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Funktionslose deutsche Holdinggesellschaften

BMFBMF-010221/0200-IV/4/20075.3.20072007

EAS 2787

Gemäß Art. 10 DBA-Deutschland unterliegen grenzüberschreitende Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaften eines Vertragsstaats an im anderen Vertragsstaat ansässige natürliche Personen einer Kapitalertragsteuerbelastung von 15%.

Deutschland vertritt die Auffassung, dass die Beteiligungserträge den Gesellschaftern einer Holdinggesellschaft und sonach nicht dieser Holdinggesellschaft zuzurechnen sind, wenn im Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners eine ansonsten funktionslose Holdinggesellschaft zwischengeschaltet wird.

Österreich hat diese Auffassung anlässlich österreichisch-deutscher Konsultationsgespräche im November 2006 zur Kenntnis genommen (AÖF Nr. 11/2007). Dies ist vor allem in Hinblick auf die in die gleiche Richtung weisende Judikatur des VwGH geschehen. Mit Erkenntnis vom 10.12.1997, 93/13/0185, wurde im Fall einer niederländischen Holdinggesellschaft festgestellt: "Wenn etwa die Gesellschaft am Erwerbsleben nicht in der erklärten Art und Weise teilnimmt oder nicht zwischengeschaltet sinnvolle Funktionen erfüllt, sind die Ergebnisse der entfalteten Tätigkeit nicht der Gesellschaft, sondern den tatsächlichen Trägern der Erwerbstätigkeit zuzurechnen." Dies wäre in diesem Fall die britische Gesellschafterin gewesen. Auch in den VwGH-Erkenntnissen vom 26.07.2000, 97/14/0070, 09.12.2004, 2002/14/0074, 19.01.2005, 2000/13/0176, 10.08.2005, 2001/13/0018, ging es im Ergebnis um Umgehungsfälle, in denen eine Nichtanerkennung der Einkünftezurechnung an funktionslose Zwischengesellschaften gerechtfertigt erschien.

Ist daher im Fall einer Gewinnausschüttung an eine deutsche Holdinggesellschaft keine "sinnvolle Funktion" dieser Holding-GmbH feststellbar und erklärt sich damit ihre Zwischenschaltung mit dem Zweck einer Vermeidung der sonst die österreichische Gewinnausschüttung treffenden Kapitalertragsteuerbelastung, dann ist nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich die Gewinnausschüttung unmittelbar den deutschen Gesellschaftern zuzurechnen.

In Hinblick auf die stattgefundene österreichisch-deutsche Konsultation kann sich hierdurch kein internationaler Besteuerungskonflikt ergeben. Denn wurde von der ausschüttenden österreichischen Gesellschaft die Kapitalertragsteuer gemäß der Verordnung BGBl. Nr. 56/1995 mit 25% einbehalten, kann eine Herabsetzung auf das abkommenskonforme Ausmaß von 15% seitens der Gesellschafter durch einen Rückerstattungsantrag beim Finanzamt Bruck-Eisenstadt-Oberwart herbeigeführt werden; die in Österreich verbleibende Kapitalertragsteuer von 15% ist sodann gemäß dem DBA in Deutschland anrechenbar.

Ein Antrag der deutschen Mutter-Holdinggesellschaft auf Rückerstattung der gesamten Kapitalertragsteuer auf der Grundlage von § 94a EStG 1988 ist unter den gegebenen Umständen verfehlt, weil die Kapitalertragsteuer mangels Zurechenbarkeit der Beteiligungserträge keinen mit steuerlicher Relevanz an sie stattgefundenen Einkünftefluss belastet.

Bundesministerium für Finanzen, 5. März 2007

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

Art. 10 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002

Schlagworte:

funktionslose Holdinggesellschaften, funktionslose Zwischengesellschaften, Gesellschafterdurchgriff, Funktionsanalyse

Verweise:

§ 94a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Einbehaltung von Kapitalertragsteuer - Mutter-Tochter-Richtlinie, BGBl. Nr. 56/1995
VwGH 10.12.1997, 93/13/0185
VwGH 26.07.2000, 97/14/0070
VwGH 09.12.2004, 2002/14/0074
VwGH 19.01.2005, 2000/13/0176
VwGH 10.08.2005, 2001/13/0018
BMF 30.11.2006, BMF-010221/0187-IV/4/2006, AÖF Nr. 11/2007

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