VwGH 2012/17/0118

VwGH2012/17/011824.3.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrat Dr. Köhler, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer und Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) in 1090 Wien, Otto Wagner Platz 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 20. März 2012, Zl. UVS- 06/FM/46/3347/2011, betreffend Übertretung des § 48d Abs. 1 und § 82 Abs. 7 BörseG (mitbeteiligte Partei: Dr. R in M, vertreten durch die Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Partnerschaft von Rechtsanwälten in 1010 Wien, Parkring 2), zu Recht erkannt:

Normen

BörseG 1989 §48 Abs1 Z2 idF 2006/I/048;
BörseG 1989 §48a Abs1 Z1 idF 2004/I/127;
BörseG 1989 §48d Abs1;
BörseG 1989 §48 Abs1 Z2 idF 2006/I/048;
BörseG 1989 §48a Abs1 Z1 idF 2004/I/127;
BörseG 1989 §48d Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben der beschwerdeführenden Partei vom 1. September 2010 erging an den Mitbeteiligten (D) folgende

Aufforderung zur Rechtfertigung:

"Es wird Ihnen zur Last gelegt, folgende

Verwaltungsübertretungen begangen zu haben:

Taten (einschließlich Ort, Datum und Zeit der Begehung)

Die Finanzmarktaufsichtsbehörde hat folgenden Sachverhalt festgestellt:

Sie sind seit 01.01.2002 Vorsitzender des Vorstands der O(…)AG (Emittentin) mit der Geschäftsanschrift T(...).

Ad hoc Meldung vom 30.03.2009:

Am 30.03.2009 gab die im Amtlichen Handel der Wiener Börse (ein geregelter Markt) notierte O(...) (ISIN AT0(...)) ad hoc bekannt, dass sie ihren 21,2%-Anteil an M(...)Plc (... notiert im geregelten Markt in Budapest; ISIN HU0(...)) um EUR 1.400 Mio. an S(...) veräußert hat. In der Mitteilung, heißt es weiters: 'Auf Grund der seitens der Europäischen Union angedeuteten Auflagen und der Ablehnung seitens des M(...) Managements hat O(...) im August 2008 ihre Merger-Bestrebungen eingestellt. Daher ist der Verkauf, mit dem die Investment Bank J(...) beauftragt wurde, ein logischer Schritt, der O(...)s Strategie entspricht, im besten Interesse der Aktionäre zu agieren und den Wert dieses Investments zu maximieren. Mit EUR 1.400 Mio wurde ein guter Preis erzielt. Der Verkaufspreis entspricht HUF 19.212 pro Aktie, im Vergleich zu einem aktuellen Börsekurs von M(...) (Schlußkurs von Freitag) von HUF 9.940 pro Aktie.'

Der Verkaufsprozeß hinsichtlich der M(...):

Laut J(...) trat S(...) mit dem Wunsch nach einem Treffen mit der O(...) an J(...) heran, worüber die O(...) am Wochenende des 07/08.03.2009 in Kenntnis gesetzt wurde (Schreiben von J(...) vom 18.06.2009).

Das gewünschte Treffen fand am 14.03.2009 am Rande des OPEC-Meetings in Wien statt. D(...) war bei dem Treffen anwesend. Es wurden Kooperationsmöglichkeiten zwischen der O(...) und S(...) besprochen. Im Anschluss erhielt J(...) den Auftrag der O(...), die Transaktion, also den Verkauf des M(...)-Aktienpakets durch die O(...) an S(...), zu betreuen (Schreiben von J(...) vom 18.06.2009). Die O(...) signalisierte bei dem Treffen in Wien am 14.03.2009 an S(...) und J(...) ihre Bereitschaft, die M(...) Aktien unter bestimmten Bedingungen zu verkaufen.

Nach dem 14.03.2009 fanden Verhandlungen zwischen J(...) und O(...) betreffend den Verkauf der Anteile an der M(...) statt (vgl. E-Mails Beilage 1, die einen integrierten Bestandteil dieser Aufforderung bilden).

Den ausgearbeiteten Vorschlag der O(...) inkl. Preisvorstellung von EUR 1,5 Mrd. für das gesamte M(...)- Aktienpaket präsentierte J(...) am 18.03.2009 vor Vertretern von S(...) in Moskau.

Mit E-Mail vom 22.03.2009 von W(...), Mitarbeiter von J(...), an D(...) wurden folgende Informationen mitgeteilt (vgl. E-Mail vom 22.03.2009 in Beilage 1):

Geldstrafe von

Ad 1) EUR 12.000,00

ad 2) EUR 12.000,00

ad 3) EUR 12.000,00

falls diese uneinbringlich ist, Freiheitsstrafe von

9 Tage

9 Tage

9 Tage

Freiheitsstrafe von

Gemäß §§

§§ 9, 16, 22, 44a VStG iVm §§ 48 Abs. 1 Z 2 und Abs. 4, 48d Abs. 1, 48 a Abs. 1 Z 1 BörseG

Weitere Verfügungen (z.B. Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

--

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes

(VStG) zu zahlen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

§ 48a Abs. 1 Z 1 lit. a Börsegesetz 1989 - BörseG idF BGBl. I Nr. 127/2004 lautet:

"Marktmissbrauch

§ 48a. (1) Für Zwecke der §§ 48a bis 48r gelten folgende Begriffsbestimmungen:

1. 'Insider-Information' ist eine öffentlich nicht bekannte, genaue Information, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betrifft und die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs sich darauf beziehender derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen, weil sie ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde.

a) Eine Information gilt dann als genau, wenn sie eine Reihe von bereits vorhandenen oder solchen Tatsachen und Ereignissen erfasst, bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft eintreten werden, und darüber hinaus bestimmt genug ist, dass sie einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Tatsachen oder Ereignisse auf die Kurse von Finanzinstrumenten oder damit verbundenen derivativen Finanzinstrumenten zulässt."

Gemäß § 48d Abs. 1 BörseG haben die Emittenten von Finanzinstrumenten Insider-Informationen, die sie unmittelbar betreffen, unverzüglich der Öffentlichkeit bekannt zu geben. Nach § 48 Abs. 1 Z 2 BörseG idF BGBl. I Nr. 48/2006 beging eine Verwaltungsübertretung, wer gegen eine Verpflichtung gemäß u.a. § 48d Abs. 1 BörseG verstieß und war mit einer Geldstrafe bis zu EUR 30.000,-- zu bestrafen.

§ 82 Abs. 7 BörseG verpflichtet jeden Emittenten von Wertpapieren, die zum amtlichen Handel oder geregelten Freiverkehr zugelassen sind, die nach § 48d BörseG zu veröffentlichenden Tatsachen vor der Veröffentlichung der FMA und dem Börseunternehmen mitzuteilen. Wer diese Verpflichtung als Emittent nicht oder nicht rechtzeitig erfüllte, beging nach § 48 Abs. 1 Z 6 BörseG idF BGBl. I Nr. 48/2006 eine Verwaltungsübertretung und war ebenso mit einer Geldstrafe bis zu EUR 30.000,-- zu bestrafen.

Mit der Novelle zum BörseG BGBl. I Nr. 127/2004 wollte der Gesetzgeber den gesetzlichen Rahmen zur wirksamen Bekämpfung des Marktmissbrauches (Insider-Handel, Marktmanipulation) neu regeln, um das reibungslose Funktionieren der Wertpapiermärkte und das Vertrauen der Öffentlichkeit in diese Märkte zu gewährleisten und die Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Jänner 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) samt den zu deren Durchführung erlassenen Richtlinien der Kommission umsetzen (RV 546 XXII. GP, 3). Konkret wird in den Materialien dazu ausgeführt, dass mit § 48a BörseG Art. 1 der Richtlinie 2003/6/EG , sowie mit § 48a Abs. 1 Z 1 BörseG im Speziellen unter anderem Art. 1 der Richtlinie 2003/124/EG der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Begriffsbestimmung und die Veröffentlichung von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation umgesetzt werden sollen.

Der erste Absatz der Z 1 des Art. 1 der Richtlinie 2003/6/EG

(ABl. L 96/20) lautet:

"Artikel 1

Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten folgende Definitionen:

1. 'Insider-Information' ist eine nicht öffentlich bekannte präzise Information, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betrifft und die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs sich darauf beziehender derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen."

Die Erwägungsgründe zwei und 12 dieser Richtlinie nennen als Ziel das reibungslose Funktionieren der Wertpapiermärkte, die Sicherstellung der Integrität der Finanzmärkte der Union und die Stärkung des Vertrauens der Anleger in diese Märkte. Nach dem

24. Erwägungsgrund wird die Integrität des Marktes durch unverzügliche und angemessene öffentliche Bekanntgabe von Informationen gefördert. Selektive Weitergabe von Informationen durch Emittenten kann dazu führen, dass das Vertrauen der Anleger in die Integrität der Finanzmärkte schwindet.

Art. 1 der Richtlinie 2003/124/EG (ABl. L 339/70) lautet:

"Artikel 1

Insider-Informationen

(1) Für die Anwendung von Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2003/6/EG ist eine Information dann als präzise anzusehen, wenn damit eine Reihe von Umständen gemeint ist, die bereits existieren oder bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft existieren werden, oder ein Ereignis, das bereits eingetreten ist oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten wird, und diese Information darüber hinaus spezifisch genug ist, dass sie einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf die Kurse von Finanzinstrumenten oder damit verbundenen derivativen Finanzinstrumenten zulässt.

(2) Für die Anwendung von Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2003/6/EG ist unter einer 'Insider-Information, die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs damit verbundener derivativer Finanzinstrumente spürbar zu beeinflussen' eine Information gemeint, die ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde."

Nach dem ersten Erwägungsgrund der zuletzt genannten Richtlinie stützen verständige Investoren ihre Anlageentscheidungen auf Informationen, die ihnen vorab zur Verfügung stehen. Die Prüfung der Frage, ob ein verständiger Investor einen bestimmten Sachverhalt oder ein bestimmtes Ereignis im Rahmen seiner Investition zur Entscheidung berücksichtigt hätte, sollte folglich anhand der ex ante vorliegenden Informationen erfolgen. Eine solche Prüfung sollte auch die möglichen Auswirkungen der Information in Betracht ziehen, insbesondere unter Berücksichtigung der Gesamttätigkeit des Emittenten, der Verlässlichkeit der Informationsquelle und sonstiger Marktvariablen, die das entsprechende Finanzinstrument oder unter den gegebenen Umständen damit verbundene derivative Finanzinstrumente beeinflussen dürften. Im Nachhinein vorliegende Informationen können nach dem zweiten Erwägungsgrund zur Überprüfung der Annahme genutzt werden, dass die Ex-ante-Information kurserheblich war. Allerdings sollten diese Ex-post-Informationen nicht dazu verwendet werden, Maßnahmen gegen eine Person zu ergreifen, die vernünftige Schlussfolgerungen aus der ihr vorliegenden ex-ante-Information gezogen hat. Gemäß dem dritten Erwägungsgrund der genannten Richtlinie soll die Rechtssicherheit für die Marktteilnehmer durch eine genauere Bestimmung von zwei wesentlichen Tatbestandsmerkmalen der Insider-Information erhöht werden, nämlich die präzise Natur dieser Information und die Frage, ob diese Information möglicherweise den Kurs der Finanzinstrumente oder den Kurs damit verbundener derivativer Finanzinstrumente erheblich beeinflussen wird.

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) sprach im Urteil vom 28. Juni 2012 (Geltl, C-19/11 ) aus, nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG sei eine Information dann als präzise anzusehen, wenn zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt seien. Zum einen müsse mit der Information eine Reihe von Umständen gemeint sein, die bereits existieren oder bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen könne, dass sie in Zukunft existieren würden, oder ein Ereignis, das bereits eingetreten sei oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten werde. Zum anderen müsse sie spezifisch genug sein, dass sie einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf die Kurse von Finanzinstrumenten oder damit verbundenen derivativen Finanzinstrumenten zulasse (Rz 29). Das Vertrauen der Anleger in die Finanzmärkte der Union beruhe insbesondere darauf, dass die Anleger einander gleichgestellt werden (Rz 33).

Der EuGH kam zum Ergebnis, dass eine Insider-Information bei einem zeitlich gestreckten Vorgang, wie etwa laufenden Verhandlungen auch schon in einem Zwischenschritt gelegen sein könne, sofern eine präzise Information vorliege, die spezifisch genug sein müsse, dass sie einen Schluss auf die möglichen Auswirkungen der fraglichen Reihe von Umständen oder des fraglichen Ereignisses auf die Kurse von Finanzinstrumenten zulasse (Rz 27, 32 und 39). Darüber hinaus führte der EuGH zur Frage der Eintrittswahrscheinlichkeit aus, dass nur die deutsche Fassung der Richtlinie 2003/124/EG auf eine "hinreichende Wahrscheinlichkeit" abstelle, während alle anderen Sprachfassungen auf ein Adverb wie "vernünftigerweise" zurückgriffen, womit ein auf Regeln der allgemeinen Erfahrung beruhendes Kriterium eingeführt werde (Rz 42 und 44). Um zu klären, ob vernünftigerweise anzunehmen sei, dass in der Zukunft eine Reihe von Umständen existierten oder ein Ereignis eintreten werde, sei im jeweiligen Einzelfall eine umfassende Würdigung der bereits verfügbaren Anhaltspunkte vorzunehmen (Rz 45). Demnach seien Informationen über Umstände und Ereignisse, deren Eintritt nicht wahrscheinlich sei, nicht als präzise Informationen einzustufen. Andernfalls könnten die Emittenten nämlich meinen, zur Bekanntgabe von Informationen verpflichtet zu sein, denen es an Konkretheit mangle oder die nicht geeignet seien, den Kurs ihrer Finanzinstrumente zu beeinflussen (Rz 48). Die erforderliche Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Reihe von Umständen oder eines Ereignisses könne nicht nach dem Ausmaß der Auswirkung auf den Kurs von Finanzinstrumenten variieren (Rz 50). Beide Kriterien (Eintrittswahrscheinlichkeit und Kursbeeinflussung) stellten Mindestvoraussetzungen dar, von denen jede erfüllt sein müsse, damit von einer Insider-Information ausgegangen werden könne (Rz 52 und 53). Für die Eintrittswahrscheinlichkeit stellt der EuGH schließlich klar, dass Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG auf künftige Umstände oder Ereignisse abziele, bei denen eine umfassende Würdigung der bereits verfügbaren Anhaltspunkte ergebe, dass tatsächlich erwartet werden könne, dass sie in Zukunft existieren oder eintreten würden (Rz 56).

Diese Grundsätze sind auch für die Lösung des gegenständlichen Falles heranzuziehen, weil der österreichische Gesetzgeber die oben genannten Richtlinien mit dem BörseG umsetzen wollte und sie überwiegend wortgleich in das österreichische Recht übernahm. Dabei wurden etwa lediglich die in den Richtlinien enthaltenen Begriffe "präzise" und "spezifisch" durch "genau" und "bestimmt" ersetzt, die dafür gegebenen Definitionen jedoch beibehalten. Somit ist davon auszugehen, dass sie jeweils bedeutungsgleich sind.

Für den von der Strafbehörde dem Mitbeteiligten angelasteten Zeitpunkt, den 22. März 2009, schloss die belangte Behörde aus dem festgestellten Sachverhalt, dass es wohl einen Kaufinteressenten für die von der O-AG gehaltenen M-Aktien gegeben habe. Über dessen Erwerbsabsicht zu den von der O-AG angestrebten Verkaufskonditionen gab es auch eine Einschätzung der Investmentbank J., die zum Ratschlag führte, einen Rechtsanwalt zu konsultieren, eine Verkäuferdokumentation und Kernbotschaften für allfällige Bekanntgaben zu entwerfen sowie ein Honorar mit der Investmentbank J. zu vereinbaren. Darüber hinaus erfolgte die Mitteilung, dass eine wirtschaftlich und politisch einflussreiche und durchsetzungsstarke Persönlichkeit hinter dem Kaufinteressenten stünde.

Wenn die belangte Behörde im Hinblick auf die Ungewissheit des Kaufpreises Zweifel hatte, ob in dieser Phase des gestreckten Geschehensablaufs bereits hinreichende Wahrscheinlichkeit über das Zustandekommen des Geschäfts bestanden habe, so ist dies angesichts der von der O-AG mitgeteilten Preisvorstellung in der Höhe von EUR 1,5 Mrd. und des nicht einmal die Hälfte erreichenden Marktwerts der M-Aktien nachvollziehbar. Soweit dem die beschwerdeführende Partei entgegenhält, die O-AG habe in den Gesprächen mit S. von Beginn an klar kommuniziert, dass sie den M-Anteil nicht unter dem Buchwert (19.000 Forint pro Aktie) verkaufen würde und es sei allen Beteiligten klar gewesen, dass dieser Preis Bedingung eines möglichen Geschäfts gewesen sei, sodass der Wunsch nach Verhandlungen von S. im Bewusstsein über die hohe Differenz zwischen dem Marktwert und Buchwert wohl ernsthafte Kaufabsichten signalisiert habe, weicht sie von dem festgestellten Sachverhalt ab. Nach diesem machte die O-AG in einem ersten Gespräch mit S. lediglich auf den hohen Buchwert der M-Beteiligung aufmerksam und in einer ersten Reaktion der S. auf den Vorschlag der O-AG am 18. oder 19. März 2009 sei der Preis noch kein Thema gewesen.

Ein weiterer von der belangten Behörde gegen die Annahme, dass schon am 22. März 2009 der Verkauf der M-Aktien habe erwartet werden können, herangezogener Aspekt betrifft das Fehlen direkter Verhandlungen zwischen der O-AG und dem Kaufinteressenten. Dem hält die beschwerdeführende Partei entgegen, dass es darauf nicht ankäme, weil ohnedies beide Seiten mit der Investmentbank J. verhandelt hätten, die vom Kaufinteressenten beauftragt worden sei, den Kontakt mit der O-AG herzustellen. Damit bestand aber die Aufgabe der Investmentbank bloß darin, präsumtive Vertragspartner zusammenzubringen, und nicht für diese auch zu verhandeln. Davon war möglicherweise auch die Übermittlung der wechselseitigen Vorstellungen, wie etwa die von der O-AG aufgestellten Optionen für einen Verkauf oder eine Zusammenarbeit umfasst und nach den klaren Feststellungen im angefochtenen Bescheid sollte indes der Preis "den CEOs überlassen werden".

Schließlich war nach den unbekämpften Feststellungen im angefochtenen Bescheid zum genannten Stichtag am 22. März 2009 auch noch das Schicksal der für beide Seiten strategisch wichtigen M-Raffinerie unklar und es war offen, ob nur die Hälfte der von der O-AG gehaltenen M-Aktien verkauft werden sollte.

Angesichts der von der belangten Behörde aufgezeigten Unwägbarkeiten für das Zustandekommen eines Kaufvertrages über die von der O-AG gehaltenen M-Aktien kann dem unabhängigen Verwaltungssenat eine Überschreitung des Beurteilungsrahmens in umfassender Würdigung der Anhaltspunkte im Einzelfall für die Eintrittswahrscheinlichkeit nach § 48a Abs. 1 Z 1 lit. a BörseG - im oben dargestellten Sinn, ob der Abschluss des Geschäfts tatsächlich erwartet werden kann - nicht angelastet werden. An das im Urteil des Oberlandesgerichts Wien in einem Strafverfahren gegen den Mitbeteiligten gewonnene Ergebnis des Vorliegens einer Insider-Information war die belangte Behörde schon deshalb nicht gebunden, weil es sich um die Bestätigung eines Freispruchs handelte. Darüber hinaus lag dort - entgegen der Angabe im angefochtenen Bescheid - ein anderer Beurteilungszeitpunkt (mit zusätzlichen Sachverhaltselementen), nämlich der 23. März 2009 zugrunde, den die belangte Behörde nicht zu prüfen hatte. Sowohl im Spruch des Straferkenntnisses erster Instanz als auch in der gegen den Mitbeteiligten gesetzten Verfolgungshandlung war jeweils nur ein Verhalten bis 22. März 2009 erfasst. Damit war aber die Sache des Berufungsverfahrens auf diesen Zeitraum begrenzt (vgl. Köhler in Raschauer/Wessely, VStG, Rz 7 Vorbemerkungen vor § 51 ff).

Da es am 22. März 2009 lediglich die von der O-AG bekannt gegebene Preisvorstellung für den M-Anteil gab, der über dem doppelten Wert des Aktienkurses lag, und eine Einigung über das Entgelt den jeweiligen Vorstandsvorsitzenden der präsumtiven Vertragsparteien überlassen wurde, sind auch die von der belangten Behörde aufgezeigten Bedenken gegen die Annahme einer möglichen Kursbeeinflussung zutreffend. Ohne Angabe eines Verkaufspreises in einer Ad-hoc-Meldung am 22. März 2009 könnte ein verständiger Anleger darüber nur spekulieren und bei Zugrundelegung des damals niedrigen Börsekurses der M-Aktien eher negative und bei Annahme des letztlich erzielten und in der Bilanz der O AG ausgewiesenen Buchwerts des M-Anteils wohl eine positive Auswirkung auf die Entwicklung der O-Aktien vermuten. Mangels einer Bezifferung des Kaufpreises ist die Information daher nicht so ausreichend bestimmt, dass sie einen Schluss auf die mögliche Auswirkung auf den Kurs des Finanzinstruments zuließe. Da es am 22. März 2009 für die O-AG sowohl an der Eintrittswahrscheinlichkeit für das Zustandekommen eines Verkaufs der M-Aktien fehlte als auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vorlagen, welcher Verkaufspreis bekanntzugeben gewesen wäre, womit es an der Bestimmtheit für die mögliche Auswirkung des Ereignisses auf den Kurs des Finanzinstitutes mangelte (zur Trennung von Eintrittswahrscheinlichkeit und Kursrelevanz in Ablehnung der probability/magnitude-Formel der US-amerikanischen Rechtsprechung

s. etwa Rehahn, Teilschritte gestreckter Vorgänge als Insiderinformationen, GPR 2012, 319), war die Auffassung der belangten Behörde, zum angelasteten Tatzeitpunkt am 22. März 2009 sei noch keine genaue und somit ad hoc meldepflichtige Insider-Information gemäß §§ 48d Abs. 1 Z 1a BörseG vorgelegen, nicht zu beanstanden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 und § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 24. März 2014

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