EAS 2954
Erhält ein österreichisches Unternehmen den Auftrag für die Errichtung einer Großanlage in Italien, wobei sich das Leistungsspektrum über Engineering, Lieferung von Anlageteilen, Montage, Inbetriebnahme und Schulung von Kundenpersonal erstreckt, dann begründet das österreichische Unternehmen eine Betriebstätte in Italien, wenn die Montagetätigkeit 12 Monate überschreitet (Art. 5 Abs. 2 lit. g DBA-Italien).
Art. 7 Abs. 2 DBA-Italien grenzt das Besteuerungsrecht Italiens dem Grunde nach ab und fingiert eine steuerliche Selbständigkeit der Betriebsstätte, indem dieser jene Gewinne zugerechnet werden sollen, die sie hätte erzielen können, wenn sie eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit als selbständiges Unternehmen ausgeübt hätte und im Verkehr mit dem Unternehmen, dessen Betriebsstätte sie ist, unabhängig gewesen wäre. Für die Ermittlung des auf die Betriebsstätte entfallenden Anteiles am Gesamtauftragsergebnis ist eine Funktions- und Risikoanalyse durchzuführen. Dabei ist zu untersuchen, welche Arbeiten im Betriebsstättenstaat tatsächlich erbracht und welche vom Stammhaus ausgeführt worden sind. Weiters ist festzustellen, welcher Gewinn einem völlig fremden, unabhängigen Unternehmen für die Ausführung jener Arbeiten zugefallen wäre, die von der Betriebsstätte ausgeführt worden sind.
Im vorliegenden Anlagenbau sind dem Stammhaus funktional jene Ergebnisbestandteile zuzurechnen, die außerhalb des Betriebsstättenstaates erbracht wurden und auf Basic- und Detail-Engineering, Fertigungszeichnungen, Werkstattpläne, Einkauf durch Stammhaus-Personal, Know-how Dokumentation, Schulungs- und Trainingsleistungen entfallen. Ist die Baustellentätigkeit nur auf Montagearbeiten beschränkt, würde ein unabhängiges Montageunternehmen nur für diese Montagetätigkeit entlohnt werden (vgl. EAS 979 betr. Montage eines Transportsystems in Spanien).
Werden an der Baustelle in Italien zu montierende Anlageteile und zu verarbeitende Materialien angeliefert, die vom österreichischen Stammhaus beschafft worden sind, wobei die Ausarbeitung der Spezifikationen, die Einholung von Angeboten, die Vergabeverhandlungen, Bestellungen, Fertigungs-, Überwachungs- und Terminkontrollen, die Abnahme und der Transport von den Experten des Stammhauses vorgenommen werden, ist der auf diese Funktionen des Stammhauses entfallende "Liefergewinn" dem Stammhaus und nicht der Betriebstätte zuzurechnen. Nur soweit das Baustellenpersonal selbst Zukäufe vor Ort tätigt oder in erheblichem Umfang in den Beschaffungsvorgang eingebunden ist, steht der Betriebsstätte der Zukaufsgewinn in angemessenem Umfang zu.
Sollte von der örtlichen italienischen Steuerbehörde eine davon abweichende Auffassung vertreten werden, müsste ehestmöglich um Begründung hierfür ersucht werden, um solcherart die Führung eines allenfalls nötigen Verständigungsverfahrens zu beschleunigen. Denn es gilt diesfalls vor allem, die Grundfrage zu klären, ob Italien zu einer abweichenden Sachverhaltsbeurteilung (abweichende Funktionsbewertung der Betriebstättenaktivitäten) gelangt oder ob ein Abkommensverstoß durch eine abweichende Rechtsbeurteilung (Nichtanerkennung einer funktionsgerechten Gewinnaufteilung nach OECD-Grundsätzen) vorliegt.
Bundesministerium für Finanzen, 28. März 2008
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | Art. 5 DBA I (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Italien (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 125/1985 |
Schlagworte: | Baubetriebstätten, Liefergewinnbesteuerung, Montagetätigkeit, 12-Monats-Frist, Funktionsanalyse, Risikoanalyse, Anlagenbau |
Verweise: |