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Produktionsverlagerung

BMFBMF-010221/1921-IV/4/200823.7.20082008

EAS 2987

Wird im Rahmen einer neuen Konzernstrategie von einer deutschen Konzernmuttergesellschaft angeordnet, dass bei einer österreichischen Tochtergesellschaft die Produktion beendet und auf eine polnische Tochtergesellschaft verlagert wird, sind die ertragsteuerlichen Konsequenzen auf der Grundlage von Artikel 9 der DBA mit Deutschland und Polen in Anwendung des Fremdverhaltensgrundsatzes zu beurteilen. Auch wenn es in dem auf die Klärung von Rechtsfragen ausgerichteten ministeriellen EAS-Verfahren nicht möglich ist, Sachverhaltsentscheidungen zu treffen, so spricht doch die Vermutung dafür, dass einerseits zumindest eine Teilbetriebsveräußerung an die polnische Schwestergesellschaft vorliegt, die von dieser fremdüblich abzugelten ist und dass andererseits die österreichische Gesellschaft auf beachtliches Gewinnpotential verzichtet, für das ihr ebenfalls eine Entschädigung gebührt.

Bei der Feststellung, welche Wirtschaftsgüter im Rahmen der Teilbetriebsveräußerung auf die polnische Schwestergesellschaft übergehen, wird auch zu erheben sein, in welchem Umfang immaterielle Werte (zB Know-How, Vertriebswege, Kundenstamm sowie andere Elemente eines Firmenwertes) abgeltungspflichtig übertragen werden. Eine Analyse der Aufwandstruktur der letzten Jahre kann in diesem Zusammenhang Anhaltspunkte für die Bildung solcher werthaltiger immaterieller Wirtschaftsgüter liefern.

Ein weiterer Aspekt der Funktionsverlagerung betrifft den Entgang von Gewinnchancen, da die österreichische Gesellschaft in den letzten beiden Jahren erhebliche steuerliche Gewinne ausgewiesen hat. Bei der Einschätzung des Wertes dieser entgehenden Gewinne wird wohl auch ein potentiell erhöhter Zinsenaufwand mitzuberücksichtigen sein, der durch anstehende Investitionserfordernisse in der Zukunft verursacht werden könnte.

Wäre das österreichische Produktionsunternehmen ein fremdes Unternehmen, kann nicht erwartet werden, dass es ohne Entschädigung zu einem Verzicht auf die Fortführung seiner gewinnbringenden Geschäftstätigkeit bereit sein könnte und dass es daher eine Entschädigung für den Entgang von Gewinnchancen fordern würde. Dem allfälligen Argument, dass die Gesellschaft als fremdes Unternehmen keinen durchsetzbaren Anspruch auf derartige Entschädigungsleistungen hat, wenn dieser nicht in den Produktionsverträgen gegenüber der deutschen Gesellschaft vorbehalten wurde, ist entgegenzuhalten, dass bereits in einem solchen Verzicht auf eine Entschädigungsklausel eine Fremdunüblichkeit gesetzt wurde.

Ob die Entschädigung für die entgehenden Geschäftschancen von der polnischen Schwestergesellschaft oder von der deutschen Muttergesellschaft oder von beiden anteilig gemeinsam zu tragen ist, wird davon abhängen, wem die Konzernreorganisation wirtschaftliche Vorteile bringt. Ist es die deutsche Muttergesellschaft allein, weil sie durch das niedrigere Lohnniveau in Polen profitiert, wird ihr diese Entschädigungsleistung alleine anzulasten sein.

Die auf österreichischer Seite ertragsteuerlich gezogenen Folgerungen der Reorganisation müssen aber sowohl in Polen als auch in Deutschland zu korrespondierenden Gegenabbildungen bei der dortigen Besteuerung führen. Die vorstehenden Überlegungen basieren daher bereits auf OECD-Untersuchungen, die im Herbst dieses Jahres einer öffentlichen Begutachtung zugeführt werden sollen und die daher internationale Akzeptanz bei den betroffenen Steuerverwaltungen erwarten lassen.

 

Bundesministerium für Finanzen, 23. Juli 2008

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

Art. 9 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 9 DBA PL (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Polen (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 12/2005

Schlagworte:

Funktionsverlagerung, Gewinnchancenverzicht, Fremdvergleichsgrundsatz, Teilbetriebsveräußerung, fremdübliche Abgeltung, immaterielle Wirtschaftsgüter, Firmenwert, Gewinnentgang

Stichworte