EAS 751
Frage der Betriebstätte:
Übernimmt ein österreichisches Unternehmen als Generalunternehmer die Errichtung eines Hotelneubaues in Russland und werden mit der Bauplanung und Bauführung diverse in- und ausländische Subunternehmer beauftragt, dann begründet die Ausführung dieses Projektes für den Generalunternehmer eine Betriebstätte in Russland, wenn die Bauausführung länger als 24 Monate andauert (Art. 4 Abs. 2 DBA-UdSSR). Hierbei sind die Bauzeiten der Subauftragnehmer auch dem Generalunternehmer zuzurechnen.
Funktionsanalyse:
Begründet solcherart das russische Bauprojekt für den österreichischen Generalunternehmer eine Betriebstätte, dann ist im Rahmen einer "Funktionsanalyse" festzustellen, welche Aktivitäten des österreichischen Generalunternehmers tatsächlich auf der russischen Baustelle erbracht worden sind.
Sobald darüber Klarheit besteht, wird in einem weiteren Schritt zu untersuchen sein, welcher Gewinn von einem unabhängigen Unternehmer durch derartige (begrenzte) Aktivitäten erzielt worden wäre. Besteht daher die Funktion, die der österreichische Generalunternehmer an der russischen Baustelle wahrnimmt, lediglich in der Bauüberwachung, die durch gelegentliche Entsendung von einigen Unternehmensmitarbeitern sichergestellt wird, dann wird nur der diesen Aktivitäten zuordenbare Gewinnteil aus der österreichischen Besteuerungsgrundlage des Generalunternehmers gem. Art. 5 DBA-UdSSR auszuscheiden sein. Es wäre durchaus vorstellbar, dass für die Ermittlung dieses der russischen Baustelle zuzurechnenden Gewinnanteils die Kostenaufschlagsmethode angewendet wird.
Vorlaufaufwand:
Aktivitäten des österreichischen Generalunternehmers vor Beginn der russischen Bauausführung, also vor Begründung der ausländischen Betriebstätte, sind zwangsläufig den inländischen Betriebstätten des Stammhauses zuzurechnen. Sie führen damit nach den allgemeinen steuerlichen Grundsätzen in diesen Jahren zu in Österreich steuerlich absetzbarem Aufwand.
Betriebstättenfunktionsaufwand:
Sobald die russische Betriebstätte begründet ist, müssen jene Aufwandskomponenten, die ab diesem Zeitpunkt anfallen und den in dieser Betriebstätte erbrachten Funktionen zurechenbar sind, aus den in Österreich abzugsfähigen Betriebsausgaben ausgeschieden werden.
Ertragszuordnung:
Der aus dem russischen Bauvorhaben erwirtschaftete Ertrag wird nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung anlässlich seiner Realisierung (Hinweis auf Abschn. 33 Abs. 2 ESt-RL 1984: also erst nach Abnahme des Baues bzw. im Fall einer richtlinienkonformen Option alljährlich nach Maßgabe des Baufortschrittes) in Österreich zu erfassen sein; wobei hierbei nur die der russischen Baustelle funktional zuzurechnenden Ertragsanteile ausgeschieden werden dürfen.
Unzulässige Gewinnaufteilungsmethoden:
Eine Vorgangsweise, nach der ab dem Zeitpunkt der Baustellenbegründung der gesamte durch die russische Baustelle verursachte Aufwand auf einem gesonderten Baustellenkonto erfasst (und damit aus den österreichischen Betriebsausgaben entfernt) wird, wobei korrespondierend dazu aber auch der gesamte aus dem Bauvorhaben erzielte Ertrag aus der österreichischen Besteuerungsgrundlage ausgeschieden wird wäre nicht DBA-konform. Denn hiedurch würden auch jene Gewinne der österreichischen Besteuerung entzogen, die auf Leistungen zurückzuführen sind, die dem österreichischen Stammhaus zugerechnet werden müssen (insb. Auftragsakquisition, Angebotserarbeitung, Vertragsverhandlungen, Bauplanung, Finanzierung, Organisation der gesamten Bauabwicklung, Inlandsteil der Vorbereitung und Auswertung der Bauüberwachung vor Ort).
Aber auch die Anwendung eines innerbetrieblichen Kostenumlageverfahrens in der Art, dass der Gewinn aus dem russischen Bauvorhaben zunächst insgesamt aus der inländischen Besteuerungsgrundlage ausgeschieden wird und dass sodann im Kostenumlageverfahren die Aufwendungen des inländischen Stammhauses der ausländischen Betriebstätte weiterbelastet werden, erscheint gesetzlich nicht gedeckt. Dies deshalb, weil hiedurch offensichtlich keine dem Art. 5 DBA-UdSSR entsprechende fremdverhaltenskonforme Gewinnabgrenzung erzielt werden kann. Denn ein Unternehmer, der die Funktion eines Generalunternehmers innehat und der ein fremdes unabhängiges Unternehmen in Russland mit der nach seinen Instruktionen vorzunehmenden Bauüberwachung beauftragt, wird sich nicht mit einer bloßen Kostenvergütung zufrieden geben und ansonsten den Gesamtgewinn diesem russischen Beauftragten überlassen.
Arbeitsort der Subunternehmer:
Der Tätigkeitsort der Subunternehmer ist für deren Gewinnaufteilung, nicht aber für jene des Generalunternehmers von Relevanz. Wird daher vom österreichischen Stammhaus ein österreichischer Architekt mit der Ausarbeitung projektbezogener Pläne beauftragt (ein Auftrag der im Rahmen der Funktionen des Stammhauses ergeht), und werden hiefür die Grundlagenaufnahmen (Maße usw.) seitens des Architektenbüros in Russland, und nur die Planausfertigungen in Österreich erbracht, dann sind die hiefür beim Generalunternehmer anfallenden Aufwendungen jedenfalls insgesamt dem Stammhaus zuzurechnen (sie werden durch die in späteren Jahren eintretende Gewinnrealisierung steuerlich wieder entsprechend kompensiert).
11. November 1995
Für den Bundesminister:
Dr. Loukota
Für die Richtigkeit
der Ausfertigung:
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | Art. 4 Abs. 2 DBA RUS (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Russische Föderation (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 411/1982 |
Schlagworte: | Baubetriebstätte, Bauausführungsfrist, Baustelle, Baustellenfrist, Bauwerkserrichtung, Dienstnehmerentsendung, steuerliche Zurechnung, Gewinnaufteilung, Fremdverhaltenskonformität, fremdverhaltenskonform, Fremdverhaltensgrundsatz, Fremdüblichkeit, Funktion, Zurechnung |
Verweise: | Einkommensteuerrichtlinien 1984 Abschnitt 33 |