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Konzerninternes "stilles Factoring"

BMFBMF-010221/0347-IV/4/200626.6.20062006

EAS 2739

Sollen von einer österreichischen Gesellschaft eines internationalen Konzerns die Kundenforderungen zwecks Verlagerung des Ausfallsrisikos an eine britische Konzerngesellschaft abgetreten werden, wobei es sich hierbei um "stilles Factoring" handelt, weil die Kunden der österreichischen Gesellschaft nach wie vor ihre Forderungen gegenüber der österreichischen Konzerngesellschaft begleichen, dann ist mit derartigen Gestaltungen stets das Risiko einer steuerlichen Nichtanerkennung verbunden; dann nämlich, wenn nicht erkennbar wird, dass in der wirtschaftlichen Realität eine messbare Entlastung eines vorhandenen Ausfallsrisikos stattfindet. Dieses Risiko steigt, wenn mit der Neugestaltung wirtschaftlich nicht erklärbare Verminderungen der Geschäftsergebnisse der österreichischen Konzerngesellschaft verbunden sind, weil der behauptete Vorteil der Verlagerung des Ausfallsrisikos auf die britische Gesellschaft zu den dafür in Kauf genommenen Kosten in keinem Verhältnis steht und weil die österreichische Gesellschaft nach wie vor - so wie früher - für das Inkassowesen in Bezug auf die Kundenforderungen verantwortlich bleibt. Allerdings kann in Bezug auf die Anerkennungsfähigkeit der geplanten konzerninternen Factoring-Gestaltungen im ministeriellen Auskunftsverfahren keine weiterführende Aussage getroffen werden, da es hier um keine Rechtsfrage sondern um eine Sachverhaltsfrage geht.

Eine Rechtsfrage kann sich aber stellen, wenn es um den Begriff der "Vertreterbetriebstätte" im Sinn von Art. 5 Abs. 5 bzw. 6 DBA-Großbritannien geht, weil festzustellen ist, ob eine (indirekte) Vollmacht der inländischen Gesellschaft, für den ausländischen Factor die Forderungen einzutreiben bereits für das Entstehen einer "Vertreterbetriebstätte" genügt. Aus der Sicht des BM für Finanzen spricht einiges dafür, dass der Bestand einer inländischen Vertreterbetriebstätte anzunehmen ist. Hier auf die Aussagen von EAS 1047 zurückzugreifen und im Eintreiben von Kundenforderungen keinen Teil einer ertragbringenden "Output"-Funktion des Factors zu sehen, erscheint jedenfalls nicht sachgerecht. Denn der vom Factor erzielbare Reinertrag hängt nicht nebensächlich, sondern wesentlich davon ab, dass seine tatsächlichen Forderungsausfälle so gering wie möglich gehalten werden. Bedient sich daher ein ausländischer Factor anstelle der Einrichtung eines - eine räumliche Betriebstätte begründenden - Inkassobüros eines abhängigen Vertreters, um die gleichen Funktionen zu erfüllen, dann wird darin die Unterhaltung einer "Vertreterbetriebstätte" in Österreich zu erblicken sein.

Sollte auf Parteienseite eine andere Auffassung vertreten werden, müsste diese Frage im Rahmen eines auf Artikel 25 DBA-Großbritannien gestützten Verständigungsverfahrens international geklärt werden.

Bundesministerium für Finanzen, 26. Juni 2006

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

Art. 5 Abs. 5 DBA GB (E), Doppelbesteuerungsabkommen Großbritannien und Nordirland (Einkommensteuer), BGBl. Nr. 390/1970
Art. 5 Abs. 6 DBA GB (E), Doppelbesteuerungsabkommen Großbritannien und Nordirland (Einkommensteuer), BGBl. Nr. 390/1970
Art. 25 DBA GB (E), Doppelbesteuerungsabkommen Großbritannien und Nordirland (Einkommensteuer), BGBl. Nr. 390/1970

Schlagworte:

Factoring, Betriebstätte, Vertreterbetriebstätte, Inkassotätigkeit

Verweise:

EAS 1047

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