vorheriges Dokument
nächstes Dokument

Inländisches Kleinbüro eines deutschen Unternehmens

BMF04 1482/35-IV/4/9817.8.19981998

EAS 1311

Mietet eine deutsche Gesellschaft, die ihre Produkte in Österreich vertreibt, hiezu in Österreich ein 30m2 großes Zimmer an und beschäftigt sie einen österreichischen Dienstnehmer, dessen Aufgabe die Erstellung von Angeboten an österreichische Kunden und die Entgegennahme von Bestellungen ist, so deutet vieles darauf hin, dass hiedurch eine Betriebstätte für die deutsche Gesellschaft in Österreich begründet wird.

Dies gilt vor allem dann, wenn ein mehr oder weniger standardisiertes Bestellverfahren abläuft, bei dem der österreichische Kunde mit seiner Unterschrift auf dem Bestellschein im Ergebnis davon ausgehen kann, dass er damit die Ware oder Dienstleistung gekauft hat und er jetzt nur mehr auf die Auslieferung zu warten hat. Diese Auffassung stützt sich auf Z 33 des OECD-Kommentars zu Art. 5 OECD-MA, in der es heißt:

"Ist eine Person bevollmächtigt, alle Einzelheiten eines Vertrags verbindlich für das Unternehmen auszuhandeln, kann davon ausgegangen werden, dass sie die Vollmacht in diesem Staat ausübt, auch wenn der Vertrag von einer anderen Person in dem Staat unterzeichnet wird, in dem sich das Unternehmen befindet."

Aber selbst wenn tatsächlich das Erfordernis einer "Abschlussvollmacht" in dem hier maßgebenden wirtschaftlichen Sinn nicht erfüllt sein sollte, würde dies nichts daran ändern, dass im Inland eine Betriebstätte begründet wird: denn die angemieteten Büroräumlichkeiten stellen jedenfalls eine Betriebstätte im Sinn von § 29 BAO dar und haben damit auch die Eigenschaft einer "ständigen Geschäftseinrichtung" im Sinn von Z 8 des Schlussprotokolls zu Art. 4 des DBA-Deutschland. Ob diese Einrichtung im Sinn von Art. 5 Abs. 4 des OECD-Musterabkommens als bloßer unternehmerischer "Hilfsstützpunkt" ohne DBA-Betriebstättencharakter angesehen werden könnte, bedarf im gegebenen Zusammenhang keiner weiteren Untersuchungen, denn im Geltungsbereich des DBA-Deutschland steht einer solchen Beurteilung die in Z 9 des Schlussprotokolls wesentlich enger gefasste Liste der "Hilfsstützpunkte" entgegen, sodass Räume der genannten Art Betriebstätteneigenschaft besitzen.

Im Übrigen liegt - unabhängig davon, ob eine Betriebstätte im Sinn des DBA gegeben ist - jedenfalls eine Betriebstätte im Sinn des § 81 EStG 1988 vor, die Lohnsteuerabzugspflicht nach sich zieht.

Vorsorglich wird allerdings beigefügt, dass die Frage, ob im Sinn des DBA-Deutschland eine österreichische Betriebstätte vorliegt, für das Unternehmen in Deutschland und in Österreich korrespondierend beurteilt werden muss. Sollte es in dieser Hinsicht zu Komplikationen kommen, könnte sich die Einleitung eines internationalen Verständigungsverfahrens empfehlen (siehe die in gleichem Sinn ergangene EAS 1051, bei der es um die Anmietung eines 12m2 großen Raumes ging).

17. August 1998 Für den Bundesminister: Dr. Loukota

Für die Richtigkeit der Ausfertigung:

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

Art. 5 OECD-MA, OECD-Musterabkommen
§ 29 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Anlage 1 Z 8 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen und Vermögen), BGBl. Nr. 221/1955
Anlage 1 Z 9 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen und Vermögen), BGBl. Nr. 221/1955
§ 81 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Schlagworte:

Vertriebsbüro, Abschlussvollmacht, ständige Geschäftseinrichtung, Hilfsstützpunkt

Verweise:

EAS 1051

Stichworte