vorheriges Dokument
nächstes Dokument

Salzburger Steuerdialog 2008 - BAO

BMFBMF-010103/0096-VI/200828.10.20082008Salzburger Steuerdialog 2008 - BAO

Ergebnisse der Salzburger Steuerdialoge 2008 im Bereich der Bundesabgabenordnung

Zusatzinformationen

Materie:

Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 48a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 83 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 250 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 307 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 289 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 2 BibuG, Bilanzbuchhaltungsgesetz, BGBl. I Nr. 161/2006
§ 84 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 188 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Amtshilfe, Steuergeheimnis, Vollmacht, Telefax, Verjährung, Mängelbehebung, Wiederaufnahme, Lohnzettel, Ermessen, Umsatzsteuervorauszahlungen, Bilanzbuchhalter, Feststellungsverfahren, Vertreterhaftung

Verweise:

Art. 18 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
Art. 22 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 158 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 79 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 86a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 275 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 47 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 82 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 41 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 16 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 115 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 279 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 21 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 63 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
§ 90 BibuG, Bilanzbuchhaltungsgesetz, BGBl. I Nr. 161/2006
§ 48b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 191 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 252 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 276 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 92 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 274 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
VwGH 09.11.2000, 2000/16/0336
VwGH 18.07.2002, 2002/16/0159
VwGH 14.09.1992, 91/15/0135
VwGH 20.01.1993, 92/13/0192
VwGH 23.02.2005, 2001/14/0007
VwGH 06.07.2006, 2003/15/0016
VwGH 22.11.2006, 2003/15/0141
VwGH 19.12.2006, 2006/15/0353
VwGH 02.03.2006, 2002/15/0017
VwGH 20.02.2008, 2006/15/0339
VwGH 24.11.1998, 93/14/0203

11. Haftung eines vom GmbH-Geschäftsführer bevollmächtigten Vertreters (§§ 9, 80, 83 BAO)

11.1. Sachverhalt

Bei Prüfungen von Umsatzsteuerbetrugsfällen (insbesondere bei sog. "missing traders") kommt es regelmäßig vor, dass als Geschäftsführer der GmbH, die die Umsatzsteuer nicht abführt, vermögenslose, teilweise inhaftierte oder unbekannten Aufenthalts sich befindende Personen im Firmenbuch eingetragen sind. Bei Einvernahmen stellt sich regelmäßig heraus, dass diese Personen von den Geschäften keine Ahnung haben und selbst nicht tätig wurden (maximal gelegentliche Unterschriftsleistungen). Aus den erhobenen Indizien lässt sich meistens nachweisen, wer tatsächlich die Geschäfte tätigt und letztlich das Geld kassiert hat.

Wenn aus den Einvernahmen eine Vollmachtserteilung nur durch konkludente Willenserklärung des eingetragenen Geschäftsführers nachweisbar wäre, kann dann diese tatsächlich handelnde Person (quasi der "de facto Geschäftsführer") neben dem eingetragen Geschäftsführer zur Haftung herangezogen werden?

11.2. Fragestellung

Abgrenzung zwischen de facto Geschäftsführer (siehe UFS vom 03.08.2005, RV-1238-W/04) vom gewillkürten Vertreter einer GmbH (§ 83 BAO, siehe Stoll, BAO, Bd I, § 9, Seite 116).

Sollte eine konkludente Bevollmächtigung des tatsächlich tätigen "Geschäftsführers" nachweisbar sein, bestünde auch dieser Person gegenüber die Möglichkeit der Haftungsinanspruchnahme gemäß § 9 BAO.

11.3. Lösung

Ein "faktischer" Geschäftsführer ist nach dem GmbHG nicht zur Vertretung der Gesellschaft "berufen" und somit nicht als Vertreter im Sinn des § 80 BAO anzusehen, weshalb er nach § 9 Abs. 1 BAO auch nicht zur Haftung herangezogen werden könnte. Der zur Haftung herangezogene vertretungsbefugte (eingetragene handelsrechtliche bzw. "formelle") Geschäftsführer wird dadurch nicht von seiner Verantwortung frei, dass er seine abgabenrechtlichen Pflichten auf eine andere Person überträgt oder die Geschäftsführung faktisch anderen Personen zusteht. Für Abgabenschuldigkeiten einer GmbH sind somit zur Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO die in § 80 BAO angesprochenen Vertreter einer GmbH heranzuziehen. Gemäß § 18 GmbHG vertreten die Geschäftsführer die GmbH. Nicht zum Geschäftsführer bestellte oder dazu bevollmächtigte "faktische" Geschäftsführer werden durch das bloße Ausüben von Geschäftsführungstätigkeiten allein noch nicht zu Vertretern im Sinn des § 80 BAO (vgl. VwGH 27.02.2008, 2005/13/0084; VwGH 27.02.2008, 2005/13/0074).

Die Haftungsbestimmung des § 9 BAO erfasst die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter, somit grundsätzlich auch (rechtsgeschäftlich) bevollmächtigte Vertreter im Sinn des § 83 BAO. Der Geschäftsführer als gesetzlicher (organschaftlicher) Vertreter der Gesellschaft kann einem Dritten Prokura oder Handlungsvollmacht gemäß den §§ 48 ff UGB erteilen und diesen damit zu allen Geschäften und Rechtshandlungen ermächtigen, die der Betrieb des Unternehmens oder die Vornahme derartiger Geschäfte, auf die sich die Handlungsvollmacht erstreckt, gewöhnlich mit sich bringt. Zum Unterschied von der Prokura muss eine Handlungsvollmacht auch nicht im Firmenbuch eingetragen sein. Nach zivilrechtlichen Bestimmungen (§§ 1002 ff ABGB) kann eine Bevollmächtigung schriftlich, mündlich oder auch schlüssig erteilt werden. Der auf eine solche Art und Weise durch den formell bestellten (und in dieser Eigenschaft vorrangig zur Haftung heranzuziehenden) Geschäftsführer tatsächlich und rechtlich Bevollmächtigte wäre ein nach § 83 BAO potenziell haftungspflichtiger Vertreter der Gesellschaft.

Der Oberste Gerichtshof hat in seine Entscheidung des OGH 17.12.2007, 8 Ob 124/07d, ausgesprochen, dass auch ein de-facto-Geschäftsführer verpflichtet ist, auf eine Konkursantragstellung gemäß § 69 Abs. 2 und 3 KO hinzuwirken. Unterlässt er dies, so führt dies zu seiner (Mit-)Haftung gegenüber den Gläubigern (Anm.: Der gesetzliche Wortlaut würde hier - zum Unterschied von § 9 BAO - nur die organschaftlichen Vertreter juristischer Personen ansprechen). Die insolvenzrechtliche Zielsetzung ist mit der abgabenrechtlichen Situation durchaus vergleichbar: § 69 Abs. 2 und 3 KO verpflichtet Vertreter juristischer Personen zur Antragstellung auf Konkurseröffnung bei Vorliegen der Voraussetzungen (§§ 66, 67 KO) spätestens 60 Tage nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit. Bei Verletzung dieser Verpflichtung können die Konkursgläubiger gemäß § 69 Abs. 5 KO Schadenersatzansprüche geltend machen. Auch die Haftungsbestimmungen der BAO sind ihrem Wesen nach schadenersatzähnlich ausgerichtet auf durch Haftende verursachte Abgabenausfälle.

Ist eine konkludente Bevollmächtigung des tatsächlich tätigen "Geschäftsführers" nachweisbar, so besteht die Möglichkeit der Haftungsinanspruchnahme gemäß § 9 BAO gegenüber einem solcherart Bevollmächtigten.

 

Bundesministerium für Finanzen, 28. Oktober 2008

Zusatzinformationen

Materie:

Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 48a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 83 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 250 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 307 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 289 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 2 BibuG, Bilanzbuchhaltungsgesetz, BGBl. I Nr. 161/2006
§ 84 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 188 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Amtshilfe, Steuergeheimnis, Vollmacht, Telefax, Verjährung, Mängelbehebung, Wiederaufnahme, Lohnzettel, Ermessen, Umsatzsteuervorauszahlungen, Bilanzbuchhalter, Feststellungsverfahren, Vertreterhaftung

Verweise:

Art. 18 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
Art. 22 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 158 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 79 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 86a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 275 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 47 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 82 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 41 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 16 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 115 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 279 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 21 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 63 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
§ 90 BibuG, Bilanzbuchhaltungsgesetz, BGBl. I Nr. 161/2006
§ 48b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 191 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 252 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 276 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 92 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 274 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
VwGH 09.11.2000, 2000/16/0336
VwGH 18.07.2002, 2002/16/0159
VwGH 14.09.1992, 91/15/0135
VwGH 20.01.1993, 92/13/0192
VwGH 23.02.2005, 2001/14/0007
VwGH 06.07.2006, 2003/15/0016
VwGH 22.11.2006, 2003/15/0141
VwGH 19.12.2006, 2006/15/0353
VwGH 02.03.2006, 2002/15/0017
VwGH 20.02.2008, 2006/15/0339
VwGH 24.11.1998, 93/14/0203

Stichworte