EAS 2346
Wurde ein mit dem erforderlichen branchenspezifischen Fachwissen hervorragend vertrauter Manager (Dr. X) für etwa ein Jahr zum Vorstand einer inländischen Tochtergesellschaft eines ausländischen Konzerns bestellt und bestand seine Aufgabe darin, die Veräußerung der inländischen Konzerngesellschaft in die Wege zu leiten und zu unterstützen, dann unterliegen die für diese Funktionen von ihm erzielten Einkünfte der inländischen Besteuerung; und zwar auch dann, wenn sie bloß buchmäßig bei einer ihm gehörenden funktionslosen liechtensteinischen Aktiengesellschaft erfasst worden sind.
Es liegen geradezu erdrückende Indizien dafür vor, dass eine funktionslose liechtensteinische Domizilgesellschaft eingeschaltet wurde, wenn im Betriebsprüfungsverfahren festgestellt wird, dass im zeitlichen Zusammenhang mit den Verkaufsoperationen
- Dr. X sämtliche Anteile der die Honorare empfangenden liechtensteinischen AG von einer liechtensteinischen Treuhand AG erworben hat;
- Dr. X die Besorgung der Verwaltungsagenden der liechtensteinischen AG mittels Mandatsvertrages einem amtsbekannten liechtensteinischen Treuhandbüro übertragen hat;
- die Organe der liechtensteinischen AG zwei amtsbekannte liechtensteinische Rechtsanwälte sind und ihre Treuhandfunktion von Dr. X bereits zugegeben ist;
- der Sitz der liechtensteinischen Gesellschaft an der Adresse eines amtsbekannten Treuhandbüros aufscheint;
- zugegebenermaßen keine eigenen Geschäftsräumlichkeiten und eigenen Angestellten existieren;
- Dr. X die Einzelzeichnungsberechtigung über die Bankkonten der liechtensteinischen AG besitzt.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Briefkastenfirma ein "Unternehmen, das keinen geschäftlichen Betrieb hat und deswegen keine Leistungen erbringen kann" (VwGH 22.03.1995, 93/13/0076); eine bloße Domizilgesellschaft, wie zB im vorliegenden Fall eine Kapitalgesellschaft, die ihr Domizil in den Räumen eines Treuhandbüros hat, und die über keinen Geschäftsbetrieb verfügt, ist damit funktionslos.
Einer solchen funktionslosen Basisgesellschaft können aber keine Einkünfte zugerechnet werden. Denn in einem solchen Fall wird der vom Verwaltungsgerichtshof bestätigte Grundsatz gelten: "die Ergebnisse der entfalteten Tätigkeit sind nicht der Gesellschaft, sondern den tatsächlichen Trägern der Erwerbstätigkeit zuzurechnen" (VwGH 10.12.1997, 93/13/0185).
Es ist wohl richtig, dass dieses Sachverhaltsbild auch dafür spricht, dass die liechtensteinische AG den Ort ihrer Geschäftsleitung in Österreich (im Ansässigkeitsstaat des Dr. X) besitzt und dass daher die liechtensteinische AG in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig ist. Dies allein rechtfertigt aber noch nicht die weitere Annahme, dass daher die Einkünfte der liechtensteinischen Gesellschaft zugerechnet werden müssten; denn wenn - wie erwähnt - im finanzamtlichen Erhebungsverfahren Dr. X als der wahre "Träger der Erwerbstätigkeit" ermittelt worden ist, dann müssen die Einkünfte auch in einem solchen Fall ihm als Zurechnungssubjekt zugerechnet werden.
Sollte sich die liechtensteinische AG bei den Liechtensteinischen Steuerbehörden als tätiges Unternehmen gemeldet haben und daher als solches auch der liechtensteinischen Besteuerung unterworfen worden sein, so kann damit nicht die steuerliche Zurechnung an Dr. X entkräftet werden. Sollte dieser Umstand allerdings seitens der liechtensteinischen Steuerverwaltung geprüft worden sein, mit dem Ergebnis, dass die liechtensteinische AG tatsächlich Leistungen erbracht hat und den Ort ihrer Geschäftsleitung in Liechtenstein hat, dann wäre das BM für Finanzen - über Ersuchen Liechtensteins - bereit, gemäß Artikel 25 des DBA-Liechtenstein über diesen Fall in ein Verständigungsverfahren einzutreten. Ein derartiges Verfahren würde aber den Abschluss des österreichischen Betriebsprüfungsverfahrens nicht behindern.
01. September 2003 Für den Bundesminister: Dr. Loukota
Für die Richtigkeit der Ausfertigung:
Zusatzinformationen | |
---|---|
Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | Art. 25 DBA FL (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Liechtenstein (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 24/1971 |
Schlagworte: | Zwischenschaltung von Basisgesesellschaften, Domizilgesellschaften, funktionslose Briefkastenfirmen, Treuhandfunktion, Mandatsvertrag, Treuhandbüros, eigene Geschäftsräumlichkeiten, eigenes Personal, Träger der Erwerbstätigkeit, Zurechnungssubjekt, Ort der Geschäftsleitung |
Verweise: |