EAS 1272
Innerhalb der OECD-Staatengemeinschaft geht die herrschende Auffassung nunmehr dahin, dass Änderungen im innerstaatlichen Recht auch Rückwirkungen auf die Abkommensanwendung entfalten können. Nach Auffassung des BM für Finanzen ist in diesem Sinn eine geänderte innerstaatliche Rechtslage für die Abkommensanwendung insoweit maßgebend, als hiedurch der Inhalt der Abkommensbestimmungen nicht derart gravierend verändert wird, dass diese Abkommensbestimmungen den ihnen aus dem Abkommenszusammenhang zukommenden Sinn verlieren. Wie hoch diese Beachtlichkeitsgrenze bei Änderungen im innerstaatlichen Recht anzusetzen ist, muss erforderlichenfalls im Rahmen eines Verständigungsverfahrens mit dem betroffenen anderen Staat geklärt werden.
Das BM für Finanzen geht davon aus, dass gegenüber allen Staaten, die keine gegenteilige Ansicht vertreten, die innerstaatliche Umqualifizierung der Gesellschaftergeschäftsführerbezüge in solche aus selbständiger Arbeit auch bei den vor 1982 abgeschlossenen Abkommen nicht mehr die Anwendung der Zuteilungsregel für unselbständige Arbeit, sondern jener für selbständige Arbeit zur Folge hatte. Lediglich im Verhältnis zur Schweiz wurde bisher eine gegenteilige Verständigungsregelung getroffen (AÖF Nr. 153/1992). Die besonderen Beziehungen zwischen der Schweiz und Liechtenstein haben das BM für Finanzen veranlasst unter EAS 296 davon auszugehen, dass dieser von der Schweiz gewünschten Abkommensinterpretation auch auf Liechtensteinischer Seite gefolgt werden würde. Ein in Österreich ansässiger Gesellschaftergeschäftsführer einer liechtensteinischen Kapitalgesellschaft fällt daher unter Artikel 15 DBA-Liechtenstein, sodass die Grenzgängerregelung auf ihn Anwendung findet.
Unter EAS 324 wurde die Ansicht vertreten, dass die Grenzgängereigenschaft nicht verloren geht, wenn ein Dienstvertrag lediglich eine Arbeitszeit von 3 x 8 Stunden pro Woche vorsieht und daher ein Auspendeln in den anderen Staat nur an drei Tagen in der Woche nötig ist. Ob im Fall eines Gesellschaftergeschäftsführers die Grenzgängereigenschaft noch anerkannt werden kann, wenn er sich nur zwei Tage pro Woche auf liechtensteinischem Staatsgebiet aufhält, erscheint indessen fraglich, vor allem dann, wenn die leitenden Aktivitäten nicht nur in Liechtenstein ausgeübt werden. Allerdings ist diese Frage im Verhältnis zu Liechtenstein deshalb von untergeordneter Bedeutung, weil der in Österreich ansässige Gesellschaftergeschäftsführer infolge des im Bereich des Artikels 15 des DBA-Liechtenstein geltenden Anrechnungsverfahrens sowohl mit wie auch ohne Grenzgängereigenschaft seine Gesamtbezüge in Österreich der Besteuerung unterziehen muss. Sollte im vorliegenden Fall Liechtenstein die Grenzgängereigenschaft nicht anerkennen, bestehen keine Bedenken, auch auf österreichischer Seite so zu verfahren und die in diesem Fall abkommensgemäß nicht begrenzte liechtensteinische Quellensteuer auf die österreichische Einkommensteuer anzurechnen.
22. Mai 1998
Für den Bundesminister:
Dr. Loukota
Für die Richtigkeit
der Ausfertigung:
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | Art. 15 DBA FL (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Liechtenstein (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 24/1971 |
Schlagworte: | Geschäftsführerbezüge, Gesellschafter-Geschäftsführer, Zuteilungsregeln, Grenzgängereigenschaft |
Verweise: | EAS 296 |