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14.2.2.2 Voraussetzungen

BMFBMF-010216/0002-IV/6/201829.3.2018

14.2.2.2.1 Änderung der organisatorischen Struktur

Rz 995
Eine Änderung der organisatorischen Struktur liegt vor, wenn die Organwalter der Körperschaft in den Leitungs- und Verwaltungsfunktionen geändert werden.

Eine wesentliche Änderung ist gegeben, wenn alle oder die überwiegende Mehrheit der Mitglieder der Geschäftsführung in einem Zug oder bei Vorliegen eines inneren Zusammenhangs sukzessive ersetzt werden. Dabei ist lediglich auf jene Personen abzustellen, die auch tatsächlich die Geschäfte führen.

Wird die bisherige Geschäftsführung zwar formal im Amt belassen, verfügt sie aber über keine Entscheidungsbefugnisse mehr, liegt auch in diesem Fall eine wesentliche Änderung der organisatorischen Struktur vor. Über die tatsächlichen Verhältnisse können die interne Geschäftsverteilung der Geschäftsführung sowie die Erfüllung der erforderlichen Voraussetzungen (Qualifikationen) des bisherigen Geschäftsführers in Bezug auf die neue Geschäftstätigkeit der Körperschaft Aufschluss geben.

Als Nachweis können in diesem Zusammenhang herangezogen werden:

Führt nach dem Gesamtbild der Verhältnisse der neue Geschäftsführer das Unternehmen praktisch alleine, liegt - auch bei einer den formalen Voraussetzungen entsprechenden rechtlichen Ausgestaltung - eine Änderung der organisatorischen Struktur vor.

Um missbräuchliche formale Gestaltungen hintanzuhalten, ist trotz grundsätzlich formaler Betrachtung der Elemente des Manteltatbestandes auch auf die faktischen Gegebenheiten abzustellen. Dies gilt für die Änderung der organisatorischen Struktur umso mehr, als sich auch das Gesellschaftsrecht in bestimmten Konstellationen von der rein formalen Betrachtung löst und das Institut des "faktischen Geschäftsführers" kennt (siehe dazu zB OGH 15.09.2010, 2 Ob 238/09b). Bei Vorgängen zwischen Fremden wird man zwar grundsätzlich davon ausgehen können, dass die formale Gestaltung auch den tatsächlichen Verhältnissen entspricht; wenn aber begründete Zweifel daran bestehen, ist auch bei Fremden zu untersuchen, wer tatsächlich die Geschäfte der Körperschaft führt. Dies gilt umso mehr für den Angehörigenbereich.

14.2.2.2.2 Änderung der wirtschaftlichen Struktur

Rz 996
Eine Änderung der wirtschaftlichen Struktur liegt vor, wenn die aus Vermögen und Tätigkeit gebildete wirtschaftliche Einheit (bezogen auf sämtliche bisherigen Tätigkeitsbereiche) der Körperschaft verloren geht. Die wirtschaftliche Einheit kann auch dann verloren gehen, wenn sich nur eines der genannten Strukturmerkmale (Vermögen oder Tätigkeit) wesentlich ändert. Besonderes Gewicht ist dabei - im Sinne eines beweglichen Systems - auf jenes Strukturmerkmal zu legen, das identitätsstiftend wirkt (zB wird die Identität der wirtschaftlichen Einheit bei Holdinggesellschaften insbesondere durch das Vermögen geprägt, bei Produktionsbetrieben hingegen durch die Tätigkeit).

Diese Änderung kann sein:

Erfolgen die beschriebenen Änderungen zwar ausschließlich im Herrschaftsbereich des Voreigentümers, aber auf Veranlassung des Folgeeigentümers, stellt dies ebenfalls eine wesentliche Änderung dar.

14.2.2.2.3 Änderung der Gesellschafterstruktur

Rz 997
Ob eine wesentliche Änderung vorliegt, ist im Einzelfall zu beurteilen (VwGH 18.12.2008, 2007/15/0090); jedenfalls ist von einer wesentlichen Änderung auszugehen, wenn sich mehr als 75% der Vorstruktur ändert. Fraktionierte Erwerbe sind zusammen zu rechnen, wenn ein innerer Zusammenhang mit den übrigen Tatbestandsmerkmalen besteht.

Voraussetzung ist eine Änderung auf entgeltlicher Grundlage (Kauf, Tausch). Darunter fällt auch der Kauf der Anteile um einen symbolischen Betrag. Dem ist gleich zu halten, wenn sich für eine unentgeltliche Anteilsübertragung ein wirtschaftlicher Ausgleichsposten finden lässt (zB Freistellung des bisherigen Gesellschafters von seiner persönlichen Haftung, VwGH 09.07.2008, 2005/13/0045). Es ist gleichgültig, ob der Erwerber dadurch Gesellschafter wird oder als Gesellschafter zusätzliche Anteile erwirbt. Der Anteilserwerb im Rahmen einer Kapitalerhöhung außerhalb des gesetzlichen Bezugsrechtes ist als entgeltlich zu sehen (§ 6 Z 14 lit. b EStG 1988). Der einbringungsverursachte Anteilserwerb stellt nach § 20 Abs. 1 UmgrStG einen Anschaffungstatbestand dar. Eine Änderung der Gesellschafterstruktur einer Körperschaft auf entgeltlicher Grundlage liegt auch dann vor, wenn die Anteile an dieser Körperschaft auf Grund einer Einlage gemäß § 6 Z 14 lit. b EStG 1988 oder einer Einbringung gemäß Art. III UmgrStG auf eine andere Kapitalgesellschaft übertragen werden. Der fusionsbedingte Anteilstausch ist zwar kein Tausch, aber für die Mantelkaufsbetrachtung ein Beteiligungszugang auf entgeltlicher Basis, was für den erweiterten Mantelkauftatbestand des UmgrStG von Bedeutung sein kann. Unschädlich ist der Anteilserwerb von Todes wegen oder im Schenkungswege. Eine wesentliche Änderung der Gesellschafterstruktur stellt ausschließlich auf die unmittelbaren Beteiligungsverhältnisse und nicht die mittelbare Beteiligungsstruktur ab (VwGH 13.9.2017, Ro 2015/13/0007).

14.2.2.2.4 Gesamtbild der Verhältnisse

Rz 998
Ein Mantelkauf kann auch vorliegen, wenn die einzelnen Tatbestandselemente unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Es ist auch unmaßgeblich, in welcher Reihenfolge die drei Strukturelemente wesentlich geändert werden. Änderungen innerhalb eines kurzen Zeitraumes (ca. ein Jahr) sind ein Indiz für das Vorliegen eines Mantelkaufs.

Es ist notwendig, einen Zusammenhang zwischen dem Zustand der betrieblichen Sphäre bei Auftreten der Verluste und dem Zustand der betrieblichen Sphäre unmittelbar vor den Strukturänderungen herzustellen. Wirtschaftliche Vergleichbarkeit ist gegeben, solange die bedeutendsten betriebswirtschaftlichen Parameter (Umsatz, Anlagevermögen, Auftragsvolumen) der betrieblichen Sphäre nicht auf ein bloß unwesentliches Ausmaß (dh. 25% und weniger) abgesunken sind.

Befindet sich eine Kapitalgesellschaft im Zeitpunkt der finanziellen und organisatorischen Änderungen in Liquidation, ist es eine Tatfrage, ob überhaupt noch eine betriebsbereite Funktion vorliegt (ruhender Betrieb) oder ob der bisherige Betrieb infolge der Veräußerung von Vermögensteilen nicht mehr (vollständig) existiert.

Die Reaktivierung eines ruhenden Betriebes, der in betriebsbereitem Zustand ist, begründet keine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Struktur. Ein Verdachtsfall ist hingegen der Erwerb aller Anteile einer Kapitalgesellschaft im Zusammenhang mit der Übernahme besenreiner Standorte ohne Ware, Lieferanten und Einrichtung einer zudem entschuldeten Gesellschaft, auch wenn die erworbene Gesellschaft in der Folge neue Aktivitäten in der gleichen Branche setzen will.

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