VwGH 2013/04/0015

VwGH2013/04/001526.2.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Dr. Mayr und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag.Pichler, über die Beschwerde des 1. P in G und 2. der R GmbH in G, beide vertreten durch Dr. Ralph Forcher, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Neutorgasse 51/II, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 12. Dezember 2012, Zl. Präs- 043437/2012/0008, betreffend Aufsperrstunde und Sperrstunde nach § 113 Abs. 5 GewO 1994 (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §10;
AVG §6 Abs1;
AVG §64a;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs4 Z1;
ZustG §5;
ZustG §7;
ZustG §9;
AVG §10;
AVG §6 Abs1;
AVG §64a;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs4 Z1;
ZustG §5;
ZustG §7;
ZustG §9;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz (belangte Behörde) wurde die Berufungsvorentscheidung des Stadtsenats der Landeshauptstadt Graz vom 24. August 2012 (im Folgenden: Berufungsvorentscheidung) gemäß § 68 Abs. 4 Z. 1 AVG iVm § 100 Abs. 1 Z 2 des Statuts der Landeshauptstadt Graz in Ausübung des Aufsichtsrechts für nichtig erklärt (Spruchpunkt 1.) und die Berufung des Erstbeschwerdeführers gegen den Bescheid des Stadtsenats der Landeshauptstadt Graz vom 27. Juli 2012 (im Folgenden: Erstbescheid) gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt 2.).

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, mit dem Erstbescheid sei der Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 113 Abs. 5 GewO 1994 für eine näher bezeichnete gastgewerbliche Betriebsanlage eine spätere Aufsperrstunde und eine frühere Sperrstunde vorgeschrieben worden. Die Zweitbeschwerdeführerin sei (seit Mai 2012) Inhaberin der verfahrensgegenständlichen Betriebsanlage.

Gegen den Erstbescheid habe der Erstbeschwerdeführer Berufung erhoben. Dieser Berufung sei mit der (an den Erstbeschwerdeführer gerichteten) Berufungsvorentscheidung gemäß § 64a Abs. 1 AVG stattgegeben und der Erstbescheid ersatzlos behoben worden.

Da der Erstbeschwerdeführer jedoch nicht Adressat des Erstbescheides und somit nicht berufungslegitimiert gewesen sei, habe der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz über dessen unzulässige Berufung in der Sache entschieden und sei somit funktionell unzuständig gewesen. Diese Unzuständigkeit sei von § 68 Abs. 4 Z. 1 AVG erfasst, weshalb die Berufungsvorentscheidung in Ausübung des Aufsichtsrechtes durch die belangte Behörde als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde für nichtig zu erklären gewesen sei (Begründung zu Spruchpunkt 1.).

Zu Spruchpunkt 2. führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, es bestehe kein Zweifel, dass die Berufung vom Erstbeschwerdeführer und nicht von der Zweitbeschwerdeführerin erhoben worden sei, weshalb diese mangels Legitimation zu ihrer Erhebung zurückzuweisen gewesen sei.

In der vorliegenden Verfahrenskonstellation hätte dies zur Folge, dass die mit dem Erstbescheid erfolgte Sperrstundenvorschreibung, die richtigerweise an die Zweitbeschwerdeführerin gerichtet worden und von ihr unbekämpft geblieben sei, in Rechtskraft erwachsen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Vorauszuschicken ist, dass es sich vorliegend um keinen Übergangsfall nach dem VwGbk-ÜG handelt und somit gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

2. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf Beachtung der Rechtskraftwirkung eines Bescheides und rechtskonforme Anwendung des § 68 Abs. 4 Z. 1 AVG verletzt.

3. Die Zweitbeschwerdeführerin bringt hiezu vor, sie sei in erster Instanz gar nicht Verfahrenspartei gewesen und werde durch den angefochtenen Bescheid plötzlich in die Situation versetzt, an die mit dem ihr nie zugestellten Erstbescheid verfügte Sperrstundenvorschreibung gebunden zu sein.

Nach der dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Aktenlage wurde der Erstbescheid mit Zustellverfügung dem nunmehrigen Rechtsvertreter der Beschwerdeführer "in Vertretung für die Zweitbeschwerdeführerin" zugestellt. Zu diesem Zeitpunkt wurde jedoch nur der Erstbeschwerdeführer durch diesen Rechtsvertreter vertreten. Zwischen dem Rechtsvertreter und der Zweitbeschwerdeführerin bestand danach kein aufrechtes Vertretungsverhältnis.

Die entsprechend der Zustellverfügung erfolgende Zustellung an eine Person, die zu Unrecht als Zustellungsbevollmächtigter der Partei angesehen wird, vermag gegenüber der Partei keine Rechtswirkungen zu entfalten. Die fehlerhafte Bezeichnung einer Person als Empfänger in der Zustellverfügung kann auch nicht heilen, weil kein Fall des § 7 ZustG vorliegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Juni 2008, Zl. 2005/11/0171; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2011, Zl. 2009/01/0049 mwN).

Somit wurde der Erstbescheid der Zweitbeschwerdeführerin nicht rechtswirksam zugestellt und konnte keine Rechtswirkungen entfalten. Daher wurde die Zweitbeschwerdeführerin durch die mit dem angefochtenen Bescheid verfügte Nichtigerklärung der Berufungsvorentscheidung jedenfalls nicht in den von ihr geltend gemachten subjektiven Rechten verletzt.

4. Der Erstbeschwerdeführer bringt vor, der Stadtsenat sei als zuständige Behörde 1. Instanz auch dafür zuständig gewesen, eine Berufungsvorentscheidung zu fassen. Die Anwendung des § 68 Abs. 4 Z 1 AVG sei deshalb unrichtig erfolgt. Der Auffassung der belangten Behörde, seine Berufung sei unzulässig gewesen, stehe entgegen, dass die Zweitbeschwerdeführerin nicht Verfahrenspartei gewesen sei.

Gemäß § 68 Abs. 4 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechts von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid von einer unzuständigen Behörde oder von einer nicht richtig zusammengesetzten Kollegialbehörde erlassen wurde.

Unzuständigkeit liegt auch dann vor, wenn die Berufungsbehörde über eine unzulässige Berufung in der Sache entscheidet (vgl. die bei Hengstschläger/Leeb, AVG, § 6 Rz. 17, wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Dies gilt auch für eine Berufungsvorentscheidung, zumal eine Berufungsvorentscheidung nach § 64a AVG als eine Entscheidung der Behörde in der Sache - ebenso wie eine Sachentscheidung der Berufungsbehörde nach § 66 Abs. 4 AVG - an die Stelle des mit Berufung angefochtenen Bescheides tritt (vgl. zu Letzterem das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2011, Zl. 2009/07/0151, mwN).

Im Beschwerdefall war der Erstbeschwerdeführer unstrittig nicht Adressat des Erstbescheides. Der belangten Behörde ist somit nicht entgegenzutreten, wenn sie die Auffassung vertrat, mit der Berufungsvorentscheidung sei zu Unrecht eine Sachentscheidung getroffen worden, und diese gestützt auf § 68 Abs. 4 Z 1 AVG aus dem Rechtsbestand beseitigte.

Das Vorbringen der Beschwerde, die belangte Behörde hätte auch den Erstbescheid für nichtig erklären müssen, geht schon deshalb ins Leere, da dieser Bescheid wie oben dargestellt nie rechtswirksam geworden ist.

5. Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 26. Februar 2014

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