Scheidet im Fall von Verrechnungspreisberichtigungen gemäß
§ 6 Z 6 EStG 1988 iVm Art. 9 DBA der Ansatz einer Verrechnungspreisforderung in der Tochtergesellschaft als Sekundärberichtigung aus (Rz 509), wird eine verdeckte Ausschüttung als Sekundärfolge der Verrechnungspreisberichtigung zu prüfen sein. Die Voraussetzungen für das Vorliegen einer verdeckten Ausschüttung sind - neben der Eigentums- oder Nahebeziehung zwischen den beteiligten Personen - das objektive Tatbild der Bereicherung des Gesellschafters oder einer ihm nahestehenden Person zu Lasten der Gesellschaft und das subjektive Tatbild einer auf Vorteilsgewährung gerichteten Willensentscheidung (KStR 2013 Rz 568). Verzichtet beispielsweise ein inländisches Unternehmen im Zeitpunkt einer Verrechnungspreisberichtigung auf die Verrechnungspreisforderung gegenüber der Muttergesellschaft, so wird dies die Tatbestandsmerkmale einer verdeckten Ausschüttung erfüllen.
Liegt eine verdeckte Ausschüttung vor, ist nicht nur der Gewinn der inländischen Gesellschaft zu erhöhen, sondern auch die Unterlassung des Kapitalertragsteuerabzugs festzustellen. Die Bemessungsgrundlage für die KESt hängt davon ab, ob die ausschüttende Gesellschaft die vorzuschreibende KESt trägt oder nicht (KStR 2013 Rz 820). Die KESt ist in voller Höhe nachzufordern, wenn die Voraussetzungen für eine Entlastung an der Quelle nicht vorliegen; etwa im Falle einer offenkundigen verdeckten Ausschüttung gemäß
§ 94 Z 2 EStG 1988 oder mangels Vorliegen einer Ansässigkeitsbescheinigung der ausländischen Muttergesellschaft auf den für Zwecke einer Entlastung an der Quelle in Österreich aufgelegten Vordrucken (§ 4 Abs. 2 lit. b der Verordnung BGBl. Nr. 56/1995;
§ 5 Abs. 1 Z 1 DBA-Entlastungsverordnung [
BGBl. III Nr. 92/2005 idgF]). Einer nach Unionsrecht oder DBA bestehenden Entlastungsverpflichtung wird diesfalls im Rückerstattungsweg nachgekommen. Das für die Rückerstattung zuständige Finanzamt ist das Finanzamt für Großbetriebe (
§ 61 Abs. 4 BAO).
Beispiel:
Wäre im Fall des Beispiels der Rz 499 f die US-Gesellschaft nicht zur Anerkennung der Gewinnrückführungsverpflichtung bereit und verzichtet die österreichische Gesellschaft auf die Eintreibung der Forderung, dann müsste seitens der österreichischen Außenprüfung angesichts der unbestreitbar nachgewiesenen unzulässigen Doppelverrechnung neben der primären Gewinnerhöhung gegenüber der T-GmbH auch noch die Kapitalertragsteuerhaftung geltend gemacht werden. Wenn die US-Gesellschafterin hierfür keinen Regress leistet und die KESt daher von der T-GmbH zu tragen ist, kommt nicht der Steuersatz von 25%, sondern jener von 33,33% zur Anwendung. Der T-GmbH wäre diesfalls Kapitalertragsteuer in Höhe von 100.000 (33,3333% von 300.000) vorzuschreiben. Das DBA-USA schützt die amerikanische M-Corp nicht vor einer österreichischen Quellenabzugsbesteuerung; allerdings besteht gemäß Art. 10 Abs. 2 DBA-USA Anrecht auf Entlastung der die 5-prozentige Quellensteuer übersteigenden Beträge. Liegen die Voraussetzungen einer Entlastung an der Quelle nicht vor, muss von der M-Corp beim Finanzamt für Großbetriebe ein Rückerstattungsantrag gestellt werden.
Eine verdeckte Ausschüttung ist offenkundig getätigt worden, wenn die mit der Vorteilszuwendung an den Gesellschafter verbundene Minderung des steuerpflichtigen Gewinns bei unbestreitbar feststehendem Sachverhalt unter Verletzung von administrativ eindeutig geklärten Rechtsvorschriften erfolgt ist (
EAS 3009). Es ist der Sorgfaltsmaßstab eines ordentlichen Kaufmanns anzulegen (
BFG 19.11.2015, RV/5100487/2013).
Die Quellensteuersätze des Art. 10 Abs. 2 OECD-MA beziehen sich jeweils auf den Bruttobetrag der Dividende. Die KESt kürzt daher nicht die Bemessungsgrundlage; auch dann nicht, wenn sie von der ausschüttenden Gesellschaft getragen wird. Wird die KESt von der ausschüttenden Gesellschaft getragen, erhöht sich daher der Nettobetrag der Gewinnausschüttung nicht um die gemäß DBA hochgerechnete KESt, sondern um die unter Außerachtlassung des DBA nach inländischem Recht hochzurechnende KESt-Belastung (33,33% bzw. 37,93% bei natürlichen Personen als Gesellschafter).
Beispiel:
Im vorstehenden Beispiel wurde im Zuge der Außenprüfung Kapitalertragsteuer in Höhe von 33,33% mit 100.000 nachgefordert. Es besteht ein Rückforderungsanspruch von 80.000.
Verdeckte Gewinnausschüttung (netto) | 300.000 |
von T-GmbH gemäß innerstaatlichem Recht zu tragende KESt (33,33%) | + 100.000 |
verdeckte Gewinnausschüttung (brutto) | 400.000 |
KESt gemäß DBA (5%) | 20.000 |
tatsächlich einbehaltene KESt | -100.000 |
Rückerstattungsbetrag | - 80.000 |
Die Nichterhebung der KESt kann im Fall einer offenkundigen verdeckten Ausschüttung nicht in allen Fällen mit einer Nichterhebung der KESt aus grobem Verschulden im Sinn von
§ 217 Abs. 7 BAO (Säumniszuschläge) gleichgesetzt werden. Die Nichtbeachtung einer sich aus den OECD-VPL eindeutig ergebenden Rechtsfolge löst zwar eine offenkundige verdeckte Ausschüttung aus, kann aber durchaus als minderer Grad eines Versehens zu werten sein, das als bloße leichte Fahrlässigkeit einzustufen ist und damit grobes Verschulden ausschließt. Die Kapitalgesellschaft, die im Gefolge der Verrechnungspreisberichtigung zur Kapitalertragsteuerhaftung herangezogen wird, kann daher in solchen Fällen gemäß
§ 217 Abs. 7 BAO die Nichtfestsetzung des Säumniszuschlages beantragen und erwirken (
EAS 3009).
Werden die Verrechnungspreise nicht gegenüber einer ausländischen Muttergesellschaft, sondern gegenüber anderen im Konzernverbund stehenden Gesellschaften berichtigt, die aber nicht zur Rückführung des verlagerten Gewinns bereit sind, ist das Vorliegen einer verdeckten Ausschüttung an die Muttergesellschaft zu prüfen (Rz 514). Denn wendet eine Kapitalgesellschaft ihrer Schwestergesellschaft einen Vermögensvorteil zu und liegt die Veranlassung hierfür nicht in Leistungsbeziehungen zwischen den Gesellschaften, sondern in der gesellschaftsrechtlichen Verflechtung, so liegt einerseits eine Gewinnausschüttung an die gemeinsame Muttergesellschaft und andererseits eine Einlage des Ausschüttungsempfängers bei der Schwestergesellschaft vor (VwGH 30.5.1995,
91/13/0248).
Während Sekundärfolgen bei Gewinnverlagerungen von der inländischen Tochtergesellschaft zur ausländischen Muttergesellschaft (up-stream) zu einer verdeckten Ausschüttung führen, müssen vergleichbare Vorgänge in umgekehrter Richtung, dh. von der Muttergesellschaft zur Tochtergesellschaft (down-stream), als verdeckte Einlage erfasst werden, wenn keine Rückführung der Gewinnverlagerung stattfindet. Und zwar nicht nur im Fall von Lieferungen, sondern auch im Fall von Dienstleistungen. Denn im internationalen Verhältnis liegt im Fall von unentgeltlichen Dienstleistungen keine nichteinlagefähige Nutzungseinlage, sondern eine einlagefähige Zuführung eines Vermögenswertes vor, die durch den Verzicht auf eine kraft
§ 6 Z 6 EStG 1988 gegenüber der Tochtergesellschaft entstandene Forderung bewirkt wird (
EAS 1818).
Beispiel:
Die österreichische M-AG hat in den Jahren 1 bis 3 den Aufwand, der sich durch laufende Entsendungen ihrer Mitarbeiter zu ihrer Budapester Tochtergesellschaft ergeben hat (jährlich 200.000 €), nicht an die ungarische Tochtergesellschaft weiterbelastet. Dies wird im Jahr 5 durch die österreichische Außenprüfung aufgedeckt. Im internationalen Verhältnis entsteht kraft Gesetzes (§ 6 Z 6 EStG 1988) eine Verrechnungspreisforderung, die im vorliegenden Fall jährlich 200.000 € beträgt. Weil die Muttergesellschaft diese Forderung nicht von ihrer Tochtergesellschaft einfordern möchte, entlastet sie damit die Tochtergesellschaft von der entstandenen Verbindlichkeit. Durch den Verzicht auf die Bezahlung einer Forderung, die gemäß § 6 Z 6 EStG 1988 am Ende des Prüfungszeitraumes auf einen Wert von 600.000 € angewachsen ist, hat die Muttergesellschaft ihrer Tochtergesellschaft einen Vermögenswert in gleicher Höhe zugeführt. Es erfolgt daher bei der Muttergesellschaft in den Jahren 1 bis 3 eine jährliche Gewinnerhöhung von je 200.000 € unter gleichzeitiger korrespondierender Erhöhung des Wertes der Beteiligung an der ungarischen Tochtergesellschaft.