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Honorarumlenkung nach Liechtenstein

BMF04 0101/63-IV/4/031.9.20032003

EAS 2346

Wurde ein mit dem erforderlichen branchenspezifischen Fachwissen hervorragend vertrauter Manager (Dr. X) für etwa ein Jahr zum Vorstand einer inländischen Tochtergesellschaft eines ausländischen Konzerns bestellt und bestand seine Aufgabe darin, die Veräußerung der inländischen Konzerngesellschaft in die Wege zu leiten und zu unterstützen, dann unterliegen die für diese Funktionen von ihm erzielten Einkünfte der inländischen Besteuerung; und zwar auch dann, wenn sie bloß buchmäßig bei einer ihm gehörenden funktionslosen liechtensteinischen Aktiengesellschaft erfasst worden sind.

Es liegen geradezu erdrückende Indizien dafür vor, dass eine funktionslose liechtensteinische Domizilgesellschaft eingeschaltet wurde, wenn im Betriebsprüfungsverfahren festgestellt wird, dass im zeitlichen Zusammenhang mit den Verkaufsoperationen

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Briefkastenfirma ein "Unternehmen, das keinen geschäftlichen Betrieb hat und deswegen keine Leistungen erbringen kann" (VwGH 22.03.1995, 93/13/0076); eine bloße Domizilgesellschaft, wie zB im vorliegenden Fall eine Kapitalgesellschaft, die ihr Domizil in den Räumen eines Treuhandbüros hat, und die über keinen Geschäftsbetrieb verfügt, ist damit funktionslos.

Einer solchen funktionslosen Basisgesellschaft können aber keine Einkünfte zugerechnet werden. Denn in einem solchen Fall wird der vom Verwaltungsgerichtshof bestätigte Grundsatz gelten: "die Ergebnisse der entfalteten Tätigkeit sind nicht der Gesellschaft, sondern den tatsächlichen Trägern der Erwerbstätigkeit zuzurechnen" (VwGH 10.12.1997, 93/13/0185).

Es ist wohl richtig, dass dieses Sachverhaltsbild auch dafür spricht, dass die liechtensteinische AG den Ort ihrer Geschäftsleitung in Österreich (im Ansässigkeitsstaat des Dr. X) besitzt und dass daher die liechtensteinische AG in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig ist. Dies allein rechtfertigt aber noch nicht die weitere Annahme, dass daher die Einkünfte der liechtensteinischen Gesellschaft zugerechnet werden müssten; denn wenn - wie erwähnt - im finanzamtlichen Erhebungsverfahren Dr. X als der wahre "Träger der Erwerbstätigkeit" ermittelt worden ist, dann müssen die Einkünfte auch in einem solchen Fall ihm als Zurechnungssubjekt zugerechnet werden.

Sollte sich die liechtensteinische AG bei den Liechtensteinischen Steuerbehörden als tätiges Unternehmen gemeldet haben und daher als solches auch der liechtensteinischen Besteuerung unterworfen worden sein, so kann damit nicht die steuerliche Zurechnung an Dr. X entkräftet werden. Sollte dieser Umstand allerdings seitens der liechtensteinischen Steuerverwaltung geprüft worden sein, mit dem Ergebnis, dass die liechtensteinische AG tatsächlich Leistungen erbracht hat und den Ort ihrer Geschäftsleitung in Liechtenstein hat, dann wäre das BM für Finanzen - über Ersuchen Liechtensteins - bereit, gemäß Artikel 25 des DBA-Liechtenstein über diesen Fall in ein Verständigungsverfahren einzutreten. Ein derartiges Verfahren würde aber den Abschluss des österreichischen Betriebsprüfungsverfahrens nicht behindern.

01. September 2003 Für den Bundesminister: Dr. Loukota

Für die Richtigkeit der Ausfertigung:

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

Art. 25 DBA FL (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Liechtenstein (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 24/1971

Schlagworte:

Zwischenschaltung von Basisgesesellschaften, Domizilgesellschaften, funktionslose Briefkastenfirmen, Treuhandfunktion, Mandatsvertrag, Treuhandbüros, eigene Geschäftsräumlichkeiten, eigenes Personal, Träger der Erwerbstätigkeit, Zurechnungssubjekt, Ort der Geschäftsleitung

Verweise:

VwGH 22.03.1995, 93/13/0076
VwGH 10.12.1997, 93/13/0185

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