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15.4.2 Wesen und Merkmale

BMFBMF-010222/0111-IV/7/201718.12.2017

15.4.2.1 Dauerschuldverhältnis

Rz 934
Ein Dienstverhältnis liegt vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Seinem Wesen nach stellt das Dienstverhältnis daher ein Dauerschuldverhältnis dar, bei dem sich der Arbeitnehmer verpflichtet, die Arbeitsleistung grundsätzlich persönlich zu erbringen (VwGH 27.6.1989, 88/14/0112; VwGH 24.9.2003, 2000/13/0182). Demgegenüber handelt es sich bei einem Werkvertrag, bei dem ein bestimmter Arbeitserfolg oder ein Werk zugesagt wird, um ein Zielschuldverhältnis, das häufig auch durch Stellung eines Vertreters oder durch Beiziehung von Hilfskräften erbracht werden kann (siehe Rz 959). Unter dem Begriff eines Werkes im Sinne des § 1165 ABGB kann nicht allein die Herstellung einer körperlichen Sache, sondern können vielmehr auch ideelle, unkörperliche, also geistige Werke verstanden werden (VwGH 20.12.2000, 99/13/0223).

Siehe auch Beispiel Rz 10934.

15.4.2.2 Weisungsgebundenheit

Rz 935
Die Legaldefinition enthält zwei Kriterien, die für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen, nämlich die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers (VwGH 25.10.1994, 90/14/0184). Es ist zu beachten, dass nicht schon jede Unterordnung unter den Willen eines anderen die Arbeitnehmereigenschaft einer natürlichen Person zur Folge haben muss, denn auch der Unternehmer, der einen Werkvertrag erfüllt, wird sich in aller Regel bezüglich seiner Tätigkeiten zur Einhaltung bestimmter Weisungen seines Auftraggebers verpflichten müssen, ohne hierdurch seine Selbständigkeit zu verlieren. Dieses sachliche Weisungsrecht ist auf den Arbeitserfolg gerichtet, während das für die Arbeitnehmereigenschaft sprechende persönliche Weisungsrecht einen Zustand wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit fordert. Die persönlichen Weisungen sind auf den zweckmäßigen Einsatz der Arbeitskraft gerichtet und dafür charakteristisch, dass der Arbeitnehmer nicht die Ausführung einzelner Arbeiten verspricht, sondern seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt (VwGH 21.12.1993, 90/14/0103; VwGH 23.5.2000, 97/14/0167; VwGH 20.12.2000, 99/13/0223). So nimmt das persönliche Weisungsrecht des Arbeitgebers etwa auf die Art der Ausführung der Arbeit, die Zweckmäßigkeit des Einsatzes der Arbeitsmittel, die zeitliche Koordination der zu verrichtenden Arbeiten, die Vorgabe des Arbeitsortes usw. Einfluss.

Ein Weisungsrecht kann auch durch die "stille Autorität" des Arbeitgebers gegeben sein. Mit der Bezeichnung "stille Autorität" des Arbeitgebers wird ein - durch Kontrollrechte abgesichertes - Weisungsrecht des Arbeitgebers umschrieben, welches sich nicht in konkreter Form äußert, weil der Arbeitnehmer zB von sich aus weiß, wie er sich "im Betrieb" des Dienstgebers zu bewegen und zu verhalten hat (vgl. VwGH 19.02.2003, 99/08/0054). Ein vertraglicher Verzicht auf das Weisungsrecht ist hingegen mit der "stillen Autorität" eines Weisungsberechtigten, der keine Weisungen erteilt, nicht vergleichbar (VwGH 24.11.2016, 2013/13/0046).

Bei gering ausgeprägter Einbindung in die Betriebsorganisation hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und arbeitsbezogenes Verhalten ("delegierter Aktionsbereich eines Unternehmens") ist es entscheidend, dass ein Weisungs- und Kontrollrecht des Arbeitgebers besteht und dadurch die Bestimmungsfreiheit des Arbeitnehmers weitgehend ausgeschaltet ist. Dabei schadet es nicht, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer - angesichts der vom Unternehmenssitz dislozierten oder überwiegend in seiner Abwesenheit verrichteten Beschäftigung - keine konkreten persönlichen Weisungen erteilt. Vielmehr kommt es darauf an, dass der Arbeitgeber statt der unmittelbaren Weisungsmöglichkeit über eine entsprechende Kontrollmöglichkeit verfügt (vgl. VwGH 02.05.2012, 2010/08/0083).

15.4.2.3 Organisatorische Eingliederung

Rz 936
Die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus ist im Sinne einer Abhängigkeit vom Auftraggeber zu verstehen (VwGH 21.12.1993, 90/14/0103). Sie zeigt sich ua. in der Vorgabe von Arbeitszeit, Arbeitsort und Arbeitsmittel durch den Auftraggeber sowie die unmittelbare Einbindung der Tätigkeit in betriebliche Abläufe des Arbeitgebers. Ein Tätigwerden nach den jeweiligen zeitlichen Gegebenheiten bringt eine Eingliederung in den Unternehmensorganismus zum Ausdruck, was dem Vorliegen eines Werkverhältnisses zuwider läuft (VwGH 15.9.1999, 97/13/0164). Der zeitlichen und organisatorischen Eingliederung in den Unternehmensbereich wird allerdings dann keine wesentliche Bedeutung zukommen, wenn die Arbeitsleistung überwiegend oder gänzlich außerhalb örtlicher Einrichtungen des Arbeitgebers erbracht wird (zB Heimarbeit, Vertretertätigkeit; VwGH 25.10.1994, 90/14/0184) und auch keine Eingliederung in einer anderen Form (zB EDV-Vernetzung) vorliegt. Der Frage, ob einem Vertreter von seinem Geschäftsherrn eine Räumlichkeit zur Verfügung gestellt wird oder nicht, kommt keine wesentliche Bedeutung für die Beurteilung zu, ob ein Dienstverhältnis vorliegt (VwGH 28.3.2000, 96/14/0070).

Bei einfachen manuellen Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum des Dienstnehmers erlauben, kann bei einer Integration des Beschäftigten in den Betrieb des Beschäftigers - in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte - das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden (vgl. zB VwGH 26.01.2010, 2009/08/0269).

15.4.2.4 Fehlen eines Unternehmerrisikos

Rz 937
Ermöglichen die Kriterien der "Weisungsgebundenheit" und der "Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers" noch keine klare Abgrenzung zwischen einer selbständig und einer nichtselbständig ausgeübten Tätigkeit, so sind noch weitere Kriterien für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses, wie das Fehlen des für eine selbständige Tätigkeit typischen Unternehmerrisikos, heranzuziehen (VwGH 21.12.1993, 90/14/0103). Ein Unternehmerwagnis liegt insbesondere dann vor, wenn der Erfolg der Tätigkeit und daher auch die Höhe der erzielten Einnahmen weitgehend von der persönlichen Tüchtigkeit, vom Fleiß, von der Ausdauer und der persönlichen Geschicklichkeit abhängig sind und die mit der Tätigkeit verbundenen Aufwendungen nicht vom Auftraggeber ersetzt, sondern vom Unternehmer aus Eigenem getragen werden müssen (VwGH 6.4.1988, 87/13/0202; VwGH 21.12.1993, 90/14/0103; VwGH 23.5.2000, 97/14/0167).

Im Vordergrund des Merkmales des Unternehmerwagnisses steht, ob den Steuerpflichtigen tatsächlich das Wagnis ins Gewicht fallender Einnahmenschwankungen trifft. In die Überlegungen einzubeziehen sind aber auch Wagnisse, die sich aus Schwankungen bei nicht überwälzbaren Ausgaben ergeben. Dabei kommt es nicht auf die Vertragsgestaltung sondern auf die tatsächlichen Verhältnisse an (VwGH 23.4.2001, 2001/14/0052).

Das Unternehmerrisiko kommt auch darin zum Ausdruck, dass der Leistungserbringer die Möglichkeit hat, im Rahmen seiner Tätigkeit Aufträge anzunehmen oder abzulehnen und solcherart den Umfang seines Tätigwerdens bzw. dessen wirtschaftlichen Erfolg selbst zu bestimmen (VwGH 20.12.2000, 99/13/0223). Das Merkmal eines Unternehmerrisikos, wonach sich Erfolg und Misserfolg einer Tätigkeit unmittelbar auf die Höhe der Tätigkeitseinkünfte auswirken, spricht zwar für eine selbständig ausgeübte Tätigkeit. Dieses Merkmal ist aber für sich allein noch nicht entscheidend und kann auch auf Dienstverhältnisse zutreffen (VwGH 20.12.2000, 99/13/0223). Siehe auch EStR 2000 Rz 5403 ff.

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