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6.1.27. Kleinunternehmer

BMF2022-0.860.1245.12.2022

6.1.27.1. Allgemeines

Rz 994
Anwendbar ist die Regelung auf Unternehmer, die im Inland ihr Unternehmen betreiben und deren laufende Umsätze im Veranlagungszeitraum höchstens 35.000 Euro (bis 31.12.2019: 30.000 Euro) betragen.

Bis 31.12.2016 ist die Regelung auf Unternehmer anwendbar, die einen Wohnsitz oder Sitz in Österreich haben und deren laufende Umsätze im Veranlagungszeitraum höchstens 30.000 Euro betragen.

Hinsichtlich des Ortes, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt, siehe Rz 639b.

Erzielt ein im Ausland ansässiger Unternehmer Umsätze aus der Vermietung eines im Inland gelegenen Grundstückes, ist die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer ebenfalls nur anwendbar, wenn er im Inland sein Unternehmen betreibt (vgl. EuGH 26.10.2010, Rs C-97/09 , Schmelz). Ob dies der Fall ist, richtet sich nach Rz 639b. Der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit ist nicht automatisch am Ort des Mietobjekts gegeben (vgl. VwGH 7.5.2021, Ra 2020/15/0115). Alleine der Umstand, dass eine inländische Immobilienverwaltungsfirma die Verwaltung der Immobilien vornimmt, führt nicht dazu, dass der Unternehmer sein Unternehmen im Inland betreibt.

Beispiel:

Eine in München lebende Angestellte, die in Deutschland Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezieht, vermietet eine Wohnung in Salzburg zu Wohnzwecken. Die Kleinunternehmerregelung ist nicht anwendbar.

Erzielt ein im Ausland ansässiger Unternehmer bis 31.12.2016 Umsätze aus der Vermietung eines im Inland gelegenen Grundstückes, ist die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer nur bei Vorliegen eines inländischen Wohnsitzes oder Sitzes anwendbar (vgl. EuGH 26.10.2010, Rs C-97/09 , Schmelz). Ob dies der Fall ist, richtet sich nach §§ 26 und 27 BAO. Von einem Wohnsitz im Inland (§ 26 BAO) ist zB auszugehen, wenn der Wohnungs- oder Hauseigentümer die Möglichkeit der jederzeitigen Benutzung der Wohnung oder (eines Teiles) des Gebäudes hat (VwGH 23.5.1990, 89/13/0015) oder wenn er bei bloß gelegentlichen Vermietungen (zB an Feriengäste) rechtlich und tatsächlich die Möglichkeit hat, nach seinem Willen die Zeit der Eigennutzung zu bestimmen (VwGH 4.11.1980, 3235/79, zu einer Ferienwohnung, die teils der Vermietung, teils der Eigennutzung dient).

Die Ansässigkeit im Inland muss im Zeitpunkt der Leistungserbringung gegeben sein, um die Steuerbefreiung in Anspruch nehmen zu können (vgl. VwGH 31.1.2019, Ra 2017/15/0034).

Beispiel:

Ein bis Ende September 2014 in Deutschland lebender Angestellter, der in Deutschland Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezog, vermietet zwei Wohnungen in Österreich.

Mit Oktober 2014 verlegte er seinen einzigen Wohnsitz nach Österreich und trat in Österreich ein neues Dienstverhältnis an. Die Kleinunternehmerreglung ist ab Oktober 2014 anwendbar.

Auch ein unter die unechte Befreiung des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 fallender Unternehmer hat jedenfalls die Einfuhrumsatzsteuer und - soweit nicht die Erwerbsschwellenregelung nach Art. 1 Abs. 4 UStG 1994 anzuwenden ist - die Erwerbsteuer an das Finanzamt zu entrichten. Gleiches gilt für die Steuerbeträge, die sich durch die Anwendung des § 11 Abs. 12 und 14 UStG 1994, § 12 Abs. 10 bis 12 UStG 1994 und § 16 UStG 1994 ergeben, sowie für die von ihm infolge des Übergangs der Steuerschuld gemäß § 19 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 1a, 1b, 1c, 1d und 1e UStG 1994 geschuldeten Steuerbeträge.

6.1.27.2. Ermittlung der 35.000 Euro-Umsatzgrenze (bis 31.12.2019: 30.000 Euro)

Rz 995
Es sind alle Umsätze gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 UStG 1994 - außer Hilfsgeschäfte (vgl. EuGH 9.7.2020, Rs C-716/18 , CT) einschließlich Geschäftsveräußerungen - bei der Prüfung, ob die 35.000 Euro-Grenze (bis 31.12.2019: 30.000 Euro) überschritten wird, miteinzubeziehen. Dazu gehören auch die Umsätze, die unter die landwirtschaftliche Durchschnittssatzbesteuerung gemäß § 22 UStG 1994 fallen. Im Falle einer Schätzung können diese Umsätze mit 150% des Wertes des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes (§ 125 Abs. 1 lit. b BAO) angesetzt werden.

Ebenfalls miteinzubeziehen ist eine als Liebhaberei qualifizierte kleine Vermietung gemäß § 1 Abs. 2 LVO, die verpflichtend steuerfrei ist (vgl. VwGH 30.4.2015, Ra 2014/15/0015). Außer Ansatz bleiben seit 1.1.2017 Umsätze, die nach § 6 Abs. 1 Z 8 lit. d und j, Z 9 lit. b und d, Z 10 bis 15, Z 17 bis 26 und Z 28 UStG 1994 steuerfrei sind.

Umsätze, für die der Kleinunternehmer auf Grund eines Übergangs der Steuerschuld Steuerschuldner geworden ist, und innergemeinschaftliche Erwerbe sind nicht zu berücksichtigen (siehe auch Rz 994). Bei der Ermittlung der 35.000 Euro-Grenze (bis 31.12.2019: 30.000 Euro) ist hinsichtlich der differenzbesteuerten Umsätze nicht von der nach § 24 Abs. 4 und 5 UStG 1994 errechneten Bemessungsgrundlage, sondern von der nach den allgemeinen Vorschriften des § 4 UStG 1994 zu ermittelnden Bemessungsgrundlage auszugehen (EuGH 29.7.2019, Rs C-388/18 , B).

Rz 996
Für die Berechnung der Umsätze gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 ist nicht von der Steuerbefreiung für Kleinunternehmer, sondern von der Besteuerung nach den allgemeinen Regelungen auszugehen. Somit stellt die Umsatzgrenze des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 auf die Bemessungsgrundlage bei unterstellter Steuerpflicht ab (VwGH 28.10.1998, 98/14/0057).

Beispiel:

Der Unternehmer erzielt im Veranlagungszeitraum Gesamteinnahmen von 31.860 Euro, die sich wie folgt zusammensetzen:

Einnahmen aus der Vermietung einer Wohnung in Höhe von 3.190 Euro.

Weiters tätigt der Unternehmer durch die laufende 40-prozentige private Nutzung eines ansonsten unternehmerisch genutzten PCs einen Eigenverbrauch in Höhe von 750 Euro.

Für die Ermittlung der 35.000 Euro-Umsatzgrenze (bis 31.12.2019: 30.000 Euro) sind ab 1.1.2017 zuerst die Umsätze herauszurechnen, die für die Berechnung der Grenze nicht heranzuziehen sind:

Sodann ist von der Besteuerung der Leistungen unter Außerachtlassung der unechten Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 auszugehen und die in den Einnahmen diesfalls enthaltene USt herauszurechnen. Es ergibt sich somit folgende für die Kleinunternehmerregelung maßgebliche Umsatzhöhe:

Dies ergibt insgesamt maßgebliche Umsätze in Höhe von 18.150 Euro (bis 31.12.2016: 29.420 Euro). Die 35.000 Euro-Kleinunternehmergrenze (bis 31.12.2019: 30.000 Euro) ist somit nicht überschritten. Die Umsätze des Unternehmers sind gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 unecht steuerfrei.

6.1.27.3. Toleranzgrenze von 15%

Rz 997
Innerhalb eines Zeitraumes von fünf Kalenderjahren kann der Unternehmer - unter Beibehaltung der Anwendung der Befreiung des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 - einmal die 35.000 Euro (bzw. bis 31.12.2019: 30.000 Euro) - Grenze um 15% überschreiten. Von der Toleranzgrenze kann neuerlich erst wieder im fünften Jahr nach Anwendung der Toleranzgrenze Gebrauch gemacht werden (zB Anwendung der Toleranzgrenze im Jahr 2015, neuerliche Möglichkeit der Inanspruchnahme der Toleranzgrenze im Jahr 2020).

Abweichend davon, kann die ab 1.1.2020 geltende "neue" Toleranzgrenze auch dann einmal in Anspruch genommen werden, wenn die vor dem 1.1.2020 gültige Toleranzregelung innerhalb der vorangegangenen vier Jahre bereits einmal ausgenutzt wurde.

Beispiel:

Der Unternehmer erzielt dem Normalsteuersatz unterliegende (Netto-) Umsätze in folgender Höhe:

Umsätze bis 2017:

20.000 Euro

Umsätze 2018:

33.000 Euro

Umsätze 2019:

20.000 Euro

Umsätze 2020:

39.000 Euro

Umsätze 2021:

44.000 Euro

Im Jahr 2020 kommt weiterhin die Kleinunternehmerbefreiung zur Anwendung, obwohl die bis 31.12.2019 geltende Toleranzregelung innerhalb des fünfjährigen Beurteilungszeitraumes bereits einmal (im Jahr 2018) beansprucht wurde. Die im Jahr 2020 erfolgte Überschreitung der "neuen" Kleinunternehmergrenze von 35.000 Euro liegt innerhalb der 15-prozentigen Toleranz (maximal 40.250 Euro) und gilt als erstmaliges Überschreiten der Umsatzgrenze innerhalb von fünf Kalenderjahren. Erst im Jahr 2021 kommt es infolge neuerlicher Überschreitung der Umsatzgrenze zu einem "Herausfallen" aus der Kleinunternehmerbefreiung.

Rz 998
Auch bei Ermittlung der Toleranzgrenze ist von den Einnahmen unter Herausrechnung der allenfalls hierin enthaltenen USt - wie in Abschn. 6.1.27.2 dargestellt - auszugehen. Bei der Prüfung, ob die Toleranzgrenze in früheren Veranlagungszeiträumen bereits überschritten wurde, ist bereits von der Netto-Umsatzgrenze im Sinne der VwGH-Judikatur auszugehen, auch wenn für die zu prüfenden Veranlagungszeiträume bereits rechtskräftige Bescheide vorliegen, die von einer Bruttoumsatzgrenze ausgegangen sind.

Beispiel:

Der Unternehmer, der für kein Veranlagungsjahr zur Steuerpflicht optiert hat, erzielte in den Jahren bis einschließlich 1996 Umsätze in Höhe von jeweils eindeutig unter 300.000 S. Im Jahr 1997 erzielte der Unternehmer Einnahmen aus schriftstellerischer Tätigkeit in Höhe von 348.000 S. In Folge der seinerzeitigen Berechnungsmethode der Kleinunternehmergrenze wurde diese um mehr als 15% überschritten. Unter Herausrechnung der 20-prozentigen USt ergab sich ein steuerpflichtiger Umsatz von 290.000 S. Es liegt hierüber ein rechtskräftiger Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1997 vor, dessen Aufrollung nicht mehr möglich ist. Die Umsätze des Jahres 1998 lagen wieder eindeutig unter 300.000 S. Im (noch nicht veranlagten) Jahr 1999 erzielte der Unternehmer Einnahmen aus schriftstellerischer Tätigkeit in Höhe von 408.000 S. Die Umsätze unter Herausrechnung der 20-prozentigen USt betrugen somit 340.000 S. Der Unternehmer fällt im Jahr 1999 unter die unechte Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994, da unter Berücksichtigung der VwGH-Judikatur die Kleinunternehmergrenze erstmals um nicht mehr als 15% überschritten wurde.

6.1.27.4. Abweichendes Wirtschaftsjahr

Rz 999
Im Falle eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres findet die Befreiung des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 keine Anwendung (§ 20 Abs. 1 letzter Satz UStG 1994).

6.1.27.5. Überschreiten/Unterschreiten der Umsatzgrenze

Rz 1000
Geht der Unternehmer zunächst von der Steuerfreiheit aus und überschreitet er im Laufe des Kalenderjahres die 35.000 Euro (bzw. bis 31.12.2019: 30.000 Euro) - Grenze (bzw. innerhalb von fünf Kalenderjahren einmal die jeweils geltende Toleranzgrenze, so werden sämtliche Umsätze dieses Jahres (somit auch die schon bewirkten Umsätze nachträglich) steuerpflichtig. In diesem Fall können die schon bewirkten Umsätze als in den Voranmeldungszeitraum fallend angesehen werden, in dem die maßgebliche Umsatzgrenze überschritten wird. Eine Berichtigung der Rechnung (mit Ausweis der Umsatzsteuer), die den Leistungsempfänger zum Vorsteuerabzug berechtigt, ist möglich.

Rz 1001
Geht der Unternehmer zunächst von der Steuerpflicht aus und stellt er Rechnungen mit Ausweis der Umsatzsteuer aus und ergibt sich am Ende des Veranlagungszeitraumes, dass die 35.000 Euro (bzw. bis 31.12.2019: 30.000 Euro) - Grenze nicht überschritten wurde, und gibt der Unternehmer keine Optionserklärung gemäß § 6 Abs. 3 UStG 1994 ab, so kann er die Rechnungen nachträglich berichtigen. Bis zur Berichtigung schuldet der Unternehmer die in den Rechnungen ausgewiesene Steuer gemäß § 11 Abs. 12 UStG 1994.

6.1.27.6. Innergemeinschaftliche Lieferung neuer Fahrzeuge durch Kleinunternehmer

Rz 1002
Die persönliche unechte Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 geht den echten Befreiungen (zB Ausfuhrlieferungen gemäß § 7 UStG 1994 und innergemeinschaftliche Lieferung gemäß Art. 7 UStG 1994) vor. Lediglich hinsichtlich der innergemeinschaftlichen Lieferung neuer Fahrzeuge gilt gemäß Art. 6 Abs. 5 UStG 1994 die unechte Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 nicht; in diesem Fall liegt eine innergemeinschaftliche Lieferung vor.

Randzahlen 1003 bis 1010: derzeit frei.

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