18.11.1. Plattformen, die Steuerschuldner sind
Ab 1.7.2021 gelten die allgemeinen Aufzeichnungspflichten (siehe Rz 2521 bis 2593) auch für Plattformen, die nach Maßgabe des § 3 Abs. 3a UStG 1994 Steuerschuldner sind (siehe Rz 382 ff). Ist die Plattform in einem One-Stop-Shop registriert, gelten die Aufzeichnungspflichten nach den Bestimmungen für den jeweiligen One-Stop-Shop (siehe Rz 4300b und Rz 3437 ff).18.11.2. Plattformen, die nicht Steuerschuldner sind
Ab 1.1.2020 haben Plattformen gemäß § 18 Abs. 11 UStG 1994 Aufzeichnungen über Lieferungen zu führen, wenn- die Lieferungen an die in Art. 3 Abs. 4 UStG 1994 genannten Personen ausgeführt werden,
- die Beförderung oder Versendung im Inland endet und
- die Plattform die Lieferungen unterstützt, ohne dadurch selbst zum Steuerschuldner zu werden.
Die gleichen Aufzeichnungspflichten gelten für Plattformen, die sonstige Leistungen im Inland an Nichtunternehmer unterstützen, ohne selbst Steuerschuldner für diese Umsätze zu sein. Zur "Unterstützung" durch eine Plattform siehe Rz 384 (zu § 3 Abs. 3a UStG 1994) und Art. 54b VO (EU) 282/2011 .
Beispiel:
Eine Plattform vermittelt Beherbergungsumsätze und Einfuhr-Versandhandelsumsätze mit einem Einzelwert von 60 Euro. Der Leistungsort bzw. das Ende der Beförderung liegen in Österreich. Ab 1.1.2020 hat die Plattform die vermittelten Beherbergungs-und Versandhandelsumsätze aufzuzeichnen (§ 18 Abs. 11 UStG 1994).
Lösung:
Ab 1.7.2021 wird die Plattform unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 3a UStG 1994 für die Einfuhr-Versandhandelsumsätze selbst zum Steuerschuldner (siehe Rz 382 ff). Diesfalls hat die Plattform die allgemeinen Aufzeichnungspflichten zu beachten (siehe Rz 2594). Hinsichtlich der Beherbergungsumsätze gilt weiterhin § 18 Abs. 11 UStG 1994.
Die Aufzeichnungspflichten bestehen hinsichtlich jener Leistungserbringer (Unternehmer und Nichtunternehmer), die die zugrundeliegenden Umsätze an Nichtunternehmer im eigenen Namen erbringen. Nicht von der Aufzeichnungspflicht umfasst sind Umsätze, von denen die Plattform weiß, dass sie nicht steuerbar oder echt steuerbefreit sind. Aufzeichnungsverpflichtet ist nur jene Plattform, über die die Erbringung der Leistung erfolgt. Dies wird grundsätzlich die Plattform sein, über die das Angebot gemacht und der Vertrag mit dem Nichtunternehmer abgeschlossen wird.
Die Plattform hat im Anwendungsbereich des § 18 Abs. 11 und 12 UStG 1994 sowie des § 27 Abs. 1 UStG 1994 davon auszugehen, dass der Lieferant oder Erbringer der sonstigen Leistung ein Unternehmer und der Empfänger ein Nichtunternehmer ist, wenn ihr keine gegenteiligen Informationen (zB UID des Empfängers) bekannt sind (vgl. Rz 383).
Die Aufzeichnungen haben die in der Sorgfaltspflichten-UStV genannten Informationen zu enthalten. Dies beinhaltet jedenfalls- 1. Name, Postadresse und E-Mail-, Website- oder andere elektronische Adresse des Lieferanten oder Erbringers der sonstigen Leistung;
- 2. Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer oder nationale Steuernummer des Lieferanten oder Erbringers der sonstigen Leistung, falls erhältlich;
- 3. Bankverbindung oder Nummer des virtuellen Kontos des Lieferanten oder Erbringers der sonstigen Leistung, falls erhältlich;
- 4. im Fall einer Lieferung
- a. eine Beschreibung der Gegenstände,
- b. das dafür bezahlte Entgelt bzw. den Wert der Gegenstände,
- c. den Ort, an dem die Beförderung oder Versendung endet,
- d. den Zeitpunkt, an dem die Lieferung ausgeführt wird oder, falls nicht vorhanden, den Zeitpunkt der Bestellung und
- e. falls erhältlich, eine einmalig vergebene Transaktionsnummer;
- 5. im Fall einer sonstigen Leistung
- a. eine Beschreibung der sonstigen Leistung,
- b. das dafür bezahlte Entgelt bzw. deren Wert,
- c. die Informationen zur Feststellung des Ortes der sonstigen Leistung,
- d. den Zeitpunkt, an dem die sonstige Leistung ausgeführt wird oder, falls nicht vorhanden, den Zeitpunkt der Bestellung und
- e. falls erhältlich, eine einzigartige Transaktionsnummer.
Die Plattform muss die oben genannten Informationen aufzeichnen. Stellt sich nachträglich heraus, dass die Informationen unrichtig sind, hat dies für die Plattform grundsätzlich keine Konsequenzen, wenn sie von der Unrichtigkeit der Angaben weder wusste, noch davon hätte wissen können (Art. 5c der VO (EU) 282/2011 ). Zur Haftung bei Verstoß gegen die Aufzeichnungspflicht nach § 18 Abs. 11 UStG 1994 siehe Rz 3461 ff.
Unterstützt eine Plattform die Vermietung von Grundstücken für Wohn- oder Campingzwecke oder die Beherbergung in eingerichteten Wohn- und Schlafräumen, ist zusätzlich Folgendes aufzuzeichnen:
- die Aufenthalts- bzw. Mietdauer und die Anzahl der Personen, die übernachten oder, falls nicht erhältlich, die Anzahl und Art der gebuchten Betten und
- die Postadresse des Grundstücks.
Nicht maßgeblich ist bspw., ob es sich um eine Privatzimmervermietung oder eine Beherbergung im Rahmen eines Hotels handelt. Nicht maßgeblich ist grundsätzlich auch, ob die Unterkunft bspw. gemeinsam mit anderen Eigenleistungen des Leistungserbringers (zB Verpflegung) angeboten wird. Bei Reiseleistungen nach § 23 UStG 1994 sind die zusätzlichen Angaben iSd § 5 der Sorgfaltspflichten-UStV nicht erforderlich.
Beispiel 1:
Eine Website vermittelt die Ferienwohnung des Unternehmers A. Nach den Angaben von A und der Beschreibung auf der Website bietet die Ferienwohnung zwei Doppelbetten und ein Schlafsofa. Auf Anfrage kann bei A vor Ort ein Zustellbett hinzugebucht werden. Eine Privatperson bucht die Ferienwohnung für zwei Wochen und gibt bei der Buchung an, dass vier Personen die Ferienwohnung nutzen. Vor Ort bucht der Kunde ein Zustellbett für eine weitere Person und verlängert seinen Aufenthalt um eine Woche. Der Plattform sind die Buchung des Zustellbetts und die Aufenthaltsverlängerung nicht bekannt.
Lösung:
Nach § 5 der Sorgfaltspflichten-UStV ist zusätzlich die Postadresse der Ferienwohnung sowie die der Website bekannte Aufenthaltsdauer von zwei Wochen und die ihr bekannte Anzahl der übernachtenden Personen aufzuzeichnen. Gibt der Kunde bei Buchung der Ferienwohnung gegenüber der Website an, dass diese von vier Personen zwei Wochen genutzt wird, obwohl letztlich sechs Personen drei Wochen dort übernachten, hat die Website die ihr bekannte Anzahl an übernachtenden Personen sowie die ihr bekannte Mietdauer nach § 5 Z 1 der Sorgfaltspflichten-UStV aufzuzeichnen. Voraussetzung ist, dass die Website von der Unrichtigkeit der Angaben weder wusste, noch davon hätte wissen können.
Beispiel 2:
Wie Beispiel 1, nur kann der Kunde bei der Buchung des Ferienhauses über die Website die Anzahl der übernachtenden Personen nicht angeben.
Lösung:
Nach § 5 der Sorgfaltspflichten-UStV ist die Postadresse der Ferienwohnung sowie die der Website bekannte Aufenthaltsdauer von zwei Wochen und die ihr bekannte Anzahl der übernachtenden Personen aufzuzeichnen. Hat die Website keine Informationen zur Anzahl der übernachtenden Personen, muss sie die ihr bekannte Anzahl und Art der gebuchten Betten in die Beschreibung der Leistung aufnehmen, dh. zwei Doppelbetten und ein Einzelbett (das Schlafsofa).
Zum Verfahren der elektronischen Übermittlung bzw. Zurverfügungstellung von Aufzeichnungen gemäß § 18 Abs. 12 UStG 1994 siehe Verordnung BGBl. II Nr. 377/2019.
Die Aufzeichnungen nach § 18 Abs. 11 UStG 1994 müssen den Finanzbehörden eine automatisierte Auswertung, ob die Steuer korrekt berücksichtigt wurde, ermöglichen.