommen, erhöht sich das Gewinnkapital um diesen Betrag, soweit er nicht im Rahmen des § 18 Abs. 2 UmgrStG als ausgeschüttet gilt. Berücksichtigt werden nur Vorumgründungen mit Stichtagen nach dem 31.12.2007 (3. Teil Z 23 zweiter Satz UmgrStG).Beispiel:
Die X-GmbH wird zum Stichtag 31.12.2012 umgewandelt. Die Umwandlung wurde am 10.9.2013 beschlossen und am 25.9.2013 zur Eintragung in das Firmenbuch angemeldet. Das Umwandlungskapital beträgt 110.000, das Evidenzkonto weist einen Einlagenstand von 50.000 aus. Zum 31.12.2010 wurde ein Betrieb mit einem steuerlichen Buchwert von -40.000 nach Art. III UmgrStG in die X-GmbH eingebracht. Die Einbringung wurde am 20.9.2010 zur Eintragung in das Firmenbuch angemeldet. Anlässlich der Einbringung wurde gemäß § 16 Abs. 5 Z 2 UmgrStG eine Entnahme iHv 25.000 vorbehalten. Zum Umwandlungsstichtag haftet die diesbezügliche Verbindlichkeit noch mit einem Betrag von 10.000 aus, 15.000 wurden bereits unter Berücksichtigung der KESt-Abfuhrverpflichtung des § 18 Abs. 2 UmgrStG getilgt.
Der fiktiven Ausschüttung iSd § 9 Abs. 6 UmgrStG unterliegt ein Betrag von 75.000. Das Gewinnkapital von 60.000 (110.000 - 50.000) ist um den negativen Buchwert des eingebrachten Betriebes zu erhöhen, der allerdings um den am 20.9.2010 iSd § 18 Abs. 2 UmgrStG fiktiv ausgeschütteten Betrag zu reduzieren ist. Somit ergibt sich eine Gewinnkapitalerhöhung von 15.000 (40.000 - 25.000).
Die Kapitalertragsteuer für die am Umwandlungsstichtag noch nicht getilgte vorbehaltene Entnahme iHv 10.000 ist spätestens am 17.9.2013 (eine Woche nach dem Umwandlungsbeschluss) abzuführen.
Die Kapitalertragsteuer für das fiktiv ausgeschüttete Gewinnkapital iHv 75.000 ist spätestens am 2.10.2013 (eine Woche nach Anmeldung des Umwandlungsbeschlusses zur Eintragung in das Firmenbuch) abzuführen.
Die Hinzurechnung negativer Buchwerte aus Vorumgründungen im Rahmen der Ausschüttungsfiktion soll eine korrekte Einmalbesteuerung auf beiden Besteuerungsebenen sicherstellen.
Beispiel 1:
Die natürliche Person A ist Gesellschafter der X-GmbH, die über ein Eigenkapital in Höhe von 1 Mio. verfügt; das Einlagenevidenzkonto der X-GmbH weist einen Stand von 0 auf. A bringt seinen Betrieb mit einem negativen steuerlichen Buchwert in Höhe von 300.000 in die X-GmbH ein (kein Anwendungsfall des § 18 Abs. 2 UmgrStG); es liegen keine vortragsfähigen Verluste vor.
In der Folge wird die X-GmbH umgewandelt. Das Umwandlungskapital beträgt 700.000, das Einlagenevidenzkonto 0, sodass sich - ohne Berücksichtigung der negativen Buchwerte aus Vorumgründungen - ein Gewinnkapital von 700.000 ergäbe.
Durch den Zuschlag gemäß § 9 Abs. 6 dritter Satz UmgrStG in der Höhe von 300.000 wird eine korrekte Einmalbesteuerung der erzielten Gewinne auf beiden Besteuerungsebenen sichergestellt.
Die Hinzurechnung negativer Buchwerte aus Vorumgründungen im Rahmen der Ausschüttungsfiktion soll jedoch nicht zu einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung oder zu einer Besteuerung von "Scheingewinnen" führen.
Beispiel 2:
Die Y-GmbH wird auf die Z-GmbH verschmolzen. Während die Y-GmbH Gewinne in Höhe von 1 Mio. erzielt hat, sind bei der Z-GmbH Verluste in eben dieser Höhe angefallen. Die Einlagenevidenzkonten beider Gesellschaften weisen einen Stand von 0 auf.
In der Folge wird die Z-GmbH umgewandelt. Das Umwandlungskapital beträgt (in Folge der Verschmelzung) 0, das Einlagenevidenzkonto 0, sodass sich ein Gewinnkapital in Höhe von 0 ergibt.
Ein Zuschlag gemäß § 9 Abs. 6 dritter Satz UmgrStG kommt nicht in Betracht, weil im Zuge der Verschmelzung keine negativen Buchwerte von der Z-GmbH übernommen wurden.
Beispiel 3 (Variante zu Beispiel 2 - Änderung der Verschmelzungsrichtung):
Die Z-GmbH wird auf die Y-GmbH verschmolzen. Während die Y-GmbH Gewinne in Höhe von 1 Mio. erzielt hat, sind bei der Z-GmbH Verluste in eben dieser Höhe angefallen. Die Einlagenevidenzkonten beider Gesellschaften weisen einen Stand von 0 auf.
In der Folge wird die Y-GmbH umgewandelt. Das Umwandlungskapital beträgt (in Folge der Verschmelzung) 0, das Einlagenevidenzkonto 0, sodass sich ein Gewinnkapital in Höhe von 0 ergibt.
Ein Zuschlag gemäß § 9 Abs. 6 dritter Satz UmgrStG der im Zuge der Verschmelzung von der Y-GmbH übernommenen negativen Buchwerte hat zu unterbleiben, weil in einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung keine Gewinne erzielt wurden.
Die Hinzurechnungsvorschrift des § 9 Abs. 6 dritter Satz UmgrStG gilt auch dann, wenn die Vorumgründung ein anderes Rechtssubjekt betroffen hat und das im Zuge der Vorumgründung übertragene Vermögen erst durch eine Folgeumgründung auf die umzuwandelnde Kapitalgesellschaft transferiert wurde; dabei kommt es jedoch nicht zu einer "Kumulierung" der Hinzurechnungsbeträge.
Beispiel 4:
Die natürliche Person A bringt ihren Betrieb in die X-GmbH ein. Das eingebrachte Vermögen hat einen steuerlichen Buchwert von -100.000; es liegen keine vortragsfähigen Verluste vor.
Nach der Einbringung erzielt die X-GmbH einen Gewinn in Höhe von 50.000.
In der Folge wird die X-GmbH auf die "leere" Y-GmbH verschmolzen. Dabei wird ein Verschmelzungskapital in Höhe von -50.000 auf die Y-GmbH übertragen.
Wird die Y-GmbH sodann umgewandelt, beträgt der Zuschlag gemäß § 9 Abs. 6 dritter Satz UmgrStG 100.000; die nach der Einbringung und vor der Umwandlung vorgenommene Verschmelzung beeinflusst die Höhe des Zuschlages (für die im Zuge der Einbringung übertragenen negativen Buchwerte) nicht, allerdings ist darüber hinaus kein zusätzlicher Zuschlag für die im Zuge der Verschmelzung (weiter)übertragenen negativen Buchwerte anzusetzen.
Findet kein Kapitalertragsteuerabzug durch die umgewandelte Kapitalgesellschaft statt, ist die Kapitalertragsteuer bei einer verschmelzenden Umwandlung dem Rechtsnachfolger der aufgelösten umgewandelten Kapitalgesellschaft mittels Abgabenbescheid vorzuschreiben. Eine Vorschreibung mittels Haftungsbescheid hat nicht zu erfolgen, weil eine Haftung für eigene Abgaben ausscheidet.
Im Fall einer errichtenden Umwandlung geht die Abfuhrpflicht gemäß § 95 Abs. 1 EStG 1988 aufgrund der zivilrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge auf die Personengesellschaft über, weil § 19 BAO grundsätzlich anzuwenden ist und § 7 Abs. 3 UmgrStG hier keine speziell anderslautende Nachfolgeregelung trifft, da sich diese Bestimmung ausschließlich auf ertragsteuerliche Auswirkungen bezieht. Somit kann die Personengesellschaft als Rechtsnachfolger der GmbH zur Haftung in Anspruch genommen werden (zu den Voraussetzungen siehe die Info des BMF vom 05.10.2015, BMF-010203/0276-VI/1/2015).
Bei ausländischen Anteilsinhabern ist die Verteilung der Besteuerungsrechte nach den entsprechenden DBA zu beachten. Die Ausschüttungsfiktion kommt auch im Falle der verschmelzenden Umwandlung auf eine ausländische Körperschaft (siehe Rz 440) zum Tragen, wenn die Jahresfrist gemäß § 94 Z 2 EStG 1988 nicht gegeben ist. Der umwandlungsbedingte Wegfall der Beteiligung des ausländischen Hauptgesellschafters an der übertragenden operativen Kapitalgesellschaft innerhalb der Jahresfrist hindert allerdings nicht die Erstattung der zunächst abgeführten KESt, wenn das die weggefallene Beteiligung ersetzende Vermögen der umgewandelten Kapitalgesellschaft im restlichen Zeitraum bis zum Ablauf der Jahresfrist gehalten wird.
Randzahlen 550 bis 556: derzeit frei