Beispiel (EAS 1983):
Erhält eine österreichische Kapitalgesellschaft, die sich an einem betriebsstättenbegründenden Auslandsbauvorhaben beteiligt, vom ausländischen Bauherrn eine Vorauszahlung und werden diese Finanzmittel sodann der ausländischen Muttergesellschaft der inländischen Kapitalgesellschaft als Darlehen verzinslich überlassen, dann unterliegen die hierfür gezahlten Zinsen der österreichischen Körperschaftsbesteuerung. Eine Zurechnung des Zinsenertrags als Betriebseinnahme der - in Österreich gemäß DBA steuerfrei zu stellenden - Auslandsbetriebsstätte wäre unzulässig, weil die Disposition über solche Finanzmittel, insbesondere wenn sie einen Zinsenertrag in Millionenhöhe abwerfen, nicht zu den Aufgaben und Funktionen einer Bau- oder Montagebetriebsstätte gehören kann. Ist daher die Darlehensvergabe an die ausländische Muttergesellschaft den Funktionen des inländischen Stammhauses der Kapitalgesellschaft zuzuordnen (siehe auch Rz 284), dann bilden auch die hierdurch erwirtschafteten Zinsen Betriebseinnahmen des inländischen Stammhauses. Der bloße Umstand, dass die Vorauszahlung auf Bankkonten im Staat der Baustelle einging, hinsichtlich derer das Leitungspersonal der Bau- oder Montagebetriebsstätte (entsprechend den Weisungen der inländischen Unternehmenszentrale) zeichnungsberechtigt war, vermag nicht zu bewirken, dass die Zinseneinkünfte der Bau- oder Montagebetriebsstätte steuerlich zuzurechnen sind.
2.2.4.3. Liefergewinnbesteuerung
Der mit dem Auftraggeber des Bauvorhabens vereinbarte Endpreis enthält sowohl den Gewinnaufschlag auf die Bau- und Montageleistung als auch für die Materialanlieferung (zB im Fall des Anlagenbaus auch der maschinellen Ausstattung der schlüsselfertig zu übergebenden Anlage). Die Liefergewinne, die aus einer solchen Material- und Maschinenanlieferung stammen, sind grundsätzlich dem Stammhaus zuzurechnen (OECD-MK Art. 7 Z 25 idF vor 2010). Nur soweit die Betriebsstätte selbst die zum Bau oder zur Montage notwendigen Materialien oder Subunternehmerleistungen beschafft, steht ihr entsprechend dem Umfang der kaufmännischen und technischen Abwicklung ein anteiliger Gewinn aus der Materiallieferung oder Subunternehmerleistung zu (BFG 1.8.2017, RV/4100134/2012; BFH 13.11.1990, VIII R 152/86, BStBl II 1991, 94; EAS 2954 betr. DBA-Italien). Zählt daher die Beschaffung der maschinellen Ausrüstung eines im Ausland montierten Transportsystems zu den Funktionen des österreichischen Stammhauses, dann kann Österreich die diesen Funktionen zuzurechnenden Gewinnteile nicht auf der Grundlage von Art. 7 DBA von der Besteuerung freistellen und der Besteuerung im Ausland überlassen (EAS 979 betr. DBA-Spanien).Die einschlägigen OECD-Grundsätze gelten auch für DBA, die vor ihrer Erlassung abgeschlossen worden sind (vgl. Rz 19). Es ist daher auch im Geltungsbereich dieser Altabkommen im Rahmen einer Funktionsanalyse zunächst festzustellen, welche Aktivitäten tatsächlich an der Bau- oder Montagebetriebsstätte erbracht werden und sodann ist in einem zweiten Schritt zu beurteilen, welcher Gewinn einem fremden Unternehmen zugefallen wäre, das dieselbe Aktivität dort entfaltet (EAS 2149 betr. DBA-Türkei). Gleiches gilt, wenn eine Materialanlieferung und die Bauplanung von einem anderen Konzernunternehmen stammen.Beispiel (EAS 647):
Übernimmt eine österreichische Kapitalgesellschaft (A-GmbH) den Auftrag, die Bauüberwachung und den örtlichen Materialeinkauf im Zuge einer Anlagenerrichtung im Baustellenstaat zu bewerkstelligen, so wird hierdurch - bei Überschreitung der 12-monatigen Baustellenfrist des Art. 5 Abs. 3 DBA - eine Betriebsstätte im Baustellenstaat begründet, die dem Baustellenstaat das Besteuerungsrecht für die aus dieser Betriebsstättentätigkeit erzielten Gewinne zuteilt. Wird die Bauplanung und die Zulieferung von Anlagenbauteilen von einer anderen konzernzugehörigen österreichischen Kapitalgesellschaft (B-GmbH) wahrgenommen, die diese Arbeiten in Österreich ausführt, dann unterliegen die von der B-GmbH erzielten Gewinne nicht der ausländischen Besteuerung. Dies selbst dann nicht, wenn es nach ausländischem Steuerrecht zulässig sein sollte, konzernmäßig verflochtene Gesellschaften als ein Steuersubjekt zu betrachten und folglich die Betriebsstätte der A-GmbH auch als Betriebsstätte der B-GmbH zu werten. Denn selbst in diesem Fall dürften Gewinne, die nicht durch in der Baustelle ausgeführte Tätigkeiten erzielt worden sind, nicht dem Ergebnis der Baustellenbetriebsstätte zugerechnet werden.